Kieler Erinnerungstag:12. Februar 1862
Der Schreventeich wird zum Kieler Trinkwasserreservoir

Vor 150 Jahren konnte die Stadt Kiel einen Meilenstein im Ausbau einer hygienischen Trinkwasserversorgung feiern: Am 12. Februar 1862 übertrug der dänische König nach langen Verhandlungen den Schreventeich „zum freien und unwiderruflichen Eigentum der Stadt Kiel“. Der Schreventeich wurde dringend gebraucht: für eine zentrale Wasserversorgung der wachsenden Stadt.

Schon im Mittelalter: Trinkwasser aus umliegenden Teichen

Jahrhundertelang hatte die Stadt bereits aus den umliegenden Teichen, die durch Niederschläge gespeist wurden, ihr Trinkwasser bezogen. Zwar gab es seit der Entstehung der Stadt innerhalb der Stadtmauern öffentliche und private Brunnen. Aber diese konnten den Wasserbedarf schon bald nicht mehr decken: Wenige Jahre nach Gründung der Stadt 1242 wird in den Quellen für das Jahr 1284 eine Wasserleitung von der Holstenstraße zum Heiligengeisthospital an der Holstenbrücke erwähnt. Woher diese Leitung kam, ist nicht bekannt. Vielleicht von außerhalb der Stadt, wie es später auch der Fall war. Denn Kiel, damals auf der Halbinsel zwischen der Förde und dem Kleinen Kiel gelegen, hat eine durchschnittliche Höhe von 5 m über NN, die Hänge außerhalb, in deren Bereich die Teiche lagen, sind bis zu 20 m hoch. Das Wasser aus ihnen konnte also mit natürlichem Gefälle in die Stadt fließen.

Mitte des 15. Jahrhunderts ließ die Stadt eine neue Wasserleitung vom Gebiet des Kuhberges zum Markt bauen. „Später wird immer nur der Galgenteich und der Schreventeich genannt, und es bleibt dahingestellt, ob nicht 1444 der Kuhberg im weitesten Sinne, d. h. mit den dahinter liegenden Galgenteichen gemeint war oder ob diese Leitung nicht vom Galgenteich kommend am Kuhberg entlang führte“ (Hedwig Sievert).

„Pfeifenbäume“ transportieren das Wasser

Die beiden Galgenteiche lagen westlich des Exerzierplatzes in der Gegend der heutigen Mölling-, Stift- und Körnerstraße. Durch einen offenen Graben floss das Wasser in den Bornteich oder Heller in dem Gebiet der heutigen Waisenhofstraße zwischen Rathaus- und Dammstraße. Von dort führte eine unterirdische Leitung weiter in die Stadt. Die Röhren dieser Wasserleitung bestanden jahrhundertelang aus durchbohrten Baumstämmen. Sie hießen Pfeifenbäume, auf plattdeutsch „Piepenböme“, abgeleitet von „Piep“, was die „Röhre“ bedeutet. Die ausgebohrten Stämme aus Eiche, Buche, Erle oder gotländischer Tanne wurden am Ende glatt abgesägt, aneinandergefügt und durch Kupferbleche verbunden. Erst durch eine Stiftung des Hof- und Landgerichtsadvokaten Carl Friedrich Schmidt wurden im 19. Jahrhundert die hölzernen Rohre durch eiserne ersetzt. In seinem Testament legte er 1821 fest: „Meiner geliebten Vaterstadt Kiel vermache ich 10 000 Rthr. Ct. zu ihrer Verbesserung und Verschönerung. Die Holstenstraße soll statt der hölzernen Wasserröhren mit eisernen versehen, und weil sodann kein Aufbrechen weiter nötig ist, diese auf das Beste und Dauerhafteste gepflastert werden“.

Die Wasserleitung führte vom Bornteich die Rathausstraße entlang zur Fleethörn, ging dann durch die Vorstadt über die Holstenbrücke durch die Holstenstraße. Von hier gingen Abzweigungen zur Straße Hinter der Mauer (Torstraße) und zur Faulstraße. Am Markt teilte sich dann die Leitung zur Schumacher- und Dänischen Straße. Zisternen fingen das Wasser vom Kuhberg, bzw. vom Galgenteich auf. Sie lagen in der Nähe öffentlicher Einrichtungen, z. B. der Armenhäuser, des Rathauses und auf dem Markt. Hier holten zumeist die Frauen in Eimern und Krügen das Wasser nach Hause. Daneben gab es noch gut ein Dutzend weiterer Zapfstellen. Begüterte Personen konnten sich eine private Zapfstelle leisten, wofür sie eine Gebühr, das Postgeld, zu zahlen hatten. Der Name erklärt sich durch die hölzernen Pfosten, die „Pöste“,durch die das Wasser floss.

Schwere Strafen für Wasserfrevler

Das Kieler Trinkwasser war von zweifelhafter Qualität. An den Ufern der Teiche musste im Spätfrühling das Unkraut gemäht werden, damit „zu aller Zeit gutes und klares und nicht in Fäulnis übergehendes Wasser erhalten werde“. Dennoch bestätigte ein Gutachten der Kämmerei, dass durch den offenen Graben zwischen Galgen- und Bornteich „ekelhafteste Verunreinigungen entstehen“.

Schlimmer noch stand es um die Brunnen in der Stadt. Fast die Hälfte aller Brunnen lieferte gesundheitlich bedenkliches Wasser, was daran lag, dass Kloaken und Brunnen häufig in direkter Nachbarschaft lagen und es keine hygienisch einwandfreie Abwasserentsorgung gab.

So war der Stadt daran gelegen, mutwillige Verunreinigung des Wassers zu verhindern. In den „Burspraken“, den Polizeiverordnungen, wurde im 15. Jahrhundert bei höchster Strafe verboten, den „Born“, die Wasserleitung, inner- und außerhalb der Stadt zu beschädigen. Ebenfalls unter Androhung höchster Strafen wurde im 17. Jahrhundert untersagt, Unrat in die Brunnen zu schütten, Wäsche darin zu waschen und die Pferde in den „Pösten“ zu tränken. Aber manche Bewohner trieben es noch schlimmer. In einem Brunnen wurde eine tote Katze, in einem anderen eine vergiftete Ratte gefunden.

Wasser für das Schloss aus dem Schreventeich

Das Schloss hatte eine eigene Wasserversorgung: Es bezog das Wasser aus dem Schreventeich. „Des greven Teich“, des Grafenteich, war im landesherrlichen Besitz. Die Wasserleitung führte durch die heutige Legienstraße, die Wilhelminenstraße und die Brunswik zum Schloss. Seit 1519 durfte auch das Franziskanerkloster sein Wasser aus dieser Leitung zapfen. Später erhielten ebenfalls einige adlige Häuser in der Dänischen Straße die Vergünstigung, Wasser daraus zu entnehmen. Die Kieler Bürger aber hatten kein Anrecht auf das Wasser des Schreventeiches. Ihnen stand nur das Wasser zu, was von dort in den Galgenteich floss.

Wenn das Schloss unbewohnt war, durften die Kieler aber aus dem dortigen Wasserbehälter Wasser holen. Sie müssen es übertrieben haben, denn 1756 wurde verboten, „vom Springbrunnen im Schloss Wasser mit Wagen wegzufahren und dort Leinen und Kleider zu waschen“.

Der Schreventeich als Wasserreservoir der Stadt

Da der Schreventeich größer ist und in einer größeren Höhe (22,8 m über NN) liegt als der Galgenteich (13,8 m über NN), versuchte die Stadt schon seit dem 17. Jahrhundert, ihn vom Landesherrn zu erwerben. 1837, 1841 und in den 1850er Jahren wurde erneut darüber verhandelt, besonders in Zeiten des Wassermangels. Aber die Beratungen verliefen ergebnislos, weil der Rat der Stadt die Ausgaben scheute. Erst am 12. Februar 1862 ging der Schreventeich, damals viel größer als heute, an die Stadt über. Diese wurde verpflichtet, ihn „zu reinigen und innerhalb von drei Jahren ... als Behälter für die Wasserversorgung der Stadt einzurichten“. Außerdem verlangte die Regierung, eine neue Leitung durch die Brunswik zum Schloss zu verlegen und weitere öffentliche Gebäude, u. a. die akademischen Heilanstalten am Schloss, mit Wasser zu versorgen.

Die Arbeiten am Teich begannen bereits 1862. Zunächst wurde ein Bassin auf 3,5 m Tiefe ausgehoben und das Zuflussgebiet durch Drainage vergrößert. Der Schlick- und Erdaushub wurde für die Aufschüttung eines Dammes genutzt, der das Gewässer in einen größeren nördlichen und einen kleinen südlichen Teil verwandelte. Wesentliche Erdmassen gelangten an den Kleinen Kiel, wo die sumpfigen Wiesen zwischen Dammstraße und Fleethörn, heute der Hiroshimapark, aufgeschüttet wurden. Der flache nördlich Teil war bis 1869 zugeschüttet und später in Kleingärten umgewandelt.

Die Regulierungsarbeiten im westlichen Teil waren 1863 beendet. Nun konnten die Feuerpfosten, die öffentlichen Wasserpfosten und die Privatleitungen in Betrieb genommen werden. Ob das ungeklärte und ungefilterte Oberflächenwasser den Ansprüchen aller Bürger entsprach, ist zu bezweifeln. Geert Seelig erinnerte sich, dass auch nach 1862 „in den Hauptstraßen noch zahlreiche Pumpen standen, offenbar um das vorzügliche Brunnenwasser gegenüber dem minderwertigen Leitungswasser zum Trinken zu bewahren“.

Wasserknappheit in Kiel

Bereits 1874 gab es in der Stadt Wassermangel aufgrund der steigenden Bevölkerungszahl, denn Kiel war 1871 Reichskriegshafen geworden. Der Wasserspiegel des Schreventeiches sank in diesem Jahr auch wegen geringer Niederschläge auf 8 cm. Von Ende November 1874 bis Ende Januar 1875 hatte er gar kein Wasser mehr.

Um dem Wassermangel abzuhelfen, wurden 1875 im Bereich der Fleethörn, 1876 an der Vollrathswiese und an der Eisenbahn Kiel-Altona Tiefenbrunnen geschlagen. 1879/80 erfolgte dann der Bau des ersten Kieler Grundwasserwerkes an der Eisenbahn Kiel-Altona. Im Juni 1880 konnte das Wasser in die städtischen Leitungen eingespeist werden. Als im Oktober des selben Jahres der 2000 Kubikmeter fassenden Wasserbehälter im Vieburger Gehölz fertiggestellt war, wurde der Schreventeich vom Versorgungsnetz der Stadt getrennt. Die Zeit, dass die Kieler ihr Trinkwasser aus Oberflächenwasser bezogen, war vorbei. In den nächsten Jahren erfolgte der Bau weiterer Wasserwerke: 1889 am Schulensee, 1910 im Schwentinental, 1922 in Pries und 1928 in der Wik.

Der Wasserturm auf dem Ravensberg ist seit 1898 ein bestimmendes Gebäude der Kieler Stadtsilhouette.

Anders als die zugeschütteten Galgenteiche bekam der Schreventeich eine neue Funktion: als idyllischer Parkweiher des 1901/02 neu angelegten Schrevenparks.

Autorin: Christa Geckeler (1937 - 2014)


Quellen

Akte Nr. 4012, Stadtarchiv Kiel

Literatur

Albrecht, Uwe

Brunnen, „Piepenbäume“ und Zisternen, in: Uwe Albrecht /Anke Feiler: Stadtarchäologie in Kiel. Ausgrabungen nach 1945 in Wort und Bild, Sonderveröffentlichung der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Band 30, Neumünster 1996, S. 84-92

Briel, Jutta

Kiel und die Trinkwasserversorgung, in: Nordelbische Kirchenzeitung, Nr. 41, 11. Oktober 1992

Förster, Hermann

Alt-Kiel, seine Seen, Teiche, Auen und Gräben. Ein Beitrag über die Kanalisation und über die öffentlichen Gewässer einst und jetzt, hrsg. von der Stadtentwässerung Kiel, Kiel 1950, S. 18-20

Klewin, Ferdinand

Stadtbummel durch Alt-Kiel, Kiel 1989, S. 56-62

Kröhnke, G. H. A.

Über die Erwerbung des Schreventeiches und seine Benutzung zur vollständigen Wasserversorgung der Stadt Kiel, Kiel 1853

Leisner, Max

Ein ehrbar Rath und gantze Bürgerschaft, Kiel 1968, S. 61-67

Pippig, R.

Denkschrift über die Gas- und Wasserversorgung der Stadt Kiel, Kiel 1891, S. 5. S. 35-39

Sievert, Hedwig

Kiels Wasserversorgung in alter Zeit, in: Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Band 45, 1948-1952, S. 17-32

Überblick über die geschichtliche Entwicklung der Kieler Wasserversorgung,

Stadtwerke Kiel, 1955

1889-1989. 100 Jahre Kieler Trinkwasser,

in: leben, Kundenzeitschrift der Versorgung und Verkehr Kiel GmbH (VVK), Nr. 48, Mai 1989



Dieser Artikel kann unter Angabe des Namens der Autorin Christa Geckeler, des Titels Kieler Erinnerungstage: 12. Februar 1862 | Der Schreventeich wird zum Kieler Trinkwasserreservoir und des Erscheinungsdatums 12. Februar 2012 zitiert werden.

Zitierlink: https://www.kiel.de/erinnerungstage?id=161

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