Sozialbericht 2019

100 Sozialbericht 2019 Aussichten/Fazit „Jeder möchte lange leben, aber keiner will alt sein“ (Jonathan Swift). Nach heutigem Kenntnisstand ist gewiss, dass es Niemandem gelingen wird. Bereits nach Abschluss der Wachstumsphase im jugendlichen Alter setzt der körperliche Alterungsprozess ein. Ab die- sem Zeitpunkt könnte jeder Geburtstag und jedes Lebensalter mehr für all diejenigen zum Schreckensszenario werden, die Alter ausschließlich mit Siechtum, Verwirrtheit, Pflegebe- dürftigkeit und Einsamkeit gleichsetzen. Glücklicherweise hat sich in den letzten Jahren die- ses defizitorientierte Bild gewandelt und ist der Erkenntnis gewichen, dass die Lebensphase Alter über Jahrzehnte ein Lebensabschnitt sein kann, der aktiv und selbstbestimmt gestaltet werden kann. Auch Belastungen, wie gesundheitliche Einschränkungen, Verluste von An- gehörigen und Freunden oder Einschränkungen der kognitiven Leistungsfähigkeit schränken die Lebenszufriedenheit häufig nicht gravierend ein, wie die „Zweite Hundertjährigen Studie“ der Universität Heidelberg belegt. 94 Ob die Lebensphase Alter positiv erlebt wird, hängt neben vielen persönlichen Faktoren, entscheidend von der Gestaltung der äußeren Lebens- bedingungen ab. Der 7. Altenbericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2016 verdeutlicht in diesem Zusammenhang, dass ein gutes Leben im Alter angesichts des demografischen Wan- dels nur in einem Zusammenwirken der verschiedenen Akteurinnen und Akteure verwirklicht werden kann. Pflege- und Sorgeaufgaben müssen dabei gender- und generationengerecht auf viele Schultern verteilt und solidarisch getragen werden. 95 Doch reicht die Verteilung der Sorgeaufgaben allein nicht aus, um ein gutes Leben im Alter zu gestalten und Autonomie sowie Selbstbestimmung zu erhalten. Förderliche Rahmenbedingungen auf struktureller Ebene sind eine gute Wohnqualität, Verkehrsanbindung und Infrastruktur sowie vielfältige Möglichkeiten des intergenerativen Austausches, des Knüpfens sozialer Kontakte sowie Bil- dungsangebote. 96 Auf gesellschaftlicher und politischer Ebene bedarf es einer altersfreundli- chen Kultur, welche die Bedürfnisse, Interessen und Fähigkeiten von älteren Menschen in der gleichen Art und Weise beachtet und ihnen ebenso viele Möglichkeiten der Partizipation und Mitgestaltung eröffnet, wie den jüngeren Menschen. 97 Die Landeshauptstadt Kiel gestaltet aktiv die vielfältigen Herausforderungen, die die Le- bensphase Alter angesichts des demografischen Wandels an die Kommune und die Gesell- schaft stellt. Gleichzeitig nutzt sie die entstehenden Ressourcen und Potentiale der älterwer- denden Gesellschaft. Diese Haltung hat zahlreiche Veränderungsprozesse in Gang gesetzt. Zu nennen sind hier der Ausbau von Vernetzungs- und Kooperationsstrukturen auf unter- schiedlichen Ebenen, die Veränderung der offenen Seniorinnen- und Seniorenarbeit durch die Etablierung der Anlaufstellen Nachbarschaft (anna), die Förderung von Teilhabe und Selbstbestimmung durch vielfältige Angebote und Projekte, die Beratung durch den Pflege- stützpunkt sowie die Förderung von Prävention und Gesundheit im Alter. Gerade Gesundheit im Alter ist auch ein Thema der jüngeren Generation: Sei es durch die Sorge um die alternden Eltern oder, mit Blick auf die veränderten Berufsbiografien, das eigene Wissen um die Zu- sammenhänge von Altersarmut und Gesundheit. Das Amt für Gesundheit hat Gesundheit im Alter als vordringliches Gesundheitsziel erkannt und unterstützt deshalb das Nationale ÄLTER WERDEN IN KIEL 94 Vgl. Jopp, Daniela S. u.a.: Zweite Heidelberger Hundertjährigen-Studie. Herausforderungen und Stärken des Lebens mit 100 Jahren. Heidelberg, 2013. S. 39ff. 95 Vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Soziales und Frauen und Jugend, 2016 96 Vgl. Kruse, Andreas: Lebensphase hohes Alter: Verletzlichkeit und Reife. Berlin, 2017. S. 412. 97 Vgl. Institut für Gerontologie an der TU Dortmund. Bertermann, Britta: Arbeitspapier: Partizipation im Alter. Dortmund, 2011. S. 9f. Ob die Lebensphase Alter positiv erlebt wird, hängt neben vielen persönlichen Faktoren, entscheidend von der Gestaltung der äußeren Lebensbedingungen ab.

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