Sozialbericht 2023
94 Sozialbericht 2023 Bis 2015 wurden jährlich zwischen 30 und 55 Jugendliche in Obhut genommen. Das verän- derte sich in den Folgejahren sprunghaft: In 2022 kamen bis zum 31. Dezember 105 junge Menschen in die Zuständigkeit der Jugendhilfe. Kinder und Jugendliche, die unbegleitet in Kiel eintreffen, werden vom Allgemeinen Sozialdienst (ASD) in Obhut genommen und von den Kinder- und Jugendhilfediensten (KJhD) des Jugendamtes untergebracht und betreut. Als »Inobhutnahme« bezeichnet man eine vorläufige Schutzmaßnahme für Kinder und Ju - gendliche in einer Notsituation auf Grundlage des § 42 SGB VIII. Während der Inobhutnahme in einer Jugendhilfeeinrichtung oder Bereitschaftspflegefamilie hält der ASD Kontakt zum jungen Menschen, ist Ansprechpartner für alle Beteiligten und klärt, ob und welche Hilfe erforderlich ist, um die Sicherheit des Kindes oder Jugendlichen nachhaltig zu gewährleis- ten. Darüber hinaus wird eine Art »Notvertretungsrecht« ausgeübt: Die Vormundschaft wird beim Familiengericht beantragt und erste aufenthaltsrechtlichen Fragen geklärt. Bundes- und landesweit wird eine gleichmäßige Verteilung auf alle Kommunen und Kreise angestrebt, so dass junge Geflüchtete, die in Kiel angekommen sind, gegebenenfalls beim Land zur Weitervermittlung angemeldet werden, wenn die Anzahl die Aufnahmequote für Kiel übersteigt. Familiäre Netzwerke oder spezifische Erkrankungen werden berücksichtigt und können gegen eine Umverteilung sprechen. Etwa 90 % der in Obhut genommenen Kinder und Jugendlichen sind männlich und älter als 14 Jahre. Im Anschluss an die Inobhutnahme werden die jungen Geflüchteten in einer Ein - richtung der Jugendhilfe oder im »Betreuten Wohnen« untergebracht und dort pädagogisch betreut. Die pädagogische Unterstützung endet in der Regel nicht mit Eintritt der Volljährig- keit, sondern wird oftmals bis zum 21. Lebensjahr fortgesetzt. Ziel ist das selbstverantwort- liche Leben in einer eigenen Wohnung. Die individuelle Unterstützung mit dem Ziel der gesellschaftlichen, sozialen und beruflichen Integration sowie der selbstständigen Lebensführung steht auch für die begleitet einge- reisten minderjährigen Ausländer (BumA) im Vordergrund. »Begleitet« bedeutet in diesem Fall, dass sie durch ihre Eltern in die Obhut ihnen bekannter Personen gegeben worden sind. Mit diesen Begleitpersonen ist ein Zusammenleben im familiären Verbund möglich und die Unterbringung in einer Jugendhilfeeinrichtung meist entbehrlich. In der Regel handelt es sich um Kinder und Jugendliche, die in Fluchtgemeinschaften, manchmal auch in Begleitung von Verwandten, eingereist sind. Minderjährige ukrainische Kinder und Jugendliche mussten bisher nur selten in Obhut genom- men werden. Sie reisen in der Regel mit eindeutigen Papieren beziehungsweise Willensbekun- dungen der Eltern in Begleitung von anderen erwachsenen Personen ein. In diesen Fällen hat der ASD zu prüfen, ob die Begleitpersonen bis zur Klärung der Vormundschaft als Erziehungsberech- tigte anerkannt werden können und ob ihre Lebensführung dazu geeignet ist, die jungen Men- schen bei sich aufzunehmen. Insbesondere ist die Sicherung des Lebensunterhalts festzustellen. Lernen in fremder Sprache, Umgebung und Kultur Struktur und Orientierung sind für alle Menschen wichtig, insbesondere jedoch für Kinder, die noch keine angemessenen Bewältigungsstrategien für das Fluchtgeschehen und die damit verbundenen negativen Lebenserfahrungen haben. Zudem finden sie eine fremde Um - gebung vor, in der es andere Regeln, eine andere Kultur und eine andere Sprache gibt. AUFNAHME UND INTEGRATION ZUGEWANDERTER MENSCHEN
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