Nachhaltiges Kiel

Wir machen Zukunft

In Kiel gibt es viele engagierte Menschen, die sich mit guten Ideen und viel Tatendrang dafür einsetzen, dass unsere Fördestadt nachhaltig und zukunftsfähig wird.

Jeden Monat stellen wir eine*n Kieler Zukunftsmacher*in in einem Kurzinterview vor. Sie kennen Leute, die unbedingt dazugehören? Dann lassen Sie uns das gerne wissen.

März 2021 Luisa Mejia - Café del Cielo

Portraitfoto
Foto: Viktoria Micheel

Was hat Dich nach Kiel geführt?

Das war eine lange Reise von etwa 10.000 Kilometer. Ich wurde in Bogota, der Hauptstadt Kolumbiens, geboren. Ich habe in meinem Heimatland Biomedizintechnik studiert und war sehr frustriert, weil ich gerne praktische Erfahrungen gesammelt hätte, aber leider ist Kolumbien ein Konsument von Medizintechnik, kein Produzent. Da beschloss ich, von den Besten zu lernen und bewarb mich für einen Masterstudiengang in Biomedizintechnik an der Universität zu Lübeck.

Nach meinem Masterabschluss bekam ich eine Stelle als Projektingenieurin bei Stryker in Schönkirchen, kurz darauf lernte ich hier die Liebe meines Lebens kennen und der Rest ist Geschichte. Ich kann nur sagen, die Zeit vergeht wie im Flug... das ist jetzt schon zwölf Jahre her.

Was genau machst Du?

Achtung, es ist kompliziert... Ich bin eine Wissenschaftlerin im Körper einer Kaffeebauerin. Ich weiß, das klingt verrückt, aber ich werde es Ihnen erklären. Ich arbeite derzeit als Forscherin am Institut für Medizinische Informatik an der Universität Kiel. Die digitale Transformation im Gesundheitswesen ist meine Leidenschaft. Aber ich habe auch noch eine andere Leidenschaft, und als gute Kolumbianerin ist das der Kaffee. Ich bin die Gründerin von Café del Cielo.

Während eines Besuchs bei meiner Familie in Kolumbien, habe ich im Jahr 2017 eine kleine Kaffeefarm gekauft. Damals war mein Traum, einen kleinen Rückzugsort zu bauen, um den langen deutschen Winter zu entkommen. Ich hatte keine Ahnung von Kaffeeanbau. Langsam begann ich, den faszinierenden Prozess der Herstellung des Kaffees, den wir jeden Morgen genießen, zu entdecken und mich in ihn zu verlieben.

Aber ich erfuhr auch von den vielen Problemen, die hinter dem Kaffeehandel stehen, und den Folgen, die dieser für Natur und Menschen hat. So beschloss ich, diese winzige Kaffeefarm in eine biologische und nachhaltige Farm umzuwandeln, auf der Natur und Menschen in Harmonie miteinander existieren können.

Nach drei Jahren harter Arbeit erzielten wir unsere erste Ernte und exportierten diese selbst nach Deutschland. Im Dezember 2020 gründete ich Café del Cielo (CDC) und derzeit verkaufen wir unseren Kaffee direkt über unseren Online-Kaffeeshop. Auch wenn das für einen Verbraucher ganz normal klingt, ist es für einen Kleinbauern fast unmöglich, seinen eigenen Kaffee zu exportieren und zu vertreiben.

Café del Cielo ist spanisch und bedeutet Kaffee vom Himmel. Der Name bezieht sich auf die große Höhe unserer Farm, etwa 1700 m über dem Meeresspiegel.

Welche SDGs sind von Deinem Engagement besonders berührt?

Die Pandemie hat die Notwendigkeit der Nachhaltigkeit und Ethik der Produkte, die wir kaufen, bewusster denn je gemacht. Die Werte von Café del Cielo basieren auf drei Dimensionen der Nachhaltigkeit - ökologisch, wirtschaftlich und sozial. In unserer Arbeit streben wir die folgenden 4 SDGs an:

SDG 1 - Keine Armut und SDG 8 - Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum: Wir bei Café del Cielo (CDC) glauben, dass jeder Mensch das Recht hat, für seine Arbeit einen gerechten Lohn zu erhalten.

Über viele Generationen hinweg war Kaffee eine sehr ausbeuterische Industrie. Heute liefern sich die großen Marken einen Preiskampf um die niedrigsten Preise. Am Ende wird die Last auf den Bauern abgewälzt, was die Armut in den Herkunftsländern noch weiter erhöht.

Als Teil unseres "Seed to Cup"-Konzepts bauen wir unseren eigenen Kaffee an, importieren ihn und liefern ihn direkt zu Ihnen nach Deutschland, wodurch die Lieferkette radikal verkürzt wird. Dieses Konzept ermöglicht es uns, einen höheren Wert für unseren Kaffee zu erzielen. Auf diese Weise können wir unseren Arbeitern einen fairen Lohn zahlen und uns auf die Produktion von Qualität statt Quantität konzentrieren.

Wenn unser Plan weiter aufgeht, können wir eine Brücke für Kleinbauern schaffen, um ihren Kaffee direkt zu einem anständigen Preis in Europa zu verkaufen. Bauern brauchen keine Almosen; es ist einfach das Recht der Menschen, für die Arbeit, die sie leisten, bezahlt zu werden.

SDG 15 - Leben auf dem Land

Bei Café del Cielo wissen wir, dass ein guter Kaffee das Ergebnis eines guten Bodens und eines ausgewogenen Ökosystems ist. Eine unglaubliche Vielfalt an Insekten und Vögeln, die Teil dieses Prozesses sind, müssen erhalten und geschützt werden.

Die Region, in der sich unsere Farm befindet, beherbergt etwa 650 Vogelarten. Aus diesem Grund verwenden wir keine Pestizide, Herbizide oder Kunstdünger. Wir vermeiden den Einsatz von Monokulturen. Neben Kaffee werden auf unserer Farm eine Vielzahl anderer Produkte wie Kochbananen, tropische Früchte, Blumen, Zitrusbäume und Bohnen angebaut. Seit wir die Farm gekauft haben, wurden große Bäume gepflanzt. Das ist besonders wichtig, weil Vögel diese Bäume brauchen, um zu überleben.

Wenn unser Plan weiterhin funktioniert, werden wir in naher Zukunft in der Lage sein, anderen Bauern bei der Umwandlung ihrer Farmen in Biobetriebe zu unterstützen.

SDG 12 - Nachhaltige/r Konsum und Produktion

Kiel ist unsere Heimat und lokal zu handeln ist ein wesentlicher Teil unserer Philosophie. Wir sind super stolz darauf, dass unser Kaffee jede Woche frisch in Kiel geröstet wird, von unserem Lieblingsröster und dem bekanntesten der Stadt: Axel Datschun / Loppokaffe. Wir rösten jede Woche nur kleine Mengen an Kaffee und vermeiden so die Verschwendung von ungenutztem Produkten.

Indem wir die Qualität über den Preis stellen, werden wir alle belohnt. Wir unterstützen qualifizierte Männer und Frauen, damit sie ein besseres Leben haben und im Gegenzug bekommen wir einen besseren Kaffeegeschmack.

Kaffeebohnen und eine kleine blaue Tasse
Café del Cielo - Photographin: Viktoria Micheel

Warum findest du Nachhaltigkeit wichtig?

Obwohl mein Hintergrund nicht im Bereich der Nachhaltigkeit liegt, hatte ich das Glück, zwei Heimatländer zu haben: Kolumbien und Deutschland. Diese besondere Situation hat mir verschiedene Perspektiven geboten, Probleme zu betrachten.

Ich glaube, dass Probleme wie Migration, Armut und Klimawandel reduziert werden können, indem man die Transparenz in den Lieferketten vieler Produkte verbessert. Zum Beispiel sind Kaffee-Kleinbauern am stärksten von Armut bedroht. Der Grund dafür ist, dass sie nicht genügend Volumen produzieren können, um die niedrigen Preise auszugleichen, da sie nicht genug Land haben. 

Außerdem sprechen sie keine Fremdsprachen und sind sehr oft nicht gebildet oder haben keinen Zugang zu digitaler Infrastruktur. Die Chancen stehen gut, dass sie, selbst wenn sie einen Kaffee von hervorragender Qualität anbauen, niemals Kunden in Europa erreichen, die bereit sind, einen höheren Preis für ihren Kaffee zu zahlen.

Kiel 2030 - was ist Deine Vision für unsere Stadt?

Ich stelle mir einen innovativeren und mutigeren Ansatz in Bezug auf die Architektur vor, zum Beispiel die Nutzung von Gebäudeoberflächen als urbane Gärten, um Kohlenstoff zu binden. Ich hoffe, dass die Stadt, die vielen Parkplätze an der Förde nutzen kann, um kulturelle Räume, wie eine Bibliothek mit einem schönen Ausblick, die für die Öffentlichkeit zugänglich ist, und Bauernmärkte mit nachhaltigen Produkten anzubieten. 

 Kiels schönstes Gesicht, die Förde, könnte mehr in ein urbanes Erlebnis verwandelt werden, so zum Beispiel mit einer schwimmenden Holzbadeanstalt, wie in Aarhus oder auch eine weitere Einbindung der Kiellinie (geplannte Badestelle Reventloubrücke, Cafés und Restaurants…).

Ich wünsche mir eine echte Integration der Stadtteile auf der anderen Seite der Förde durch ein klimaneutrales Fährsystem. Etwas Ähnliches wie das, was Amsterdam getan hat, um Amsterdam Noord zu integrieren. Dort gibt es eine Fähre, die alle 30 Minuten kostenlos vom Hauptbahnhof aus fährt, und der Stadtteil ist zu einem lebendigen Viertel voller kultureller Highlights geworden.

In Bereich der Gesundheitsversorgung stelle ich mir vor, dass das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel seine digitale Transformation fortsetzt und das Leben der Patienten durch den Einsatz von Technologie erleichtert. 

Ich wünsche mir, dass der Einsatz von Telemedizin Teil der Standardversorgung für Risikogruppen wird. Das Paradigma des Patienten, der ins Krankenhaus geht, würde sich ändern. Stattdessen können spezialisierte medizinische Einheiten Patienten in abgelegenen Gebieten Schleswig-Holsteins behandeln. In Zukunft stelle ich mir eher vor, dass das Krankenhaus zu den Patienten geht.


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