Nachhaltiges Kiel

Wir machen Zukunft

In Kiel gibt es viele engagierte Menschen, die sich mit guten Ideen und viel Tatendrang dafür einsetzen, dass unsere Fördestadt nachhaltig und zukunftsfähig wird.

Jeden Monat stellen wir ein*en Kieler Zukunftsmacher*in in einem Kurzinterview vor. Sie kennen Leute, die unbedingt dazugehören? Dann lassen Sie uns das gerne wissen.

Mai 2019: Ursula Schele - Petze

Ursula Schele
Foto: Alexandra Brecht, Lh Kiel

Was hat dich nach Kiel geführt?

Ich wollte Sonderschulpädagogik und Sprachwissenschaften studieren und die Welt umsegeln, all das ging nur in Kiel. Ich hatte das Glück, gleich einen Studienplatz zu bekommen.

Ich lebe zwar jetzt seit fast 30 Jahren in der „Randgemeinde“ Molfsee im Kreis Rendsburg Eckernförde in einem wunderschönen Bauernhaus am See. Aber den allergrößten Anteil meiner „wachen“ Zeit verbringe ich mitten im Herzen von Kiel, am Alten Markt. Denn direkt über der Konditorei Fiedler sind die Räume des Frauennotrufs Kiel und der PETZE.

Auch TIO e.V., eine Beratungsstelle von Migrantinnen für Migrantinnen sowie die Anlaufstelle für männliche Opfer sexueller Gewalt finden sich hier.

Als wir vor 10 Jahren hier endlich nahezu ideale Räume gefunden haben, sagte unserer damaliger Oberbürgermeister: "Die Themen sexuelle und häusliche Gewalt sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen." Das war zunächst zwar eher symbolisch gemeint, aber mittlerweile haben wir es von Kiel ausgehend gemeinsam mit vielen Aktivist*innen tatsächlich geschafft, dass „unsere“ Themen eine breitere Öffentlichkeit erreicht haben.

Ein Baustein dafür waren neben den jeweils aktuellen Skandalen und der beharrlichen Arbeit auch die Ehrungen durch die Landeshauptstadt Kiel und das Land Schleswig-Holstein. Ich bin von der Ratsversammlung in den erlauchten Kreis derer gewählt worden, die die Andreas Gayk Medaille verliehen bekommen haben.

Es war für mich ein sehr bewegender Moment, als sich die Mitglieder der Ratsversammlung und die Besucher*innen in den Rängen nach der Rede von Herrn Tovar und Herrn Kämpfer zu „standing Ovations“ erhoben.

So richtig warm geworden bin ich mit Kiel aber erst in 2018. Im Revolutionsjahr habe ich durch den Besuch vieler Ausstellungen und Veranstaltungen Kiel nochmal ganz anders wahrgenommen. Auch wenn wir Gäste haben, gibt es jetzt ein deutliches Plus bei Stadterkundungen. Überhaupt erlebe ich Kiel zunehmend als ziemlich weltoffene und fortschrittliche Stadt.

Ansonsten ist Kiel so schön klein und übersichtlich, dass ich zu allen, mit denen wir kooperieren und uns vernetzen, kurze Wege habe. Überhaupt lässt sich hier vieles schnell realisieren: als ein Ergebnis enger Zusammenarbeit verschiedenster Akteur*innen gibt es in Kiel zum Beispiel das erste Denkmal zum Thema Gewalt an Frauen. Es heißt "NEIN in Stein" und ist ein begehbares Rasenlabyrinth im Werftpark.

Was genau machst du?

Hauptamtlich arbeite ich als Geschäftsführerin und Fortbildungsreferentin beim PETZE Institut für Gewaltprävention. Wir arbeiten in Trägerschaft des Frauennotrufs Kiel zum Thema Prävention von sexuellem Missbrauch an Mädchen und Jungen. Das machen wir primär durch die Schulungen von Multiplikator*innen aus den Bereichen Kita, Schule, Jugend- und Behindertenhilfe sowie für Vereine, Kirchen und die offene Jugendarbeit.

Und wir entwickeln interaktive Wanderausstellungen für Mädchen und Jungen aller Altersgruppen. Die haben das Ziel, den Besucher*innen Selbstwertstärkung, Informationen und Wege zu Hilfe zu vermitteln.

Aber ich mache auch viel Vernetzungs- und Lobbyarbeit und entwickele mit meinen Kolleg*innen neue Projekte. Aktuell arbeite ich viel im Bereich der Behindertenhilfe für erwachsene Schutzbefohlene und zum Thema sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz und Implementierung von Schutzkonzepten.

Welche SDGs sind von deinem Engagement besonders berührt?

Die Nachhaltigkeitsziele sind alle ausgesprochen wichtig. Ich bemühe mich, neben meinen Schwerpunktthemen - Kinder- und feministische Frauenrechtsarbeit - auch andere politische und - vor allem sozialpolitische - Themen mit zu bearbeiten.

Das mache ich dabei nicht nur im Beruf, sondern auch im Rahmen meines bürgerschaftlichen Engagements als Vorstandsfrau im Bundesverband der Frauenberatungsstellen sowie als Verbandsratsvorsitzende im Paritätischen Wohlfahrtsverband Schleswig-Holstein.

Exemplarisch würde ich Ziel 3 (Gesundheit), Ziel 4 (Bildung), Ziel 5 (Gleichstellung/Diversity und Gendergerechtigkeit) und Ziel 1 (Keine Armut) nennen.

Viele Bereiche greifen gut ineinander, es lassen sich Synergieeffekte erzielen. Dafür brauchen wir aber auch das Ziel 16 (Ausbau starker demokratischer Institutionen und Frieden).

Dabei finde ich es besonders wichtig, dass wir unabhängige zivilgesellschaftliche Institutionen - also Nichtregierungsorganisationen, Initiativen und Verbände, aber auch Stiftungen - stärken.

Zudem spricht unsere Arbeit auch Ziel 17 (Globale Partnerschaften) an, denn wir möchten etwas von dem, was wir entwickelt haben, mit anderen Ländern teilen. So sind wir besonders froh darüber, dass eine unserer Wanderausstellungen, die ECHT KLASSE, nicht nur bundesweit tourt, sondern auch in Mosambik und aktuell auch in der Kieler Partnerregion Moshi Rual in Tansania zu sehen ist.

Warum findest du Nachhaltigkeit wichtig?

Weil ich es trotz aller Energie und großer Lust an und auf Veränderungen und Verbesserungen wichtig finde, nicht immer wieder von vorne anzufangen. Und dabei nicht nur individuell zu arbeiten, sondern dazu beizutragen, dass sich noch immer stark patriarchal geprägte Strukturen zugunsten eines gerechteren Miteinanders aller Menschen verändern.

Kiel 2030 - was ist Deine Vision für unsere Stadt?

Ganz pragmatisch fände ich es gut, wenn es weniger Baustellen in der Stadt gäbe und gleichzeitig der ÖPNV sowie die Fahrradtauglichkeit deutlich besser wird.

Ich finde, Kiel sollte ein wirklich „sicherer“ Hafen für alle sein und die Stadt könnte sehr gerne noch multikultureller werden. Die Universität und die Hochschulen könnten dichter an und in der Stadt sein. Die „Öffnung“ zum Wasser hin muss unbedingt so konsequent fortgesetzt werden.

In der Ratsversammlung sollte die geschlechtliche Parität ein gut erreichbares 10-Jahres-Ziel sein. In 2030 sollten also genauso viele Ratsfrauen wie Ratsherren in unserem Stadtparlament sitzen.

Wichtig finde ich zudem, dass die Stadt so viel Wohnraum wie möglich schafft, den sich auch Familien, Studierende und Rentner*innen leisten können. Und wenn die Häuser dann noch ein wenig bunter, moderner und interessanter gebaut werden und nicht nur immer im Backsteinlook, fände ich das toll.

Und gerne hätte ich auch noch mehr unkonventionelle Kunst und Kultur in der Stadt. Das Kulturforum und die Alte Mu sind da schon richtig gute Ansätze.


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