100 Jahre Kieler Rathaus

„Golden Ei“ - Über Kiels Dächern

Sie ist schön, glanzvoll und scheinbar unerreichbar. Und: Jeder kennt sie! Doch die wenigsten wissen um ihre Geheimnisse. Gemeint ist kein Hollywood-Star wie Bond-Girl Halle Berry, sondern die Kugel auf der Spitze des Kieler Rathausturms. Genauer gesagt ist die Kugel ein Ellipsoid. Doch wer sagt das schon?

Bleiben wir bei „Kugel“, denn das ist es, was von weitem ins Auge fällt. Eine goldene Kugel, die seit nunmehr 100 Jahren über den Kieler Köpfen thront. Sie wirkt ein wenig so, als hätte die Prinzessin vom Froschkönig sie nach dem Spielen am Brunnen ganz oben auf dem Rathausturm aufgespießt.

Natürlich ist keiner Prinzessin und auch keinem Hollywood-Star diese Kugel zu verdanken, sondern dem Karlsruher Architekten Hermann Billing, der 1911 das Rathaus gebaut hat. Vorbild für den rund 102 Meter hohen Kieler Turm ist übrigens der Markusturm in Venedig - samt goldener Bekrönung.

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Prinzessin auf dem Ei? Oder doch eher Bond-Girl? Eine KN-Redaktionssekretärin besetzt 1964 die Rathausturm-"Kugel". | Foto: Stadtarchiv/Magnussen

Skatpartie in der Kieler Kugel

Die Geschichte der Kieler Kugel hat es in sich. Sie ist zwar kein Märchen, hält aber einige wundersame Anekdoten bereit: So wird erzählt, dass man im Inneren vom goldenen Ei bequem zu dritt Skat spielen könne. Das wäre was: Stadtpräsidentin, Oberbürgermeister und Kommissar Borowski treffen sich in geselliger Runde über Kiels Dächern zum fröhlichen Kartenspielen. Wer gewinnt, darf im nächsten Kieler Tatort ermitteln. Wer verliert, fährt schon mal den Wagen vor. Und Derrick dankt.

Andere wiederum behaupten, dass es früher eine Prämie von 5 Mark gegeben hätte, wenn man in die Kugel einstiege. Als eine Art Mutprobe vielleicht? Und wer hätte bezahlt?

Fakt ist: Nichts von alledem ist wahr! Es kann niemand in die vergoldete Kugel hinein. Erstens ist sie fest auf dem Rathausturmdach auf einem Holzpfahl verankert und innen mit einem Eisenkreuz versehen. Zweitens ist der Rathausturm in seiner äußersten Spitze so schmal, dass niemand durchkriechen könnte. Und drittens: Die Kugel ist einfach zu klein. Auch wenn es täuscht: Drei Leute hätten schwerlich Platz im Inneren. Die Kugel ist lediglich 1,40 Meter hoch und hat einen Durchmesser von 83 Zentimetern.

Die Kugel wird vermessen

Um die Maße der Kugel zu verdeutlichen, wurde 1964 prompt die Sekretärin der Kieler Nachrichten (KN) darauf gesetzt. Allerdings erst, nachdem die Kugel zuvor zur Erde gelassen wurde. Alle hatten bei der Ei-Besetzung ihren Spaß, wie das über vierzig Jahre alte Foto deutlich zeigt.

Und es zeigt noch mehr: Die Kugel besteht aus zwei Halbschalen. Diese wurden vor 100 Jahren in mühevoller Handarbeit aus zwei Millimeter starken Kupferblech gehämmert, vernietet und vergoldet. In der Mitte sind sie mit besagtem Eisenkreuz stabilisiert. Die stecknadel- bis erbsengroßen Löcher in der Außenhülle der Kugel sind keine Einschusslöcher - der Turm blieb in den Kriegsjahren verschont - sondern stammen von Blitzeinschlägen. Manche mögen’s eben heiß.

Doch was ist in ihrem Inneren verborgen? Zweimal, 1964 und 1993, wurde die Kugel aus ihrer Verankerung aus luftigen Höhen gehoben und gelangte wieder zurück auf Kieler Boden. Und man staunte nicht schlecht, als die Kugel geöffnet wurde. Was dort Spektakuläres zum Vorschein kam, wird in der nächsten Geschichte verraten. So viel ist sicher: Halle Berry war es nicht.

 

Text: Catharina Fehrendt-Lorenzen

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