Sophie Lützen

Foto Sophie Lützen
Sophie Lützen im März 1945 | Foto: Familienbesitz*

Geboren am 27. November 1885 in Flensburg

Sophie Lützen spielt eine wichtige Rolle in der Kieler Arbeiterbewegung und beim Auf- und Ausbau der öffentlichen Wohlfahrtspflege, ausschließlich auf ehrenamtlicher Basis.

Ihr beharrlicher Einsatz gilt vor allem bedürftigen Kindern und Jugendlichen aus dem Arbeitermilieu.

Sie wächst als zweites von insgesamt 12 Kindern eines Kleinbauern in Flensburg auf. Schon früh muss sie sich um die Versorgung und Erziehung ihrer jüngeren Geschwister kümmern. Nachdem sie die zweijährige Volksschule beendet hat, bleibt sie noch zwei weitere Jahre bei ihrer Familie. Dann nimmt sie eine Stelle als Hausmädchen und Köchin an.

1908 heiratet Sophie ihren Freund aus Kindheitstagen, Amandus Lützen, der auf der Kaiserlichen Werft in Kiel arbeitet. Er ist damals bereits aktives Gewerkschaftsmitglied. 1913 übernimmt das Ehepaar vom Frauenverein der Marine das Kinderheim im ehemaligen Marine-Sohstheim. Dort finden erholungsbedürftige Kinder von Angehörigen der Kaiserlichen Werft Aufnahme. Sophie und Amandus Lützen leiten das Heim ehrenamtlich bis zu seiner Auflösung 1926.

Im Ersten Weltkrieg richtet die Stadt Speisestellen für unterernährte Kinder ein, deren Koordination Sophie Lützen übertragen wird. Zusätzlich führt sie die Gaardener Kriegsküche im Kaisersaal und ist verantwortlich für eine zweite Küche im Gewerkschaftshaus. Drei Frauen kochen hier täglich für 120 Kinder.

Ab 1919 ist Sophie Lützen im Auftrag der SPD unterwegs, um weitere ehrenamtliche HelferInnen für die Wohlfahrtsarbeit zu gewinnen; im April 1920 kann sie der Stadt ca. 200 Helferinnen melden. Ein Jahr später übernimmt sie für sieben Jahre den Vorsitz der Kieler Arbeiterwohlfahrt, da die eigentliche Vorsitzende, Toni Jensen, als Abgeordnete des preußischen Landtages oft in Berlin anwesend sein muss.

Neben der Leitung des Marine-Sohstheims stellt sich Sophie Lützen weiteren Aufgaben: Als 1923 das Jugendgerichtsgesetz in Kraft tritt, wird sie eine der ersten JugendschöffInnen. Sie führt eine Reihe von Vormundschaften und engagiert sich in der Pflegekinderbeaufsichtigung.

1923 entsteht in Deutschland die sozialdemokratische Kinderfreundebewegung. Sie widmet sich der Erziehung und Bildung der Arbeiterkinder und vereinigt Elemente der Kinderbetreuung wie Wandern, Sport und Gesundheitserziehung mit kindgemäßer sozialistischer Bildung, demokratischer Erziehung und Gemeinschaftsbildung. Die Treffen der Kinderfreundebewegung finden im Marine-Sohstheim statt; Sophie und Amandus Lützen sind auch hier ehrenamtlich beteiligt.

1925 und 1926 besucht Sophie Lützen zur Nachschulung die Wohlfahrtsschule in Berlin, um dort das Staatsexamen abzulegen. Im Anschluss wird sie vom Berliner Magistrat als Fürsorgerin eingestellt, jedoch wegen des Gesetzes, das Eheleuten den Doppelverdienst untersagt, wieder entlassen.

Sie kehrt nach Kiel zurück und widmet sich hier erneut der ehrenamtlichen Arbeit. Zunächst richtet sie das Büro der Arbeiterwohlfahrt ein; nach und nach eröffnet sie zwölf Nähstuben, in denen Kleidungsstücke hergestellt, ausgebessert oder umgearbeitet werden, um damit Bedürftige und Mütter mit Säuglingen zu versorgen und zu unterstützen.

Kinder und Erwachsene am Strand
Ein Bild aus den ersten Nachkriegsjahren: Kinderbetreuung durch die Arbeiterwohlfahrt am Strand | Foto: Stadtarchiv Kiel

Beim ersten Zeltlager der Kinderfreundebewegung in Kiel im Jahr 1927 übernimmt Sophie Lützen die Küchenleitung für 2000 Kinder, und auch in anderen Bereichen sind sie und ihr Mann für die zu betreuenden Kinder unermüdlich im Einsatz.

1928 ziehen Sophie und Amandus Lützen nach Harrisleefeld bei Flensburg, um für einige Zeit die von Toni Jensen errichtete Heimvolkshochschule zu leiten. Sophie Lützen gründet in Flensburg die SPD-Frauengruppe sowie einen Ortsauschuss der Arbeiterwohlfahrt. In den Ferien unternimmt sie, die selbst kinderlos bleibt, Ausflüge mit Arbeiterkindern.

1933 wird diese Arbeit durch die Nazis abrupt beendet, die Organisationen werden verboten. Ihren Lebensunterhalt bestreiten die Eheleute nun von den Erträgen eines kleinen Lebensmittelgeschäftes.

„Sophie und Amandus Lützen haben in diesen Jahren im aktiven Widerstand gegen die Nazis gestanden und manchem, der Deutschland verlassen musste, bei der Flucht geholfen unter Einsatz ihres eigenen Lebens. An ihrer Gesundheit haben beide nicht unerheblichen Schaden genommen, und Amandus Lützen ist an den Folgen der später erlittenen Nazihaft frühzeitig gestorben“, so berichtet Gertrud Völcker in ihren Lebenserinnerungen über den Widerstand der Eheleute Lützen in den Jahren 1933 bis 1945.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs stellt sich Sophie Lützen gleich wieder dem sozialen Dienst in der Arbeiterwohlfahrt, der sozialdemokratischen Frauenarbeit und den Kommissionen der Wohlfahrtspflege zur Verfügung.

Sie ruft 1946 in Flensburg abermals die Arbeiterwohlfahrt und die Frauengruppe der SPD ins Leben, führt nun auch in Harrisleefeld die Schulkinderspeisung ein und nimmt die Ferienbeschäftigungen für Kinder wieder auf. Bis es Alter und Gesundheit nicht mehr zulassen, ist Sophie Lützen nach wie vor ehrenamtlich in den entsprechenden Ausschüssen der Gemeinden tätig.

Das Immer-für-andere-Dasein, der Dienst am Menschen, bleiben für Sophie Lützens Leben charakteristisch.

Sie stirbt 1955 in Harrisleefeld im Alter von 69 Jahren.



(aus: Nicole Schultheiß: "Geht nicht gibt's nicht ..."
24 Portraits herausragender Frauen aus der Kieler Stadtgeschichte. Kiel 2007)


Nach Sophie Lützen heißt der Mietertreff der Kieler Immobilienverwaltung (KIV) in der Preetzer Straße 52 seit circa 2009 "Sophie-Lützen-Haus".

* Das Portrait von Sophie Lützen stellte uns ihr Neffe Dieter Römhild im März 2012 zur Verfügung.