Der Wilhelmplatz   |  Schauplätze Kieler Geschichte

Der Kieler Wilhelmplatz hat eine höchst wechselhafte Geschichte: Neuer Marktplatz, militärischer Aufmarschplatz, Ort von Jahrmärkten, Demonstrationen und ein viel genutzter Parkplatz.

 
 

Durch seine zentrale Lage und Größe spielte er in seiner Geschichte immer wieder eine große Rolle für den Alltag vieler Kieler*innen und die Geschichte der Stadt.

Im Januar 1918 fanden sich 30.000 Menschen auf dem Platz ein und forderten ein schnelles Ende des Ersten Weltkrieges.

Beim Matrosenaufstand im November 1918 demonstrierten hier Matrosen und Arbeiterschaft für Frieden, freie Wahlen und den Sturz des Kaisers.

Er wurde aber auch für Herrschaftsinszenierungen der Nationalsozialisten und die Verbreitung von NS-Propaganda genutzt: Am 10. Mai 1933 verbrannten hier NS-Gesinnte mehrere Tausend Bücher, von jüdischen und politisch unliebsamen Autor*innen.

 
Jubiläums-Festzug des KMTV (Kieler Männer-Turnverein von 1844) - Stadtarchiv Kiel, 45.001
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Parade 1908 - Stadtarchiv Kiel, 27.325
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Jahrmarkt auf dem Wilhelmplatz 1909 - Stadtarchiv Kiel, Sammlung Wolfgang D. Kussner
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Propaganda der Sturmabteilung (SA) anlässlich der Reichstagswahl und der nachträglichen Volksabstimmung zum Anschluss Österreichs am 10. April 1938 - Stadtarchiv Kiel, 43.137
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Der Wilhelmplatz mit Zirkus - Stadtarchiv Kiel, 41.694
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Der Wilhelmplatz als Parkplatz - Zentrum zur Geschichte Kiels
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Die Bücherverbrennung am 10. Mai 1933

Die Bücherverbrennung war der Höhepunkt der „Aktion wider den undeutschen Geist“, die vom Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda und der nationalsozialistisch dominierten Deutschen Studentenschaft initiiert wurde. In Kiel gründete sich sofort nach dem ersten Aufruf zur Aktion ein „Kampfausschuss gegen den undeutschen Geist“, dem Professoren und Studenten der Christian-Albrechts-Universität, der Oberbürgermeister Walter Behrens und der Buchhändler Friedrich Knolle angehörten.

Noch bevor eine reichsweite „schwarze Liste“ mit zu vernichtenden Büchern rausgegeben wurde, schritt der Kieler Kampfausschuss zur Tat: Bereits am 19. April 1933 wurden die Kieler Leihbibliotheken und die Universitätsbibliothek durch die Polizei besetzt und tausende Bücher von jüdischen und politisch unliebsamen Autor*innen vom Kampfausschuss beschlagnahmt. 

Auch die Schriften jüdischer und pazifistischer Kieler Professoren wurden aus den Bibliotheken entfernt. Drei Wochen später wurden die meisten von ihnen auf dem Wilhelmplatz verbrannt.

 

Die Bücherverbrennung hatte in der vollbesetzten Aula der Christian-Albrechts-Universität begonnen, in der Professor Ferdinand Weinhandl die Bücher als „zersetzendes Gift am Volkskörper“ verunglimpfte.

Anschließend marschierten die Universitätsangehörigen in einem Fackelzug durch die Stadt, dem sich Teile der Bevölkerung anschlossen. 

Auf dem Wilhelmplatz angekommen wurden erneut nationalsozialistische Propagandareden gehalten, Lieder gesungen und die Bücher begleitet von sogenannten Feuersprüchen in die Flammen geworfen. Unter ihnen waren Werke von Heinrich Mann, Karl Marx und Albert Einstein.

In Kiel hatte die nationalsozialistische Übernahme der Universität jedoch schon vor der „Aktion wider den undeutschen Geist“ begonnen: Ihr gingen teils gewaltsame Aktionen gegen jüdische Universitätsangehörige und das Verbot kommunistischer und sozialistischer Gruppen an der Christian-Albrechts-Universität voraus. 

Dieses nationalsozialistische Bestreben wurde von Universitätsangehörigen getragen: Dutzende Professoren traten am 5. März 1933 öffentlichkeitswirksam der NSDAP bei, die Studentenschaft setzte das Immatrikulationsverbot von Juden bereits Anfang April 1933 durch. 

Auch nach Beendigung der Aktion hielt die Stimmung zur „Selbstgleichschaltung“ an der Universität an. Damit übertrafen der Kieler Kampfausschuss und die NS-Gesinnten in ihrer Radikalität die reichsweiten Vorgaben.

Mit dem symbolischen Vernichtungsakt der Bücherverbrennung begann die Verfolgung jüdischer und politisch missliebiger Autor*innen und die Gleichschaltung der Kulturpolitik. 

Die Bücherverbrennung war ein Fanal für die Ausgrenzung von Menschen aus politischen, antisemitischen und rassistischen Gründen im Nationalsozialismus, die schließlich zur millionenfachen Ermordung von Menschen führte.

 
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