Heinrich-Ehmsen-Stiftung: Werkbestand

Die Grafiken. Teil 2

Im Archiv - Diese Ausstellung lief vom
12. Juni 2021  bis  28. November 2021

Stadtgalerie Kiel

Andreas-Gayk-Straße 31, 24103 Kiel

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"Erlebnisse der Kriegs- und Revolutionsjahre haben in scharf tendenziösen Blättern ihren bitteren Bodensatz zurückgelassen. Eine Welt des Elends, des Lasters und des Irrsinns tut sich auf, der Kampf der Zeit setzt sich in krause Linien um." (1)
Grafiken der gewaltsamen Zerschlagung der Münchner Räterepublik bildeten den Abschluss der ersten Etappe der vierteiligen Gesamtschau des Werkbestandes der Heinrich-Ehmsen-Stiftung. Der zeichnerische Stil, in dem die unmittelbar folgende künstlerische Aufarbeitung kulminiert, bleibt für die große Fülle kritischer Sittenbilder, welche im Anschluss die gesamte Epoche der Weimarer Republik begleiten und der zweiten Hälfte der grafischen Bestandsübersicht zugeordnet sind, verbindlich.
Schauplatz ist die pulsierende Großstadt: Bars, Varieté, Zirkus, Bordelle, Ring- und Boxkampf. In das Zentrum der sich auf wenige Linien und die notwendigsten Gegenstände reduzierenden Bildräume seiner zeichnerischen gesellschaftlichen Typologie rückt Heinrich Ehmsen karikaturesk verzerrte Personenstudien; signifikant ist die z.T. vielfache Wiederholung einzelner Szenerien, Charaktere und Personengruppen. Ehmsens Themen und Motive entsprechen denen der kritisch-realistischen veristischen Maler der 1920er Jahre wie Otto Dix, George Grosz oder Rudolf Schlichter: Alkoholismus, Invalidität, Vergnügungssucht, Amüsierbetrieb, Prostitution, Armut und Dekadenz.
Eine Ausnahme sind die Europa-Bilder, sie sind auf einen direkten Kontakt mit Friedrich Peter Drömmer zurückzuführen. Visionäre Architektur ist Ausgangspunkt der konstruktivistisch farbig-flächigen Kompositionen und findet ihr Vorbild in den Stadtlandschaften des Kieler Malers, der Ehmsen 1923 in München besuchte.
Mit dem Auftrag und der Ausführung des Egelhofer-Triptychons für das Revolutionsmuseum Moskau (1932/33) greift Ehmsen das Thema der Niederschlagung der Münchner Räterepublik wieder auf. Eine flüchtige Skizze der Gesamtkomposition sowie ein detaillierter Entwurf der linken Seitentafel sind im Besitz der Heinrich-Ehmsen-Stiftung und Teil der Ausstellung. Lediglich in einzelnen Partien der Bildanlage knüpft Ehmsen an seine früheren expressiv-realistischen Erschießungsbilder an, lenkt die Konzeption früh in eine, vermutlich dem Auftraggeber geschuldete, an dem Stil des sozialistischen Realismus sowjetischer Prägung orientierte Darstellungsweise.
Die Auseinandersetzung mit sozialkritischen und politischen Kontexten endet abrupt mit der Verhaftung 1933 durch die Gestapo und einer zweimonatigen Schutzhaft. In der Ausstellung vertretene Landschafts- und Alltagsstudien, die Ehmsen während einer neunmonatigen Reise durch die UdSSR (1932) und auf vorausgegangenen Fahrten nach Südfrankreich und Capri anfertigte, werden in dieser Zeit zu Gemälden ausgearbeitet.
Das Aquarell "Adlerfamilie" entstand während sich Ehmsen nach seiner Rehabilitierung von 1935 bis 1939 als Dekorationsmaler für das Reichsluftfahrtministerium mit Aufträgen zur Ausgestaltung von Flughäfen und Kasernen finanzierte. Von einer Studienreise nach Hallig Hooge stammen zehn Bleistiftzeichnungen, ein Aufenthalt in Derna (Lybien), durch ein Aquarell in der Ausstellung belegt, wird im September 1939 mit Ausbruch des Krieges abgebrochen, einen Monat später stellt Ehmsen erfolgreich den Antrag zur Aufnahme in die Reichskulturkammer. Als Mitglied der dem Oberkommando der Wehrmacht unterstehenden "Staffel der bildenden Künstler" entstehen zwischen 1942 und 1944 Zeichnungen auf der Krim-Halbinsel und an der Seine, Aquarelle im niederländischen Ijmuiden und die Skizze "Lastensegler bei Labourg les Bains".

(1) Witthaus, W.: Wiesbadener Kunstausstellungen, in: Abendblatt der Frankfurter Zeitung, Frankfurt a.M., 70. Jg., Nr.80, 30.1.1926, S. 2.

Abb: Heinrich Ehmsen, Aufmarsch der Ringkämpfer, 1922/27, © Nachlass Heinrich Ehmsen, Foto: Helmut Kunde, Strande

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