Infosystem Kommunalpolitik

 
 
ALLRIS - Drucksache

Geschäftliche Mitteilung - 1158/2017

Reduzieren

Beratungsfolge

Reduzieren

Antrag

 

Reduzieren

Sachverhalt/Begründung

 

Anlass

 

Im Rahmen ihres Beschlusses vom 20.07.2017 zur Drucksache 0713/2017 hat die Ratsversammlung darum gebeten, den Verzicht der Landeshauptstadt Kiel auf Straßenausbaubeiträge auf der Verwaltungsebene vorzubereiten und bis zur Umsetzung der landesgesetzlichen Grundlagen den Finanz- sowie den Bauausschuss über die Verfahrensstände und auch über die in Vorbereitung befindlichen Umsetzungsschritte zu unterrichten. Auf besondere Herausforderungen soll hingewiesen,gliche Lösungswege sollen beschrieben werden.

 

Aufgrund des genannten Beschlusses wird nachfolgend ausführlich informiert. Die vorliegende Geschäftliche Mitteilung nimmt ferner Aspekte der in den Finanzausschuss verwiesenen Drucksache 1073/2017 auf, insbesondere zu der Frage, wie die Aufhebung der Betragspflicht schnellstmöglich rechtssicher und bürgerfreundlich umgesetzt werden kann.

 

Aktueller Sachstand

  1. Rechtslage

Gemäß § 76 Abs. 2 Gemeindeordnung (GO) hat die Gemeinde die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Finanzmittel aus Entgelten für ihre Leistungen, im Übrigen aus Steuern zu beschaffen, soweit die sonstigen Finanzmittel nicht ausreichen.

Nach § 8 Abs. 1 Kommunalabgabengesetz (KAG) sind Beiträge zur Deckung des Aufwandes für die Herstellung, den Ausbau und Umbau sowie die Erneuerung der notwendigen öffentlichen Einrichtungen nach festen Verteilungsmaßstäben von denjenigen Grundeigentümerinnen und Grundeigentümern, zur Nutzung von Grundstücken dinglich Berechtigten und Gewerbetreibenden zu erheben, denen hierdurch Vorteile erwachsen. Die Beiträge sind nach den Vorteilen zu bemessen. Bei Straßenbaumaßnahmen tragen die Beitragsberechtigten mindestens 15 Prozent des Aufwandes. Tiefenmäßige Begrenzungen sind zulässig.

Die Ausbaubeitragssatzung der Landeshauptstadt Kiel sieht aktuell einen Anteil der Beitragspflichtigen von 85% des beitragsfähigen Aufwands vor. Diese Höhe ist der Landeshauptstadt durch die Kommunalaufsicht vorgegeben worden.

  1. Aufwendungen/Erträge im Zusammenhang mit der Beitragserhebung

 

Im  Stadtplanungsamt sind 6 Planstellen (EG9/A10) mit der Erhebung von Ausbaubeiträgen beschäftigt, zuzüglich der Anteile der Sachgebietsleitung. Das entspricht einem durchschnittlichen Personalkosteneinsatz von rund 300 T€/Jahr. Dazu kommen weitere beteiligte Personen in anderen Ämtern mit geschätzt mindestens 25 T€/Jahr.

 

Die jährliche Einnahme auf Grund von Ausbaubeiträgen betrug in den letzten 6 Jahren durchschnittlich rund 1,5 Mio. €. Auf dieser Grundlage verbleiben von den genannten Einnahmen rund 1,2 Mio. € zugunsten der Stadtkasse.

 

  1. Entwurf für  ein Gesetz zur Aufhebung der Erhebungspflicht für Straßenausbaubeiträge

 

Im Landtag wird aktuell ein Entwurf für  ein Gesetz zur Aufhebung der Erhebungspflicht für Straßenausbaubeiträge diskutiert. Ein Beschluss des Landtages wird möglicherweise noch in 2017 erfolgen.

 

Der Entwurf sieht folgende Regelungen vor:

 

§ 76 der Gemeindeordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. Februar 2003 (GVOBl. Schl.-H. S. 57), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 14. März 2017 (GVOBl. Schl.-H. S. 140), wird wie folgt geändert:

In Absatz 2 wird folgender Satz 2 angefügt:

Eine Rechtspflicht zur Erhebung von Straßenausbaubeiträgen im Sinne der §§ 8 und 8a des Kommunalabgabengesetzes besteht nicht.“

 

Mit einer E-Mail der Geschäftsführung des Innen- und Rechtsausschusses vom 13.10.2017 wurde der Landeshauptstadt Kiel die Möglichkeit zur Stellungnahme zum genannten Entwurf gegeben.

 

Die Stellungnahme wurde dem Innen- und Rechtsausschuss am 09.11.2017 übermittelt.

Darin wurde u.a. ausgeführt:

Durch die Neuregelung der Einnahmebeschaffungsgrundsätze wird erstmalig allen Kommunen die glichkeit eröffnet, von der Kann-Regelung im § 8 KAG auch tatsächlich Gebrauch zu machen. Damit wird es künftig allen Kommunen überlassen, selbst zu entscheiden, wie und ob sie Beiträge erheben wollen. Dies stärkt die kommunale Verantwortung und erhöht die Akzeptanz in der Bevölkerung.

 

Der Gesetzgeber ist jedenfalls nicht gehindert, die Einnahmebeschaffungsgrundsätze zu ändern. Die Einnahmebeschaffungsgrundsätze in der Gemeindeordnung sind nicht verfassungsrechtlich determiniert. 

 

In der Begründung des Entwurfs wird darauf hingewiesen, dass der Verzicht auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen nicht zu Nachteilen bei der Genehmigung des Kommunalhaushalts oder der Mittelzuweisung durch das Land führen darf, insbesondere soll bei der Prüfung der in der Haushaltssatzung genehmigungspflichtigen Festsetzungen die Erhebung bzw. der Verzicht auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen keine zu prüfende Tatbestandsvoraussetzung sein.

 

Ich verweise darauf, dass nach den bestehenden Richtlinien zur Gewährung von Fehlbetrags- und Sonderbedarfszuweisungen (§§ 12 und 13 FAG) Zuwendungsvoraussetzung ist, dass die Erhebung von Beiträgen nach dem KAG in rechtlich zulässigem Umfang ausgeschöpft werden. Die Richtlinie über die Gewährung von Konsolidierungsbeihilfen (§ 16a FAG) enthalten unter Nr. 3.3 eine gleichlautende Regelung.

 

Ich halte eine positivrechtliche Regelung - etwa durch eine Ergänzung des § 76 Abs. 2 GO - für geboten, dass der Verzicht auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen bei der Genehmigung von Kommunalhaushalten und bei der Mittelzuweisung durch das Land, aber auch bei der Gewährung von Beihilfen und der finanziellen Förderung durch das Land, nicht nachteilig berücksichtigt werden darf.  

 

Der Verzicht auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen wird von der Stadt nur zu realisieren sein, wenn sie auch tatsächlich in die Lage versetzt wird, ihrer Verpflichtung zum Ausbau ihrer Straßen nachzukommen. Durch die ausfallenden Beiträge wird eine finanzielle Kompensation durch das Land für die Kommunen erforderlich, die sicherstellt, dass sich auch in diesem Zusammenhang die Schere zwischen reichen und armen Kommunen nicht weiter öffnet.

Auch die Ratsversammlung hat in ihrem Beschluss vom 20.07.2017 die Erwartung zum Ausdruck gebracht, dass die Einnahmeausfälle der Stadt aus Straßenausbaubeiträgen vollständig durch das Land kompensiert werden.“

 

 

Zwischenzeitlich wurde die Landeshauptstadt Kiel auch zur mündlichen Anhörung am 29.11.2017 eingeladen. In deren Rahmen wird ergänzend zu den zitierten schriftlichen Darstellungen dafür plädiert werden, die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen den Kommunen nicht lediglich freizustellen, sondern komplett abzuschaffen, wie dies z.B. in Hamburg im Jahr 2016 geschehen ist.

Dafür sprechen u.a. zwei Gesichtspunkte:

Bei der bloßen Freistellung besteht die Gefahr, dass lediglich finanziell eher wohlhabende Kommunen sich den Verzicht auf die Erhebung leisten können, gleichzeitig aber erheblicher Druck seitens der Bürgerinnen und Bürger in den übrigen Kommunen zu erwarten ist, dort ebenfalls keine Beiträge mehr zu erheben.

Des Weiteren ist die notwendige finanzielle Kompensation der Kommunen für den Wegfall von Beitragseinnahmen system- und sachgerecht nur zu erreichen, wenn die Beitragserhebung in sämtlichen Kommunen entfällt.

Die Kommune müssen in die Lage versetzt werden, weiterhin im notwendigen Umfang den Ausbau kommunaler Straßen sicherzustellen. Hierfür sollte im Kommunalen Finanzausgleich eine dauerhafte Förderung außerhalb der Ausgleichsmittel eingerichtet werden. Diese sollte aus zusätzlichen Landesmitteln mindestens in Höhe der bisherigen Einnahmen aus Anliegerbeiträgen gebildet werden.

 

Da die Entlastungswirkung erhobener Anliegerbeiträge in der Regel mit mehrjähriger Verzögerung eintritt, muss außerdem sichergestellt sein, dass ein Verzicht auch künftig keine negativen Auswirkungen auf die Genehmigungspraxis der kommunalen Haushalte durch die Kommunalaufsicht hat, namentlich bei Konsolidierungskommunen wie der Landeshauptstadt Kiel.

 

Schließlich braucht es einheitliche Vorgaben der Kommunalaufsicht, zum Beispiel im Hinblick auf eine eventuelle Rückwirkung eines Erhebungsverzichts bzw. für Übergangsregelungen. Insgesamt muss es im Interesse des Landes sein, dass nicht jede Kommune abhängig von der Kassenlage eine eigene Lösung erfindet.

 

 

 

  1. Aktueller Sachstand: Geplante KAG-Veranlagungen durch die LH Kiel

 

Zum Stichtag 24.11.2017  sind insgesamt 78 Maßnahmen mit einem Anliegeranteil von insgesamt 14 Mio. € geplant. Bei 15 Maßnahmen ist die sachliche Beitragspflicht bereits entstanden (maßgeblich für die Entstehung ist die Abnahme der Maßnahme durch die Landeshauptstadt, siehe unten unter e.) und die individuelle Veranlagung steht kurzfristig an.

 

Von den verbleibenden 63 Maßnahmen

 

-          ist bei 47 bereits eine Abnahme erfolgt und damit auch hier die sachliche Beitragspflicht entstanden, jedoch liegen hier noch keine endgültigen Rechnungsunterlagen vor und

 

-          bei 16 ist die Abnahme noch offen.

 

Von diesen 16 Maßnahmen wiederum wurden acht bereits begonnen. Es handelt sich um die Maßnahmen Rendsburger Landstraße, Schwanenweg, Feldstraße, Reventlouallee, Projensdorfer Straße sowie, in drei Maßnahmen unterteilt, der Ausbau der Holstenbrücke bzw. des Berliner Platzes (Kleine-Kiel-Kanal). Der Anliegeranteil dieser Maßnahmen beträgt zusammen ca. 6,6 Mio. €.

 

Unter den acht noch nicht begonnenen Maßnahmen sind vier, bei denen noch keine Anliegerinformation zur geplanten Erhebung von Beiträgen erfolgt ist (Maßnahmen in der Schlossstraße, Goethestraße, Kaiserstraße, Georg-Pfingsten-Straße). Der Anliegeranteil dieser Maßnahmen wird mit ca. 1,3 Mio. € beziffert. Schließlich entfällt auf die letzten vier Maßnahmen, bei denen bereits eine entsprechende Information erfolgt ist, der Bau jedoch noch nicht begonnen hat, ein Anliegeranteil von rund 250 T €.

 

Auf die beigefügten Anlagen wird verwiesen.

 

  1. Vorbereitende Maßnahmen für einen Verzicht auf Straßenausbaubeiträge

 

Die Beitragserhebungspflicht kann erst entfallen, wenn die gesetzliche Beitragserhebungspflicht gestrichen wird. Allein damit wäre die Beitragserhebungspflicht in Kiel aber noch nicht aus der Welt. Erforderlich dafür wäre vielmehr die Aufhebung der Straßenausbaubeitragssatzung und dafür wiederum eine Entscheidung der Ratsversammlung. Eine entsprechende Beschlussvorlage könnte kurzfristig durch die Verwaltung vorgelegt werden.

 

Aus Sicht der Verwaltung ist es geboten, dass die Aufhebungssatzung eine Übergangsregelung enthält und bestimmt, für welche der eingeleiteten Straßenausbaumaßnahmen noch Beiträge zu erheben sind. Die Ratsversammlung hat für den Inhalt einer solchen Übergangsregelung einen Ermessensrahmen, sofern nicht das Land (oder die Kommunalaufsicht für Konsolidierungskommunen) eine bestimmte Übergangsregelung zwingend vorschreibt.

 

Vorbehaltlich einer abschließenden rechtlichen Prüfung sind folgende Varianten denkbar:

glich ist es, die Übergangsregelung so zu fassen, dass Beiträge nochr Straßenausbaumaßnahmen erhoben werden, die vor Inkrafttreten der Aufhebungssatzung begonnen wurden. Dazu bliebe aber der „Beginn“ zu definieren.

 

Alternativ könnte auf Maßnahmen abgestellt werden, die bereits fertig gestellt, aber noch nicht seitens der Verwaltung abgenommen worden sind. Denkbarre schließlich eine Regelung, wie sie der Gesetzgeber der Freien und Hansestadt Hamburg geschaffen hat. Danach ist die Entstehung der sogenannten "sachlichen Beitragspflicht“ maßgebend[1].

 

Dann wäre entscheidend für eine Beitragspflicht oder eine Nicht-Beitragspflicht, ob die sachliche Beitragspflicht vor Inkrafttreten der Aufhebungssatzung (oder ggf. zu einem anderen Stichtag) entstanden ist.

 

Die sachliche Beitragspflicht entsteht nach ständiger Rechtsprechung des OVG Schleswig und des VG Schleswig mit der Abnahme der Baumaßnahme, also mit der Baufertigstellung und der Erklärung der Stadt, dass die Bauleistung als im Wesentlichen vertragsgerecht erbracht bescheinigt wird.

 

  1. Folgen für die Mittelzuweisung und die Haushaltsgenehmigung

 

In der Begründung zum o.g. Gesetzentwurf ist u.a. zu lesen:

Der Verzicht auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen darf hierbei nicht zu Nachteilen bei der Genehmigung des Kommunalhaushaltes oder der Mittelzuweisung des Landes führen. Das heißt:

Bei der Prüfung der in der Haushaltssatzung genehmigungspflichtigen Festsetzungen (Beträge der Kredite für Investitionen und Investitionsförderungsmaßnahmen sowie Verpflichtungsermächtigungen) darf die Erhebung bzw. der Verzicht auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen keine zu prüfenden Tatbestandsvoraussetzung sein. Die Gemeindeordnung stellt insofern lediglich auf die Grundsätze einer geordneten Haushaltswirtschaft und hierbei insbesondere auf die dauernde Leistungsfähigkeit und damit den Haushaltsausgleich ab.

Weiterhin darf im Rahmen der Fehlbetrags- und Sonderbedarfszuweisungen nach dem Finanzausgleichgesetz (FAG) i. V. m. der Richtlinie zur Gewährung von Fehlbetrags- und Sonderbedarfszuweisungen die Erhebung bzw. der Verzicht auf die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen zu keiner für die Gemeinde negativen Auswirkung, etwa in Form von reduzierten Zuweisungen, führen (…).

Schließlich darf die Erhebung bzw. der Verzicht auf die Erhebung von Straßenausbau-beiträgen im Rahmen der Konsolidierungshilfen Straßenausbau zu keiner Reduzierung oder sogar zu einem Wegfall der Zuweisungen durch das Land führen.

 

Diese Ausführungen unterstreichen, dass gerade für auf Konsolidierungshilfen angewiesene Kommunen eine vollständige Kompensation der entfallenden Einnahmen unabdingbar ist. Denn der Gesetzentwurf sieht lediglich vor, dass die Abschaffung der Beitragspflicht als solche weder im Rahmen der Haushaltsgenehmigung noch bei der Gehrung von Konsolidierungshilfen zu Nachteilen für die Kommunen führen darf. Es erscheint aber als möglich, dass die durch den Verzicht auf die Beitragserhebung entstehenden Ausnahmeeinfälle aus Sicht der Kommunalaufsicht zum Diktum einer nicht (mehr) gegebenen finanziellen Leistungsfähigkeit der Kommune führen und entsprechend sanktioniert würden. Dann würde die jeweilige Kommune faktisch gezwungen sein, die Beitragserhebung aufrecht zu erhalten bzw. wiedereinzuführen, andere Einnahmen zu erhöhen oder kommunale Leistungen zu kürzen.

 

 

 

 

Dr. Ulf Kämpfer

Anlagen

Anlage 1 „Schaubild“

Anlage 2 „ Liste der Einrichtungen

 

Seite: 1/5

 


[1] Nach Artikel 3 des Gesetzes zur Änderung des Hamburgischen Wegegesetzes und der Einheitssätze-Verordnung vom 16.11.2016 (Satzungen gibt es in Hamburg nicht!) ist die Entstehung der (sog. sachlichen) Beitragspflicht maßgebend – „Ist für die Erweiterung und Verbesserung von Erschließungsanlagen eine Beitragspflicht vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes entstanden, sind das Hamburgische Wegegesetz und die Einheitssätze-Verordnung in ihrer bisher geltenden Fassung weiterhin anzuwenden.“        

Reduzieren

Anlagen

Loading...

Beschlüsse

Erweitern

Dec 5, 2017 - Finanzausschuss - zur Kenntnis genommen

Erweitern

Dec 7, 2017 - Bauausschuss - zur Kenntnis genommen