Antrag:

Die Verwaltung wird gebeten, im Rahmen der geplanten Forsteinrichtung ein Konzept für die naturnahe Weiterentwicklung und Sicherung des Kieler Stadtwaldes vorzulegen. Kernpunkte des Konzepts sollen sein:

• Entwicklung des Stadtwaldes in eine möglichst naturnahe Form, ohne dabei die Nutzung als Freizeit- und Erholungswald einzuschränken.
• Nutzungen durch Waldkindergärten sind ausdrücklich zu ermöglichen.
• Verzicht auf kommerziellen Holzeinschlag. Lediglich Maßnahmen zur Verkehrssicherung und der dem Klimawandel geschuldeten Anpassung (Entnahme standortfremder sind durchzuführen.
• Erstellung eines stadteigenen Schutzkonzeptes, das sich an der Zielsetzung eines Naturwaldes orientiert. Eine formelle Ausweisung als Naturwald wird dabei aber nicht angestrebt.
• Entwicklung zu einem möglichst klimaangepassten Wald.
• Die Umweltverbände sind in den Prozess der Konzeptentwicklung mit einzubeziehen.

Die Pflegekonzepte und die Pflege des Kieler Stadtwaldes sollen dabei weiterhin von den zuständigen städtischen Ämtern geleistet werden.

Schließlich soll gemeinsam mit dem Umweltministerium des Landes die Möglichkeit geprüft werden, mittelfristig zumindest einige der größeren Kieler Waldgebiete in den Rang eines Naturwaldes / eines Wildnisgebietes zu stellen.

Die Verwaltung wird gebeten, im Innen- und Umweltausschuss im Mai 2022 einen Zeit- und Arbeitsplan für die Erstellung des Konzeptes und der Forsteinrichtung vorzulegen.

Begründung:

Laut Kieler Nachrichten vom 30.07.2021 hat Landesumweltminister Jan Philipp Albrecht im Rahmen der Vorstellung der Broschüre „Mehr Wildnis wagen – Entwicklung von Wildnisgebieten in Schleswig-Holstein“ [1] erklärt, dass das Land anstrebt zwei Prozent der Landesfläche als sogenannte Wildnisgebiete auszuweisen. Im Juli 2021 waren es erst 0,7 Prozent. Idealerweise seien vom Bund Gebiete mit einer Größe von 500 bis 1000 Hektar gewünscht. Aufgrund des geringen Waldanteils – so der Minister – sowie des hohen Anteils landwirtschaftlich genutzter Fläche (ca. 70 Prozent) würden in Schleswig-Holstein allerdings auch Flächen zwischen 20 und 50 Hektar benannt.

Das (auch seitens der Kieler Verwaltung [2]) vielfach vorgebrachte Argument, dass die Waldflächen in Kiel zu klein wären, um sie als Naturwald auszuweisen, greift somit seit Juli 2021 nicht mehr. In der Broschüre des Landes [1] ist mit dem Gebiet Wellsee bereits eine Kieler Fläche deutlich unter 500 Hektar als Wildnisgebiet vorgemerkt.

Zum Argument, dass in Kiel eine ungestörte Naturentwicklung u. a. aufgrund des Publikumsverkehrs nicht möglich sei [2] war vonseiten des Ministers im Juli zu hören, dass „stille Erholungsformen“ wie Wandern, Joggen und Radfahren (ausgenommen Mountainbiking) und – je nach Gebiet – sogar das Angeln und die Jagd möglich sind oder sein könnten. Angemerkt sei hier auch, dass selbst im Nationalpark Wattenmeer teils intensive wirtschaftliche Aktivitäten stattfinden. Die Vorstellung von sich völlig ungestört entwickelnder Wildnis ist somit eher theoretischer Natur.

Auch zur Frage der vielfach als Argument gegen einen Naturwald in Kiel aufgeworfene Verkehrssicherungspflicht [2] nimmt das LLUR auf Seite 39 der Broschüre [1] Stellung. Dort heißt es, dass „weitere praktische Erkenntnisse“ gewonnen werden sollen.

Die Flächenknappheit des Landes biete eine gute Grundlage, um mit dem Land Gespräche darüber aufzunehmen, mittelfristig zumindest einige der größeren Kieler Waldgebiete als Naturwald bzw. Wildnisgebiet auszuweisen. Mindestens jedoch spricht nichts dagegen, eine solche gemeinsame Prüfung vorzunehmen.

gez. Andreas Halle

Ratsherr 

Quellenangaben:

1. Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein (LLUR), Mehr Wildnis wagen – Entwicklung von Wildnisgebieten in Schleswig-Holstein, 7/2021:

https://www.schleswig-holstein.de/DE/Fachinhalte/N/naturschutz/Downloads/mehrWildnisWagen.pdf?__blob=publicationFile&v=2

2. Grünflächenamt (Dezernat II), GM Entwicklung des Kieler Stadtwaldes, Drs 0488/2021, 12.05.2021:

https://ratsinfo.kiel.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=25187