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Geschäftliche Mitteilung - 0175/2023
Grunddaten
- Betreff:
-
„Ankerklassen – für einen gelungenen Schulstart“ Kooperation Schule - JugendhilfeFortsetzung des Modellvorhabens für das Schuljahr 2023/24
- Status:
- öffentlich (Drucksache abgeschlossen)
- Drucksachenart:
- Geschäftliche Mitteilung
- Federführend:
- Jugendamt
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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Erledigt
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Jugendhilfeausschuss
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Kenntnisnahme
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Mar 1, 2023
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Erledigt
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Ausschuss für Schule und Sport
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Kenntnisnahme
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Mar 9, 2023
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Sachverhalt/Begründung
Einführung
Das Modellvorhaben „Ankerklassen“ wurde in 2020 vom Kieler Schulamt und dem Jugendamt der Stadt Kiel entwickelt und beschlossen (Drucksache 0441/2020).
Die LHK trägt die Kosten für das sozialpädagogische Fachpersonal. Die finanziellen Mittel in Höhe von ca. 470.000 € für ein Kalenderjahr sowie die entsprechenden Mittel für die Schuljahre stehen auf der Kostenstelle 30046, dem Kostenträger 36321001 und dem Sachkonto 53312010 im Budget „Kooperation Schule und Jugendhilfe“ zur Verfügung.
Kurzbeschreibung des Modells „Ankerklassen“
Die LHK unterstützt seit dem Schuljahr 2020/21 an sechs Kieler Grundschulen sogenannte Ankerklassen, um gemeinsam mit dem Schulamt einen gelingenden Start ins Schulleben zu befördern. In Ankerklassen erhalten Kinder, die aus unterschiedlichen Gründen als noch nicht schulreif gelten, den Rahmen für einen behutsamen Einstieg in den Schulalltag.
Die Klassengröße ist auf 10 bis 12 Kinder ausgelegt. Die Teams bestehen aus einer Klassenlehrkraft, einer sozialpädagogischen Fachkraft und einer Förderschullehrkraft. Für Kinder mit besonderen Förderbedarfen werden besondere Weichen gestellt, die ein gutes Ankommen in der Grundschule und Bildungserfolge im Regelschulsystem fördern.
Ein schwieriger Schulstart kann im Erleben der Kinder zu Ausgrenzung führen, verringert die Lust am Lernen und kann die weitere Schullaufbahn negativ beeinflussen.
Evaluation
Das Projekt „Ankerklassen – für einen gelungenen Schulstart“ wurde in 2022 evaluiert. In der Evaluation wird deutlich, dass die Ankerklassen positive Auswirkungen auf die Kinder haben. Die Bausteine, wie z.B. ein interdisziplinärer Personaleinsatz sowie eine kleinere Klassenstärke greifen und wirken einem frühen Scheitern entgegen.
Die rechtskreisübergreifende Arbeit überzeugt durch gute Erfolge und bildet die Basis zur Fortsetzung über das laufende Schuljahr 2022/23 hinaus. Empfehlungen zu konzeptionellen Anpassungen und punktueller Modifikation und weiterführenden Fragen liegen vor. Die für Jugendhilfe und Schule verantwortlichen Akteuren befinden sich hierzu in der konzeptionellen Weiterentwicklung.
Darstellung des Sachstands:
Der Untersuchungszeitraum umfasst die Schuljahre 2020/21 und 2021/22. Die Erkenntnisse basieren im Wesentlichen auf den Angaben der Schulleitungen (Rücklaufquote 100 %), der Ankerklassenteams (Rücklaufquote 83 %) und der Befragung der Ankerklassenkinder (Rücklaufquote 89 %).
Der Gesamtrücklauf ist überdurchschnittlich hoch und bietet eine belastbare Grundlage.
Die Aussagen zum Zielerreichungsgrad und zum Stand der Dinge nach zweijähriger Projektlaufzeit beziehen sich überwiegend auf die Gesamtheit der Angaben und der daraus gebildeten Mittelwerte. Jahrgangs- und schulstandortbezogen gibt es Unterschiede, die in der Anlage entsprechend dargestellt sind.
Ergebnisse zur konzeptionellen Umsetzung und Arbeitsweise
Bei guter Auslastung haben sich die Ankerklassen als durchlässig und in der Zusammensetzung heterogen erwiesen.
Zum Schuljahr 2020/21 wurden 55 Kinder und zum Schuljahr 2021/22 56 Kinder in einer der sechs Ankerklassen eingeschult. 15 Kinder rückten innerhalb der zwei Schuljahre nach.
20 Kinder verließen im Untersuchungszeitraum eine Ankerklasse.
Das System hat sich als in beide Richtungen durchlässig erwiesen; dabei sind Gründe für Wechsel und Beendigungen transparent und können nicht als Scheitern von Kindern oder Angebot angesehen werden. Zu den Gründen zählen Wechsel in wohnortnahe 1. Klassen, familiäre Umzüge und Übergänge in geeignete und notwendige stationäre Hilfen.
Bei einer Maximalbelegung mit 12 Kindern pro Klasse liegt die durchschnittliche Auslastungsquote bei 88 %. ¾ der Kinder sind dem männlichen und ¼ ist dem weiblichen Geschlecht zuzuordnen. Annähernd jedes zweite Kind in der Ankerklasse hat einen Migrationshintergrund. Geschlecht, Migration und Belegungsquoten variieren von Standort zu Standort.
Zugang und Auswahl der Kinder erfolgen über sozialräumliche Entscheidungsgremien unter Federführung der Schulleitungen.
Die Schulleitungen steuern seit dem zweiten Projektjahr maßgeblich die Auswahl der Kinder für ihre Ankerklassen in sozialräumlichen Gremien, die sich zu sogenannten Regionalkonferenzen formiert haben.
Eine konzeptionell vorgesehene obligatorische Beteiligung der Akteure aus Kita, Förderzentren und ASD-Sozialzentren an der Auswahl war im Untersuchungszeitraum nicht überall verlässlich gegeben. Hier wurde ein optimiertes Arbeitsvorgehen abgestimmt und eingeführt.
Die Schulleitungen sind der Dreh- und Angelpunkt für Kommunikation und konzeptionelle Entwicklungen. Der interne Austausch ist an allen Schulen eng, wobei u.a. die Koordinationskräfte der Träger unterschiedlich stark eingebunden sind.
In den Ankerklassenteams haben sich professionsbezogen umrissene Tätigkeitsprofile und Schwerpunktsetzungen entwickelt.
Viele Bereiche werden von der Klassenlehrkraft, der Förderschullehrkraft und der sozialpädagogischen Fachkraft gemeinsam gestaltet und verantwortet. In der Gesamtschau lassen sich leichte Nuancen in der Federführung erkennen. Die Klassenlehrkraft übernimmt eine Art „Overheadfunktion“. Die Förderschullehrkraft bringt ihre besondere Expertise ein und gewährleistet ein hohes Maß an Doppelsteckungen. Die Sozialpädagog*innen sind federführend intern und extern vernetzend und vermittelnd tätig. Die Nachmittagsbetreuung wird an vier der sechs Standorte gemeinsam verantwortlich gestaltet. An zwei Schulen obliegt sie teilweise oder ganz der sozialpädagogischen Fachkraft.
Elternarbeit ist ein wesentlicher gemeinsam gestalteter Baustein.
Elternkontakte werden sowohl von den Klassenlehrkräften als auch von den Sozialpädagog*innen übernommen. Gespräche finden sowohl alleine als auch unterstützt durch die jeweils andere Profession des Ankerklassenteams statt.
Gelingensfaktoren in Teams: von Arbeitsentlastung, Qualifikation und transparenter Einbindung.
Vereinzelte Hinweise aus den Ankerklassenteams betrafen eine hohe Arbeitsbelastung sowie negative Folgen durch Personalwechsel, Vakanzen und Befristungen. Motivation und Ausgangsqualifikation der Lehrkräfte sei für die Zielgruppe nicht durchweg ausreichend. Angebote für standortübergreifenden Austausch der Teams wurden vermisst. Dem Wunsch nach Supervision wurde zum Ende des ersten Ankerklassenjahrgangs Rechnung getragen. Das Angebot wurde stark unterschiedlich genutzt und bewertet.
Ergebnisse zur Entwicklung der Kinder
Schulisches Grundlagenwissen ist im Ankerklassenjahr gelegt - Lernerfolge und Sozialverhalten entwickeln sich schrittweise positiv.
Grundlagen in Deutsch, Mathematik und weiteren Fächern konnten auf mittlerem Niveau vermittelt werden. Am Ende des Ankerklassenjahres zeigen die Kinder im Durchschnitt ein schwankendes Lern- und Leistungsverhalten. Das Sozialverhalten wird als wechselhaft bis überwiegend gut erlebt. Die meiste Unterstützung benötigen die Kinder in den Bereichen Konzentration und Konfliktfähigkeit. Dabei fallen standortortbezogen deutliche Unterschiede auf.
Übergang ins zweite Schulbesuchsjahr gelingt.
Das zweite Schulbesuchsjahr des ersten Ankerklassenjahrgangs stellt den Übergang ins Regelsystem dar. Zwei Standorte arbeiten mit sogenannten „aufgefüllten“ Klassen, d.h. zu den Kindern der Ankerklassen kommen Erstklässler dazu. An vier Standorten werden die Ankerklassenkinder auf zwei oder mehrere erste Klassen der Eingangsstufe verteilt. Beide Modelle scheinen nach bisherigen Erkenntnissen tragfähig.
Nach dem ersten Schulbesuchsjahr verbleiben 91% der Kinder an ihrer Regelschule.
73 % der Kinder erreichen das dritte Schulbesuchsjahr an ihrem Einschulungsstandort.
Wechsel an andere Schulen wurden durch Umzüge notwendig, Eltern entschieden sich für Grundschulen in Wohnortnähe. Nur für wenige Kinder war die Beschulung in einer Ankerklasse nicht ausreichend.
Kinder in den Ankerklassen sind gerne Teil von Schule und benennen Wünsche und Verbesserungsvorschläge.
Die überwiegende Mehrheit der 79 befragten Ankerklassenkinder geht sehr gerne (72%) oder eher gerne (20%) zur Schule. Die meisten sind zufrieden, mögen den Unterricht, mögen die Mitschüler*innen sowie die Pausen und sind stolz, bereits zur Gruppe der Schulkinder zu gehören.
Erfragte Wünsche und Ideen beziehen sich beispielsweise auf mehr Ruhe- und Pausenzeiten und ein friedliches Miteinander. Die Grundhaltung der Kinder beim Übergang ins Regelsystem kann als optimistisch beschrieben werden.
Rahmen und Kompetenzen im Ankerklassenteam decken weitgehend zusätzliche schulisch eingliedernde, begleitende Bedarfe ab.
Zwei Kinder erhielten zusätzliche Hilfen gemäß § 54 SGBXII. Mit einer Ausnahme konnte auf Schulbegleitungen gemäß § 35a SGBVIII verzichtet werden.
Jedes fünfte Ankerklassenkind hat von schulischer Seite diagnostizierte Förderbedarfe.
Circa 20 % der Kinder des ersten Ankerklassenjahrgangs sind nach zwei Schulbesuchsjahren einem Förderschwerpunkt zugeordnet. Eine im Gesamtkonzept vorgesehene frühzeitige Zuordnung zu Förderschwerpunkten an und durch Schule fand an vier der sechs Standorte statt.
Fazit von Schulamt, Projektträger und Jugendamt
Nahezu alle Kinder gehen trotz einer schwierigen Ausgangslage gerne zur Schule. Diese hohe Zufriedenheit sowie die erfolgreiche Absolvierung des folgenden Schulbesuchsjahres ist für die noch nicht schulreifen Kinder ein besonderer Erfolg.
Durch die individuelle, interdisziplinäre und personalintensive Förderung erleben sie Selbstbestätigung und erfahren sich als selbstwirksam. Dieses Erleben wirkt sich nach wissenschaftlichen Erkenntnissen außerordentlich positiv auf die weitere Bildungsbiografie aus.
Eine Weiterentwicklung des Konzeptes erfolgt aufgrund der Erkenntnisse der Evaluation.
Insofern wird das Konzept zunächst einmal für ein weiteres Jahr geplant und ausgewertet.
Die anliegende Evaluation mit vertieften Erkenntnissen zu Wirkung und Wirksamkeit sowie Empfehlungen für Weiterentwicklungen und Diskurse wurde für die fachlich Beteiligten erstellt. Für Interessierte wird sie zur Verfügung gestellt.
Renate Treutel
Bürgermeisterin
Anlagen
Nr. | Name | Original | Status | Größe | |
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1
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(wie Dokument)
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2,6 MB
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