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ALLRIS - Drucksache

Geschäftliche Mitteilung - 0992/2023

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Beratungsfolge

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Sachverhalt/Begründung

Die Verwaltung ist anlässlich der Drucksache 0090/2023 gebeten worden, eine Geschäftliche Mitteilung zu All-Gender-Toiletten vorzulegen.

Im Folgenden werden die baulichen, fachlichen und auch rechtlichen Rahmenbedingungen aufgezeigt, die bei der Bereitstellung sanitärer Anlagen in den öffentlichen städtischen Gebäuden und somit auch bei der Einrichtung von All-Gender-Toiletten zu beachten sind. 

Gemäß der Zuständigkeit der Immobilienwirtschaft wird dabei Bezug genommen auf

a) WC-Anlagen in den Gebäuden der „originären“ öffentlichen Verwaltung 

           (in Abgrenzung zu den städtischen Unternehmen),

b) WC-Anlagen in Versammlungsstätten wie z.B. Theater und Sportstätten,

c) WC-Anlagen in Schulen, Schulsporthallen und Kindertageseinrichtungen

Die verschiedenen Gebäudearten und Funktionen der öffentlichen Einrichtungen haben jeweils unterschiedliche rechtliche Vorgaben für die Bereitstellung von sanitären Anlagen zu erfüllen. Die Möglichkeiten zur Einrichtung von All-Gender-Toiletten sind daher entsprechend der Gebäudefunktion zu prüfen und passend umzusetzen.

a)   WC-Anlagen in den Gebäuden der „originären“ öffentlichen Verwaltung

Die in den städtischen Verwaltungsgebäuden vorhandenen WC-Anlagen lassen sich im Wesentlichen unterscheiden in

  1. WC-Anlagen für die Mitarbeitenden und

  2. WC-Anlagen für Besucher*innen.

 Zu 1.:

Die Einrichtung sanitärer Anlagen für die Mitarbeitenden ist in der bundesweit geltenden Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) und den konkretisierenden Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR 4.1) geregelt.

Danach sind „Toilettenräume für Männer und Frauen getrennt einzurichten“. Die Einrichtung von Toilettenräumen für Personen, die sich nicht als Mann oder Frau definieren, ist von der ArbStättV bisher nicht erfasst. Ferner ist definiert, in welcher Anzahl im Verhältnis zu den Beschäftigten WCs bzw. WC-Anlagen (gleichbedeutend mit Toilettenräumen) vorzuhalten sind und welche baulichen Mindestanforderungen einzuhalten sind.

Aus diesen Vorschriften ergibt sich auch die Anzahl an geschlechtsspezifischen WCs bzw. WC-Anlagen für die Mitarbeitenden in den städt. Verwaltungsgebäuden. Die Einrichtung von All-Gender-Toiletten ist daher immer als zusätzliches Angebot zu der rechtlich vorgeschriebenen Mindestzahl an geschlechtsspezifischen WC-Anlagen zu sehen.

Für die Praxis bedeutet dies, dass eine Umwandlung einer bestehenden WC-Anlage in eine All-Gender-Toiletten nur möglich ist, wenn mit den übrigen geschlechtsspezifischen WC-Anlagen weiterhin die nach der ArbStättVO erforderliche Anzahl bereitgestellt werden kann. 

Ein Beispiel für eine entsprechende Umsetzung ist die bereits vorhandene All-Gender-Toilette im Rathaus Hopfenstraße.

Anderenfalls müsste die All-Gender-Toilette bzw. der geschlechtsspezifische Ergänzungsbedarf baulich hergestellt werden, indem an geeigneter Stelle eine komplett neue WC-Anlage errichtet wird. Abgesehen von den dafür einzuplanenden Kosten bedarf dies einer Überprüfung der räumlichen und technischen Gegebenheiten (Ver- und Entsorgung) und einer entsprechenden Planung.

Zu 2.:

Je nach Größe des Verwaltungsgebäudes bzw. Umfang des Publikumsverkehrs nutzen Besucher*innen in den öffentlichen städtischen Gebäuden die WC-Anlagen, die bereits für die Mitarbeitenden vorgehalten werden und/oder gesonderte WC-Anlagen für Besucher*innen.

Sofern Besucher*innen die WC-Anlagen für die Mitarbeitenden mit nutzen und es keine ergänzen-den Besucher*innen-WCs gibt, gelten für die Umwandlung in All-Gender-Toiletten die gleichen Rahmenbedingungen wie unter 1.

Bei gesonderten WC-Anlagen für Besucher*innen ist anzunehmen, dass All-Gender-Toiletten nur als zusätzliches Angebot auf breite Akzeptanz stoßen und daher weiterhin auch geschlechtsspezifische WC-Anlagen vorgehalten werden sollten. Inwieweit dies, ggf. unter Einbeziehung der WC-Anlagen der Mitarbeitenden, mit den bestehenden Anlagen realisiert werden kann oder es einer baulichen Ergänzung bedarf, ist ebenfalls zu untersuchen und zu planen.

b) WC-Anlagen für Besucher*innen in Versammlungsstätten wie Theater und Sportstätten  

In Versammlungsstätten sind für die dortigen Mitarbeitenden ebenfalls die Regelungen der ArbStättVO zu beachten [siehe a) 1.]. Im Übrigen greifen hier die Regelungen der Versammlungsstättenverordnung (VStättVO). Bei den WC-Anlagen für die Besucher*innen besteht die Besonderheit (im Unterschied zu den allg. öffentlichen Gebäuden), dass diese für eine sehr hohe Frequentierung in einem kurzen Zeitraum (Vorstellungs- / Spielpause) zu dimensionieren sind und einen entsprechenden räumlichen Bedarf aufweisen.

Hier wird die Umwandlung einer vorhandenen WC-Anlage in eine All-Gender-Toilette in der Regel nicht umsetzbar sein. Das zusätzliche Angebot im Bereich der Besucher*innen wird, sofern räumlich überhaupt möglich, nur mit der baulichen Errichtung einer weiteren WC-Anlage geschaffen werden können, was wiederum entsprechender Planungen und Finanzmitteln bedarf.

c) WC-Anlagen in Schulen, Schulsporthallen und Kindertageseinrichtungen

Die generellen Anforderungen an die sanitären Anlagen in Schulen, Schulsporthallen und Kindertageseinrichtungen sind je nach Funktionsbereich zu differenzieren. Für die Verwaltung und Bereiche wie beispielsweise die Küchen gelten die Anforderungen der Arbeitsstättenverordnung und -richtlinien. Für größere Bereiche, die als Versammlungsstätten eingestuft werden, wie zum Beispiel Aulen oder große Mensen, sind die Vorgaben der VStättVO zu erfüllen. Im Bereich der Schüler*innen/Kinder sind insbesondere die Regelwerke der ASR und VDI zu beachten.

Neben den rein technischen Vorgaben sind für die Einrichtung von All-Gender-Toiletten in den genannten Einrichtungen vorrangig die betrieblichen und nutzerspezifischen Rahmenbedingungen und Erfordernisse maßgeblich, die aus dem Betrieb heraus zu definieren und zu bewerten sind.

Bei einer Entscheidung für eine All-Gender-Toilette ist dann auch hier zu prüfen, ob mit einer Umwandlung einer bestehenden WC-Anlage agiert werden kann oder ggf. eine bauliche Ergänzung erforderlich wird.

Die bauliche Umsetzung hat u.a. Auswirkungen auf den Flächenbedarf, die Anzahl der Sanitärobjekte, das Lüftungskonzept, die Kabinen-Zugangsregelung, die Ausführung von WC-Trennwänden, die Ausstattung von WC-Kabinen und die Anordnung, Größe und Ausgestaltung der Vorräume mit Waschtischen. Eine Einzelraumversorgung mit Lüftung und Beleuchtung, ggf. mit 2-Sinne-Alarmierung, wird erforderlich.

 

 

Fazit:

Unabhängig von dem durch die Selbstverwaltung erteilten Auftrag unterstützt die Verwaltung das Ziel der Einrichtung von All-Gender-Toiletten.

Die Ausführungen sollen jedoch deutlich machen, dass es in der Umsetzung vielfältige Rahmenbedingungen zu beachten gibt:

  - rechtliche Anforderungen an die Einrichtung von sanitären Anlagen,

  - vorhandene bauliche Gegebenheiten und Möglichkeiten, 

  - besondere Anforderungen bzgl. der Nutzer*innen und

  - ggf. divergierende und in Einklang zu bringende Interessenlagen.

Dies führt dazu, dass es umfangreicher Einzelfallprüfungen und -planungen bedarf und es nicht die eine Musterlösung gibt, die schablonenhaft auf alle Gebäude angewandt werden kann. So ist davon auszugehen, dass die „bloße Umbezeichnung“ einer WC-Anlage nur in seltenen Fällen zur Einrichtung einer All-Gender-Toilette genügen wird. 

In vielen Fällen werden, wenn überhaupt möglich, für die Einrichtung von All-Gender-Toiletten in den Bestandsgebäuden Umbau- oder Neubaumaßnahmen erforderlich, die einer entsprechenden Planung und Finanzierung bedürfen.

Im Neubau sieht die Verwaltung All-Gender-Toiletten allerdings bereits bei der Festlegung des Anforderungsraumprogramms in der Vorentwurfsphase vor. Dies ist verbunden mit einem Flächen- und entsprechenden Kostenzuwachs.

Eine pauschale Festlegung, in allen städtischen Gebäuden All-Gender-Toiletten zu errichten, sollte daher und insbesondere mit Blick auf Grundschulen und Kindertageseinrichtungen überdacht werden. Bei weiterführenden Schulen wird es, wie oben beschrieben, in Neu- und entsprechenden Anbauten bereits berücksichtigt.

Aus Sicht der Verwaltung ist hier, insbesondere auch hinsichtlich der Machbarkeit aber ggf. auch der Wirtschaftlichkeit eine Einzelfallbetrachtung und enge Einbindung der Nutzer*innen vor Ort erforderlich. 

Unter diesen Gesichtspunkten sieht die Verwaltung eine Einrichtung von All-Gender-Toiletten in den öffentlichen Gebäuden bis Ende 2023 als nicht umsetzbar an.

Weiteres Vorgehen:

Aufgrund verschiedener Nutzungserweiterungen (z.B. Ankauf Bundesbankgebäude Hopfenstraße) und Umzügen von Organisationseinheiten in den vergangenen Jahren wird die Verwaltung, beginnend mit dem Rathaus und dem Neuen Rathaus, eine aktuelle Bestandsaufnahme zur sanitären Ausstattung gemäß ArbStättVO durchführen.

Im Anschluss soll aufgezeigt werden, wo ggf. bestehende Überhänge zur All-Gender-Toilette umgewandelt werden können bzw. wo baulichen Maßnahmen erforderlich würden.

Für die städtischen Gesellschaften gilt, dass auch in deren Bestandsgebäuden in erster Linie die einschlägigen Normen zu erfüllen sind. Die Entscheidung, darüber hinaus All-Gender-Toiletten einzurichten, obliegt den Gesellschaften bzw. deren Organen.

In Vertretung

 

 

Renate Treutel

Bürgermeisterin 

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Beschlüsse

Erweitern

Sep 28, 2023 - Ausschuss für Soziales, Wohnen und Gesundheit - zur Kenntnis genommen

Erweitern

Oct 5, 2023 - Bauausschuss - zur Kenntnis genommen