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ALLRIS - Drucksache

Geschäftliche Mitteilung - 1427/2023

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Beratungsfolge

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Sachverhalt/Begründung

Anlass

 

Der Bauausschuss hat am 03.03.2022 (Drs. 0165/2022) beschlossen:

„Die Verwaltung wird gebeten zu prüfen, wie die Integration des Discounters „LIDL“ in die geplante Entwicklung auf dem ehemaligen Postfuhrhofgelände in Gaarden unter Berücksichtigung der Vorgaben des Einzelhandelskonzeptes gelingen kann.“

 

Hintergrund

 

Da in den vergangenen Monaten mehrere Anfragen zur Erweiterung von Verkaufsflächen von bestehenden Lebensmittelmärkten im Westen Gaardens (Umfeld Werftstraße) gestellt wurden und hier zugleich ein signifikanter Bevölkerungs- und somit Kaufkraftzuwachs vor allem durch die städtebauliche Projektentwicklungen Kool Kiel, Werftterrassen sowie in der Hörn zu erwarten ist, wurde eine Machbarkeitsuntersuchung (s. Anlage) durch das Büro Stadt + Handel aus Dortmund durchgeführt.

Die Prüfmethodik ist durch das vom Rat beschlossene Einzelhandels- und Zentrenkonzept (EZK) 2021 verbindlich zur Gleichbehandlung aller Marktanbieter*innen vorgegeben.

 

 


Untersucht wurden aufgrund des unmittelbaren räumlichen Zusammenhangs folgende Standorte:

  • Standort A: Neuansiedlung eines Lebensmittelmarktes im Hörn-Areal mit rd. 800 m² Verkaufsfläche
  • Standort B: Geplante Erweiterung der Verkaufsfläche des bestehenden Penny-Lebensmitteldiscounters, Werftstraße 247, auf 1.004 m² (entspricht einer Erweiterung um rd. 200 m² 25%)
  • Standort C: Geplante Erweiterung der Verkaufsfläche des bestehenden LIDL-Lebensmitteldiscounters, Werftstraße 197, auf 1.400 m² Verkaufsfläche (entspricht einer Erweiterung um rd.  580 m² 75%) 

 

 

Im Fokus der vorgelegten Untersuchung liegt die einzelhandelsplanerische Untersuchung. Die konkrete städtebauliche Einbindung erfolgt innerhalb des jeweiligen Einzelprojektes.

Zielstellungen und Methodik des EZK zu Nahversorgungsangeboten

 

Unmittelbar einschlägig für die erste Einordnung sind die Kapitel des EZK Nahversorgungskonzept (Kap.9) und die Steuerungsleitsätze (Kap.12).

Der Steuerungsleitsatz II sieht eine Ansiedlung bzw. Erweiterung der hier betrachteten Betriebstypen des Lebensmitteleinzelhandels absteigend an den folgenden Standorttypen vor:

Primär ist die Ansiedlung / Erweiterung in zentralen Versorgungsbereichen

 

 

 

Die drei geprüften Standorte befinden sich außerhalb zentraler Versorgungsbereiche, insofern ist diese primäre Zielstellung bei den geprüften Standorten nicht erreichbar.

 

„Zur Sicherung bzw. Optimierung der räumlichen Nahversorgung“ ist Lebensmitteleinzelhandel unter gewissen Voraussetzungen sekundär auch an Nahversorgungsstandorten zulässig.

 

 

 

Hierzu sind Prüfroutinen im EZK vorgesehen, ob ein Standort die Kriterien für einen Nahversorgungsstandort erfüllt und welche Angebote hier vorgesehen werden können. Diese Prüfroutinen wurden in der hier vorgelegten Prüfung angewendet.

 

In weiteren, „sonstigen städtebaulichen integrierten Lagen“ sind nach der Zielstellung des EZK „in der Regel nur Lebensmittelläden / Convenience Stores zur direkten Versorgung des Gebietes zulässig“.

 

 

 

 

Es werden ebenfalls die Prüfroutinen aus dem EZK angewendet

In „städtebaulich nicht integrierten Lagen“ ist zukünftig kein Lebensmittel-einzelhandel vorzusehen.

 

 

 

 

keine Prüfung erforderlich, da konzeptionell Negativ­­standort

 

 

Die Zuordnung der drei Standorte zu den drei in Frage kommenden Standorttypen „Nahversorgungsstandort“, „sonstige städtebaulich integrierte Lage“ und „städtebaulich nicht integrierte Lage“ ist somit zentral für die Beantwortung der Frage, ob und wenn ja wie diese Standorte konzeptkonform entwickelt werden können.

 

Im ersten Prüfschritt wird somit anhand transparenter Kriterien geprüft, ob die einzelnen Standorte als Nahversorgungsstandorte eingestuft werden und somit als Positivstandorte für den Lebensmitteleinzelhandel gelten können.

 

Wenn ein Standort allerdings als „sonstiger städtebaulich integrierter Standort“ eingestuft wird, soll es grundsätzlich zu keiner Ansiedlung oder Erweiterung kommen. Ausnahmen sind im Einzelfall und nach konkreter Prüfung nach den Maßgaben des EZK, insbesondere den Kapiteln Nahversorgungskonzept und Steuerungsleitsätze möglich.

 

Für die beiden Standorttypen Nahversorgungsstandorte und sonstiger städtebaulich integrierter Standort sieht das EZK die Prüfung einer standortgerechten Dimensionierung (Kap. 9.6) vor. Hierbei handelt es sich um eine überschlägige und doch aussagekräftige Prüfung, ob von einem Betrieb potenziell mehr Kaufkraft abgeschöpft werden wird als es seinem Standorttyp angemessen ist. Diese Kaufkraftabschöpfung ginge somit zu Lasten der Zentren oder von weiteren, wichtigen Nahversorgungsstandorten.

 

In „städtebaulich nicht integrierten Standorten“ ist weder eine Ansiedlung noch eine Erweiterung eines Lebensmitteleinzelhandels vorzusehen.

 

 

Zentrale Ergebnisse

 

Standort A (Hörn)

 

Die Gutachter*innen empfehlen für den Standort in Hörn eine Ausweisung als Nahversorgungsstandort. In der folgenden Grafik ist die Erfüllung der Kriterien für Nahversorgungsstandorte im Überblick dargestellt:

Quelle: Stadt+Handel 2023


 

 

 

 

Für die bestmögliche Erfüllung der Kriterien werden folgende Empfehlungen ergänzt:

 

  • Schaffung eines ÖPNV-Anschlusses in unmittelbarer Nähe zum Vorhabenstandort
    [Anmerkung Stadtplanungsamt: Die Haltestelle Gaardener Ring ist bereits eingerichtet.]
  • „Öffnung“ des Marktes zu den wesentlichen Siedlungsstrukturen, Ausrichtung zum Gaardener Ring [Anmerkung Stadtplanungsamt: Wird in den aktuellen Planungen städtischerseits eingefordert.]
  • Ansprechende Gestaltung des öffentlichen Raums im direkten Umfeld zur Steigerung der Integration und der Aufenthaltsqualität [Anmerkung Stadtplanungsamt: Wird berücksichtigt in den Planungen zur Vollendung der Gaardener Brücke.]

 

Weiterhin ist die standortgerechte Dimensionierung bei der angenommenen Verkaufsfläche von 800 erfüllt.

Mit der vorgesehenen Verkaufsfläche in der Hörn wird noch nicht das volle Potenzial für den Nahbereich ausgeschöpft.

Laut Gutacher*innen sind „insbesondere folgende ergänzende Einzelhandelsangebote“ „denkbar“:

  • „Getränkemarkt in üblicher Dimensionierung für den Betriebstyp (rd. 800m² VKF) oder
  • Unverpackt Lebensmittelmarkt in üblicher Dimensionierung (rd. 400m²);
  • (ethnischer) Lebensmittelmarkt in üblicher Dimensionierung (bis zu rd. 400m²) und zusätzlich
  • Kleinteilige, ergänzende Angebotsstrukturen (z.B. Kiosk, Bäcker, Metzger etc.)“

 

Der Ortsbeirat Gaarden hat in seiner Sitzung vom 13.12.2023 die Empfehlungen zum Standort A begrüßt.

 

Standort B (Penny)

 

Die Gutachter*innen empfehlen für den Standort in Hörn eine Ausweisung als Nahversorgungsstandort unter der zwingenden Voraussetzung, dass das Planrecht für Kool Kiel geschaffen ist, um so die städtebauliche Integration zu gewährleisten. In der folgenden Grafik ist die Erfüllung der Kriterien für Nahversorgungsstandorte im Überblick dargestellt:

Quelle: Stadt+Handel 2023

 

Aufgrund des Satzungsbeschlusses für den Bebauungsplan 1030V (Drs.1361/2023) durch die Ratsversammlung am 14.12.2024 ist diese Voraussetzung zwischenzeitlich als erfüllt zu betrachten.

 

Für die bestmögliche Erfüllung der Kriterien werden folgende Empfehlungen ergänzt:

  • Unterbringung des Marktes in einer Mixed-Use-Immobilie mit Wohnnutzung in den oberen Stockwerken
  • Ausrichtung des Marktes in Richtung des Kreuzungsbereiches Werftstraße / Preetzer Straße
  • Schaffung mindestens eines straßenseitigen Eingangs

 

Weiterhin ist mit der ursprünglich seitens Penny vorgetragenen Verkaufsflächenerweiterung aus 1.000m² auch die standortgerechte Dimensionierung erfüllt. Auch an diesem Standort wären damit noch nicht alle Potenziale voll ausgeschöpft.

 

Laut Gutachter*innen sind ähnlich ergänzende Einzelhandelsangebote wie bei Standort A denkbar.

 

Die Verwaltung empfiehlt für die Umsetzung der Erweiterung und die Steuerung im Sinne der oben angeführten Empfehlungen die Aufstellung eines Bebauungsplans, in dem verbindliche Festsetzungen und ergänzend auch vertragliche Vereinbarungen getroffen werden können.

 

Diese Empfehlung der Verwaltung stehen im Einklang mit den städtischen Beschlusslagen zum Antrag „Super-Wohn-Märkten (Drs. 0246/2019), der eine Verknüpfung von Baurecht für großflächigen Einzelhandel mit Wohnen fordert sowie dem Antrag zum Beschluss des Einzelhandels- und Zentrenkonzepts (Drs. 0845/2021), sukzessive für unbeplante Innenbereiche mit Einzelhandel Bebauungspläne aufzustellen.

 

Der Ortsbeirat Gaarden hat in seiner Sitzung vom 13.12.2023 die Empfehlungen zum Standort B begrüßt.

 

 

Standort C (LIDL)

 

Für diesen Standort empfehlen die Gutachter*innen KEINE Ausweisung als Nahversorgungsstandort. In der folgenden Grafik ist die (Nicht-)Erfüllung der Kriterien für Nahversorgungsstandorte im Überblick dargestellt:

 

Die integrierte Lage ist hier als „gelb“ eingestuft. Diese Einstufung beruht auf der Tatsache, dass aktuell aufgrund der ausschließlichen Ausrichtung auf die Werftstraße und somit keiner Verknüpfung mit Wohnbebauung keine städtebauliche Integration vorliegt. Das Kriterium könnte erst nach einer Verknüpfung mit dem Nachbarprojekt Werftterrassen erfüllt werden. Insofern ist hier keine rote Ampel genutzt und die „gelbe“ Bewertung rein als perspektivische Option zu verstehen. Durchschlagend sind aber unmittelbar die negativen Bewertungen aufgrund der zu geringen Entfernung zum Stadtteilzentrum Gaarden-Ost sowie aufgrund der zur Erfüllung der Kriterien erforderlichen, aber hier nicht erfüllten Sicherung und Optimierung der Nahversorgungsfunktion.

Als Ergebnis kann allenfalls der Standorttyp einer sonstigen städtebaulich integrierten Lage erreicht werden, wenn zwingend folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Gute fußläufige Anbindung und Öffnung an die geplanten Wohnsiedlungen im Entwicklungsgebiet Postareal
  • Anbindung des LIDL an die geplante Erschließungsstraße („Kleine Fahrt“) des Bebauungsplangebietes Nr. 1023 Altes Postareal (Werftterrassen)
  • Schaffung von Wohnraum auf dem Grundstück des LIDL

Weiterhin ist bei der Einstufung als sonstigem städtebaulich integrierten Standort mit der seitens LIDL beabsichtigten Erweiterung der Verkaufsfläche auf 1.400m² die standortgerechte Dimensionierung NICHT erfüllt. Da es sich hier um einen Bestandsbetrieb handelt, wird deshalb eine Erweiterung seitens der Gutachter*innen nicht völlig ausgeschlossen, aber eine Erweiterung des Lidl-Lebensmitteldiscounters auf maximal 1.100 m² Gesamtverkaufsfläche (GVKF) empfohlen, um die Vorgaben des EZK Kiel 2021 zu erfüllen. Diese gutachterliche Empfehlung ist zwingend umzusetzen, um eine mit dem Stadtteilzentrum Gaarden sowie den weiteren Nahversorgungsstrukturen verträgliche Entwicklung zu gewährleisten.

Die Gutachter führen zur Begründung der Verkaufsflächenreduktion an:

„Die empfohlene Verkaufsflächenreduktion des LIDL basiert auf den Zielstellungen des EZK Kiel 2021, welches für Standorte in integrierten Lagen lediglich eine Bestandssicherung vorsieht, sofern diese nicht die Kriterien eines Nahversorgungsstandortes erfüllen. Ziel ist es hierdurch lediglich die Grundversorgungsfunktion dieser Märkte zu sichern, ohne ein zu großes Standortgewicht gegenüber den hinsichtlich der Versorgungsbedeutung höher zu bewertenden Nahversorgungsstandorten und zentralen Versorgungsbereichen herbeizuführen. Dies gilt sodann unabhängig möglicher städtebaulich negativer Auswirkungen.“

Da es sich bei Standort C nicht um einen Nahversorgungsstandort handeln kann, sind auch keine ergänzend denkbaren Einzelhandelsangebote im Gutachten angeführt.

 

Die Verwaltung merkt an, dass mit dieser Betrachtung und der damit verbundenen Erweiterungsoption dem LIDL-Markt gutachter*innenseits eine Option geboten wird, die schon ein weites Entgegenkommen in einer konzeptkonformen Auslegung des oben dargestellten Steuerungsleitsatzes II darstellt. Dieser Standort ist in der räumlichen Struktur der Nahversorgung nicht unproblematisch. Eine Erweiterung der Verkaufsfläche um 300m² und somit um 37,5% wurde gutachterlich als absolute Obergrenze ermittelt. Die Zielsetzungen des EZKs mit der Stärkung der Zentren und der ergänzenden Nahversorgung an identifizierten Nahversorgungsstandorten sollten nicht weiter geschwächt werden.

 

Im Rahmen der parallel geführten Abstimmungen mit der Firma Lidl und der Entwicklung des Grundstückes des ehemaligen Postareals (Werftterrassen) wurden die folgenden Punkte thematisiert:

Die geplante Erweiterung bzw. einen Umbau der bestehenden Filiale in der Werftstraße macht die Firma Lidl davon abhängig, dass Kund*innen auf der Werftstraße sowohl aus Richtung Norden als auch Richtung Süden zu LIDL gelangen und ebenso den Markt verlassen können. Aktuell ist nur „rechts rein und rechts raus“ möglich. Südlich der bestehenden Ein- und Ausfahrt des Lidl-Marktes wird ein sogenannter Vollknoten realisiert, damit das Quartier des alten Postareals bestmöglich erschlossen wird. Diese Straße wird aktuell als „Kleine Fahrt“ bezeichnet.

Um den Verkehrsfluss und die Verkehrssicherheit nicht zu beeinträchtigen, wird seitens des Tiefbauamtes ein weiterer Vollknoten für den Lidl-Markt nur wenige Meter weiter im Norden abgelehnt. Die Firma Lidl möchte sich folglich an die „Kleine Fahrt“ anbinden. Diese Anbindung ist nur über das Privatgrundstück des Projektes Werftterrassen möglich. Aufgrund der Tatsache, dass der hochbauliche Wettbewerb noch nicht abgeschlossen ist und noch grundlegende Planungsfragen offen sind, die das Quartier selbst betreffen, kann noch keine abschließende Aussage darüber getroffen werden, ob diese Anbindung seitens der Eigentümerin bzw. der Vorhabenträgerin des Projektes Werftterrassen möglich ist.

 

Der Ortsbeirat Gaarden hat in seiner Sitzung vom 13.12.2023 zum Standort C angeregt, einer Erweiterung der Verkaufsfläche auf 1.400m² unter den Bedingungen der städtebaulichen Integration sowie des Wohnungsbaus auf dem LIDL-Grundstück zuzustimmen.

 

Die Position des Ortsbeirats widerspricht im zentralen Punkt den Prüfergebnissen der standortegerechten Verkaufsflächendimensionierung der Gutachter*innen und der Verwaltung.

 

Zentral ist für die weitere Bearbeitung der Erweiterungsbestrebungen der Firma LIDL zuerst die Klärung, ob die städtebauliche Integration einschließlich einer Kombination mit einer Wohnbebauung auf dem LIDL-Grundstück, der städtebaulichen Verknüpfung mit dem Projekt Werftterrassen und der verkehrlichen Anbindung über das Projekt Werftterrassen gelingen kann.

 

Insofern besteht auch hier aktuell kein politischer Beschlussbedarf, da zuerst diese Klärungen abgeschlossen sein müssen. Sollte dies grundsätzlich geklärt werden, ist auch hier die Steuerung der Bebauung des LIDL-Grundstücks über einen Bebauungsplan vorzusehen.

 

Anmerkung

 

Die Erstellung des als Anlage beigefügten Gutachtens verzögerte sich aufgrund von personellen Vakanzen innerhalb der Verwaltung.

 

 

Doris Grondke

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Anlagen

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Beschlüsse

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Mar 7, 2024 - Bauausschuss - zur Kenntnis genommen