Infosystem Kommunalpolitik
Geschäftliche Mitteilung - 0412/2024
Grunddaten
- Betreff:
-
Abschluss des Tarifentwicklungsplans (TEP) der NAH.SH zur Weiterentwicklung des Schleswig-Holstein-Tarifs
- Status:
- öffentlich (Drucksache abgeschlossen)
- Drucksachenart:
- Geschäftliche Mitteilung
- Federführend:
- Eigenbetrieb Beteiligungen der Landeshauptstadt Kiel
- Auswirkungen:
- Drucksache hat keine Auswirkungen auf den Haushalt und den Stellenplan
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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Erledigt
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Ausschuss für Umwelt, Klimaschutz und Mobilität
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Kenntnisnahme
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May 7, 2024
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Erledigt
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Ausschuss für Wirtschaft und Digitalisierung
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Kenntnisnahme
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May 29, 2024
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Sachverhalt/Begründung
Sachverhalt
Seit 01.04.2005 ist in Schleswig-Holstein und damit auch in der Landeshauptstadt Kiel und den beiden Nachbarkreisen der landesweit gültige Schleswig-Holstein-Tarif in Bus und Bahn in Kraft. Struktur und Preise wurden entsprechend den seinerzeitigen Bedürfnissen und – nicht zuletzt finanziellen – Möglichkeiten der beteiligten Akteure gestaltet. Zudem waren nicht alle Bereiche des Landes von Anfang an einbezogen, sondern wurden erst zu einem späteren Zeitpunkt aufgenommen. In der seither eingetretenen Entwicklung ist nunmehr ein – auch im Vergleich zu anderen Verkehrs- und Tarifverbünden – sehr komplexes Gefüge entstanden. Dieses ist zwar leistungsgerecht und hinsichtlich der Erlöse vergleichsweise ergiebig, aber aufgrund seiner kleinteiligen, unübersichtlichen Strukturen für die Kund*innen schwer verständlich. In Teilen wird es als hochpreisig eingeschätzt. Daneben haben sich in den letzten Jahren neue Anforderungen durch veränderte Kundenbedürfnisse, die Einführung des Deutschlandtickets, zunehmende Multi- und Intermodalität, Digitalisierung sowie nicht zuletzt politische Wünsche auf Landes- wie auch auf kommunaler Ebene ergeben. Teilweise wurden diese nur örtlich umgesetzt, wie z.B. im Falle der Tarifmaßnahme Kiel vom 01.08.2021 (Drs. 0155/2021), allerdings mit weiter zunehmender Kleinteiligkeit und Unübersichtlichkeit als Folge.
Bereits 2021 wurde auch landesweit der Handlungsbedarf im Hinblick auf eine Neuausrichtung der Tarifstrukturen unter der Maßgabe der Zukunftsorientierung und Attraktivitätssteigerung erkannt und seither mit der Erstellung des Tarifentwicklungsplanes (TEP) eine Strategie entwickelt, wie der bestehende SH-Tarif erfolgreich in die Zukunft geführt und weiterentwickelt werden soll. Berichtet wurde dazu im Wirtschaftsausschuss am 27.04.2022 (Drs. 0290/2022). Weiterhin wurde in Beratungen zu einzelnen Fragen des ÖPNV-Tarifes in Kiel wiederholt auf den TEP verwiesen bzw. darauf Bezug genommen (Drs. 0155/2021 zur Tarifmaßnahme ab 01.08.2021, Drs. 0383/2022 zur Umsetzung von Maßnahmen des 5.RNVP, hier konkret „Seniorenticket“, 348. Sitzung des Ortsbeirats Neumühlen-Dietrichsdorf am 28.10.2021). Auch im aktuellen 6. RNVP findet sich in Kap. 5.3.2 eine kurze Darstellung dieses Projekts. Mit der Einführung des Deutschlandtickets zum 01.05.2023 änderten sich die Rahmenbedingungen noch einmal einschneidend mit der Folge einer Erhöhung des Handlungsdrucks und auch der Anpassung der inhaltlichen Ausrichtung.
Aktueller Stand
Die inhaltlichen Arbeiten am TEP konnten nunmehr abgeschlossen werden. Die Erstellung erfolgte dabei auf einer sehr breiten Beteiligungs- und Mitwirkungsbasis, die sowohl fachliche Analysen und Einschätzungen als auch die Wünsche und Erwartungen der Kund*innen, der Politik und der ÖPNV-Branche einbezog. Außer den federführenden Institutionen NAH.SH GmbH und NSH GmbH waren in unterschiedlichen Formaten einbezogen: ÖPNV-Aufgabenträger, Verkehrsunternehmen, Land Schleswig-Holstein, Hamburger Verkehrsverbund HVV, Fach-Beratungsunternehmen, Vertreter*innen von Politik und Verbänden sowie der Tourismus- und Wohnungsbranche. Somit war auch die Mitwirkung der Landeshauptstadt Kiel über den Eigenbetrieb Beteiligungen (EBK) als Aufgabenträger für den ÖPNV wie auch der Kieler Verkehrsgesellschaft (KVG) sichergestellt.
Der TEP beschreibt als konzeptionelles Strategiepapier zunächst ein Zielbild für die zukünftige Tarifentwicklung sowie Maßnahmen und Leitlinien, mit denen dieses Zielbild erreicht werden kann. Maßgebliche Maxime ist hierbei, ein Konzept für die künftige Ausgestaltung des SH-Tarifs zu entwickeln, welches eine Tarif- und Preisstruktur wie auch ein Produktsortiment definiert, die einen aus Kundensicht attraktiven und zeitgemäßen SH-Tarif ausmachen. Die Aspekte der konkreten praktischen Umsetzung wie unter anderem Preissetzungen, Finanzierungsbedarfe und -beträge und weitere mannigfaltige Fragen der detaillierten Ausgestaltung und Feinkonzeption sind infolge dieses strategisch-konzeptionellen Charakters hingegen nicht Gegenstand des TEP. Diese werden in der auf die landesweite Verabschiedung folgenden Phase diskutiert, erarbeitet und politischen Beschlussfassungen zugeführt (vgl. Abschnitte ab „Die nächsten Schritte“).
Der Fokus des TEP liegt, da das Deutschlandticket eine bundesweite Mobilität im ÖPNV zu günstigen Preisen ermöglicht, auf attraktiven Angeboten für die regionalen und lokalen Mobilitätsbedürfnisse. Hiermit soll in der gegenseitigen Ergänzung von Deutschlandticket und regionalen bzw. lokalen Angeboten ein Tarifsystem erreicht werden, das die Nachfrage im ÖPNV stimulieren und so einen signifikanten Beitrag zur Unterstützung der Verkehrswende leisten kann. Insbesondere sollen hiermit ein entscheidender Abbau von Nutzungshemmnissen für Seltennutzer/Gelegenheitskund*innen erreicht und außerdem attraktive Angebote für junge Leute in Ausbildung geschaffen werden. Von zentraler Bedeutung ist in diesem Sinne, durch ein kompaktes Sortiment und eine einfache Preisstruktur ein einfaches, leicht verständliches Tarifgefüge zu entwickeln, wobei das Preisniveau und die Nachfragewirkung des Deutschlandtickets erhebliche Einflussgrößen darstellen.
Konzept der neuen Tarifstruktur
Der TEP sieht vor diesem Hintergrund nunmehr folgende grundlegende Änderungen vor:
a) Starke Minimierung der Anzahl an Preisstufen. Statt derzeit über 70 wird es nunmehr drei Stufen geben: Lokal – Umland – Netz (bei Zeitkarten Umland und Netz als eine Preisstufe zusammengefasst); sie beinhalten folgende Geltungsbereiche:
· Preisstufe „Lokal“ = Stadt- bzw. Gemeindebereich (je nach Örtlichkeit in verschiedenen preislichen Ausprägungen),
· Preisstufe Umland = im Umland des jeweiligen lokalen Raums,
· Preisstufe Netz = im gesamten Verbundraum S-H und Hamburg (HVV-Tarifringe A und B),
b) Reduzierung des Fahrkartensortiments auf folgende Ticketarten:
· Einzelkarte (mit zeitlicher Begrenzung; in der Diskussion und für die Umsetzung zu entscheiden ist die Zulassung von Rund- und Rückwegen im städtischen Raum) für Erwachsene und Kinder (6 bis einschl. 14 Jahre),
· Tageskarte (lohnend bereits ab zwei Fahrten – also bei Hin- und Rückfahrt) für Erwachsene und Kinder,
· Kurzstrecke für Erwachsene und Kinder (in kreisfreien Städten, wenn keine Rück- und Rundfahrten bei regulärer Einzelkarte – in Korrelation mit Einzelkarte noch zu entscheiden),
· Monatskarte,
· Monatskarte im Abonnement lokal (darüber hinaus Deutschlandticket),
· vergünstigtes Deutschlandticket für Schüler*innen (landesweit einheitlich),
· Jobticket (lokal, darüber hinaus auf Deutschlandticket-Basis; Landeszuschüsse werden an Deutschlandticket angeglichen),
· Freiwilligenticket (als Deutschland-Jobticket),
· Semesterticket als ermäßigtes Deutschlandticket unter der Maßgabe der Zustimmung des jeweiligen Studierendenparlaments (bei der CAU vorhanden),
· Fahrradtageskarte.
Für die Tageskarte ist die Möglichkeit der Zubuchbarkeit (Aufpreis) von bis zu vier weiteren Mitreisenden vorgesehen. Für Monatskarten und Monatskarten im Abonnement einschließlich Deutschlandticket sollen die bisherigen Mitnahmemöglichkeiten an Wochenenden ebenfalls über eine Zubuchungsregelung abgedeckt werden. Weiter werden anstelle der eigenständigen 1.-Klasse-Fahrkarten Zubuchungen für die Fahrt in der 1. Wagenklasse als Tageskarte, Monatskarte, Monatskarte im Abo (einschließlich Deutschlandticket) vorgesehen.
Eine Gegenüberstellung des Fahrkartensortiments im Bestand und zukünftig gemäß TEP findet sich in Anlage 1.
Zentrale Vorteile bestehen hier zum einen in der Einfachheit für die Kund*innen und zum anderen in der Möglichkeit für die Kommunen, in der Lokalpreisstufe die Tarifhöhe individueller als bisher zu setzen. Als Nachteil muss in Kauf genommen werden, dass es durch die Begrenzung auf drei Preisstufen auf einigen Verbindungen voraussichtlich zu deutlichen Preissprüngen kommen wird.
Im Zuge des TEP-Prozesses wurden bereits modellhaft für unterschiedliche Preisniveaus Effekte für die Fahrgäste (Anteil der „Mehrzahler*innen“ und „Wenigerzahler*innen“) sowie den sich ergebenden Finanzierungsbedarf (in Summe landesweit!) ermittelt, so dass für diese Thematik bereits erste Grundlagen vorhanden sind. Letzterer bewegt sich demnach in einer Bandbreite zwischen rd. 2,2 und 9,2 Mio. Euro (ohne Einmalkosten zur Tarifumstellung).
Zur weiteren vertieften Betrachtung der wesentlichen Aspekte und Hintergründe des TEP-Erarbeitungsprozesses sind als Anlage 2 Informationsmaterialien der NAH.SH bzw. des beratenden Gutachterbüros beigefügt.
Vorabmaßnahmen
Günstige Tarife für junge Leute in Ausbildung befinden sich bereits als Pilotmaßnahmen in der Umsetzung bzw. Vorbereitung:
· Seit August 2023 gibt es das Deutschland-Jobticket für Freiwilligendienstleistende zum Endkund*innen-Preis von 15 oder sogar 0 Euro (je nach Arbeitgeber*innen-Zuschuss).
· Das Semesterticket als um 40% vergünstigtes Deutschlandticket soll gemäß Beschluss des Studierendenparlamentes an der Christian-Albrechts-Universität zum Wintersemester 2024/25 eingeführt werden; der Preis pro Semester beträgt 176,40 Euro (entspricht 29,40 Euro monatlich).
Von besonderer Bedeutung, da ein wichtiger Baustein des TEP, ist das Deutschlandticket für Schüler*innen (Klassen 1 bis 13) und Auszubildende ohne Arbeitgeber. Dieses ist ein auf 29 Euro vergünstigtes Deutschlandticket; die Differenz von 20 Euro tragen die Aufgabenträger*innen, die aber zur Gegenfinanzierung eine Aufstockung der Kommunalisierungsmittel des Landes erhalten (umgewidmete ehemalige FAG-Mittel). Ob die Mittel ausreichen, ist zur Zeit noch nicht abschließend geklärt. Das Ticket soll (spätestens) am 01.01.2025 landesweit eingeführt werden.
Die nächsten Schritte
In nächster Zukunft – nach Verabschiedung des TEP als Rahmenkonzept voraussichtlich im Mai 2024 – sind kontinuierlich im Zusammenschluss aller Beteiligten die konkreten Schritte und Maßnahmen zur Umsetzung der dort niedergelegten strukturellen Grundlagen in die Praxis zu entwickeln. Diese umfassen im Wesentlichen:
· konkrete preisliche Ausgestaltungen der einzelnen Tarifprodukte / Fahrkartenarten,
· räumliche Abgrenzung der jeweiligen Lokal- und Umlandpreisstufen,
· Ermittlung der Finanzierungsbedarfe und –beträge,
· Sicherstellung der Finanzierung (einschließlich der Frage einer Landesbeteiligung),
· Konzept für den Vertrieb,
· Komplett neue landesweite Einnahmeaufteilung und Abrechnung,
· Ermittlung der zeitlichen Ressourcen und Erfordernisse zur Realisierung (Umsetzungszeitplanung),
· weitere Fragen der detaillierten Ausgestaltung/Feinkonzeption einschließlich Tarifbestimmungen,
· konkrete Planung der Umsetzung inkl. Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit.
Konkrete Punkte für Kiel
Für die Landeshauptstadt Kiel wird sich in diesem Zuge besonderer Beratungs- und Entscheidungsbedarf ergeben:
· Räumliche Abgrenzung der Lokalen Preisstufe,
· Preise der Fahrkartenarten in der Lokalen Preisstufe,
· hierbei Klärung der Preise (bzw. Fahrkartenart) für die Fährschifffahrt für Fahrradbeförderung, Beibehaltung des Bordzuschlages und der Fahrradzeitkarten für die Fährschifffahrt, Weiterführung der Kurzstreckenfahrkarte,
· Klärung des (nicht gedeckten) Finanzierungsbedarfes und Sicherstellung der Finanzierung.
Aufgrund der engen Verkehrsverflechtungen insbesondere mit den beiden Nachbarkreisen Plön und Rendsburg-Eckernförde ergibt sich außerdem zum einen Abstimmungsbedarf im Hinblick auf den Geltungsbereich der Lokalen Preisstufe und zum anderen eine Betroffenheit der Landeshauptstadt Kiel auch durch die Preisgestaltung und Zonenabgrenzung der Umlandpreisstufe; hier gilt es, abgestimmte Lösungen – auch hinsichtlich der Finanzierung – zu erarbeiten.
Weitere Entscheidungsfindung
Die Verwaltung wird die von den TEP-Gremien zu vorstehend bezeichneten Fragen erarbeiteten fachlichen Vorschläge dem Wirtschaftsausschuss und dem Ausschuss für Umwelt, Klimaschutz und Mobilität regelmäßig berichten und zu gegebener Zeit zur Beratung und Beschlussfassung vorlegen. Die Abstimmung mit den Nachbarkreisen ist über den NAH.SH-Verbundausschuss sowie die regionalen Kooperationsformate sichergestellt.
Dr. Ulf Kämpfer
Oberbürgermeister
Anlagen
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