Infosystem Kommunalpolitik
Interfraktioneller Antrag - 0477/2024-03
Grunddaten
- Betreff:
-
Vorbereitung einer strategischen Positionierung der Stadt beim Aufbau von Nahwärmenetzen
- Status:
- öffentlich (Drucksache abgeschlossen)
- Drucksachenart:
- Interfraktioneller Antrag
- Federführend:
- Ratsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
- Beteiligt:
- SPD-Ratsfraktion; CDU-Ratsfraktion; SSW-Ratsfraktion
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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●
Erledigt
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Ratsversammlung
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Entscheidung
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May 16, 2024
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Antrag
Die Verwaltung wird beauftragt, eine strategische Positionierung Kiels bezüglich eines möglichen Aufbaus von Nahwärmenetzen zu erarbeiten. Dies soll im Kontext der laufenden Kommunalen Wärmeplanung erfolgen.
Es sind die Strukturen aufzuzeigen, in denen Nahwärmenetze grundsätzlichen aufgebaut werden könnten und welche Formen des kommunalen und bürgerlichen Engagements möglich und notwendig wären, um den Bau von Wärmenetzen unterstützend voranzutreiben.
Der Prüfauftrag soll dabei insbesondere folgende Aspekte beinhalten:
- Darstellung von Voraussetzungen, Vorteilen und Risiken der Gründung einer städtischen Wärmegesellschaft (SWG) als Eigentümerin von Nahwärmenetzen. Der Bau und Betrieb der Netze sollen dabei nicht zu den Aufgaben der Gesellschaft gehören.
- Aufzeigen von Alternativen, insbesondere die Möglichkeit einer kommunalen Unterstützung bei der Bildung genossenschaftlicher Strukturen für die Entwicklung von Nahwärmenetzen
- Darstellung des zu erwartenden Investitionsvolumens sowie Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen für geeignete Strukturen in den Quartieren, die durch Wärmenetze der Stadtwerke Kiel AG nicht abgedeckt werden können.
Sobald im Zuge der Arbeiten zur Kommunalen Wärmeplanung absehbar ist, für welche Gebiete Wärmenetze in Frage kommen und welche davon in absehbarer Zeit nicht durch die Stadtwerke Kiel AG abgedeckt werden, sind die für unterschiedliche Quartiere möglicherweise geeigneten Strukturen und die damit verbundenen Rollen der Stadt vertiefend zu evaluieren. Dabei ist eine rasche Diskussion und Entscheidungsfindung über deren Umsetzung durch die zuständigen Fachausschüsse und letztlich die Ratsversammlung zu gewährleisten.
Sachverhalt/Begründung
Verschiedene Anträge unterschiedlicher Fraktionen (siehe z. B. Drucksachen 0442/2023-01, 0475/2023 und 0734/2023) sowie die entsprechenden Diskussionen im Ausschuss für Umwelt, Klimaschutz und Mobilität zeigen das breite Interesse aller demokratischen Fraktionen an einem möglichst weitgehenden Ausbau von Wärmenetzen, um möglichst vielen Bürger*innen sowie gewerblichen und öffentlichen Nutzer*innen der Landeshauptstadt Kiel eine klimaverträgliche, wirtschaftliche und einfach zu realisierende Form der Wärmeversorgung anzubieten, die idealerweise für die Einzelnen geringere finanzielle Herausforderungen darstellen. Die Kommunale Wärmeplanung (KWP) wird bis Ende 2024 ergeben, wo in Kiel der Ausbau von Wärmenetzen wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll ist.
Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass die Stadtwerke Kiel AG nicht in allen städtischen Bereichen Wärmenetze realisieren, sondern sich auf die Gebiete fokussieren werden, in denen sich für sie ein Ausbau ihres bereits bestehenden, zentralen Fernwärmenetzes lohnt. Allerdings sollten sich auch für die verbleibenden Stadtteile, in denen der Bau von Wärmenetzen gemäß KWP sinnvoll erscheint, entsprechende Angebote gewährleistet sein.
Ggf. bilden sich vor Ort genossenschaftliche Strukturen, mit denen die Bürger*innen die lokale Wärmeversorgung in ihre eigene Hand nehmen. Bürgerenergiegenossenschaften können verschiedene Vorteile aufweisen, wie etwa entfallende Gewinnmargen Dritter und eine besonders hohe Identifikation der Bürger*innen mit ihrer Wärmeversorgung. Hier soll geprüft werden, wie deren Bildung von der Stadt durch Koordinierung oder andere Unterstützung gefördert werden kann. Dabei soll auch gezielt betrachtet werden, wie bestehende Förderinstrumente wie etwa der Bürgerenergiefonds des Landes (sofern wieder Mittel zur Verfügung gestellt werden), die Übernahme von Bürgschaften für den Bau von Wärmenetzen durch das Land oder auch der städtische Klimaschutzfonds genossenschaftliche Initiativen unterstützen können.
Ansonsten wird den Kommunen mit der gesetzlichen Verpflichtung zur KWP eine steuernde Funktion bei der Energieversorgungsplanung zugewiesen. Die klimaneutrale Wärmeversorgung durch den Aufbau von Nahwärmenetzen in Kiel kann als Teil der kommunalen Daseinsvorsorge gesehen werden, die durch eine aktive Rolle der Stadt bei der Umsetzung gefördert würde. Dies muss nicht bedeuten, dass die Stadt oder eine städtische Gesellschaft operativ tätig wird, sondern es können die Erfahrungen und Infrastrukturen privatwirtschaftlicher Akteure, die regelmäßig auf diesem Gebiet tätig sind, genutzt werden.
Neben den grundsätzlichen Betrachtungen zu den möglichen Strukturen kommunaler Einflussmöglichkeiten zur Umsetzung von Nahwärmenetzen - die bereits Gegenstand der gutachterlichen Beauftragung der KWP sind - soll ergänzend gutachterlich betrachtet werden, welche städtisch-administrativen Beteiligungen dort möglich sind, wo sich die Errichtung von Wärmenetzen weder durch die Stadtwerke Kiel AG noch durch Bürgerenergiegenossenschaften abzeichnet, z. B. über die Gründung einer kommunalen Gesellschaft (Städtische Wärmegesellschaft - SWG), über die das Eigentum an den neu entstehenden Netzen mittelbar bei der Kommune bleibt.
Gemäß § 102 GO SH erfordert die Gründung einer kommunalen Gesellschaft ein wichtiges Interesse der Gemeinde - was bei der Wärmeversorgung durch die entsprechende Daseinsvorsorge gegeben ist - und eine Abwägung verschiedener denkbarer Organisationsformen, durch die dem Interesse Rechnung getragen werden kann. Eine SWG könnte dabei, vorbehaltlich der genau zu wählenden Konstruktion und näherer Prüfungen, verschiedene Vorteile haben:
- Die langfristige Entscheidungshoheit über die Wärmeversorgung bleibt in den Händen der Kommune. Es entsteht kein „Flickenteppich“ von Wärmenetzen verschiedener Eigentümer*innen, bei denen eine spätere Zusammenführung untereinander oder mit dem zentralen Fernwärmenetz der Stadtwerke, sollten sie sich zu gegebener Zeit als sinnvoll erweisen, faktisch unmöglich sein dürfte.
- Es kann sichergestellt werden, dass in allen Bereichen, in denen nach den Ergebnissen der KWP ein Wärmenetz sinnvoll ist, auch entsprechende Angebote entwickelt werden - ein „Rosinenpicken“ privatwirtschaftlicher Akteure wird vermieden.
- Eine kommunale Gesellschaft kann bei geeigneter Konstruktion Kommunalkreditkonditionen in Anspruch nehmen und damit ihre Kund*innen von niedrigeren Kapitalkosten profitieren lassen.
- Bei privatwirtschaftlich handelnden Unternehmen erwarten die die Investitionen finanzierenden Banken einen Rückfluss der investierten Mittel typischerweise innerhalb von 15 bis maximal 20 Jahren. Damit müssen die Unternehmen ihre Grundpreise und Baukostenzuschüsse entsprechend gestalten. Die Lebensdauer eines Wärmenetzes liegt jedoch bei weit über 40 Jahren. Eine kommunale Gesellschaft kann dem entsprechend kalkulieren und auch damit ihre Kund*innen von niedrigeren Grundpreisen profitieren lassen.
Gleichzeitig erscheint es nicht als zweckmäßig, in einer SWG das komplette Know-how und die Infrastruktur für den technischen und kaufmännischen Betrieb von Wärmenetzen aufzubauen (Aufbau einer „Stadtwerke Kiel II“): Dem stehen die damit verbundenen Aufwendungen, die für den Aufbau erforderliche Zeit, die Verfügbarkeit von Personal ebenso wie eine geringere langfristige Flexibilität entgegen. Die Alternative zu einer operativ tätigen SWG bestünde darin, dass ihre Aufgabe vor allem darin läge, den Bau und Betrieb von Wärmnetzen auszuschreiben und zu vergeben.
Ggf. wäre mit der Stadtwerke Kiel AG zu diskutieren, ob auch der Ausbau des zentralen Fernwärmenetzes in Bereichen, die nicht lediglich einer Nachverdichtung bedürfen, sondern die komplett neu zu erschließen sind, durch die SWG zweckmäßig sein könnte. Dabei wären jedoch neben technischen (z. B. hydraulische Einbindung) auch vergaberechtliche Aspekte zu berücksichtigen.
Zu prüfen ist auch, welche Rolle im Rahmen der Strukturen der Aufbau lokaler Bürger*innenenergiegenossenschaften spielen kann und inwiefern Synergien mit einer SWG oder eine städtische Unterstützung möglich und sinnvoll sind.
In der Bevölkerung besteht die Erwartung, mit den Ergebnissen über die KWP Klarheit über die zukünftige Wärmeversorgung zu erhalten, indem den einzelnen Hauseigentümer*innen Planungssicherheit gegeben wird, ob sie beim Ersatz ihrer bestehenden Heizung eine individuelle Versorgung vorsehen müssen oder aber eine genossenschaftlich oder auch kommunal administrierte Wärmeversorgung zu erwarten ist, die unter Umständen finanzielle Vorteile hätte und damit die avisierte Wärmewende sozial ausgewogener ermöglichen würde. Wo die KWP Wärmenetze als sinnvoll ausweist, sollten diese Wärmenetze dann auch schnellstmöglich realisiert werden. Aufgrund begrenzter Kapazitäten von planenden und bauausführenden Firmen sollten weitere Verzögerungen vermieden werden, und Strukturen, mit denen die Stadt die Umsetzung der Wärmeplanung steuern und ggf. selbst eine aktivere Rolle bei dem Aufbau von Nahwärmenetzen einnehmen will, bereits im Rahmen der KWP erarbeitet werden. Damit kann, sollte es sich im Ergebnis der Prüfungen als sinnvoll erweisen, eine SWG nach Vorliegen der Ergebnisse der KWP schnellstmöglich aktiv werden.
Um unnötige Verzögerungen zu vermeiden, sollten also die Strukturen, mit denen die Stadt die Umsetzung der Wärmeplanung steuern und ggf. selbst eine aktivere Rolle bei dem Aufbau von Nahwärmenetzen einnehmen will, bereits im Rahmen der KWP erarbeitet werden.
Insofern wird die Verwaltung beauftragt, die notwendigen wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Fragen (Kommunalrecht, Vergaberecht, Tariftreue etc.) zu prüfen. Auch die Option interkommunaler Wärmenetze soll - für den Fall, dass sich diese im Rahmen der Prüfungen zur kommunalen Wärmeplanung als sinnvoll erweisen - mit berücksichtigt werden