Infosystem Kommunalpolitik
Geschäftliche Mitteilung - 0872/2024
Grunddaten
- Betreff:
-
Ergänzung Drogenkonzept
- Status:
- öffentlich (Drucksache freigegeben)
- Drucksache freigegeben:
- 17.09.2024
- Drucksachenart:
- Geschäftliche Mitteilung
- Federführend:
- Amt für Soziale Dienste
- Vorlagenchecks:
- Drucksache hat Auswirkungen auf den Haushalt und den Stellenplan
Beratungsfolge
| Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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●
Erledigt
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Ausschuss für Soziales, Wohnen und Gesundheit
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Kenntnisnahme
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Sep 26, 2024
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Sachverhalt/Begründung
Zusammenfassung:
Die Verwaltung legt mit dieser Geschäftlichen Mitteilung eine Ergänzung des Drogenkonzeptes der Landeshauptstadt Kiel vor.
Sachverhalt:
Das 2006 vorgelegte und 2010 ergänzte Kieler Drogenkonzept (Drs. 0513/2010) ist weiterhin Grundlage für die Angebote und Erfordernisse der Suchthilfe in Kiel. Die entwickelte und dargestellte Struktur der Suchthilfe trägt weiterhin erfolgreich dazu bei, den vielfältigen Herausforderungen der Suchthilfe in Kiel zu begegnen. Sie ist mit den aktuellen Entwicklungen und Vorhaben der Landeshauptstadt Kiel zu ergänzen.
Die Stadt mit ihren Kooperationspartner*innen ist seit einigen Jahren mit neuen Herausforderungen konfrontiert:
- Steigende Zahlen in der Heroin-Substitution aufgrund von Schließungen von Praxen im Kieler Umland
- Steigende Nachfrage von Beratungen zur Glücksspielsucht (vor allem Computer-/Internetnutzung)
- Steigende Nachfrage beim Spritzentausch. Dies ist ein Angebot zur gesundheitlichen Prävention: gebrauchte Spritzen zur Substanznutzung können gegen neue Spritzen getauscht werden., was Folgeerkrankungen (HIV, Hepatitis, Spritzen-Abszesse und andere Erkrankungen) reduziert.
- Starksteigender Konsum von Kokain und Crack
- Vermehrte Präsenz von Abhängigen in der Öffentlichkeit
Die Drogenszene wird zunehmend beherrscht von neuen künstlich hergestellten Drogen (Designerdrogen). Sie sind günstiger als die bisherigen Drogen, sind aber gefährlicher und mit schwerwiegenden Folgeerkrankungen verbunden. Zurzeit verändert der Konsum von Crack die Verhaltensweisen der Drogenkonsumenten erheblich. Die Arbeitsgemeinschaft Suchtvorbeugung in Warendorf beschreibt die Wirkung dieser Droge: „Crack wirkt innerhalb von Sekunden auf die Vorgänge im Gehirn, so dass der Rausch schlagartig eintritt. Die Wirkung von Crack ist so intensiv, da der Körper Crack über die Lunge wesentliche schneller als geschnupftes Kokain über die Nasenschleimhäute aufnimmt. Nach ca. 10 Sekunden erreichen die Kokainmoleküle die Nervenzellen des Gehirns. Die zunächst erfolgende Anregung und Steigerung der Konzentrationsfähigkeit fällt dann plötzlich in das genaue Gegenteil ab und verwandelt sich in einen dramatischen psychischen Verfall. Vermutlich durch das Rauchen von Crack verursachte Lungenschäden, Bluthochdruck, Appetitlosigkeit und Abmagerung sind Folgen des Crackkonsums. Zudem können Zustände, die einer Geisteskrankheit ähneln, ausgelöst werden. Wegen der rasch notwendig werdenden Dosissteigerung und dem damit verbundenen Geldmangel geraten die Abhängigen schnell in Kriminalität und Verwahrlosung“.
Auch in der Kieler Szene wird eine zunehmende Unruhe bzw. Rastlosigkeit beobachtet, da viele Konsumenten ständig auf der Suche nach neuen Geldmitteln für den nächsten Rausch sind. Es ist das zentrale Motiv aller Handlungen. Auch gehen die bisher geltenden Konventionen für das Verhalten in der Öffentlichkeit verloren. Die Zahlen für Beschaffungskriminalität durch Ladendiebstähle, Auto- und Kellereinbrüche sowie Raubtaten um schnell an Geld zu kommen steigen seit geraumer Zeit an.
Fortschreibung
Trotz dieser neuerlichen Verschärfung der Lage in der Drogenszene setzt die Landeshauptstadt Kiel ihre Politik der akzeptierenden Hilfen fort. Allerdings ist das Geschäft mit dem Verkauf von Crack so lukrativ, dass allein sozialarbeiterische Maßnahmen kaum helfen werden, den Verkauf von Drogen zumindest einzudämmen. Daher wurde auf Initiative des Oberbürgermeisters und der Innenministerin zusätzlich für den Stadtteil Gaarden eine Sicherheitspartnerschaft vereinbart, um den negativen Auswirkungen für den Stadtteil gemeinsam zu begegnen. Es gibt einen regelmäßigen Austausch mit der Polizei, Ordnungsbehörden und Akteuren der Sozialarbeit um über die Anpassung der unterschiedlichen Interventionsstrategien und Hilfen zu beraten und konkrete Vereinbarungen zu treffen.
Diese Maßnahmen sind u.a.:
- Verstärkung von Kontrollen von Dealern durch Polizei und Ordnungsbehörden im Stadtgebiet. Repressive Maßnahmen gegen den Drogenhandel
- Etablierung einer Straßensozialarbeit zur Betreuung der Drogenkonsumenten in den Straßenszenen in Kiel Gaarden und Schützenpark. Es zeigte sich, dass vor allem im Bereich der Substitutionspraxen eine nicht unerhebliche Anzahl von Nutzer*innen auch tagsüber verbleibt.
- Einbeziehung der Substitutionspraxen in die gemeinsame Strategie, Nutzung des Arzt / Patientenverhältnisses für die Ansprache und Hilfeangebote
- Intensivierung von niedrigschwelligen Hilfen, insbesondere zur Erhaltung gesundheitlicher Mindestanforderungen (Hygiene, Wundversorgung).
- Ausweitung der Beratungskapazitäten der Anbietenden in der Suchthilfe.
- Ausweitung und Optimierung der Beratungsmöglichkeiten der Suchthilfen in Kiel Gaarden im Rahmen der Stadtteilinitiative der Landeshauptstadt Kiel „Gaarden hoch 10“.
Der in der Anlage beigefügte aktuelle „Wegweiser Sozialpsychiatrische/Psychosoziale Hilfen in Kiel“ des Amtes für Gesundheit listet die Beratungs- und Betreuungsstellen in der Landeshauptstadt Kiel auf (nur Online, die ausgedruckte Version ist im Amt für Gesundheit erhältlich).
So finden Betroffene, An- und Zugehörige, Freunde und Ärzte schnell die richtige Beratungsstelle. Nachfolgend aufgeführt werden die suchthilfespezifischen Beratungs- und Hilfsangebote in der Landeshauptstadt Kiel:
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Ameos Heiligenhafen
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Entzugs- Teilentzugsbehandlung
- Stationär
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Entzugs- Teilentzugsbehandlung
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Ameos Klinikum Kiel
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Entzugsbehandlung, Krisenintervention, Tagesklinik, Fachambulanz für Suchtmittelabhängige inkl. Substitutionsambulanz
- Ambulant/ Stationär
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Entzugsbehandlung, Krisenintervention, Tagesklinik, Fachambulanz für Suchtmittelabhängige inkl. Substitutionsambulanz
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Drogenhilfe Kiel Ost
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Beratung, Abgabe/ Entsorgung Spritzen, Safer Use, HIV Test
- Ambulant
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Beratung, Abgabe/ Entsorgung Spritzen, Safer Use, HIV Test
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Drogen Hilfe Kiel West
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Einzel- Paar- Gruppenberatung, Vermittlung Entgiftung, Therapie, Nachsorge und Substitution, PSP Substituierter, Party Drogen Beratung, Ausgabe von Safer Use Material
- Ambulant
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Einzel- Paar- Gruppenberatung, Vermittlung Entgiftung, Therapie, Nachsorge und Substitution, PSP Substituierter, Party Drogen Beratung, Ausgabe von Safer Use Material
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Fachambulanz Kiel
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Cannabis Beratung für Menschen unter 25, ärztlich Psychiatrische ambulante Behandlung, Betreutes Wohnen, Substitution und Behandlung von Drogenabhängigen, Beratung für Kinder von drogenabhängigen Eltern, Selbsthilfegruppen
- Teilstationär/ Ambulant
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Cannabis Beratung für Menschen unter 25, ärztlich Psychiatrische ambulante Behandlung, Betreutes Wohnen, Substitution und Behandlung von Drogenabhängigen, Beratung für Kinder von drogenabhängigen Eltern, Selbsthilfegruppen
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Frauen Sucht Gesundheit e.V.
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Selbsthilfegruppe, Präventionsarbeit, Div. Gruppenangebote, Indiv. Hilfen je nach Unterstützungsangebot (Finanzen, Alltag, Gesundheit), Beratung, Krisenintervention (Angehörige/ soziales Umfeld, Ambulante Rehabilitation
- Ambulant
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Selbsthilfegruppe, Präventionsarbeit, Div. Gruppenangebote, Indiv. Hilfen je nach Unterstützungsangebot (Finanzen, Alltag, Gesundheit), Beratung, Krisenintervention (Angehörige/ soziales Umfeld, Ambulante Rehabilitation
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Guttempler
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Vollstationäres Wohnen
- Stationär
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Vollstationäres Wohnen
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Guttempler Jugendzentrum e.V.
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Selbsthilfegruppen, Beratung, Begleitung
- Ambulant
-
Selbsthilfegruppen, Beratung, Begleitung
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Horizon Suchthilfen
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Teilstationäre Tagesstrukturierende Einrichtung, Beratung, Krisenintervention, MPU Vorbereitung, Erfüllung von Strafrechtlichen Auflagen, Vermittlung Entgiftung, Ambulant Betreutes Wohnen, Therapie, Substitution
- Teilstationär/ Ambulant
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Teilstationäre Tagesstrukturierende Einrichtung, Beratung, Krisenintervention, MPU Vorbereitung, Erfüllung von Strafrechtlichen Auflagen, Vermittlung Entgiftung, Ambulant Betreutes Wohnen, Therapie, Substitution
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Ihriss
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Ambulant Betreutes Wohnen, Gruppenangebote, Selbsthilfegruppen
- Ambulant
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Ambulant Betreutes Wohnen, Gruppenangebote, Selbsthilfegruppen
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Kieler Fenster
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Diagnostik, Therapie, Beratung, Vollstationäres Wohnen
- Ambulant/ Vollstationär
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Diagnostik, Therapie, Beratung, Vollstationäres Wohnen
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Odyssee
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Spritzentausch, Beratung, Vermittlung, Grundversorgung, Ambulant Betreutes Wohnen, Vollstationäre Adaptionseinrichtung, Teilstationäre Tagesstrukturierende Einrichtung, Arbeitsprojekte (Eignungsfeststellung, Arbeitserprobung), Kontaktladen, Präventionsarbeit
- Ambulant/ Teilstationär/ Stationär
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Spritzentausch, Beratung, Vermittlung, Grundversorgung, Ambulant Betreutes Wohnen, Vollstationäre Adaptionseinrichtung, Teilstationäre Tagesstrukturierende Einrichtung, Arbeitsprojekte (Eignungsfeststellung, Arbeitserprobung), Kontaktladen, Präventionsarbeit
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Solition
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Erziehungsbeistandschaft, SpfH, Hilfe für junge Volljährige
- Ambulant
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Erziehungsbeistandschaft, SpfH, Hilfe für junge Volljährige
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Stadtmission Mensch
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Beratung, Gruppenangebote, Therapievorbereitung, Ambulant Betreutes Wohnen, Einzelberatung (Alkohol, Cannabis, Medien), Ambulante Reha, Selbsthilfegruppen, Stationäre Adaptionsbehandlung, Medizinische Reha (Teilstationär), Wohneinrichtung, Teilstationäre WG´s, Präventionsarbeit
- Ambulant/ Teilstationär/ Stationär
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Beratung, Gruppenangebote, Therapievorbereitung, Ambulant Betreutes Wohnen, Einzelberatung (Alkohol, Cannabis, Medien), Ambulante Reha, Selbsthilfegruppen, Stationäre Adaptionsbehandlung, Medizinische Reha (Teilstationär), Wohneinrichtung, Teilstationäre WG´s, Präventionsarbeit
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ZIP (Zentrum für integrative Psychiatrie am UKSH)
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Psychiatrische Tagesklinik für Suchtkranke, Stationärer Entzug
- Ambulant/Stationär
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Psychiatrische Tagesklinik für Suchtkranke, Stationärer Entzug
Die gesundheitliche Situation von Drogennutzenden geriet in den letzten Jahren immer mehr in den Fokus der Öffentlichkeit. Es zeigt sich, dass neben Präventionsangeboten, Spritzentauschmöglichkeiten, niedrigschwelligen Beratungs- und Kontaktangeboten auch weitere Angebote notwendig werden, um die soziale und gesundheitliche Situation von substanzgebrauchenden Menschen zu verbessern. Die Unterstützungsmöglichkeiten sind insbesondere in den Drogenberatungsstellen und Kontaktangeboten (z.B. Café Claro und szene-nahe Straßensozialarbeit) ausgeweitet worden.
In diesem Zusammenhang ist von der Fachöffentlichkeit, Betroffenen und Angehörigen die Einrichtung eines Drogenkonsumraumes nach §10a BTMG als Möglichkeit der Prävention von konsekutiven Gesundheitsschäden in die Diskussion eingebracht worden.
Im Zuge der Beratungen hierzu hat die Ratsversammlung die Verwaltung beauftragt, die Einrichtung eines Drogenkonsumraumes in Kiel zu prüfen.
Nach Beratungen mit allen relevanten Expert*innen, die in Verwaltung, Systemen der Drogenberatung, medizinischen Behandlung, Polizei und Selbsthilfe tätig sind, kristallisierte sich heraus, dass die Einrichtung eines Drogenkonsumraumes (DKR) in Kiel ein weiterer und ergänzender Baustein in der lokalen Drogenhilfearbeit darstellen kann. Insbesondere würde mit einem Drogenkonsumraum der Substanzkonsum unter hygienisch prekären Situationen eingeschränkt, sowie das direkte Kontaktangebot, auch hinsichtlich gesundheitlicher Präventions- und Akutmaßnahmen, ermöglicht.
Zum Beschlusszeitpunkt des interfraktionellen Antrags (Januar 2021) hatte das Land Schleswig-Holstein noch keine gültige Rechtsverordnung zur Erteilung einer Betriebserlaubnis eines Drogenkonsumraums. Daher wurde die Verwaltung beauftragt, bei der Landesregierung nach §10a BtMG für eine*einen Träger*in die Erlaubnis für einen Drogenkonsumraum zu erwirken.
Besondere Berücksichtigung sollten bei der Konzeptentwicklung folgende Punkte finden:
- Die Finanzierung des Drogenkonsumraumes darf nicht auf Kosten anderer Suchthilfeprogramme und –einrichtungen geschehen.
- Zu prüfen ist sowohl die Möglichkeit eines oder mehrerer stationärer Drogenkonsumräume, als auch die Beschaffung eines Drogenkonsummobils.
- Sowohl intravenöse, als auch inhalative Konsumformen sollen nach Möglichkeit in den Räumlichkeiten möglich sein. Je nach Räumlichkeit ggf. an variablen Konsumplätzen.
- Angestrebt werden maximal mögliche Öffnungs- und Betriebszeiten des Konsumraums von 7 Tagen / Woche und jeweils 18 Stunden.
Erste Erkenntnisse der Verwaltung stellten sich wie folgt dar:
Drogenkonsum stellte auch in der Landeshauptstadt Kiel ein großes Problem dar. Neben den Folgen des eigentlichen Substanzkonsums stellen auch verunreinigte Drogen, der unhygienische Umgang mit Konsumbesteck und Überdosierungen eine konkrete Gefahr dar, die zu schweren Folgeerkrankungen und auch dem Tod führten. Laut Aussage der Kieler Drogenhilfeeinrichtungen DIAKO – Fachambulanz, Horizon gGmbH, Odyssee e.V. und die Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie GmbH – Drogenhilfe Ost und West wurden in Kiel jährlich ca. 100.000 Spritzen zum intravenösen Drogenkonsum getauscht.
Der Konsum illegaler Drogen hatte trotz Teilnahme an Substitutionsbehandlungen einen seit Jahren unverändert hohen Stellenwert.
Der Drogenkonsumraum (DKR) in Kiel
Um die Lebenssituation Drogenabhängiger zu verbessern, wurde die Errichtung von Drogenkonsumräumen, in denen illegale Drogen unter hygienisch guten Bedingungen und unter medizinischer Kontrolle erfolgen kann, in der Fachdiskussion seit langem empfohlen.
Im Januar 2021 hatte das Amt für Soziale Dienste mit der Umsetzung des Auftrags der Ratsversammlung begonnen.
Zielführend in der Recherche waren drei Leitfragen:
- Gesundheitspolitik: Inwieweit könnte die Einrichtung eines Drogenkonsumraums dazu beitragen, die Gesundheit von Drogenkonsumierenden zu fördern, und die vorhandenen Angebote der Sucht- und Drogenhilfe sinnvoll ergänzen? Gibt es aus (drogen-)therapeutischer Sicht Gründe, die für oder gegen einen Drogenkonsumraum sprechen würden?
- Ordnungs- und Sicherheitspolitik: Inwieweit könnte die Einrichtung eines Drogenkonsumraums die Ordnungs- und Sicherheitssituation rund um bestehende Hotspots verbessern?
- Alternativen: Gibt es Alternativvorschläge für Hilfeangebote, die die Situation Drogenabhängiger in Kiel verbessern könnte, falls die Etablierung eines Drogenkonsumraums nicht umsetzbar wäre?
Eingebunden in die Recherchen wurden Expert*innen folgender Institutionen:
- Kieler Drogenhilfeeinrichtungen (DIAKO – Fachambulanz, Horizon gGmbH, Odyssee e.V. und die Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie GmbH – Drogenhilfe Ost und West)
- Kieler Substitutionspraxen (teilweise)
- Selbsthilfevertretung JES Bundesverband & JES Kiel
- Polizeidirektion Kiel – Steuerungsverantwortlicher für Kriminalitätsbekämpfung
- Expert*innen bzw. Betreiber*innen von bestehenden Drogenkonsumräumen in Bonn, Troisdorf, Münster, Saarbrücken und Berlin (mobiler DKR)
- Angelika Bähre, Drogenbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein
- Dirk Schäffer, Referent für Drogen und Strafvollzug/JES der Deutschen Aidshilfe, Berlin
- potentielle Nutzer*innen der Kieler Drohgenhilfeeinrichtungen mittels einer Umfrage zum Thema „Drogenkonsumraum in Kiel“
Zusammenfassung der Rechercheergebnisse:
Es wurde einhellig festgestellt:
Ein Drogenkonsumraum (DKR) ist in der Drogenhilfearbeit in der Tat ein wichtiges und wesentliches Unterstützungsangebot. Drogenkonsumräume können einen entscheidenden Beitrag zur Überlebenshilfe und zur Risikominimierung beim Konsum illegalisierter Drogen leisten. Durch hygienische Konsumbedingungen, Vermittlung von Safer-Use-Regeln und erste Hilfe vor Ort wird Notfällen vorgebeugt und es werden Infektionsrisiken wie HIV und Hepatitiden minimiert. (Bisher gab es keinen einzigen Todesfall in einem Drogenkonsum-raum.)
Des Weiteren können Drogenkonsumräume mit ihren niedrigschwelligen und akzeptanz-orientierten Kontaktmöglichkeiten eine Brückenfunktion in weiterführende Angebote bieten. Der positive Kontakt, geprägt durch die „Dienstleistung“ des Drogenkonsumraums, öffnet den Raum für weiterführende Hilfen insbesondere für solche Drogenkonsument*innen, die vorher schwer erreicht wurden.
Einer „Hotspot“-Bildung könnte vorgebeugt werden, wenn der DKR an eine schon bestehende und etablierte Kontakt-/Beratungseinrichtung angebunden wird. Sogwirkungen (Magnetwirkungen) für Nutzer*innen aus dem Umland wurden bislang bei bereits bestehenden Drogenkonsumräumen nicht beobachtet, da Nutzer*innen Drogen direkt und „vor Ort“ konsumieren und aufgrund des immer vorhandenen Sucht-Druckes nicht erst eine Fahrt auf sich nehmen. Es wurde auch nicht beobachtet, dass DKR „einladen“, Drogen ausprobieren zu wollen.
Um eine möglichst umfassende Bedarfs-Ermittlung vornehmen zu können, hatte das Amt für Soziale Dienste eine Umfrage unter den Nutzer*innen der Drogenberatungsstellen (DIAKO – Fachambulanz, Horizon gGmbH, Odyssee e.V. und die Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie GmbH – Drogenhilfe Ost und West) durchgeführt. Daran beteiligten sich 174 Nutzer*innen der Beratungsstellen.
Aus dieser Umfrage können wichtige Erkenntnisse für die weitere Konzeptionierung gewonnen werden:
- Der überwiegende Anteil der Teilnehmer*innen hält die Idee, dass Kiel einen Drogenkonsumraum bekommen soll, für gut und würde den Drogenkonsumraum nutzen.
- Deutlich wurde, dass eine hohe Zahl zum inhalativen Konsum neigt, was insofern von Bedeutung ist, da bei der Einrichtung eines Drogenkonsumraums auch Rauchkabinen mit Abluft einzuplanen wären.
Aus polizeilicher Sicht wurde empfohlen, einen etwaigen Drogenkonsumraum an eine bestehende Einrichtung anzugliedern, um keine neuen Szenen entstehen zu lassen.
Ausblick:
Die Verwaltung kam daher zu folgendem Ergebnissen, die der Ratsversammlung unterbreitet wurden (Drs.-Nr. 0099/2022):
Die Einrichtung eines Drogenkonsumraumes kann ein ergänzender Baustein für eine gelingende Drogenhilfe in Kiel sein. Dies muss unter Einbeziehung der bestehenden Drogenhilfeeinrichtungen in der Stadt umgesetzt werden, wobei etablierte Beratungsangebote ergänzt werden sollten.
Zu vermeiden ist die Etablierung einer „neuen“ Szene, auch im Hinblick auf fehlende Akzeptanz der Anwohner*innen. Daher ist eine mobile Einrichtung (DKR-Mobil) in Kiel nicht zielführend.
Um einen konkreten Vorschlag über Ort, Größe und Öffnungszeiten dieses Drogenkonsum-raumes abgeben zu können, stehen unter anderem noch folgende Schritte an:
- Gespräche mit Verwaltung und Ortspolitik in Städten mit DKR.
- Planung eines für Kiel geeigneten Angebots (Größe, Öffnungszeiten, personelle und räumliche Ressourcen etc.)
- Planung der finanziellen Rahmenbedingungen, Zuschussmöglichkeiten des Landes und kommunaler Haushaltsmittel unter Berücksichtigung derzeitiger Erkenntnisse.
- Antrag auf Erteilung der Erlaubnis zum Betrieb eines Drogenkonsumraumes beim Land unter Anwendung der in der Landesverordnung über die Erteilung einer Erlaubnis für den Betrieb von Drogenkonsumräumen und Bestimmung der zuständigen Behörde in Schleswig-Holstein vom 15. November 2021 formulierten Anforderungen.
Zwischenzeitlich ist es gelungen, die Planungen fortzuführen. Ein Anbieter ist bereit und in der Lage, eine entsprechende Konzeption für den Betrieb eines Drogenkonsumraumes vorzulegen. Das Dezernat IV ist in Gesprächen mit Hausbesitzern über den Erwerb eines Gebäudes, an dem die Erweiterung zu einem DKR stattfinden soll.
Der Ausschuss wird über den Fortgang der Gespräche unterrichtet.
Das Drogenkonzept der Landeshauptstadt Kiel wird 2025/2026 auch unter den beschriebenen Herausforderungen der sogenannten Crackschwemme und den ersten Eindrücken des in Betrieb genommenen Drogenkonsumraumes aktualisiert.
Finanz-Check:
Die Einrichtung eines Drogenkonsumraumes wird den Einsatz finanzieller Mittel erfordern, die aktuell nicht in den Haushalt eingestellt sind. Es wird mit ergänzenden Mitteln i.H. von ca. 350.000€ jährlich für Personal- und Sachkosten für den laufenden Betrieb gerechnet.
Kinder- und Jugendliche:
Die Mitteilung der Verwaltung hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf die aktuelle Lebenssituation von Kindern- und Jugendlichen.
Klima-Check:
Die Mitteilung der Verwaltung hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf das Klima.
Gerwin Stöcken
Stadtrat
Anlagen
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(wie Dokument)
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