Infosystem Kommunalpolitik
Geschäftliche Mitteilung - 0946/2024
Grunddaten
- Betreff:
-
Zukunftsfähige Zuwanderungsabteilung - Einbürgerung
- Status:
- öffentlich (Drucksache abgeschlossen)
- Drucksachenart:
- Geschäftliche Mitteilung
- Federführend:
- Dezernat III
- Beteiligt:
- Stadtamt
- Vorlagenchecks:
- Drucksache hat Auswirkungen auf den Haushalt und den Stellenplan
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
---|---|---|---|---|
●
Erledigt
|
|
Ausschuss für Finanzen, Inneres und Gleichstellung
|
Kenntnisnahme
|
|
|
Sep 10, 2024
| |||
●
Erledigt
|
|
Ratsversammlung
|
Kenntnisnahme
|
|
|
Sep 19, 2024
|
Sachverhalt/Begründung
Sachverhalt
Deutschland ist seit mindestens 60 Jahren ein Einwanderungsland. Der wachsende Fachkräftebedarf erfordert Einwanderung auch in den nächsten Jahren. Nach dem Zensus 2022 lebten zum Stichtag 15. Mai 2022 in Deutschland rund 10,9 Millionen Ausländer*innen.[1] Laut Statistik Nord lebten davon im Bundesland Schleswig-Holstein 346.690 ausländische Mitmenschen. In der Landeshauptstadt Kiel waren es 36.755.[2]
Die vorherrschenden Konfliktherde im Nahen und Mittleren Osten und insbesondere der andauernde russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, verstärken den Druck auf die Solidargemeinschaft der Europäischen Union und unsere Aufnahme und Integrationskapazitäten. Mit der historischen Reform des Staatsangehörigkeitsrecht erkennt das deutsche Staatsbürgerschaftsrecht die in weiten Teilen der Gesellschaft gelebte Realität an. Menschen mit besonderen Integrationsleistungen erhalten schneller den Zugang zur deutschen Nationalität. Die gesellschaftliche aktive Teilhabe kann weiter gefestigt werden, indem sie am Wahlrecht partizipieren und sich aktiv in gesellschaftliche Fragen einbringen können. Seit dem 27. Juni 2024 ist das neue Staatsangehörigkeitsgesetz (Gesetz zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts (StARModG)) mit Neuregelungen in Kraft getreten[3]. Es ist wahrscheinlich, dass die Verkürzung der Wartezeiten von acht auf fünf Jahre (bei besonderer Integrationsleistung nach drei Jahren) zu einer deutlichen Zunahme der Einbürgerungsanträge in den Ausländerbehörden führen wird. Die damit einhergehenden Verwaltungsverfahren sind anspruchsvoll und nehmen bundesweit mehr Kapazitäten in Form von Zeit und Personal in Anspruch. Die Situation wird erschwert durch eine deutliche Fallzahlsteigerung mit einer angespannten Personalsituation (Arbeitskräftemangel). Dies erschwert zunehmend eine zeitnahe Sachbearbeitung. Die Folgen sind deutliche Bearbeitungsrückstände, lange Wartezeiten auf Vorsprachetermine und eine permanente Überlastung der Beschäftigten.
Im Jahr 2023 konnten in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt 200.100 Menschen eingebürgert werden.[4] Dies ist die größte Anzahl an Einbürgerungen seit der Jahrtausendwende.
In Schleswig-Holstein wurden 2023 insgesamt 6.914 Einbürgerungen vorgenommen. Im Vergleich zum Vorjahr wurde ein Zuwachs von 1.713 Einbürgerungen (+32,9%) erzielt.[5] In der Landeshauptstadt Kiel konnten 811 Menschen in 2023 eingebürgert werden, was im Vergleich der kreisfreien Städte in Schleswig-Holstein den Höchstwert darstellt[6]:
|
2021 |
2022 |
2023 |
Kiel |
547 |
788 |
811 |
Lübeck |
335 |
366 |
266 |
Neumünster |
63 |
144 |
100 |
Flensburg |
125 |
205 |
512 |
Der erste Einbürgerungsbericht der Landesregierung[7] stellt fest, dass trotz regionaler Unterschiede der Einbürgerungszahlen, diese ab dem Jahr 2021 deutlich angestiegen sind. Und weiter: Gleichzeitig sehen sich die Einbürgerungsbehörden großen Herausforderungen gegenüber. Der Fachkräftemangel ist auch bei ihnen angekommen. Personalbedarf, Stellenbesetzungsmöglichkeiten und ansteigende Antragszahlen stehen oftmals schon jetzt in keinem idealen Verhältnis. Die Auswirkungen treffen Einbürgerungsinteressierte und Mitarbeitende gleichermaßen. Hier gilt es, auch gemeinsam mit dem Land und Bund, Strategien für zukunftsfähige Einbürgerungsbehörden zu entwickeln. Die Umsetzung des Online-Zugangs-Gesetzes mit dem digitalen Online-Einbürgerungsantrag kann hierzu beitragen.[8]
Auch der Hauptausschuss des Deutschen Städtetages sieht dringenden Handlungsbedarf.[9] „Ausländer- und Einbürgerungsbehörden müssen stabilisiert werden. Andernfalls können sie ihre Aufgabe bei der für Deutschland notwendigen Fachkräfteeinwanderung und der gewünschten Beschleunigung von Einbürgerungen nicht erfüllen“, formuliert dieser deutlich.
Die Landeshauptstadt Kiel geht voran und baut die Strukturen zukunftsgerecht und zielgerichtet, aber mit Augenmaß und gemeinsam mit den Mitarbeitenden um. Mit verschiedenen Maßnahmen soll auf den zu erwartenden Anstieg der Einbürgerungsanträge reagiert werden:
- Personalbindung und -gewinnung
Die Personalbindung und -gewinnung gestalten sich in der öffentlichen Verwaltung, aber insbesondere in fachspezifisch komplexen Bereichen, wie den Ausländerbehörden, zunehmend schwieriger. Die Landeshauptstadt Kiel hat mit ihrer Personalstrategie „Personal stärken“ wichtige Akzente gesetzt, die der besonders belasteten Abteilung Zuwanderung im Stadtamt helfen. Im Zeitraum Juli 2022 bis Juli 2024 wurden insgesamt 48 Verfahren zur Stellenbesetzung durchgeführt. Zum Teil wurden Stellen erfolglos und dann mehrfach ausgeschrieben. Insgesamt 140 Auswahlgespräche führten zu 49 Einstellungen. In 2023/2024 stand die vollständige Besetzung der Führungsebene im Vordergrund und wurde dementsprechend priorisiert. Mit Besetzung der Abteilungsleitung, die aktuell interimsmäßig mit einer Führungskraft aus der Flex:Unit besetzt ist, zum November 2024, gelingt die vollständige Besetzung der in 2023 neu geschaffenen Führungsstruktur. Die Stabilisierung der Führungsebene trägt zur Arbeitsentlastung sowie Struktur- und Prozessoptimierung bei. Zugleich soll die Stellenbesetzungsquote in der gesamten Abteilung gesteigert werden. Aktuell sind von 61 Stellen 9 unbesetzt.
- Notwendiger Zuwachs von Stellen
Bereits 2022 wurde das Personal im Stadtamt, auch in der Abteilung Zuwanderung, mit dem Stadtamt-Programm 2022 (vgl. Drs. 0474/2022) aufgestockt. Hier wurde der Sachbereich Einbürgerung von vier auf acht Stellen verdoppelt, was eine maximal mögliche 1:1 Einarbeitung voraussetzt. Aufgrund der gesetzlichen Änderungen und hohen Fallzahlen wurde bereits im Frühjahr für notwendig erachtet eine weitere Verdopplung des Personal auf insgesamt 16 vorzunehmen. Aufgrund des Aufwuchses in diesem Sachbereich wird auch die Struktur angepasst, so dass neben acht Stellen für Sachbearbeitung (Entgeltgruppe 9b TVöD bzw. A 10 SHBesG), aufgrund der höheren Leitungsspanne, eine weitere Führungskraft (Entgeltgruppe 11 TVöD bzw. A 11 SHBesG) notwendig wird. Die zusätzlichen Stellen in der Einbürgerung sollen zunächst mit einem KW-Vermerk für fünf Jahre eingerichtet und werden im Stellenplan-Entwurf 2025 aufgenommen. Mit einer Personalgewinnungskampagne im April 2024, eigens für den Bereich Einbürgerung, konnte bereits neues Personal erfolgreich akquiriert werden. Diese neuen Kolleg*innen werden eingearbeitet und tragen bereits wertvoll zur Aufgabenerledigung bei. Um die Prozesse in der Abteilung insgesamt zu beschleunigen, werden im Bereich der Identitätsprüfungen weitere Ressourcen aufgebaut. Hier sind zwei Stellen nach Entgeltgruppe 9b TVöD bzw. A 10 SHBesG notwendig. Zusätzlich hat sich herausgestellt, dass komplexe Fallkonstellation mit offenen Fragestellungen, die zum Großteil abteilungsübergreifend geklärt werden müssen (z.B. mit dem Standesamt), sehr viel Zeit bei einzelnen Sachbearbeitungen binden. Daher ist es zielführend eine „Clearing-Stelle“ aufzubauen und mit drei Stellen (Führungskraft, Entgeltgruppe 11 TVöD bzw. A 11 SHBesG und zwei Stellen Sachbearbeitung, Entgeltgruppe 9b TVöD bzw. A 10 SHBesG) auszustatten. Auch diese Stellen werden in den Stellenplan-Entwurf 2025 aufgenommen.
Insgesamt sind für die Landeshauptstadt Kiel mit Kosten i.H.v. rd. 1,7 Mio. Euro zu rechnen. Im Rahmen der Konnexität wäre geboten, dass Bund und das Land Schleswig-Holstein diese Kosten übernehmen. Eine Zusage steht hierzu bisher aus.
- Prozessinnovation und Organisationsstruktur
Mit Einführung des StARModG weitet der Bund Aufgaben auf die Kommunen deutlich aus und verändert durch gesetzliche Anpassungen Arbeitsabläufe. Dies bedingt auf Seiten der Verwaltung, neben dem Personalmehraufwand, Prozessinnovation und Anpassungen in der Organisationsstruktur. Die Umstrukturierung der Einbürgerung wird weiter vorangetrieben mit inhaltlicher Zuordnungsstruktur und Prozessvereinfachung. Dataport unterstützt hierbei als externe Begleitung. Der in 2023 begonnene Prozess zur zukunftsfesten Aufstellung der Kieler Zuwanderungsabteilung wird somit konsequent fortgesetzt.[10]
- Aufbau „Service-Point Einbürgerung“
Mit Zulauf der neuen Mitarbeitenden soll auch der Service weiter ausgebaut werden. Die Verwaltung etabliert in neuen Räumlichkeiten nahe des Neuen Rathauses, ein zusätzliches Beratungsangebot zur Einbürgerung. Eigens zur Einbürgerungsberatung geschultes Personal sowie Terminals, Flyer und Informationsangebote sollen ab Oktober 2024 für interessierte ausländische Mitmenschen bereitstehen, um viele Fragen rund um das neue Einbürgerungsrecht zu beantworten. Gleichzeitig wird der Service-Point der Abteilung Zuwanderung im Neuen Rathaus entsprechend entlastet.
- Digitale Angebote
Eine Vielzahl von digitalen Angeboten ist durch die Landeshauptstadt Kiel mittlerweile etabliert worden. Über 100 verschiedene Leistungen können die Kieler*innen bereits nutzen. Diese werden stetig angepasst und erweitert. Die Zuwanderungsabteilung bietet seit dem 28. August 2024 17 Online-Dienste an. Darunter ein digitaler Einbürgerungsantrag. Ferner sind weitere Leistungen darunter, wie die Beantragung einer Arbeitserlaubnis, die Abgabe von Identitätsdokumenten oder der Antrag auf Aufhebung der Wohnsitzverpflichtung. Die zuständigen Sachbearbeiter*innen werden parallel geschult, um Bescheide rechtssicher zu erlassen und Widersprüche zu reduzieren.
Des Weiteren werden verfügbare EfA-Dienste, wie bspw. Aufenthaltstitel nachgenutzt sowie weitere individuelle Online-Dienste für die Zuwanderungsabteilung erarbeitet. Hierbei sind sogenannte Quick Checks mit vorgesehen, um eine erste Einschätzung zum Anliegen zu bieten und auf gegebene Bedingungen, Anforderungen und notwendige Unterlagen hinweisen zu können. Antragsdaten und Dokumente werden über eine Schnittstelle automatisch vom Online-Dienst in das Fachverfahren übertragen. Dies sorgt für eine leichtere Umstellung und Anpassung in der täglichen Arbeit für die Sachbearbeiter*innen. Bestehende Online-Dienste werden stetig geprüft und optimiert. Über eine Payment-Schnittstelle können zukünftig Zahlungen direkt online abgewickelt werden.
Ausblick
Ausländer*innen, die dauerhaft in Deutschland bleiben wollen, sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen und grundsätzlich das Erfordernis der eigenständigen wirtschaftlichen Sicherung des Lebensunterhalts erfüllen, wird mit der Einbürgerung der Weg zu einer umfassenden Teilhabe und Mitwirkung eröffnet werden. Hierzu müssen verwaltungsseitig auf kommunaler Ebene die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Mit den in dieser Vorlage gebündelten Maßnahmen wird der Wille unzweifelhaft ausgedrückt, den berechtigten Ansprüchen dieser Menschen gerecht zu werden. Ziel ist es in Kiel 2024 mindestens 1.000 Einbürgerungen vorzunehmen und diese bis 2026 auf 2.000 pro Jahr zu steigern.
Christian Zierau
Stadtrat
[1] Quelle: https://www.zensus2022.de/DE/Presse/Pressebereich/Zensus2022_PK_Statement.pdf?__blob=publicationFile&v=4
[2] Laut Datenlage der Statistik Nord vom 31.12.2023; Quelle: https://www.statistik-nord.de/fileadmin/Dokumente/Statistische_Berichte/bevoelkerung/A_I_4_j_S/A_I_4_j_23_SH.pdf, Download am 02.07.2024.
[6] Website der Zeitschrift Gegenwind und anderer Projekte der Gesellschaft für politische Bildung e.V.
[8] Landesregierung, Erster Einbürgerungsbericht 2023, S. 26 Fazit und Ausblick
[9] https://www.staedtetag.de/positionen/beschluesse/2023/hauptausschuss-situation-auslaender-einbuergerungsbehoerden.
[10] Vgl. Geschäftliche Mitteilung, Zukunftsfähige Zuwanderungsabteilung (Immigration Office) – Bericht über die Arbeit der „Task-Force Zuwanderung“, Drs. 0461/2023.
