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Geschäftliche Mitteilung - 1039/2024-01
Grunddaten
- Betreff:
-
Gehwegparken regelkonform ordnen - Verfahren und Kriterien
- Status:
- öffentlich (Drucksache freigegeben)
- Drucksachenart:
- Geschäftliche Mitteilung
- Federführend:
- Tiefbauamt
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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Erledigt
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Ausschuss für Umwelt, Klimaschutz und Mobilität
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Kenntnisnahme
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Oct 1, 2024
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Erledigt
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Ausschuss für Finanzen, Inneres und Gleichstellung
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Kenntnisnahme
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Oct 8, 2024
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Geplant
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Ratsversammlung
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Kenntnisnahme
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Nov 21, 2024
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Sachverhalt/Begründung
Ausgangslage
Nahezu jeder dritte Weg in Kiel wird zu Fuß zurückgelegt (Drs. 1233/2019). Damit bildet der Fußverkehr ein Rückgrat unserer alltäglichen Mobilität. Allerdings wird ein Fortkommen insbesondere für Personen im Rollstuhl, Blinden oder Menschen mit Kinderwagen sowie Gehhilfen unter anderem durch auf dem Gehweg parkende Fahrzeuge mitunter erheblich erschwert. Vielerorts wurde in Kiel auf Grundlage der damals gültigen StVO das Gehwegparken zur Schaffung von Parkraum angeordnet, das aus heutiger Sicht vor dem Hintergrund teilweise zu geringer Restgehwegbreiten bezüglich der Auswirkungen auf den Fußverkehr zu überprüfen ist. Andernorts wird mitunter regelwidrig entgegen der vorgeschriebenen Parkordnung geparkt und die Gehwege damit ganz oder teilweise verstellt. Insgesamt gilt es die von der Ratsversammlung beschlossenen Vorgaben sowie die Vorgaben aus den technischen Regelwerken und dem Straßenverkehrsrecht sukzessive im öffentlichen Straßenraum umzusetzen. Dabei ist naturgemäß zu erwarten, dass dies Auswirkungen auf andere Verkehrsarten (bspw. Kfz- oder Radverkehr) haben wird. Ziel ist es, insgesamt eine sichere und komfortable Fortbewegung für alle zu ermöglichen.
Beschluss- und Rechtslage
Die Landeshauptstadt Kiel hat sich auf Grundlage mehrerer Beschlüsse auf den Weg gemacht, die Mobilitätswende umzusetzen [Masterplan 100 % Klimaschutz (Drs. 0985/2017), Masterplan Mobilität der KielRegion (Drs. 0160/2017), Green City Plan (Drs. 0716/2018) sowie Climate Emergency (Drs. 0901/2019)]. Sie soll allen Verkehrsteilnehmer*innen die sichere Nutzung des Verkehrsraums ermöglichen und gleichzeitig ein neues Verständnis für die Qualität öffentlicher Räume und der langfristigen Steigerung ihrer Aufenthaltsqualitäten schaffen. Hierfür ist es notwendig, die Straßenräume gerechter unter den verschiedenen Nutzungsformen zu verteilen und den Parkraum neu zu ordnen. Mit dem Mobilitätskonzept | ruhender Kfz-Verkehr 2035 (Drs. 0742/2022) wird dementsprechend der Grundsatz festgelegt, dass bis 2035 – dort wo sie baulich bestehen – wieder Gehwegbreiten von mindestens 2,50 m sichergestellt werden sollen. Falls erforderlich ist das Gehwegparken schrittweise zurückzunehmen. Auch bei der Neuerrichtung von Gehwegen ist die entsprechende Breite zu berücksichtigen. Die Mindestgehwegbreite von 2,50 m ergibt sich dabei aus den Kieler Standards für Fußwege und Kinderwege (Drs. 0454/2014) und den heranzuziehenden Regelwerken „Richtlinie zur Anlage von Stadtstraßen“ (RASt 06), den „Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen“ (EFA 02) und den Ableitungen aus der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (s. Anlage 1). Bestehendes Gehwegparken soll daher sukzessive auf diese Maßgabe überprüft und nötigenfalls schrittweise angepasst werden. Abweichungen nach unten sind bei Neuregelungen nur im Rahmen einer Einzelfallprüfung zulässig (s. auch Anlage 1).
Dieser Ansatz wird auch durch das Bundesverwaltungsgericht gestützt und bestätigt. Das Gericht hat kürzlich (BVerwG 3 C 5.23, 06.06.2024) bezüglich des Umgangs mit (illegalem) Gehwegparken entschieden, dass Anwohnende grundsätzlich bei einer erheblichen Beeinträchtigung der Gehwegbenutzung einen räumlich begrenzten Anspruch gegen die Straßenverkehrsbehörde auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über das Einschreiten gegen das verbotswidrige Gehwegparken haben. Dieser Anspruch, Maßnahmen gegen das Parken auf den Gehwegen in den Straßen zu ergreifen, bezieht sich auf die "eigene" Straßenseite des Anwohnenden und umfasst in der Regel den Straßenabschnitt bis zur Einmündung "seiner" Straße in die nächste (Quer-) Straße.
Darüber hinaus hat das Gericht jedoch auch festgestellt, dass die Kommune noch nicht zu einem unmittelbaren Einschreiten verpflichtet ist. Da das unerlaubte Gehwegparken in der Regel große Teile des Stadtgebietes umfasst, ist es nicht zu beanstanden, wenn die Kommune zunächst die am stärksten belasteten Quartiere ermittelt, Straßen mit besonders geringer Restgehwegbreite priorisiert und ein entsprechendes Konzept für ein stadtweites Vorgehen umsetzt.
Mit dem Mobilitätskonzept | ruhender Kfz-Verkehr 2035 hat die Verwaltung die Grundlage für ein solches Vorgehen geschaffen. In dem Konzept sind entsprechende Erhebungen zum Parken für einen Großteil Kiels vorgenommen, der Umfang sowie die Notwendigkeit der Neuordnung des Gehwegparkens ermittelt und durch o.g. Beschlüsse bestätigt worden. Mit dem nachfolgend beschriebenen Verfahren zur Umsetzung der Neuordnung trägt die Verwaltung dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts bereits jetzt Rechnung.
Verfahren:
Allein schon aufgrund des hohen Arbeitsvolumens bei der Überprüfung und Anpassung des Gehwegparkens im gesamten Stadtgebiet ist entsprechend des angepeilten Zeithorizonts bis 2035 eine vollständige Umsetzung der Anpassungsbedarfe nur mittel- und langfristig zu erreichen. Dementsprechend bedarf es einer Priorisierung und eines einheitlichen und transparenten Vorgehens. Für die Umsetzung des im Mobilitätskonzept | ruhender Kfz-Verkehr 2035 festgelegten Ziels, bis 2035 wieder flächendeckend Gehwegbreiten von mindestens 2,50 m (sofern diese baulich bestehen) sicherzustellen, sieht die Verwaltung daher folgendes Verfahren vor:
- Für die schrittweise Umsetzung melden die Ortsbeiräte unter Darstellung der örtlichen Situation eigenständig Straßenzüge oder Bereiche, die überprüft und angepasst werden sollen. Dies gilt ebenso für den Beirat für Menschen mit Behinderung, den Beirat für Seniorinnen und Senioren sowie den Jungen Rat. Falls Anregungen bzw. Beschwerden von Bürger*innen vorliegen, sollen diese ebenso beigefügt werden.
Sofern Hinweise von Bürger*innen direkt bei der Verwaltung (Tiefbauamt oder Straßenverkehrsbehörde) eingehen, werden die Ortsbeiräte grundsätzlich um Stellungnahme gebeten. Um eine solche Stellungnahme der Ortsbeiräte wird auch bei Hinweisen von den oben genannten Beiräten gebeten.
- Alle abzuarbeitenden Hinweise werden einer Priorisierung unterzogen. Dadurch ergibt sich eine Reihenfolge der Prüfvorgänge. Folgende Priorisierung der eingehenden Hinweise wird vorgesehen:
- Rücknahme des Gehwegparkens aus dringenden verkehrsrechtlichen Gründen. Das kann bspw. in Bereichen mit nicht ausreichenden Restgehwegbreiten oder nicht ausreichenden Fahrgassenbreiten (bspw. für gefahrloses Passieren von Rettungs- oder Entsorgungsfahrzeugen) der Fall sein. Es können aber auch andere Verkehrssicherheitsaspekte eine Rolle spielen, wie etwa fehlende Sicherheitstrennstreifen zu Radverkehrsanlagen.
- Rücknahme des Gehwegparkens vor und im direkten Umfeld von Kindertageseinrichtungen, Schulen, Kranken- und Ärztehäusern sowie Einrichtungen für Senior*innen & Menschen mit Behinderung – unter Berücksichtigung zusätzlicher Raumbedarfe.
- Gehwege mit untermaßigen Restgehwegbreiten (< 2,50 m) in der näheren Umgebung (s. Anlage 1, Seite 4) von Kindertageseinrichtungen, Schulen, Kranken- und Ärztehäusern, Einrichtungen für Senior*innen sowie Menschen mit Behinderung, auf Schulwegen von Grundschulen sowie auf Kinderwegen (Drs. 0519/2019) – unter Berücksichtigung zusätzlicher Raumbedarfe.
- Gehwege mit untermaßigen Restgehwegbreiten (< 2,50 m) auf Fußwegeachsen (Drs. 0519/2019).
- Gehwege mit untermaßigen Restgehwegbreiten (< 2,50 m) an Straßen mit Erdgeschossnutzungen.
- Übrige Gehwege mit untermaßigen Restgehwegbreiten (< 2,50 m).
Neuordnungen, die ohne Verlust von Parkplätzen angeordnet werden können und auch keine wesentlichen Auswirkungen auf den fließenden Verkehr (Rad, ÖPNV, Kfz) haben, sollen unabhängig von den Priorisierungen möglichst zeitnah umgesetzt werden, da sie leicht umsetzbare Verbesserungsmöglichkeiten darstellen.
Aufgrund der dargestellten Priorisierung ist es naturgemäß möglich, dass neuere Hinweise mit höherer Priorität vor älteren Hinweisen abgearbeitet werden. Den Ortsbeiräten ist eine Rückmeldung bzgl. der Einordnung ihrer Hinweise zu geben. Dies gilt ebenso für den Beirat für Menschen mit Behinderung, den Beirat für Seniorinnen und Senioren sowie den Jungen Rat.
- Auf Grundlage der Prioritätenliste erfolgt seitens der Verwaltung sukzessive die Überprüfung der Hinweise. Sofern Änderungsbedarf hinsichtlich des Gehwegparkens besteht, erarbeitet die Verwaltung Lösungsvorschläge, die den Zielvorgaben dieser Vorlage entsprechen. Sofern mehrere Varianten in Betracht kommen erhält der Ortsbeirat die Möglichkeit zur Stellungnahme und wird um Bestimmung einer Vorzugsvariante gebeten. Sofern nur eine Variante in Betracht kommt, wird der Ortsbeirat ebenfalls informiert und vor einer Entscheidung eingebunden und die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben z.B. auch zu möglichen Begleitmaßnahmen. Zwar kann dem Ortsbeirat in solchen Fällen kein verbindliches Beschlussrecht eingeräumt werden, da es sich beim Vollzug der StVO um eine Weisungsaufgabe handelt, aber wo möglich werden den Ortsbeiräten größtmögliche Mitbestimmungsmöglichkeiten eingeräumt. Dies gilt ebenso für den Beirat für Menschen mit Behinderung, den Beirat für Seniorinnen und Senioren sowie den Jungen Rat. Eine Zurückstellung ist nach erfolgter Prüfung grundsätzlich nicht mehr möglich. Maßnahmen höherer Priorität werden jedoch bevorzugt umgesetzt. Vor der konkreten Umsetzung der Maßnahme wird der Ortsbeirat über die Maßnahme in Kenntnis gesetzt und ggf. Begleitmaßnahmen dargelegt. Es wird darauf hingewiesen, dass bspw. im Rahmen der Unfallkommission behördliche Entscheidungen weiterhin außerhalb dieses Verfahrens getroffen werden.
- Mindestens alle zwei Jahre wird die Verwaltung dem Ausschuss für Umwelt, Klimaschutz und Mobilität ein Sachstandsbericht bzgl. bereits geprüfter und umgesetzter Maßnahmen erstatten.
Aspekte bei der Überprüfung des Gehwegparkens
Für eine angemessene Entscheidungsgrundlage erhebt die Verwaltung das Gehwegparken flächendeckend und standardisiert entlang der dann festgelegten Prioritäten. Die vorhandenen Daten der Parkraumuntersuchung aus dem Jahr 2019 (Drs. 0911/2021) fließen hier mit ein. Aufgrund des Umfangs der dafür notwendigen Erhebungen steht die Datenbasis erst im weiteren Verlauf zur Verfügung. Die Datenbasis erlaubt eine Feststellung der besonders handlungsbedürftigen Bereiche.
Grundsätzlich erfolgt bei der Prüfung der handlungsbedürftigen Bereiche eine Einzelfallbetrachtung, da sich die örtlichen Voraussetzungen und Anforderungen vielfältig gestalten. Neben der Anforderung nutzbarer Gehwege soll bei der Wiederherstellung des regelkonformen Gehwegparkens auch darauf geachtet werden, den Eingriff so groß wie nötig, aber so gering wie möglich zu halten. Die unterschiedlichen Interessen des Fuß-, Rad-, ÖPNV- und KFZ-Verkehrs sind im Rahmen des rechtlich Möglichen angemessen bei der Variantenentwicklung und Entscheidungsfindung zu berücksichtigen und ein möglichst schonender Interessensausgleich vorzunehmen. Das Prüf- und Bewertungsverfahren (Anlage 2) soll ein einheitliches Vorgehen sicherstellen und die Auswirkungen auf alle Verkehrsträger sowie Alternativ-Angebote betrachten. Nachdem die Rahmenbedingungen (bspw. Gehwegbreite und Breite der Fahrbahn) erfasst und mögliche Regelungsmöglichkeiten und deren spezifischen Auswirkungen ermittelt und bewertet wurden, sollen auch die Mobilitätsangebote in der Nähe und deren Angebotsqualität sowie mögliches Verbesserungspotenzial ermittelt werden. Dies beinhaltet auch die Prüfung alternativer Parkmöglichkeiten im Umfeld (bspw. Mehrfachnutzungen bestehender Parkplätze). Daraus ergibt sich in Summe auch, ob ein Quartiersmobilitätskonzept sinnvoll und ggf. notwendig ist (bspw. umliegende Straßen mit Handlungsbedarf). Sofern kein Quartiermobilitätskonzept erforderlich ist, aber Verbesserungen hinsichtlich alternativer Mobilitätsangebote erzielt werden sollten, werden dem Ortsbeirat Vorschläge unterbreitet, welche zusätzlichen Angebote (bspw. Carsharing, SprottenFlotte, Sharing-Zonen oder flexible/alternative Nutzung privater/öffentlicher Parkmöglichkeiten) wo geschaffen könnten. Die Verwaltung ist bestrebt, Alternativangebote gleichzeitig umzusetzen.
Nicht überall sind im Bestand bauliche Gehwegbreiten von 2,50 m vorhanden und zu erreichen. Ersatzweise sind hier ggf. Regelungen zur Mischnutzung von Verkehrsflächen zu treffen, um wesentliche Verbesserungen zu erzielen.
Neben der Überprüfung des Gehwegparkens soll auch generell die Zahl der Hindernisse auf Gehwegen abnehmen. Dies beinhaltet beispielsweise die Überprüfung von Fahrradabstellanlagen auf Gehwegen. Um ausreichend breite Gehwege herzustellen, müssen Fahrradbügel, wo erforderlich versetzt werden. Dies soll idealerweise bei der Neuordnung des Gehwegparkens mit überprüft und ggf. umgesetzt werden. Präferiert – aber nicht ausschließlich – sollen sie in die Fahrbahn in Kreuzungsbereichen versetzt werden, um dort die Sichtachsen zu verbessern. Bei Pollern ergibt sich ein differenzierteres Bild, da hier die Abwägung getroffen werden muss, ob anzunehmen ist, dass sich die Mehrheit an Fahrzeugführer*innen auch ohne bauliche Maßnahmen an entsprechende Verkehrsregelungen hält und die Gehwege freigehalten werden. Grundsätzlich soll das Setzen neuer Poller zurückhaltend und ggf. erst nach einer Erprobungsphase ohne Poller erfolgen. Bei größeren geplanten Maßnahmen ist der jeweilige Ortsbeirat vorab einzubinden. Überdies sind die Regelungen zur Restgehwegbreite bei Sondernutzungen im weiteren Verlauf anzupassen.
Erfolgte und weitere Schritte:
Das hier beschriebene Vorgehen zur Überprüfung des Gehwegparkens wurde am 04.09.2024 im Mobilitätsforum vorgestellt und diskutiert. Die Beteiligungsmöglichkeit anderer Beiräte wurde daraufhin ergänzt.
Die Ortsbeiräte erhalten eine Kopie dieser Geschäftlichen Mitteilung zur Kenntnis und werden in Kürze mit einem separaten Anschreiben weitergehend zu dem vorgesehenen Verfahren und dem Ablauf informiert.
Dem Ausschuss für Umwelt, Klimaschutz und Mobilität wird wie oben beschrieben alle zwei Jahre ein Sachstandsbericht bzgl. der dann vorliegenden Prioritätenliste und bereits geprüfter Maßnahmen vorgelegt.
Eine Kopie der Geschäftlichen Mitteilung erhalten die Ortsbeiräte zur Kenntnis.
Um Kenntnisnahme wird gebeten.
Alke Elisabeth Voß
Stadträtin
Anlagen
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