Infosystem Kommunalpolitik
Geschäftliche Mitteilung - 0298/2017
Grunddaten
- Betreff:
-
Gesetzesentwurf zu Änderungen im Unterhaltsvorschussrecht zum 01.07.2017
- Status:
- öffentlich (Drucksache abgeschlossen)
- Drucksachenart:
- Geschäftliche Mitteilung
- Federführend:
- Jugendamt
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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Erledigt
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Jugendhilfeausschuss
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Vorberatung
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Apr 5, 2017
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Erledigt
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Ausschuss für Soziales, Wohnen und Gesundheit
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Vorberatung
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Apr 27, 2017
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Sachverhalt/Begründung
Die Abteilung „Rechtliche und Wirtschaftliche Jugendhilfe“ des Jugendamtes informiert mit dieser Geschäftlichen Mitteilung über die geplanten Änderungen im Unterhaltsvorschussrecht ab dem 01.07.2017.
Voraussichtlich zum 01.07.2017 wird auf Bundesebene die Erweiterung des Unterhaltsvorschussanspruchs beschlossen und wirksam sein. Bundesweit wird davon ausgegangen, dass die Änderung im Unterhaltsvorschussgesetz planmäßig verabschiedet wird. Gestützt wird diese Annahme durch die Beobachtung, dass sich bundesweit Unterhaltsvorschusskassen auf der Grundlage des letzten Gesetzesentwurfes personell aufstellen. Das Gesetz wird endgültig voraussichtlich in der letzten Aprilwoche im Bundestag beraten und gelangt frühestens am 12.05.2017 in den Bundesrat. Diesem Entwurf zufolge ist mit einer Verdoppelung der Fallzahlen zu rechnen.
Unterhaltsvorschuss – was ist das?
Alleinerziehende Eltern können Unterhaltsvorschuss beanspruchen und erhalten diesen monatlich von der Unterhaltsvorschusskasse ausgezahlt. Der Unterhaltsvorschuss ist im Sozialleistungssystem eine sogenannte vorrangige Leistung. Sie wird bei weiterem Sozialleistungsbezug (SGB II, SGB XII) voll angerechnet. Der andere Elternteil ist vorbehaltlich seiner Leistungsfähigkeit verpflichtet, Unterhalt an die Unterhaltsvorschusskasse zurück zu zahlen (der sogenannte Unterhaltsrückgriff). Die Leistungsfähigkeit wird geprüft und sofern es erforderlich ist, wird das Geld auch zwangsweise eingezogen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass der überwiegende Teil der Unterhaltsschuldner und -schuldnerinnen aufgrund eigener wirtschaftlicher Schwierigkeiten nicht leistungsfähig ist.
Wie sieht die geplante Gesetzesänderung zum 01.07.2017 für alleinerziehende Eltern aus?
Bislang ist der Anspruch grundsätzlich auf 72 Monate begrenzt und wird nur bis zum 12. Lebensjahr gewährt. Diese Einschränkung würde ab dem 01.07.2017 entfallen, so dass Unterhaltsvorschuss bis zum 18. Lebensjahr unbegrenzt gezahlt werden kann. Ausnahme: ab dem 12. Lebensjahr soll es keinen parallelen Leistungsbezug (SGB II und Unterhaltsvorschuss) geben, es sei denn, es wird in dem alleinerziehenden Haushalt ein Einkommen von mindestens 600 € erzielt. Außerdem ist erstmalig das Einkommen des Kindes/Jugendlichen (z. B. während der Ausbildung) maßgeblich bei der Prüfung, ob ein Bedarf für eine Unterhaltsvorschusszahlung besteht. Anträge auf Unterhaltsvorschuss können bereits ab Juni 2017 gestellt werden.
Wie hoch sind die Beträge im Unterhaltsvorschussrecht?
Die Höhe des Unterhaltsvorschusses ist von der Gesetzesänderung nicht betroffen. Sie richtet sich nach dem Alter des Kindes und beträgt seit dem 01.01.2017
- 150,00 € für Kinder in der 1. Altersstufe (0-5 Jahre)
- 201,00 € für Kinder in der 2. Altersstufe (6-11 Jahre)
- 268,00 € für Kinder/Jugendliche in der 3. Altersstufe (12-17 Jahre)
Wie viele alleinerziehende Eltern könnten von der Neuregelung profitieren?
Im März 2017 erhielten in Kiel 2138 Kinder in alleinerziehenden Haushalten laufende Unterhaltsvorschusszahlungen. Durch die Aufhebung der begrenzten Höchstleistungsdauer bzw. wegen Wegfall der Altersgrenze könnten etwa 1500 beendete Leistungsfälle nach Antragstellung „reaktiviert“ werden. Eine Schätzung anhand der Bevölkerungsstatistik geht von etwa 270 Kindern/Jugendlichen aus, die bisher ohne SGB II-Leistungen leben und einen Anspruch verwirklichen können. Bei der altersgleichen Zielgruppe mit SGB-II-Bezug und Einkommen von mindestens 600 € ist anzunehmen, dass etwa 250 Anträge gestellt werden. Insgesamt kann von einer Verdoppelung der bisherigen Leistungsfälle ausgegangen werden. Die Berechnungen bzw. die Schätzwerte stimmen mit der bundesweiten Prognose überein.
Auswirkungen der geplanten Gesetzesänderung für die Unterhaltsvorschusskasse im Jugendamt
Eine Ausweitung des Leistungsrahmens und die damit verbundene Verdoppelung der zu bearbeitenden Akten würden bedeuten, dass diese Aufgabe mit der vorhandenen Personalressource nicht zu bewältigen ist. Es wurde ein zusätzlicher Personalbedarf von zunächst 4 Planstellen errechnet. Diese wurden zum Stellenplan 2018 mit Vorgriffsbesetzung zum 01.06.2017 beantragt. Die Personal- und Sachkosten betragen jährlich etwa 300.000 € und belasten den städtischen Haushalt. Aus Sicht der Kommunen wäre eine Personalaufstockung entbehrlich, sofern der parallele Leistungsbezug (SGB II und Unterhaltsvorschuss) ganz aufgehoben worden wäre. Diese Forderung ist im aktuellen Gesetzesentwurf nur teilweise berücksichtigt worden.
Die Unterhaltsvorschussbeträge selbst werden dagegen in voller Höhe wie zuvor vom Bund und vom Land weiter finanziert werden.
Über eine bundesweit vernehmbare Forderung an die Länder, die zusätzlichen Personal- und Sachkosten als Annexleistung anzuerkennen, ist noch nicht entschieden worden.
Eine weitere Herausforderung ist der zusätzliche Raumbedarf im Bereich Unterhaltsvorschuss. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind seit Jahren im Howe-Haus feste Anlaufstelle für alleinerziehende Eltern. Bereits jetzt ist der Platz für die personell stark gewachsene Abteilung „Rechtliche und Wirtschaftliche Jugendhilfe“ nicht auskömmlich. Die Gespräche mit der Immobilienwirtschaft zur Lösung der Raumbedarfe wurden daher bereits aufgenommen.
Wie werden die Eltern über die geplanten Gesetzesänderungen informiert?
Viele Anfragen zum Thema erreichten bereits die Beschäftigten in der Unterhaltsvorschusskasse. Die positive Entwicklung im Unterhaltsvorschussrecht ist demzufolge Teilen der Bevölkerung bereits bekannt. Im Rahmen einer Beistandschaft werden alleinerziehende Eltern, die das Angebot ab Juli 2017 nutzen können, zeitnah beraten und gezielt auf ihren möglichen Anspruch aufmerksam gemacht.
Ein Pressetermin der Landeshauptstadt Kiel ist - nach Erlass des Gesetzes - für Ende Mai geplant. Auf der Homepage der Stadt Kiel wird es entsprechende Hinweise geben. SGB-II-Kunden werden im Jobcenter beraten und bei Vorliegen der Voraussetzungen zur Antragstellung aufgefordert.
Unter Beteiligung des Jugendamtes behandelt das Referat für Gleichstellung die Entwicklung dieser Gesetzesänderung regelmäßig im Forum Alleinerziehende. Das Forum Alleinerziehende ist ein Netzwerk zahlreicher Kieler Fachberatungsstellen und städtischer Ämter mit dem Ziel, die Lebenssituation alleinerziehender Eltern zu verbessern. Dadurch ist ein breit aufgestelltes Informationsangebot für Alleinerziehende innerhalb und außerhalb städtischer Beratungsstellen gewährleistet.
Das Jugendamt wird die Ausschüsse über den Beschluss des Gesetzes sowie die Auswirkungen der Änderungen im Unterhaltvorschussgesetz zeitnah informieren.
Renate Treutel
Stadträtin