Infosystem Kommunalpolitik
Geschäftliche Mitteilung - 0962/2017
Grunddaten
- Betreff:
-
Verzinsung von Steuererstattungen
- Status:
- öffentlich (Drucksache abgeschlossen)
- Drucksachenart:
- Geschäftliche Mitteilung
- Federführend:
- Amt für Finanzwirtschaft
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
---|---|---|---|---|
●
Erledigt
|
|
Finanzausschuss
|
Kenntnisnahme
|
|
|
Nov 14, 2017
|
Sachverhalt/Begründung
Der Finanzausschuss der Landeshauptstadt Kiel hat in seiner Sitzung am 12.09.2017 darum gebeten, das Thema „Verzinsung von Steuererstattungen“ inhaltlich zu beleuchten.
Hierzu werden folgende Informationen gegeben:
Die Verzinsung von Steuererstattungen gehört zum Bereich der sog. Vollverzinsung und ist gesetzlich im § 233a Abgabenordnung (AO) –Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen- normiert. Diese Vorschrift beschränkt die Verzinsung auf bestimmte Steuern. So unterliegen der Vollverzinsung nur die Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen- und Umsatzsteuer sowie die Gewerbesteuer. Diese Aufzählung ist abschließend. Auf andere als in dieser Vorschrift genannten Steuern ist § 233a AO nicht anwendbar, es sei denn, andere Gesetze verweisen auf diese Bestimmung.
Die Verzinsung nach § 233a AO (Vollverzinsung) soll im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen einen Ausgleich dafür schaffen, dass die Steuern trotz gleichen gesetzlichen Entstehungszeitpunkts, aus welchen Gründen auch immer, zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und erhoben werden. So können unter Umständen mehrere Jahre vergehen. Die Ursachen für die Verzögerungen sind vielfältig. Sie können sowohl aus der Sphäre des Steuerpflichtigen herrühren als auch aus der des Finanzamtes. Häufig fallen hohe Zinsen an, weil sich Rechtsbehelfs- oder Gerichtsverfahren in die Länge ziehen.
Ist die zuletzt festgesetzte Steuer höher, als die ursprüngliche, kommt es zu Steuernachzahlungen. Durch Verzinsung von Steuernachzahlungen sollen Vorteile abgeschöpft werden, die der Steuerpflichtige dadurch erlangt, dass er das Kapital, das materiell-rechtlich seit dem Zeitpunkt der Entstehung des Steueranspruchs dem Fiskus zusteht, gewinnbringend nutzen konnte. Zudem sollen auch die Nachteile ausgeglichen werden, die der Staat dadurch erfährt, dass er über das Geld nicht schon zu einem früheren Zeitpunkt verfügen konnte. Im Erstattungsfall entgingen dem Steuerpflichtigen dagegen (potentielle) Zinserträge, weil er das ihm zustehende Kapital nicht zu einem früheren Zeitpunkt anlegen konnte. Ziel der Einführung der sog. Vollverzinsung war und ist folglich das Abschöpfen von Liquiditätsvorteilen bzw. -nachteilen.
Die Verzinsung ist gesetzlich vorgeschrieben; die Zinsfestsetzung steht nicht im Ermessen der Finanzbehörde. Die Zinsen werden grundsätzlich im automatisierten Verfahren berechnet, festgesetzt und zum Soll gestellt. Der Zinslauf beginnt bei der Gewerbesteuer 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist. Er endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird. Die Zinsen betragen nach § 238 AO für jeden Monat einhalb Prozent (somit jährlich 6 Prozent). Die Zinsfestsetzung wird regelmäßig mit dem Steuerbescheid verbunden.
Durch die veränderte Geldmarktpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) infolge der Finanzmarktkrise sind die Zinsen in der Eurozone auf ein historisches Tief gesunken. Aufgrund der Diskrepanz zwischen der Zinsentwicklung am Kapitalmarkt und der im Steuerverfahrensrecht ist die starre Verzinsung seit einiger Zeit vermehrter Kritik ausgesetzt. Der Zinssatz sei weder realitätsgerecht noch verfassungsgemäß. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist die Verzinsung von Steuernachzahlungen und Steuererstattungen gemäß §§ 233a i.V.m. 238 AO jedoch verfassungsgemäß. Der Zinssatz sei weder willkürlich noch verletze er Gleichheitsrechte der Steuerpflichtigen. In allen bisherigen Verfahren hat auch der Bundesfinanzhof (BFH) an der Regelung festgehalten.
Der BFH gibt allerdings zu erkennen, dass sich die Beurteilung für die Veranlagungszeiträume nach 2011 angesichts der anhaltenden Niedrigzinsphase ändern könnte. Ein Verfahren dazu ist beim BFH bereits seit dem 20.01.2016 (Az.: I R 77/15) anhängig. Wann mit einer Entscheidung zu rechnen ist kann nicht gesagt werden.
In der Literatur sehen namhafte Vertreter keine Rechtfertigungsgründe mehr für das Festhalten an dem nicht mehr realitätsgerechten Zins. Nach dortiger Auffassung sei insbesondere der überhöhte Zins nicht mehr durch den der Typisierung zugrunde liegenden Vereinfachungszweck gerechtfertigt.
In der Landeshauptstadt Kiel sind in den letzten drei Jahren folgende Zinsen auf Steuernachzahlungen bzw. –erstattungen entstanden:
|
|
|
| Steuererstattungen (Aufwand) | Steuernachzahlungen (Ertrag) |
| EURO | EURO |
|
|
|
|
|
|
Jahresrechnung 2015 | 1.171.748 | 2.093.121 |
|
|
|
Jahresrechnung 2016 | 725.579 | 3.807.864 |
|
|
|
Nachtragshaushalt 2017 | 3.000.000 | 3.500.000 |
|
|
|
Wolfgang Röttgers
Stadtrat