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Geschäftliche Mitteilung - 1008/2017
Grunddaten
- Betreff:
-
Gebührenfreies Parken für das Ehrenamt (Drs. 0326/2017)
- Status:
- öffentlich (Drucksache abgeschlossen)
- Drucksachenart:
- Geschäftliche Mitteilung
- Federführend:
- Ordnungsamt
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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Erledigt
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Innen- und Umweltausschuss
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Vorberatung
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Nov 7, 2017
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Erledigt
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Ratsversammlung
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Entscheidung
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Nov 16, 2017
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Sachverhalt/Begründung
Auf Beschluss der Ratsversammlung wurde die Verwaltung gebeten zu prüfen,
„…ob es vertretbar ist, ein Konzept für gebührenfreies Parken für das Ehrenamt zu entwickeln. Dabei sind folgende Sachverhalte zu klären:
- Betrifft Definition „Ehrenamt“: Welche Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler kommen für gebührenfreies parken in Frage?
- Soll das freie Parken örtlich beschränkt sein oder im ganzen Stadtgebiet gelten?
- Soll es eine zeitliche Begrenzung des freien Parkens geben oder soll es zeitlich unbeschränkt gelten?
- Für welchen Zeitraum soll die Berechtigung grundsätzlich gelten, z. B: für ein Jahr, zwei Jahre etc.?
- Welche Kosten entstehen durch den stark erhöhten Verwaltungsaufwand und stehen Aufwand und Ertrag dann noch für die Gesellschaft in vertretbarem Verhältnis?
- Kann alternativ zu einer Parkgebührenfreiheit ein kostenloses oder rabattiertes ÖPNV-Ticket angeboten werden?
Begründung:
Ehrenamtliches Engagement bedeutet freiwilliges und unentgeltliches Handeln zum Wohle der Gesellschaft. Um bürgerliches Engagement zu stärken und zu fördern und die Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler nicht finanziell zu belasten, soll geprüft werden, ob ein Konzept zum kostenlosen Parken für das Ehrenamt ein geeignetes Mittel sein kann, um zumindest einen kostenneutralen Einsatz der Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler zu ermöglichen.“
Zu den im Antrag genannten klärungsbedürftigen Sachverhalten im Einzelnen:
- Betrifft Definition „Ehrenamt“: Welche Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler kommen für gebührenfreies Parken in Frage?
Im Jahr 2017 hatten in Deutschland rund 14,89 Millionen Personen ein Ehrenamt inne bzw. waren unentgeltlich in einer Bürgerinitiative, einem Sportverein, einer sozialen Organisation oder Ähnlichem tätig (statista.com). Übertragen auf die Einwohnerzahl Kiels entspräche dies über 40.000 Personen, die in den unterschiedlichsten Bereichen tätig sein könnten.
In Anlehnung an die Voraussetzungen zur steuerlichen Geltendmachung der sog. Ehrenamtspauschale nach § 3 Nr. 26a EStG könnte dieser Personenkreis insoweit etwas eingegrenzt werden, dass lediglich Tätigkeiten zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke im ideellen Bereich öffentlich-rechtlicher oder gemeinnütziger Körperschaften (u. a. Universitäten, Fachhochschulen, Schulen und Volkshochschulen, Sportverein, Sportbund oder Sportverband) also in der Vereinsarbeit, oder in einem Zweckbetrieb (z. B. Alten- und Pflegeheime, Mahlzeitendienste, Religionsgemeinschaften, Jugendherbergen oder Werkstätten für behinderte Menschen) in Betracht gezogen werden.
Zweck des Antrages ist der Begründung nach, einen für die ehrenamtlich Tätigen „kostenneutralen Einsatz“ zu ermöglichen. Um dies zu erreichen, wäre es zielführend, eine „einsatzbezogene“ Kostenfreistellung vorzusehen. Insofern sollte, sofern ein Konzept für gebührenfreies Parken angestrebt wird, der Kreis der Berechtigten auf Personen beschränkt werden, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Ausübung ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit zwingend auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen sind, dieses für die Dauer ihres ehrenamtlichen Einsatzes auf einem gebührenpflichtigen Parkplatz abstellen müssen und für ihre Tätigkeit keine Aufwandsentschädigungen (steuerlich begünstigt: Ehrenamtsfreibetrag, Übungsleiterfreibetrag) erhalten.
In Anbetracht der Vielzahl der vor diesem Hintergrund denkbaren Konstellationen (Art der Tätigkeit, Zeit und Ort) kann eine konkrete Benennung in Frage kommender Berechtigter nicht erfolgen.
- Soll das freie Parken örtlich beschränkt sein oder im ganzen Stadtgebiet gelten?
Siehe oben. Die Verwaltung hält ggf. eine räumliche Beschränkung auf die im Zusammenhang mit der konkreten Ausübung der ehrenamtlichen Tätigkeit stehende Örtlichkeit für erforderlich.
- Soll es eine zeitliche Begrenzung des freien Parkens geben oder soll es zeitlich unbeschränkt gelten?
Siehe oben. Die Verwaltung hält ggf. eine Beschränkung auf die tatsächlich für die Ausübung der ehrenamtlichen Tätigkeit anfallenden Zeiten für erforderlich.
- Für welchen Zeitraum soll die Berechtigung grundsätzlich gelten, z. B: für ein Jahr, zwei Jahre etc.?
Hinsichtlich der Gültigkeitsdauer müsste eine Abwägungsentscheidung zwischen dem sich wiederholenden Verwaltungsaufwand für die Verlängerung und dem Ziel, die missbräuchliche Nutzung zu erschweren, getroffen werden. Um sowohl die Auswirkungen auf die verwaltungsinternen Abläufe, als auch die öffentlichen Parkverhältnisse beurteilen und ggfs. reagieren zu können, wäre für den Fall der Installierung eines solchen Sonderrechts zunächst eine Genehmigungsdauer von einem Jahr sinnvoll.
- Welche Kosten entstehen durch den stark erhöhten Verwaltungsaufwand und stehen Aufwand und Ertrag dann noch für die Gesellschaft in vertretbarem Verhältnis?
Die für die Erteilung der Ausnahmegenehmigung zuständige Straßenverkehrsbehörde des Bürger- und Ordnungsamtes wäre derzeit personell nicht in der Lage, zusätzliche Aufgaben wahrzunehmen. Insofern wäre eine personelle Verstärkung zwingend notwendig. Aussagen zu konkreten Kosten könnten erst nach einer Prüfung durch das Personal- und Organisationsamt auf Grundlage des dann bekannten Kreises der Berechtigten getroffen werden.
- Kann alternativ zu einer Parkgebührenfreiheit ein kostenloses oder rabattiertes ÖPNV-Ticket angeboten werden?
Der Nahverkehr wird gemeinsam gestaltet vom Land Schleswig-Holstein, den 15 Kreisen und kreisfreien Städten und den Verkehrsunternehmen. Diese Zusammenarbeit hat zu einem einheitlichen Tarif (SH-Tarif) geführt, der von den 37 Bahn- und Busunternehmen angewendet wird.
Die Verkehrsunternehmen haben aufgrund des Gebotes, den gültigen Tarif auf alle Personen gleich anzuwenden, keine Möglichkeit, einzelnen und speziellen Nutzergruppen Sonderregelungen wie direkte Rabatte oder freie Mitfahrt einzuräumen.
An den Fahreinnahmen, die die KVG in der Zone 4000 erwirtschaftet, partizipieren auch die Verkehrsunternehmen, die ebenso die Zone 4000 befahren, wie die VKP, die Autokraft, die Bahn und die SFK und umgekehrt.
Grundsätzlich ist das Bestreben der Stadt Kiel, die Zusammenarbeit zu fördern und zu stärken. Alleingänge, auch wenn diese dann von der Stadt Kiel finanziell selbst getragen würden, sollten die Ausnahme bleiben.
Sollte es zur Stärkung bürgerlichen Engagements dennoch erforderlich sein, könnte die Stadt Kiel berechtigten Personen Fahrausweise rabattiert oder kostenlos zur Verfügung stellen. Die Differenz wäre dann von der Stadt Kiel voll zu entrichten.
Folgende Varianten sind denkbar (dabei ist der Gültigkeitsbereich die Zone 4000 und ein Überlappungsbereich angenommen):
Ausgabe von Mehrfahrtenkarten
Eine Stelle der Stadt Kiel könnte an Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler Mehrfahrtenkarten entweder zum reduzierten Preis oder kostenlos verteilen. Diese wären von der KVG en bloc beziehbar. Dabei wäre für 4 Fahrten ein Preis von 9,20 € (Preis gültig ab 01.08.2017) zu entrichten.
Ausgabe von Monatskarten
Eine Stelle der Stadt Kiel könnte an Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler Monatskarten entweder zum reduzierten Preis oder kostenlos verteilen. Die Monatskarte kostet 59,40 € (Preis gültig ab 01.08.2017).
Ausgabe von Monatskarte im Jahresabo
Für Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler könnte ein Jahresabo abgeschlossen werden. Die Monatskarte im Jahresabo kostet 49,50 € pro Monat (Preis gültig ab 01.08.2017) und ist für mindestens 1 Jahr zu beziehen (594,00 € im Jahr).
Aussagen zu den mit der Vergünstigung verbundenen Gesamtkosten wären erst möglich, wenn der Berechtigtenkreis und der Umfang der Rabattierung feststehen.
Zur Beantwortung der Frage, ob die Ermöglichung gebührenfreien Parkens für das Ehrenamt vertretbar ist, sollten auch noch die im Folgenden genannten Aspekte berücksichtigt werden.
Das Verkehrsrecht ist im Interesse der Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer und des Gemeingebrauchs am öffentlichen Grundeigentum privilegienfeindlich ausgestaltet. Ausnahmegenehmigungen dürfen daher nach den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung (StVO) nur in besonderen Fällen und nur sehr restriktiv erteilt werden. Die Versagung der Ausnahmegenehmigung muss zu einer unbilligen, vom Gesetzgeber nicht gewollten Härte für die betreffenden Personen führen.
Ein dringender Fall, der zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigung führen kann, ist danach nur dann gegeben, wenn ein ganz besonderer Einzelfall vorliegt, der sich von der Situation anderer Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer deutlich unterscheidet und dazu führt, dass es gerade für diese antragstellende Person eine besondere Härte wäre, sich an die Vorschrift der StVO zu halten.
Für die Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit gilt, ähnlich wie für Behörden und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dabei kein Sonderrecht. Die StVO trifft für derartige Fälle keine Sonderregelungen, sondern unterwirft diese den gleichen Regelungen, wie sie für alle Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer gelten. Der allgemeine Wunsch, Zeit, Wege und Kosten zu sparen, rechtfertigt auch bei einer direkt dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeit, an der per se ein öffentliches Interesse besteht, keine Ausnahme nach der StVO.
Die angedachte Schaffung eines Anreizes zur Ausübung eines Ehrenamtes über Regularien des Straßenverkehrsrechts ist daher nach Auffassung der Verwaltung in diesem Rechtsgebiet falsch angesiedelt.
Darüber hinaus führt die Aufweichung der o.g. Grundsätze dazu, dass die Abgrenzungsmöglichkeit für die Erlaubnisbehörde bei anderen Fallkonstellationen eingeschränkt wird. Es ist zu erwarten, dass durch die Schaffung eines derartigen Präzedenzfalles vergleichbare Anträge gestellt werden, die nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz zu behandeln wären.
Unabhängig von der rechtlichen Fragestellung ergeben sich weitere Probleme bei der praktischen Umsetzung. Die Verwaltung sieht keine Möglichkeit, die Beantragung entsprechender Ausweise dahingehend zu verifizieren bzw. zu kontrollieren, dass tatsächlich nur berechtigte Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtler eine Ausnahmegenehmigung erhalten. Weiterhin würde die Erteilung einer nicht unbeträchtlichen Zahl von Ausnahmegenehmigungen die ohnehin schon angespannte Parkplatzsituation im Innenstadtbereich nochmals verschärfen. Dabei sind insbesondere negative Auswirkungen auf die Lage in den Bewohnerparkzonen zu erwarten, die deren Funktionsfähigkeit gefährden.
Zudem sollte in diesem Zusammenhang nicht außer Acht gelassen werden, dass die Landeshauptstadt Kiel bestrebt ist, die Wohn- und Aufenthaltsqualität zu verbessern. Hierzu gehört insbesondere auch, für Fußgängerinnen und Fußgänger durch die Ordnung des ruhenden Verkehrs ausreichende Bewegungsflächen zu erhalten, die nicht durch parkende Fahrzeuge zugestellt sind. Dies ist ein im Verkehrsentwicklungsplan der Landeshauptstadt Kiel formuliertes wesentliches Ziel. Der öffentliche Raum kann nicht beliebig vergrößert und dem ruhenden Verkehr zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus erarbeitet die Verwaltung der Landeshauptstadt Kiel Mobilitätskonzepte, die ebenfalls die Reduktion des Anteils des motorisierten Individualverkehrs zum Ziel haben. Hierin werden auch die Chancen und Perspektiven eines verbesserten ÖPNV aufgezeigt werden. Auf die entsprechende Beschlussvorlage (Drs. 0023/2016) wird verwiesen.
Zusammenfassend hält die Verwaltung die Ermöglichung kostenlosen Parkens oder auch die Einführung kostenloser oder rabattierter ÖPNV-Tickets für das Ehrenamt sowohl aus praktischen, als auch grundsätzlichen Erwägungen für keine geeigneten Mittel zur Förderung ehrenamtlichen Engagements. Darüber hinaus könnten die finanziellen Wirkungen derzeit nicht bemessen werden.
Das mit Drucksache 0698/2017 von der Verwaltung erbetene „Konzept zur Anerkennung ehrenamtlich geleisteter Arbeit in der Landeshauptstadt Kiel“ wird sich dementsprechend auf andere Schwerpunkte konzentrieren.
Wolfgang Röttgers
Stadtrat