Infosystem Kommunalpolitik
Geschäftliche Mitteilung - 1113/2017
Grunddaten
- Betreff:
-
Benennung einer Grünfläche nach Gottfried Kuhnt
- Status:
- öffentlich (Drucksache abgeschlossen)
- Drucksachenart:
- Geschäftliche Mitteilung
- Federführend:
- Dezernat III
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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Geplant
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Kulturausschuss
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Kenntnisnahme
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Nov 28, 2017
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Erledigt
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Bauausschuss
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Kenntnisnahme
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Dec 7, 2017
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Erledigt
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Kulturausschuss
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Kenntnisnahme
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Jan 23, 2018
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Sachverhalt/Begründung
Die Verwaltung empfiehlt, Gottfried Kuhnt nicht mit der Benennung einer Straße oder eines Platzes zu ehren.
Nach ausführlicher Prüfung (siehe Anlage) stehen zusammengefasst folgende Punkte einer Ehrung entgegen:
1. Kuhnt stellte zur Abwehr von Nachteilen durch seine Entlassung als Präsident des Oberlandesgerichtes 1933 in mehreren Schreiben an das Justizministerium klar, dass er willens sei, als Beamter Aufgaben in der nationalsozialistischen Justiz zu übernehmen.
Zitat aus einem Schreiben Kuhnts an Justizminister Kerrl, 19.6.1933: „Daß ich den Willen habe, an dem Aufbau des neuen Staates tätig mitzuarbeiten, brauche ich wohl nicht besonders hervorzuheben. Dieser Wille ist auch durch meinen Beitritt zu der vor kurzem gegründeten nationalsozialistischen Beamtenorganisation zum Ausdruck gebracht worden.“
1940 interessierte sich der persönliche Adjutant von Adolf Hitler, Albert Bormann, für den Fall Kuhnt und ordnete eine Überprüfung der Entlassungsgründe Kuhnts an. Daraufhin empfahl die „Kanzlei des Führers“ die Wiederverwendung von Kuhnt. Obwohl er beruflichen Schaden durch nationalsozialistisches Unrecht erlitten hatte, bemühte er sich aktiv, wieder Teil der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft und explizit Mitwirkender in der NS-Justiz zu werden.
2. Als Chefpräsident des Oberlandesgerichts (OLG) war Kuhnt nach dem Krieg verantwortlich für alle Personalfragen der gesamten schleswig-holsteinischen Richterschaft. Sein Interesse galt dem Aufbau einer formal funktionsfähigen Justiz, wobei die NS-Belastung eines Richters für ihn weniger bedeutend war als dessen berufliche Erfahrung. Durch diese Personalpolitik konnte eine konsequente Entnazifizierung der schleswig-holsteinischen Justiz nicht gelingen: Nach dem Krieg sprachen Richter Recht, die zuvor bereitwillig nationalsozialistisches Unrecht angewandt hatten. Diese Kontinuitätspolitik spiegelt sich wieder in der ersten Besetzung des OLG Kiel nach Kriegsende: Fünf von neun Richtern des OLG unter Kuhnt waren nachweislich NSDAP-Mitglieder gewesen.
3. Kuhnt war eines von sechs Mitgliedern im sogenannten Gnadenausschuss, der von 1955 bis 1958 NS-Kriegsverbrecher begnadigte, die zuvor nach westalliiertem Militärrecht in Deutschland verurteilt worden waren und noch ihre langjährigen Strafen verbüßten. Begnadigt wurden 347 Personen, darunter SS-Offiziere die in den Einsatzgruppen hinter der Ostfront Massenmorde an Juden und Zivilisten befehligt oder gar selbst durchgeführt hatten.
Darunter:
Ernst Biberstein. Von 1924 bis 1933 Pastor in Kaltenkirchen. Im Juni 1942 wurde Biberstein als Führer des Einsatzkommandos 6 der Einsatzgruppe C nach Kiew abkommandiert. Bis 1943 befehligte er dort die Ermordung von 2000 bis 3000 Menschen, überwiegend Juden. Diese Zahl gab er selbst in einer eidesstattlichen Erklärung für den amerikanischen Militärgerichtshof im Rahmen der Nürnberger Prozesse an. Die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde Kaltenkirchen erinnert durch eine im April 2015 aufgestellte Mahntafel an die Opfer des ehemaligen Pastors, der dort von 1927 bis 1933 an der Michaeliskirche predigte.
Adolf Ott. Im Februar 1942 wurde Ott Kommandeur des Sonderkommandos 7b. In den folgenden elf Monaten organisierte Ott zwischen 80 und 100 Massenmordaktionen an Zivilisten in der Gegend von Brjansk (Russland). Im Nürnberger Einsatzgruppenprozess 1947 rechtfertigte er die Massenmorde, indem er behauptete, die Opfer seien Partisanen und Saboteure gewesen. Er wisse dies, denn er habe sie befragt. Vom Vorsitzenden Richter Musmanno befragt, was mit jüdischen Gefangenen geschah, antwortete Ott: „Entsprechend dem Führerbefehl wurden grundsätzlich alle Juden erschossen.“
Martin Sandberger. Sandberger war als Befehlshaber des Einsatzkommandos 1a sowie als Kommandeur der Sicherheitspolizei in Estland einer der Protagonisten des Massenmordes an den Juden des Baltikums. Sandberger zeigte dort einen besonderen Eifer; in seinem Jahresbericht vom 1. Juli 1941 meldete er 941 ermordete Juden nach Berlin.
Gottfried Kuhnt stellte für diese Begnadigungen sich und sein juristisches Renommee zur Verfügung. Im Ergebnis wurden mit seiner Zustimmung und unter seiner Mitwirkung zahlreich NS-Kriegsverbrecher, darunter bekennende Massenmörder, umgehend aus der Haft und sämtlichen Strafauflagen entlassen.
Anlagen
Nr. | Name | Original | Status | Größe | |
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1
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(wie Dokument)
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74,9 kB
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