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Geschäftliche Mitteilung - 1154/2017
Grunddaten
- Betreff:
-
Finanzierung "Gaarden Fein. Projekt zur Messung der Feinstaubbelastung"hier: Stellungnahme des Umweltschutzamtes zum Antrag des OBR Gaarden
- Status:
- öffentlich (Drucksache abgeschlossen)
- Drucksachenart:
- Geschäftliche Mitteilung
- Federführend:
- Umweltschutzamt
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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Erledigt
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Innen- und Umweltausschuss
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Kenntnisnahme
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Dec 12, 2017
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Sachverhalt/Begründung
Veranlassung
In seinem Antrag vom 19.10.2017 ("Anschubfinanzierung des Projektes des Vereins Künstler 34 e.V. in Kooperation mit Gaarden Funkt!", Drs. 1004/2017) begrüßt der OBR Gaarden das in seiner Sitzung am 11.10.2017 von Herrn Dirk Hoffmeister vorgestellte Projekt "Gaarden Fein. Projekt zur Messung der Feinstaubbelastung". Der OBR fordert die Landeshauptstadt Kiel auf, die Anschubfinanzierung des Projektes in Höhe von 15.000 € für das erste Jahr sowie je 10.000 € für drei Folgejahre zur Verfügung zu stellen.
In der Sitzung des Innen- und Umweltausschusses am 07.11.2017 wurde die Verwaltung um Vorlage einer Geschäftlichen Mitteilung gebeten.
Ziel des Projekts
Zielsetzung und Inhalt des Projekts wurden am 20.11.2017 in einem Gespräch zwischen Projekt-Vertretern, Umweltschutzamt und Umweltministerium ausführlich erörtert. Anliegen des Projekts ist es, durch den Betrieb von etwa 25 selbst hergestellten Messgeräten ein differenziertes Bild der Feinstaubsituation in Gaarden zu erhalten. Träger der Maßnahme soll womöglich der genannte Verein sein. Die durch preisgünstige Sensoren ermittelten Feinstaubwerte sollen in Echtzeit über das Internet abrufbar und auf diese Weise für jedermann zugänglich und auswertbar sein. Die Projekt-Vertreter erhoffen sich Aufschluss über räumliche Verteilung und Ursachen der Feinstaubwerte in Gaarden. Sie betonen, dass es ihnen nicht nur um eine wirkungsvolle Vernetzung von Messeinrichtungen, sondern auch um eine Versachlichung der Diskussion um Schadstoffbelastungen im Stadtgebiet geht.
Stellungnahme des Umweltministeriums
Das Umweltschutzamt ist mit der Bitte um fachliche Beurteilung an das für die lufthygienische Überwachung zuständige Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung herangetreten. Dessen Stellungnahme lautet wie folgt:
Gemäß § 44 BImSchG "Überwachung der Luftqualität" führen die zuständigen Behörden zur Überwachung der Luftqualität regelmäßige Untersuchungen nach den Anforderungen der Rechtsverordnungen nach § 48a Absatz 1 oder 1a durch. Zuständige Behörde in Schleswig-Holstein ist das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR), genauer gesagt die Lufthygienische Überwachung Schleswig-Holstein (LÜSH – Dezernat LLUR 74).
Die Einzelheiten der Überwachung und auch der Beurteilung sind in der Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen (39. BImSchV) detailliert festgelegt.
Dies gilt insbesondere über die einzusetzenden Messverfahren:
Als Referenzmethode für die Probenahme und Messung der Konzentration von PM10 und PM2.5 gilt die Methode, die in DIN EN 12341:2014, Ausgabe August 2014, "Außenluft – Gravimetrisches Standardmessverfahren für die Bestimmung der PM10- oder PM2,5-Massenkonzentration des Schwebstaubes" beschrieben ist.
Sollen andere Methoden angewendet werden, muss dokumentiert werden, dass damit gleichwertige Ergebnisse wie mit der oben genannten Methode erzielt werden. Bei Partikeln kann eine andere Methode angewendet werden, wenn dokumentiert wird, dass diese einen konstanten Bezug zur Referenzmethode aufweist. In diesem Fall müssen die mit dieser Methode erzielten Ergebnisse korrigiert werden, damit diese den Ergebnissen entsprechen, die bei der Anwendung der Referenzmethode erzielt worden wären.
Kontinuierlich anzeigende Messgeräte benötigen auch eine Eignungsbekanntgabe.
Der Einsatz von Feinstaub-Sensoren zur Erfüllung des gesetzlichen Überwachungsauftrages ist nicht möglich.
Die Beurteilung der Belastung durch Feinstaub erfolgt anhand der in der 39. BImSchV festgelegten Grenzwerte für den Tages- und den Jahresmittelwert. Beide Grenzwerte werden seit ihrem Inkraftreten 2005 in Schleswig-Holstein sicher eingehalten.
Dabei sind die Verläufe der Konzentration in Schleswig-Holstein sehr ähnlich. Unter
www.schleswig-holstein.de/DE/Fachinhalte/L/luftqualitaet/Feinstaub/FeinstaubaktuellTM.html
sind Grafiken zu finden, die zeigen, dass auch weit voneinander entfernt liegende Messstellen einen vergleichbaren Konzentrationsverlauf zeigen. Es ist nicht zu erwarten, dass in Gaarden Feinstaubbelastungen auftreten, die wesentlich von denen im Rest des Landes abweichen oder sogar die Grenzwerte überschreiten.
Beurteilungskritierien für die gesundheitliche Relevanz bei kürzeren Einwirkzeiten (stündlich oder minütlich) sind bisher nicht abgeleitet worden.
Es ist aus den uns vorliegenden Informationen schwer herauszulesen, welche Aussagen aufgrund der Messungen getroffen werden sollen. Ohne eine sorgfältige Qualitätssicherung (z.B. Berücksichtigung altersbedingter Driften und von Schwankungen aufgrund klimatischer Bedingungen wie Luftfeuchte, Luftdruck und Lufttemperatur) wird es schwierig sein, die Ergebnisse der Sensoren zu bewerten und untereinander zu vergleichen.
Stellungnahme des Umweltschutzamtes
Das Umweltschutzamt kann eine finanzielle Förderung des Projekts nicht befürworten, da
- die Zuständigkeit für derartige Messungen ausschließlich beim Landesumweltamt (LLUR) liegt,
- die Messungen aus fachlicher Sicht nicht erforderlich sind und
- die Messergebnisse voraussichtlich nicht aussagekräftig, d.h. verwendbar sein werden.
Die maßgeblichen Gründe wurden durch das Umweltministerium benannt. Die Notwendigkeit der Messungen ist in Zweifel zu ziehen, zum einen aufgrund der als unzureichend anzusehenden Messtechnik, zum anderen aufgrund der fehlenden Aussagekraft der Messergebnisse. Die weiträumige Belastung durch Feinstaub stellt sich in Schleswig-Holstein sehr gleichförmig dar, und die einschlägigen Grenzwerte werden im Landesgebiet deutlich eingehalten.
Der OBR Gaarden hatte seinen Antrag auf Förderung des Projekts wie folgt begründet:
Das Projekt ermöglicht ein flächendeckendes Echtzeitmonitoring der Feinstaubbelastung und liefert damit die Datenbasis für Maßnahmen zur effizienten Verringerung der Feinstaubbelastung.
Diese Begründung kann aus fachlicher Sicht nicht nachvollzogen werden.
Grundsätzliche Anmerkung zur Auswahl von Messstandorten
Das Anliegen des Projekts, der Thematik "Luftschadstoffbelastung" zu öffentlicher Aufmerksamkeit zu verhelfen und die Verfügbarkeit von Umweltdaten zu verbessern, ist zu begrüßen. Soweit jedoch – wie auch häufig in öffentlichen Diskussionen – impliziert wird, durch die zuständigen (Landes-)Behörden werde "nicht genug" oder aber "an den falschen Stellen" gemessen, so ist dem zu widersprechen. Die Auswahl der Messorte durch die zuständigen Behörden erfolgt z.B. für Stickoxide auf der Grundlage eines sorgfältigen Screenings, in dessen Zuge u.a. durch vorlaufende orientierende Untersuchungen sichergestellt wird, dass die am stärksten belasteten Immissionsorte tatsächlich messtechnisch erfasst werden. Für die Messung der Feinstaubbelastung stellt sich das Problem aus den genannten Gründen (deutliche Einhaltung der Grenzwerte, gleichförmige Verteilung der Belastung) sogar noch weniger komplex dar. Der Versuch, mit mobilen Sensoren die Stickoxid-Belastung zu messen, würde sich im Übrigen als noch viel schwieriger darstellen, da u.a. die Messtechnik noch wesentlich komplizierter ist.
Weiterhin ist anzumerken, dass es bundesweit auf der Basis einfacher Sensoren bereits ein von privaten Interessierten installiertes Feinstaub-Messnetz gibt, deren Daten im Internet einsehbar sind. Gegenüber den damit ermittelten Daten kommen die gleichen Vorbehalte zum Tragen.
Fazit
Sollen Schadstoff-Messwerte als Grundlage für eine aussagekräftige Bewertung der Belastungssituation oder sogar für eine Herleitung behördlicher Maßnahmen herangezogen werden, sind sehr hohe Anforderungen an die technischen Messeinrichtungen, an die Messkonzeption sowie an die Sicherung der Datenqualität zu stellen. Das für die Belange der lufthygienischen Überwachung zuständige Umweltministerium hält die Erfüllung dieser Anforderungen hier nicht für gegeben. Aus Sicht des Umweltschutzamtes ist eine finanzielle Förderung des Projekts aus städtischen Haushaltsmitteln daher nicht zu empfehlen.
Doris Grondke
Stadträtin für Stadtentwicklung und Umwelt