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ALLRIS - Drucksache

Antrag der Verwaltung - 0350/2018

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Beratungsfolge

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Antrag

Antrag:

 

Die als Anlage 1 beigefügte Kieler Richtzahlentabelle für den Mindestbedarf an KFZ-Stellplätzen und Fahrradabstellplätzen wird als Vollzugsgrundlage im Baugenehmigungsverfahren beschlossen.

 

Die Checklisten der in Anlage 2 Anwendung von Carsharing und Anlage 3 „Definition Guter ÖPNV“ werden ebenfalls als Grundlage für das Baugenehmigungsverfahren beschlossen.

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Sachverhalt/Begründung

Begründung:

 

Nach dem Wegfall des Stellplatzerlasses Schleswig-Holstein zum 31.12.2013 hat die Bauaufsichtsbehörde der Landeshauptstadt Kiel in Abstimmung mit anderen Fachämtern der Bauverwaltung Kieler Stellplatzrichtzahlen für den Vollzug im Baugenehmigungsverfahren definiert. Diese sind seit dem Jahre 2015 verwaltungsintern eingeführt und haben sich in der Architektenschaft weitestgehend etabliert. Die Stellplatzrichtzahlen orientieren sich zum Teil an dem ehemaligen Stellplatzerlass, weisen gleichzeitig aber auch Kompensationsmöglichkeiten im Sinne einer möglichen Reduzierung von im Baugenehmigungsverfahren nachzuweisenden Stellplätzen auf. Eine gängige Kompensationsmöglichkeit ist z.B. der Ersatz von Stellplätzen durch die Einrichtung von Carsharing-Stellplätzen.

 

Gegenwärtig ergibt sich Handlungsbedarf, die Kieler Stellplatzrichtzahlen weiterzuentwickeln, um im Baugenehmigungsverfahren noch flexiblere Lösungsansätze für den Stellplatz- bzw. Mobilitsnachweis anzubieten. Diese Zielsetzung ist mit der Vorlage zum Wohnbauflächenatlas 2.0 (Drucksache 0979/ 2017) im Zusammenhang mit der Erhöhung und Erleichterung von Wohnungsbauaktivitäten avisiert worden.

Zum einen stellt sich die Situation auf dem Kieler Wohnungsmarkt nach wie vor angespannt dar. Insbesondere bei der Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum ist der Nachweis von notwendigen Stellplätzen eine wesentliche Stellschraube, die auch maßgeblich die Wirtschaftlichkeit von kostengünstigem Wohnraum beeinflusst. Die Studie des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zum „ndnis für bezahlbares Wohnen und Bauen“ weist durchschnittlich einen Aufwand von bis zu 10% der Investitionsaufwendungen für den Bau von Stellplätzen aus; in Tiefgaragen kann die prozentuale Kostensteigerung noch wesentlich höher ausfallen.


Die Landeshauptstadt Kiel verfolgt mit dem Grundsatz „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“ das Ziel, geeignete und verfügbare Nachverdichtungspotentiale innerhalb des Siedlungsgefüges mit Wohnungen zu bebauen bzw. bebauen zu lassen. Eine Siedlungserweiterung in den Außenbereich wird eher nachrangig verfolgt. Innerhalb des verdichteten Innenbereiches ergibt sich bei der Unterbringung erforderlicher Stellplätze oftmals ein Raumproblem, da auf Wohngrundstücken oftmals Bau-, Frei- und Stellplatzflächen in Nutzungskonkurrenz zueinander stehen.


Die Herausforderung für die Investoren, Stellplätze insbesondere bei Wohnungsbauvorhaben angemessen nachzuweisen, ist ein immer wiederkehrendes Thema. Im Genehmigungsverfahren sieht sich die Bauaufsichtsbehörde vielfach mit einer „Verhandlungssituation“ mit den Investoren konfrontiert, in der der Bau von notwendigen Stellplätzen vielfach als Investitionshemmnis vorgeschoben wird. Daher bedarf es insbesondere für die Errichtung bezahlbarer Wohnungen flexibler und bedarfsgerechter Stellplatzlösungen und damit einhergehend auch die Entwicklung moderner Mobilitätskonzepte.

 

Mit der Selbstverpflichtung der Landeshauptstadt Kiel, im Rahmen des Masterplans 100% Klimaschutz (Drs. 0985/2017) die dort verankerten Klimaschutzziele zu erfüllen, stellt sich auch das Erfordernis, beim Thema Mobilität anzusetzen. Z.B. würden durch eine Minimierung von nachzuweisenden Stellplätzen im Zuge des Wohnungsneubaus bei gleichzeitiger rderung innovativer Ansätze im Mobilitätsverhalten auch Effekte im Sinne des Klimaschutzes und der CO2-Minimierung erzielt werden. Eine wesentliche Rolle werden auch in diesem Zusammenhang Themen wie Elektromobilität, Carsharing, Veränderung des Modal-Splits zugunsten des Umweltverbundes spielen. Die unmittelbare Rückkopplung zum Baugenehmigungsverfahren ist also auch vor dem Hintergrund der Klimaschutzstadt Kiel gegeben.

 

Bei der Weiterentwicklung der Kieler Stellplatzrichtzahlen ist aber auch das Spannungsfeld zwischen der Unterbringung des durch Neubaumaßnahmen verursachten ruhenden Verkehrs auf Privatgrundstücken und der Nutzung des öffentlichen Raums für das Abstellen von Fahrzeugen zu betrachten. Die Folgewirkung nicht ausreichender Stellplätze auf Privatgrundstücken sind oftmals zugeparkte öffentliche Verkehrsräume mit einer entsprechenden Verkehrsgefährdung und Beeinträchtigung für Not- und Rettungsfahrzeuge. Darüber hinaus führt dies zu einer Beeinträchtigung der Nebenflächen mit deren Aufenthaltsqualitäten und Verbindungsfunktionen für den Rad- und Fußverkehr. Daher wird auch das Ziel verfolgt, den durch ein privates Bauvorhaben verursachten Stellplatzbedarf nicht in den öffentlichen Straßenraum zu verschieben.

 

§ 50 der Landesbauordnung Schleswig-Holstein sieht vor, dass die durch Neubaumaßnahmen verursachten Stellplatzerfordernisse über die Bauherrenschaft nachgewiesen und realisiert werdenssen. Grundsätzlich müssen für bauliche Anlagen, die einen Zu- und Abgangsverkehr erwarten lassen, die notwendigen KFZ-Stellplätze und Fahrradabstellanlagen auf dem Baugrundstück selbst oder auf einem in der Nähe gelegenen Grundstück errichtet werden. Der dabei erforderliche Umfang der Stellplatzverpflichtung wird von der Bauaufsichtsbehörde festgesetzt.
 

Weiterentwicklung der Kieler Richtzahlen für nachzuweisende Stellplätze im Baugenehmigungsverfahren

 

Die bestehenden kielspezifischen Richtzahlen für den Nachweis von Stellplätzen und Fahrradabstellanlagen haben sich als eine geeignete Grundlage für den Nachweis von Stellplätzen im Baugenehmigungsverfahren etabliert. Nun gilt es, diese Richtzahlen im Sinne der beschlossenen Ziele der LH Kiel fortzuschreiben.

 

Im Sinne der Gleichbehandlung aller Bauherren und Investoren sollen die aufgeführten fortgeschriebenen Stellplatzrichtzahlen als Grundlage für den Verwaltungsvollzug dienen.

Diese in Anlage 1 beigefügten Kieler Richtzahlen für Stellplätze und Fahrradabstellanlagen sind Mindestmaße. Orientierungshilfe waren u.a. die Werte des inzwischen nicht mehr gültigen Stellplatzerlasses. Anteile für Besucher bzw. Mitarbeiter sind in den Richtzahlen jeweils enthalten. Die Anforderungen zu den Fahrradabstellanlagen sind ebenfalls im Sinne Klimaschutz als Mindestgrößen aufrechtzuerhalten. Es obliegt den Investoren, über die Mindestanforderungen hinaus, auf freiwilliger Basis weitere Stellplätze bereit zu stellen.

 

Im Einfamilienhausbau wird weiterhin ein Stellplatzschlüssel von einem Stellpatz pro Wohneinheit  1:1 vorgesehen.

 

Im Fokus steht jedoch der Geschosswohnungsbau:

Bisher wurde für frei finanzierten Wohnraum (Geschosswohnungsbau) ebenfalls ein Schlüssel von 1:1 zugrundegelegt. Durch die Weiterentwicklung wird im Sinne einer Minderung der Schlüssel künftig 1: 0,7 betragen.

 

Der Wohnungsbau mit Sozialbindung ist bisher durch einen Abschlag begünstigt worden (1:0,7). Aufgrund des akuten Bedarfes an Sozialwohnungen und der Signalwirkung der Landeshauptstadt Kiel, Anreize für den sozialen Wohnungsbau zu bieten, wird der Stellplatzschlüssel nftig auf 0,3 Stellplätze pro Sozialwohnung (1:0,3) reduziert.

 

Mit dem bisherigen Schlüssel für Studentenwohnungen bzw. -wohnheime von 1:0,25 liegen die Kieler Stellplatzrichtzahlen im Bundesvergleich sehr niedrig. So beträgt der Schlüssel für studentisches Wohnen in Freiburg z.B. 1:0,5. Im Zuge der Weiterentwicklung wird daher an der Richtzahl von einem Stellplatz für 4 Studentenapartments festgehalten.

 

Dieser Ansatz von 1:0,25 soll künftig auch im betreuten Wohnen zugrundegelegt werden. Bisher wurde davon ausgegangen, dass auch hier ein Schlüssel von 1:1 angesetzt werden sollte. Durch den regelmäßigen Austausch mit der Wohnungswirtschaft ist festzustellen, dass der KFZ-Besatz in dieser Bevölkerungsgruppe und dementsprechende Stellplatzanforderungen niedrig sind.
 

r Pflegeheime, die sich vom selbstbestimmten betreuten Wohnen unterscheiden, gilt weiterhin der Ansatz von 1: 0,1 (1 Stellplatz für 10 Pflegeplätze). Dabei sind vor allem Stellplätze für Pflegepersonal und Besucher zu berücksichtigen.

 

An den Stellplatzrichtzahlen für andere Nutzungen wird wie bisher festgehalten. Richtzahlen für Gewerbe, Einzelhandel, Büros, Praxen, Kitas, Schulen sind bei der erstmaligen Erarbeitung der Kieler Stellplatzrichtzahlen gegenüber dem früheren Stellplatzerlass bereits reduziert und vereinfacht worden. Hier ergibt sich aktuell kein Anpassungsbedarf.


r spezielle Nutzungen, für die hier keine Richtzahlen aufgeführt sind, wird sich die Bauaufsichtsbehörde im konkreten Fall am ehemaligen Stellplatzerlass orientieren. Bei unterschiedlichen Nutzungseinheiten innerhalb eines Gebäudes (z.B. Einzelhandels- und Büroflächen) ist der Stellplatzbedarf für jede Nutzung gesondert nach den einzelnen Verkehrsquellen zu ermitteln.

 

r besondere Einrichtungen wie z.B. großflächiger Einzelhandel, wird es in Zukunft erforderlich sein, den tatsächlich zu erwartenden Verkehr und den daraus resultierenden Stellplatzbedarf auf Basis eines Gutachtens vom Antragsteller nachweisen zu lassen.

 

Kompensationsmöglichkeiten für die weitere Reduzierung nachzuweisender Stellplätze im Wohnungsneubau

 

Unabhängig von den Maßgaben im Zusammenhang mit dem Nachweis von Stellplätzen müssen weitere Maßnahmen im Rahmen des gesamtstädtischen Mobilitätsmanagements getroffen werden mit dem Ziel, den öffentlichen Raum von privaten KFZ zu entlasten. Denkbar sind z.B. Anreizmodelle für elektrifizierte Fahrräder, eine modifizierte Parkraumbewirtschaftung mit höheren Parktarifen im öffentlichen Raum oder eine Attraktivierung des ÖPNV.

 

Die Landeshauptstadt Kiel unterstützt mit dem Projekt Wohnen leitet Mobilität“ ein Dialogverfahren zwischen Wohnungsmarktakteuren, Mobilitätsanbietern und Verwaltung über die Möglichkeit der Integration von weitergehenden Mobilitätsnachweisen zu privaten Bauvorhaben.

 

Als Standard für Investitionen im Wohnungsbau verlangt die untere Bauaufsichtsbehörde bereits gegenwärtig ein Mobilitätskonzept bzw. einen Mobilitätsnachweis. Eine kooperative Erstellung von Mobilitätsnachweisen zwischen Investoren und Bauaufsichtsbehörde entfaltet eine Rückwirkung auf die Stellplatzbereitstellung.

 

Die o.a. Stellplatzzahlen sind bewusst als Richtzahlen und nicht als verbindliche und starre Stellplatzsatzung entwickelt worden. Der Vorteil an den Richtzahlen ist, dass die nach den Wohneinheiten zu ermittelnden Stellplatzzahlen mit Vorlage eines innovativen Mobilitätsnachweises noch weiter reduziert werden können. Dies setzt voraus, dass sich gewisse Mobilitätsverhältnisse und Rahmenbedingungen günstig auf die Stellplatzsituation auswirken. Die Begründungs- bzw. Nachweispflicht liegt dann beim Antragsteller. Die Bauaufsichtsbehörde prüft, ob die Rahmenbedingungen für Abweichungen bzw. Abschläge von den Richtzahlen vorliegen und im Einzelfall reduzierte Stellplatznachweise genehmigt werden können.

 

Ein Tatbestand für die Reduzierung des ermittelten Stellplatzbedarfs ist z.B. der Nachweis von Carsharing (Details siehe Anlage 2). Insbesondere im Geschosswohnungsbau bietet es sich an, dass ein Anteil der nachzuweisenden Stellplätze über ein individuell zu entwickelndes Carsharing-Modell abgedeckt wird. Der Schlüssel beträgt 1:5 (d.h. 1 Carsharing-Stellplatz ersetzt 5 nachzuweisende Stellplätze im Baugenehmigungsverfahren).

 

Im Sinne einer „Ökologisierung“ des Mobilitätsverhaltens kann es zu einem weiteren Abschlag beim Stellplatznachweis kommen, wenn eine besonders gute Anbindung an den ÖPNV vom Antragsteller nachgewiesen wird. Kriterien für eine „gute ÖPNV-Anbindung“ sind in Anlage 3 aufgehrt. Ein zusätzlicher Abschlag vom ermittelten Stellplatzbedarf in Höhe von 10%re dann im Einzelfall im Genehmigungsverfahren möglich.

 

Die Förderung von Elektromobilität und z.B. die Bereitstellung von E-Lastenfahrädern für die Hausbewohner können ebenfalls Ansatzpunkte in einem Mobilitätskonzept sein, die Stellplatzzahl insgesamt weiter zu reduzieren. Die Förderung des Radverkehrs ist für die Kieler Verkehrsentwicklung ein wesentlicher Baustein. Die in der Anlage 1 aufgeführten Richtzahlen für Fahrradabstellanlagen sind daher als eine für alle Investoren und Bauherren bindende Mindestgröße zugrundezulegen.

 

nnen notwendige Stellplätze tatsächlich nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten hergestellt werden, so besteht nach § 50 Abs. 6 LBO die Möglichkeit für einen Investor, mit der Stadt eine Ablösevereinbarung zu schließen. Vom Antragsteller ist im Baugenehmigungsverfahren wiederum darzulegen, dass Stellplätze gar nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten herzustellen wären; allein wirtschaftliche Gründe sind hierfür nicht ausreichend. Für die Bemessung der Ablösebeträge ist die Zonierung des Stadtgebietes in 3 unterschiedliche Bereiche maßgeblich.

 

 

Anlagen:

 

  1. Kieler Richtzahlentabelle für den Mindestbedarf an KFZ-Stellplätzen und Fahrradabstellplätzen im Baugenehmigungsverfahren

 

  1. Carsharing Modell
     
  2. Definition „Guter ÖPNV“

 

 

 

Doris Grondke

Stadträtin

r Stadtentwicklung und Umwelt

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Anlagen

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Beschlüsse

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May 3, 2018 - Bauausschuss - vertagt

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Jun 28, 2018 - Bauausschuss - vertagt

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Sep 6, 2018 - Bauausschuss - ungeändert beschlossen