Infosystem Kommunalpolitik
Geschäftliche Mitteilung - 0621/2018
Grunddaten
- Betreff:
-
Situation von Trennungskindern und Alleinerziehenden
- Status:
- öffentlich (Drucksache abgeschlossen)
- Drucksachenart:
- Geschäftliche Mitteilung
- Federführend:
- Jugendamt
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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●
Erledigt
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Jugendhilfeausschuss
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Kenntnisnahme
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Sep 5, 2018
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Sachverhalt/Begründung
- 1 -
Das Jugendamt wurde vom Jugendhilfeausschuss beauftragt (Drs. 0423/2018), im Laufe des Jahres 2018 eine Geschäftliche Mitteilung zur Situation von Trennungskindern und Alleinerziehenden in Kiel vorzulegen, insbesondere zu folgenden Fragestellungen:
A) Die Situation von Trennungskindern und deren Eltern in Kiel
Gibt es Bedarfe nach einer Väterwohnung? Wie ist die Situation beim begleiteten Umgang?
Wie erfolgt die beratende Unterstützung, teilweise auch durch Mediation?
B) Familienzentren und ihre Lage
Wie ist die räumliche Situation sowie die personelle Ausstattung an den Familienzentren?
Familienzentren bieten für alle Eltern niedrigschwellige Beratung und Unterstützung. Sind die
bislang bereitgestellten Kapazitäten an den existierenden Familienzentren ausreichend?
C) Servicecenter und Netzwerk für Alleinerziehende
Alleinerziehende benötigen oft in praktischen Fragen der Alltagsbewältigung Unterstützung.
Welche Möglichkeiten gibt es zurzeit im Sinne öffentlicher Servicestellen und von Netzwerken?
Welchen Handlungsbedarf gibt es hier?
D) Kurzzeitpflege/Genesendenstation
Erkrankte Mütter und Väter, welche in der Familie und im konkreten Umfeld keine Unterstützung
bei der Erziehung und Betreuung ihrer Kinder erhalten, sind in einer besonders schwierigen
Situation. Gibt es in Kiel diesbezügliche Unterstützungsangebote? Gibt es hier Handlungsbedarf?
Die Situation von Trennungskindern und deren Eltern in Kiel
Der Allgemeine Sozialdienst (ASD) des Jugendamtes unterstützt Mütter und Väter bei der Ausübung der Personensorge und des Umgangsrechtes.
In den individuellen Beratungssituationen kommen entsprechende Gesprächsführungsmethoden, wie z.B. auch die Mediation, zum Einsatz.
Im Rahmen seiner Mitwirkung in familienrechtlichen Verfahren erarbeitet der ASD zusammen mit den Müttern und Vätern passgenaue Unterstützungsmöglichkeiten und vermittelt weitergehende Hilfsangebote, wie z.B. die Teilnahme in Gruppen für Alleinerziehende, Gruppenangebote für Kinder aus Trennungssituationen, den Begleiteten Umgang und die Erziehungsberatung. Erziehungs- und Familienberatung in Kiel: Beratung für Kinder, Jugendliche & Erwachsene
Die kommunalen Erziehungsberatungsstellen beraten und unterstützen jährlich in ca. 1400 Fällen Kieler Eltern, Kinder und Jugendliche. Der Anteil von Kindern, deren Eltern zu Beginn der Beratung getrennt sind, liegt seit Jahren bei ca. 2/3. Davon erziehen 73% der Eltern allein und 27% zusammen mit einem neuen Partner.
In diesem Zusammenhang nehmen familienrichterliche Anordnungen der Erziehungsberatung bei strittigen Sorge- und Umgangsfragen deutlich zu. In der ersten Jahreshälfte 2018 waren dies bereits 60 Fälle (gegenüber 70 im gesamten Jahr 2014).
Im Fokus der Beratungen stehen immer das aktuelle Erleben und die Erarbeitung bestmöglicher Lösungen für die weitere Entwicklung der betroffenen Kinder. Alle Fachkräfte sind für diese Aufgabe beraterisch / therapeutisch weitergebildet und geschult. Auch methodische Elemente aus der Mediation kommen dabei zum Einsatz, das Angebot geht aber weit darüber hinaus.
Seit den Jahren 2015/2016 nahm der Anteil von Eltern mit Migrationshintergrund, die sich wegen Belastungen der Kinder im Zusammenhang mit Trennung/Scheidung und familiärer Konflikte unterstützen ließen, deutlich zu. Er pendelt sich seit 2017 bei ca. 20% aller Ratsuchenden mit diesem Unterstützungsbedarf ein. Immer häufiger werden Sprach- und Kulturmittler eingesetzt, da ein oder beide Elternteile nicht die für eine Beratung notwendigen Sprachkenntnisse besitzen. Da es sich hier um sehr komplexe und emotional aufgeladene Beratungsprozesse handelt, wird nur mit geeigneten Muttersprachlern und entsprechend den gemeinsamen „Empfehlungen für Qualitätsstandards für die Zusammenarbeit mit Dolmetschenden in der psychologischen / psychosozialen Beratung“ der bundesweiten Fachverbände beraten.
Die Erziehungsberatungsstellen führen seit Mitte 2017 in geeigneten Fällen auch „Begleiteten Umgang“ im Kontext von Beratungsprozessen durch. Die Anzahl dieser intensiven Unterstützungen stieg von 5 (2017) auf aktuell 17 im laufenden Jahr 2018. „Begleiteter Umgang“ ohne Beratungen der Eltern werden von der Flexiblen Betreuung der Kinder-und Jugendhilfedienste des Jugendamtes durchgeführt.
Die zeitaufwändige Durchführung begleiteter Umgänge, die Beratung hochstrittiger Eltern durch Beraterpaare und die Beratung von Eltern mit unzureichendem Deutschkenntnissen mit Dolmetschern erfordern unvermeidlich einen höheren Zeit- wie auch Personalaufwand. Dies führt an vielen Stellen zu Arbeitsverdichtung und Verlängerung von Wartezeiten in den Beratungsstellen.
Ein Bedarf zur Unterbringung von Vätern in einer Väterwohnung wurde bisher nicht deutlich.
Familienzentren und ihre Lage
Insgesamt sind im Kieler Stadtgebiet zwölf Familienzentren verortet, die sich unterschiedlich auf die sechs Sozialräume verteilen:
Das Land hat 2014 Fördermittel unter bestimmten Voraussetzungen zur Verfügung gestellt. Auf Basis einer Sozialraumanalyse wurden gemeinsam mit den Trägern die für die Auswahl entscheidenden Kriterien für die Verteilung der Anzahl der Familienzentren auf die Sozialräume festgelegt. Das im Nachgang erfolgte Interessenbekundungsverfahren hat die oben dargestellte Verteilung ergeben. Im Ergebnis bedeutet dies eine Konzentration von Familienzentren in sieben Stadtteilen mit hohen Bedarfen, andererseits kann nicht jede Familie in Kiel ein Familienzentrum z. B. in fußläufiger Entfernung ohne größeren Aufwand erreichen.
Die Förderung der Familienzentren sollte bisher die Finanzierung im Umfang einer halben Fachkraftstelle mit herausgehobener und schwieriger, verantwortungsvoller Tätigkeit (vergleichbar mit TVöD S 8) umfassen sowie Sach- und Gemeinkosten, die mit der Koordinationstätigkeit zusammenhängen, insgesamt 24.750 €/Familienzentrum pro Jahr. Diese Mittel wurden auch von allen Familienzentren eingesetzt, um eine Koordinationsfachkraft zu beschäftigen. Sie reichten nach einhelliger Meinung jedoch häufig noch nicht einmal für die Finanzierung der Personalkosten aus. Ab diesem Jahr hat das Land die Förderung erhöht, so dass nun 30.295 €/Jahr an jedes Familienzentrum weitergeleitet werden können. Diese Summe soll ausreichen, um neben den Personalkosten auch einen angemessenen Sachkostenanteil decken zu können. Aufgrund der Befristung der Landesförderung kann die Bewilligung und damit die Beschäftigung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jedoch nur jahresweise befristet erfolgen.
Eine einheitliche räumliche Ausstattung gibt es in den Familienzentren nicht. Einige Familienzentren verfügen über keine eigenen Räumlichkeiten. Dort werden sämtliche Angebote in den Räumlichkeiten der Kindertageseinrichtung oder außerhäusig angeboten. Andere Familienzentren haben abgetrennte Büroräumlichkeiten, die die Koordinationskraft nutzen kann, um dort beispielsweise vertrauliche Beratungsgespräche führen zu können. Einige Einrichtungen haben Zugriff auf weitere Räumlichkeiten, die zum Teil oder auch ausschließlich für Angebote des Familienzentrums genutzt werden können und damit wesentlich vereinfacht Angebote - insbesondere für Gruppen - anbieten können.
Investitionskosten konnten einmalig in Höhe von 40.000 € pro Familienzentrum beantragt werden, zum Beispiel um eigene entsprechende Räumlichkeiten baulich zu schaffen. Dieses wurde aber nur von wenigen Trägern in Anspruch genommen, da zum einen der Zuschussbedarf bei Baumaßnahmen wesentlich höher ist und die Träger den restlichen Eigenanteil nicht tragen können sowie zum anderen die Gegebenheiten der Einrichtungen Umbauten nicht zulassen.
Insgesamt hat sich die Höhe der finanziellen Förderung der Familienzentren über die Jahre verbessert, wünschenswert ist aber insbesondere aus Sicht der Träger eine Verstetigung der Förderung. Zudem wäre es wünschenswert, wenn auch Mittel für die Durchführung von Angeboten zur Verfügung gestellt werden könnten und nicht nur für die Koordinationstätigkeit. Bzgl. der räumlichen Gegebenheiten wäre das Ziel, dass jedes Familienzentrum über eigene Räumlichkeiten verfügen könnte, um ausreichend niedrigschwellige Angebote unabhängig vom Kita-Betrieb durchführen zu können. Dieses ist aber nicht an jedem Standort umsetzbar.
Um eine Erreichbarkeit eines Familienzentrums flächendeckender zu ermöglichen, könnten weitere etabliert werden. Eine Ausweitung von Familienzentren wird derzeit durch die Landesregierung nicht angestrebt.
Servicecenter und Netzwerk für Alleinerziehende
Seit 26 Jahren gibt das Kieler Gleichstellungsreferat den „Wegweiser durch Kiel - Frauen, Gesundheit, Bildung & Beruf, Familie“ heraus. Er ist aktuell in der neunten Auflage erschienen und zusätzlich im Internet zu finden. Wegweiser für Frauen in Kiel – Grußwort Unter Rubriken, wie „Ehe und Partnerschaft“, „Kinder“, „Arbeit“ und „Soziale Sicherheit“ finden sich eine Vielzahl und Vielfalt an Kieler Beratungs- und Servicestellen öffentlicher und freier Träger. Die Angebote sind (soweit nicht explizit erwähnt) für Familien, d.h. für Mütter und Väter und weitere in Verantwortung stehende Personen, offen.
In der FamilienApp der Landeshauptstadt Kiel wird das Thema „Alleinerziehend“ explizit aufgegriffen. Das „Forum Alleinerziehende in Kiel“ wird vorgestellt. Es handelt sich um ein Netzwerk von zahlreichen Kieler Fachberatungsstellen und städtischen Ämtern – unter Geschäftsführung des städtischen Referates für Gleichstellung. Situation und Bedarfe von Alleinerziehenden in Kiel stehen im Mittelpunkt. Durch Vernetzung und den fachlichen Austausch tragen die Mitglieder des Forums die Interessen von Alleinerziehenden zusammen und bringen sie in die Öffentlichkeit. Sie entwickeln Strategien und Lösungen, die dazu beitragen sollen, die Lebenssituation von Alleinerziehenden zu verbessern. Mütter und Väter sind ausdrücklich gebeten, sich mit Anliegen an das Forum zu wenden.
Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) unterstützt bundesweit Alleinerziehende durch aktuelle Informationen, professionelle Beratung und engagierte Lobbyarbeit. Die Beratungsstelle des Landesverbandes Schleswig-Holstein befindet sich in Kiel. Der Ortsverband Kiel bietet regelmäßige Treffen und gemeinsame Ausflüge an. Gruppe von Alleinerziehenden Müttern und Vätern in Kiel - Alleinerziehend? Kontakt zu alleinerziehende Mutter / alleinerziehender Vater in Kiel
Bei Fragen zur Sicherung des Unterhalts hält die Abteilung rechtliche und wirtschaftliche Jugendhilfe im Jugendamt ein spezielles, kostenloses Beratungsangebot für Alleinerziehende im Bereich Unterhaltsvorschuss und Beistandschaft bereit.
Für Lösungen bei Fragen zur Alltagsbewältigung und im Falle von erzieherischen Unterstützungsbedarfen stehen die 5 städtischen Erziehungsberatungsstellen und der Allgemeine Sozialdienst des Jugendamtes in den 6 Sozialzentren beratend zur Seite. Die Fachkräfte verfügen über vertiefte Informationen. Abhängig von den Bedarfen des Einzelfalles werden Wege gewiesen und begleitet. Hierbei kann es sich um spezielle Angebote der Frühen Hilfen, um Unterstützung durch (Familien-) Bildungsstätten, um präventive Unterstützung im Sozialraum, um Vernetzung mit Angeboten des Jobcenters oder auch um formale Hilfen zur Erziehung nach § 27 ff SGBVIII handeln. Entscheidend sind das konkrete Anliegen, die Wünsche und Bedarfe – um ggfs. interdisziplinär, institutionsübergreifend und unbürokratisch praktikable Lösungen zu finden.
Kurzzeitpflege/Genesendenstation
Wenn Eltern durch Erkrankung, aber auch Entbindung eines weiteren Kindes, Kur, Haft oder Unfall, geplant oder ungeplant ausfallen, haben sie gesetzlich in dieser Notsituation einen Anspruch auf Unterstützung und Hilfe bei der Betreuung und Versorgung ihrer Kinder. Mindestens ein zu betreuendes Kind muss noch unter 14 Jahren sein, die elterliche Sorge ist unerheblich für den Hilfeanspruch.
Die Zahl der in den vergangenen Jahren angezeigten Hilfebedarfe ist gering. In jedem Fall konnte eine Versorgung und Betreuung der Kinder im Sinne der Eltern sichergestellt werden.
In einigen Fällen wurden die zu betreuenden Kinder bei Freunden oder in der Nachbarschaft versorgt, in den meisten Fällen wurden die Kinder kurzfristig in geprüften Pflegefamilien untergebracht. In aller Regel finden dann zuvor Besuche zum gegenseitigen Kennenlernen statt.
Ein darüberhinausgehender Handlungsbedarf besteht angesichts der geringen Zahlen und der Unvorhersehbarkeit der Ereignisse nicht.
Renate Treutel
Stadträtin