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Antrag der Ratsfraktion DIE LINKE - 0905/2018
Grunddaten
- Betreff:
-
Gedenken auf dem Nordfriedhof: Ehre wem Ehre gebührt
- Status:
- öffentlich (Drucksache abgeschlossen)
- Drucksachenart:
- Antrag der Ratsfraktion DIE LINKE
- Federführend:
- Ratsfraktion DIE LINKE
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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Erledigt
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Ratsversammlung
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Entscheidung
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Nov 15, 2018
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Gestoppt
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Kulturausschuss
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Vorberatung
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Nov 27, 2018
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Jan 22, 2019
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May 28, 2019
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Bereit
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Ratsversammlung
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Entscheidung
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Antrag
Antrag:
- Die Verwaltung wird aufgefordert, mittels einer Gedenktafel oder ähnlichem, auf dem Gräberfeld Z des Nordfriedhofes zukünftig in geeigneter Form über den Hintergrund und die Ursachen des Todes der dort begrabenen Marinesoldaten aufzuklären.
- Das Ehrengrab des Wilfried von Loewenfeld auf dem Gräberfeld W des Nordfriedhofs wird aufgehoben. Der Gedenkstein für die 3. Marinebrigade und ihren Anführer, die während und nach dem Kapp-Putsch in Kiel, Breslau und Bottrop gewütet haben, wird entfernt.
Sachverhalt/Begründung
Begründung:
Zu 1.:
Im Gräberfeld Z liegen die Toten mit Militärzugehörigkeit, die am 3. und 5. November 1918 umgekommen sind. So werden Lothar Faja, Max Kreuzer, Karl Rau und Stefan Kloskowski am Abend des 3. November in der Karl- bzw Annenstraße erschossen. Ludwig Klaus, Hermann Karp und die vornamenlosen Mews und Wessels kommen am 5. November ums Leben. Bei Mews weiß man, dass er vom Kommandanten der „SMS König“ erschosssen wurde, als er versuchte die Kriegsflagge einzuholen. Auch andere Marineangehörige, teils unklarer Provenienz wurden dort bestattet.
Bis zum Ende der Wehrmacht 1945 wurden die Toten des Militärs auf dem Kieler Garnisonsfriedhof beigesetzt. Erst 1948 wurde dieser von der Stadt Kiel gepachtet, in Nordfriedhof umbenannt und 1968 von der Stadt übernommen. Am Gräberfeld fehlt eine differenzierende Gedenktafel, die die Zusammenhänge erläutert und erklärt, warum die oben genannten Matrosen nicht in der Grabstätte der Opfer der Revolution auf dem Eichhof–Friedhof beigesetzt worden sind.
Im 100. Jubiläumsjahr der Novemberrevolution erscheint es an der Zeit, auch über das Schicksal ihrer hier bestatteten Opfer aufzuklären.
Zu 2.:
Das Ehrengrab Wilfried von Loewenfeld wurde mit dem Ratsbeschluss vom 11.Juli 1968 nach § 8 der Friedhofsordnung eingerichtet. Dort heißt es: „Die Ratsversammlung kann Opfern von Kriegen und Opfern politischer Wirren sowie einzelnen Persönlichkeiten, die sich um die Allgemeinheit verdient gemacht haben, Ehrengräber zur Verfügung stellen“. Im Antrag der Stadträtin Ida Hinz wird beantragt „Revolutionsopfer 1920 (Loewenfeld) - 1 Grabstätte“ zum Ehrengrab zu erklären.
Der im Juli 1968 beschlossene Antrag widerspricht dieser Friedhofsordnung, denn die Grabstätte auf Feld W mit dem Gedenkstein Loewenfeld erfüllt kein Kriterium des § 8 der Friedhofsordnung der Stadt Kiel. Weder waren es Opfer von Kriegen, noch von politischen Wirren, noch hat sich da jemand um die Allgemeinheit verdient gemacht.
Wilfried von Loewenfeld wurde am 17. November 1918 nach Kiel abkommandiert und traf dort auf eine Interessenvertretung von Seeoffizieren, die Seeoffizier-Vereinigung Ostsee (SOVO). Im Vorstand der SOVO nutzte Loewenfeld seine Position um klandestin eine Seilschaft aus gegenrevolutionären Offizieren zu organisieren. Zu dieser gehörte auch Wilhelm Canaris, ab 1935 Chef der Abwehr im NS-Staat. Canaris wurde Verbindungsmann zwischen dem antidemokratischen Geheimbund Loewenfeld und dem Kieler Militärgouverneur Gustav Noske. Als dieser Volksbeauftragter für Heer und Marine wurde, avancierte Canaris zu Noskes Adjutanten in Berlin. Canaris Einfluss es ist wohl zuzurechnen, dass Gustav Noske, der in vordemokratischen Ordnungsvorstellungen verhaftet blieb, Anfang Februar 1919 Loewenfeld per Erlass ermächtigte, die 3. Marinebrigade aufzustellen. Diese im Dezember 1918 und Januar 1919 entstandene Untergrundorganisation, die auch Verbindungen zu den Mördern Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts sowie Walter Rathenaus pflegte, wurde so legalisiert und mit erheblichen Finanzmitteln sowie Waffen und Versorgungsgütern ausgestattet.
Diese Aufstellung der 3. Marinebrigade setzte Gustav Noske gegen erhebliche Widerstände nicht nur des Reichsmarineministeriums und des Chefs der Marinestation der Ostsee, Konteradmiral Hans Küsel, der Loewenfeld als Verbrecher bezeichnete, sondern auch gegen die Revolutionäre Sicherheitstruppe des Kieler Soldatenrates durch. Auch bei den Arbeitern sorgte dieser Schritt für erhebliche Empörung, zumal Noske versprochen hatte, keine weiteren Truppenverbände in Kiel einzurichten und schon gar keine gegenrevolutionären.
Von den zahlreichen Einsätzen der 3. Marinebrigade seien hier nur der während des Berliner Verkehrsstreiks vom 1. bis zum 14. Juli 1919, der im August 1919 beim ersten polnischen Aufstand in Oberschlesien und der anschliessende Grenzschutz dort genannt.
Der Kapp-Putsch vom 13. - 17. März 1920 war der Versuch von rechtsextremistischen Militärverbänden die junge Demokratie zu zerstören und durch eine Diktatur zu ersetzen. Auslöser war die scharfe Reduktion des deutschen Militärpersonals in der Folge des Versailler Vertrages und eine wachsende Unzufriedenheit der Konservativen mit der Demokratie. Am 29. Februar wurde die Auflösung der 2.und 3. Marinebrigade verfügt.
In Kiel versuchte Konteradmiral Magnus von Levetzow, Chef der Marinestation der Ostsee, mit großer Härte den Putsch militärisch durchzusetzen. Hinzu kam das 2. Batallion der 3. Marinebrigade Löwenfeld unter dem Befehl Franz Claassens, einem späteren SS-Brigadegeneral. Diese Einheiten setzten die Kämpfe gegen die Kieler Arbeiter noch am Tag nach dem Zusammenbruch des Putsches fort. Am 18. März 1920 starben 68 Menschen und 200 wurden verletzt, weil das Loewenfeld-Batallion den Kampf gegen die Demokratie nicht aufgeben wollte. Die Toten auf dem Gedenkstein Loewenfeld sind die antidemokratischen Putschisten des 13. – 18. März 1920 und nicht etwa „Opfer politischer Wirren“.
Während das 2. Batallion in Kiel geblieben war, marschierte der Haupttross der 3. Marinebrigade von Loewenfeld am 13. März 1920 in Breslau ein, um dort den Kapp-Putsch durchzusetzen und setzte den Oberpräsidenten der Stadt ab. Der Auftrag der 3. Marinebrigade bestand darin, „bei entstehenden Streiks oder Unruhen mit rücksichtsloser Schärfe“ vorzugehen. Des „Linksseins“ verdächtige Personen wurden willkürlich verhaftet, misshandelt und ermordet. Loewenfeld ließ wahllos in Demonstrationen schießen und tötete so mehrere Zivilisten. Der, linkem Gedankengut ganz unverdächtige, Reichswehroffizier Arnold Lequis meinte, die 3. Marinebrigade hätte sich „in Breslau auf das Wüsteste und Rohste“ benommen.
Das blieb politisch ohne Folge. Vielmehr wurde die 3. Marinebrigade, nachdem sie aus Breslau abgezogen war, direkt ins Ruhrgebiet beordert. Der Eisenbahntransport wurde von der Brigade Loewenfeld so gestaltet, dass republikfeindliche Parolen skandiert und an den Waggons schwarz-weiß-rote Fahnen angebracht wurden. Auf manchem Stahlhelm war vorn das Hakenkreuz aufgemalt.
Im Ruhrgebiet hatte es eine Rote Ruhrarmee, aus ehemaligen Frontsoldaten, Arbeitern und Handwerkern gewagt die demokratische Republik auch militärisch gegen den Kapp-Putsch zu verteidigen. Die Kämpfe der Roten Ruhrarmee gegen den Putsch waren erfolgreich. Nach ihrem Sieg entwaffnete man sich vereinbarungsgemäß. So berichtete die Bottroper Volkszeitung am 3. April: „In Bottrop konnte die Waffenabgabe reibungslos durchgeführt werden“. Am gleichen Tag erschien die 3. Marinebrigade in Bottrop. Dann wurden in eiligst eingerichteten Folterkellern der Teilnahme an den Kämpfen verdächtige Arbeiter gefoltert, verstümmelt und bestialisch getötet. Unbeteiligte Zivilisten wurden ermordet, Gefangene heimlich erschossen und eine 19-jährige Frau vergewaltigt. Die NSDAP ließ 1934 in Essen ein Ehrenmal für die Freikorpskämpfer errichten.
Es ist unvorstellbar, dass eine Frau wie die Stadträtin Ida Hinz, die sich so große Verdienste um die Stadt Kiel erworben hat, in Kenntnis dieser Tatsachen die Einrichtung eines Ehrengrabes für Loewenfeld beantragt hätte.
Dass Loewenfeld sich an der Allgemeinheit verdient gemacht hätte ist nicht zu erkennen, vielmehr gehört er zu denen, die bereits während der Novemberrevolution den Weg zur Zerstörung der Demokratie beschritten haben.
Eine Ehrung durch die Stadt Kiel, in welcher Form auch immer ist aus diesen Gründen nicht länger hinnehmbar!
gez. Stefan Rudau f.d.R.
Fraktionsvorsitzender
