Infosystem Kommunalpolitik
Geschäftliche Mitteilung - 0926/2018
Grunddaten
- Betreff:
-
Auswirkungen der neuen Rettungsdienstgesetzgebung auf den Rettungsdienst der Landeshauptstadt Kiel
- Status:
- öffentlich (Drucksache abgeschlossen)
- Drucksachenart:
- Geschäftliche Mitteilung
- Federführend:
- Feuerwehr
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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Erledigt
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Innen- und Umweltausschuss
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Kenntnisnahme
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Nov 6, 2018
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Erledigt
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Ratsversammlung
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Kenntnisnahme
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Nov 15, 2018
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Sachverhalt/Begründung
Begründung:
Am 28. März 2017 beschloss der Landtag ein neues Rettungsdienstgesetz für Schleswig-Holstein (RDG SH). Nur wenige Wochen nach Inkrafttreten am 18. Juli 2017 kündigte die neue Landesregierung in ihrem Arbeitsprogramm an, wiederum ein Änderungsgesetz zu diesem Rettungsdienstgesetz vorzulegen. Dieses Änderungsgesetz wurde am 05. September 2018 vom Landtag beschlossen und tritt in Kürze in Kraft.
Damit ist die Neuordnung der gesetzlichen Grundlagen für den Rettungsdienst abgeschlossen und die Auswirkungen auf den Kieler Rettungsdienst können nun beurteilt werden.
Wesentliche Änderungen zur Rechtslage vor März 2017 betreffen
a) das operative Leistungsspektrum der kommunalen Rettungsdienste
b) die gebietsübergreifende Kooperation bei besonderen Einsatzarten und -lagen
c) die Anpassung an das neue Berufsbild „Notfallsanitäterin und -sanitäter“
d) Regelungen zu Entgelten und Refinanzierung
e) das Verhältnis zwischen öffentlichem und privatem Rettungsdienst
a) Leistungsspektrum
Das neue Gesetz sieht neben den bisherigen Rettungsmitteln (Rettungswagen, Notarzteinsatzfahrzeug, Krankentransportwagen) erstmals Spezialfahrzeuge für besondere Patientengruppen oder Einsatzzwecke vor. Diese werden nicht von jedem kommunalen Rettungsdienstträger vorgehalten, sondern an einigen Standorten, die einsatztaktisch günstig gelegen sind oder ein hohes Aufkommen der betreffenden Einsätze aufweisen (§ 4 (3), § 12 RDG SH). Die Standorte wurden unter den Rettungsdienstträgern, aber auch mit den Kostenträgern und dem Sozialministerium abgestimmt.
In der Landeshauptstadt Kiel werden aufgrund von Größe, Lage und Krankenhausstruktur (Universitätsklinikum der Maximalversorgung, großes Krankenhaus der Schwerpunktversorgung und diverse Fachkliniken) künftig folgende Spezialfahrzeuge vorgehalten:
- Ein Intensivtransportwagen (ITW) zur Verlegungen intensivpflichtiger Schwerkranker
Das Einsatzaufkommen für ITW ist typischerweise assoziiert mit Universitätskliniken. Folgerichtig wird der zweite ITW für Schleswig-Holstein in Lübeck stationiert. - Ein Verlegungsarzteinsatzfahrzeug (VEF) für arztbegleitete Krankenhausverlegungen unterhalb der Intensivschwelle
Aufgrund fortschreitender Spezialisierung und Arbeitsteilung der Krankenhäuser ist das Aufkommen an Verlegungsfahrten deutlich angestiegen. Um nicht länger Notarzt-einsatzfahrzeuge für arztbegleitete Verlegungen zu blockieren, die dann in der Notfallversorgung fehlen, werden in Schleswig-Holstein vier VEF in Dienst gestellt. Die Standorte Kiel, Flensburg, Itzehoe und Lübeck sind so gewählt, dass alle Akutkliniken des Landes in spätestens einer Stunde von einem VEF erreicht werden können. - Ein Baby-Rettungswagen
Die Kieler Feuerwehr betreibt seit vielen Jahren in Kooperation mit den Kieler Kinderkliniken einen Baby-RTW für Notfälle und dringende Verlegungen kritischer Früh- und Neugeborener. Bislang war die Refinanzierung durch die Kostenträger stets unsicher und freiwillig und musste jährlich gesondert verhandelt werden. Durch Aufnahme des Baby-RTW als reguläre rettungsdienstliche Leistung in das neue RDG SH hat sich dies erheblich vereinfacht. - Ein Spezialfahrzeug für stark übergewichtige Patienten (sog. Schwerlast-RTW auf LKW-Basis) wird nicht vom Kieler Rettungsdienst, sondern vom Rettungsdienst des Kreises Rendsburg-Eckernförde betrieben und kann für Einsätze in Kiel angefordert werden.
b) Gebietsübergreifende Kooperation
Sowohl für Spezialfahrzeuge (§ 4 (3) RDG SH) als auch bei Großschadensereignissen (§ 20 (2) RDG SH) hat das neue Gesetz eine Pflicht zur gebietsübergreifenden Zusammenarbeit festgeschrieben. Bei der Standortfestlegung der Spezialfahrzeuge und bei der Erarbeitung des Landeskonzepts für Massenanfälle von Verletzten (MANV-Konzept SH) haben die kommunalen Rettungsdienstträger dies bereits weitgehend umgesetzt.
c) Neues Berufsbild „Notfallsanitäterin und -sanitäter“ im Rettungsdienst
Das neue Rettungsdienstgesetz greift die Einführung des Berufsbildes „Notfallsanitäterin und -sanitäter“ auf. Dieses wurde 2014 mit dem Notfallsanitätergesetz geschaffen, umfasst nun eine dreijährige Ausbildung mit abschließender staatlicher Prüfung und löst die frühere Qualifikation als Rettungsassistentin oder -assistent ab. Das Rettungsdienstgesetz schreibt vor, dass die Besatzung von RTW und NEF künftig zumindest einen Notfallsanitäter/eine Notfallsanitäterin umfassen muss. Das Gesetz legt weiterhin fest, dass die Kosten der Ausbildung von Notfallsanitäterinnen und -sanitätern durch die Kostenträger zu refinanzieren sind, ebenso die Kosten der Nachqualifizierung der Rettungsassistentinnen und -assistenten. Außerdem wird der Umfang an jährlicher Pflichtfortbildung für die rettungsdienstlichen Einsatzkräfte erhöht.
Alles dies ist für die Wirtschaftlichkeit des Kieler Rettungsdienstes bedeutsam. Die Akademie der Berufsfeuerwehr Kiel ist staatlich anerkannte Notfallsanitäterschule und bildet bereits seit 2014 Auszubildende und Brandmeisteranwärter zu Notfallsanitäterinnen und -sanitätern aus. Durch die Ausbildung im eigenen Hause konnte der ansonsten im Rettungsdienst verbreitete Fachkräftemangel in Kiel stark abgemildert werden. Unsere erheblichen Leistungen im Bereich von Aus- und Fortbildung gelten mit dem neuen Gesetz nunmehr grundsätzlich als zu refinanzierende Kosten des Rettungsdienstes. Zurzeit sperren sich die Kostenträger allerdings noch gegen die Umsetzung dieser gesetzlichen Vorgaben.
d) Entgelte und Refinanzierung
In Schleswig-Holstein erfolgt die Refinanzierung des Rettungsdienstes über Entgelte, die der kommunale Träger mit den Kostenträgern verhandeln und einen muss. Falls keine Einigung gelingt, muss die Schiedsstelle angerufen werden.
In der Vergangenheit haben sich Entgeltverhandlungen häufig sehr in die Länge gezogen, zum Teil auch, weil von den Krankenkassen immer neue Erläuterungen und Belege eingefordert wurden oder keine zeitnahen Verhandlungstermine zustande kamen. Solange neue Entgelte aber nicht geeint oder durch Schiedsspruch festgelegt waren, galten die früheren Entgelte fort, was sich zu Lasten der kommunalen Träger ausgewirkt hat.
Das neue Gesetz verbessert die Position der Träger: es legt eine Frist fest, bis zu der die jährliche Entgeltverhandlung abgeschlossen sein muss. Bei Verstreichen der Frist kann der Träger nun zunächst einseitig Entgelte festlegen, die seine Ist-Kosten decken (§ 7 (4) RDG SH).
In § 7 (5) RDG SH wird gesetzlich geregelt, dass die vereinbarten Entgelte für alle Benutzer des Rettungsdienstes gültig sind. Damit entfällt künftig das Erfordernis einer gesonderten Entgeltsatzung mit Satzungsbeschluss.
e) Verhältnis von öffentlich-rechtlichem und privatem Rettungsdienst
Bisher konnten auch private Unternehmen rettungsdienstliche Leistungen außerhalb des öffentlichen Rettungsdienstes anbieten, sie benötigten dazu aber eine Genehmigung des Rettungsdienstträgers. Mit dem neuen RDG SH vom März 2017 wurde diese Möglichkeit gestrichen. Nunmehr ist nur noch die Durchführung von Krankentransporten genehmigungsfähig. Zugleich wurde jedoch das bis dahin gültige Trennungssystem zwischen öffentlichem und privatem Rettungsdienst aufgeweicht, weil festgelegt wurde, dass der öffentliche Rettungsdienst seine Krankentransport-Vorhaltung in dem Umfang abbauen muss, wie private Anbieter Krankentransport-Genehmigungen für sich erwirken. Diese Regelung entfällt nun auch, weil der Rettungsdienstträger in vollem Umfang auch das Volumen von Privatunternehmen im Krankentransport abdecken können muss. Damit fällt der früher vorgeschriebene Rückbau öffentlicher Kapazitäten zugunsten privater Anbieter.
In Summe stärkt die neue Gesetzeslage die operative Handlungsfähigkeit des Kieler Rettungsdienstes durch Schaffung neuer, moderner Fahrzeugkonzepte und durch die Stärkung der gebietsübergreifenden Kooperation. Auch verbessern sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen durch explizite Anerkennung bislang umstrittener Positionen als refinanzierungsfähige Kosten und durch beschleunigte Verfahren zur Entgeltvereinbarung.
In Vertretung
Gerwin Stöcken
Stadtrat