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ALLRIS - Drucksache

Antrag der Verwaltung - 0146/2020

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Beratungsfolge

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Antrag

Antrag:

 

 

  1. Dem vorgelegten Konzept zur Neugestaltung der Wohnungslosenhilfe in Kiel wird zugestimmt.

 

  1. Die Verwaltung wird ermächtigt, entsprechende Zuwendungsverträge mit den Trägern der Wohnungslosenhilfe zu verhandeln.

 

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Sachverhalt/Begründung

Begründung:

 

 

  • Verpflichtung zur Unterbringung

Nach §§ 174 ff Landesverwaltungsgesetz Schleswig-Holstein besteht für die Kommunen eine generelle und weitreichende Verpflichtung zur Unterbringung von Obdachlosen, unabhängig von Leistungsgesetzen, wie zum Beispiel dem SGB II oder SGB XII.

 

In Kiel wird dieser gesetzliche Auftrag  durch das Amt für Wohnen und Grundsichern, Abteilung für Wohnungs- und Unterkunft­sicherung (55.2), als zentraler Stelle der Landeshauptstadt wahrgenommen. Im Rahmen eines Zuwendungsvertrages wird die operative Arbeit überwiegend durch die stadt.mission.mensch  ausgeführt.

 

Alleinstehende Obdach- oder Wohnungslose werden entweder von der Zentralen Beratungsstelle für alleinstehende Männer oder der Frauenberatungsstelle, die beide von der stadt.mission.mensch betrieben werden, betreut. Die Zuständigkeit für Mehrpersonenhaushalte liegt beim Amt für Wohnen und Grundsicherung.

 

  • Anstieg der Zahl der Bedürftigen

In den vergangenen 10 Jahren ist ein deutlicher Anstieg der Wohnungslosen von 277 Personen im Jahr 2009 auf 1178 Personen am 30.09.2019 zu verzeichnen, das entspricht einer Steigerung von über 400%.

 

 

 

Dafür gibt es mehrere Gründe: die Kieler Bevölkerung ist in den letzten fünfzehn Jahren um ca. 14.000 Einwohner angewachsen. Die Anzahl der neu entstandenen Wohnungen konnte diesen Zuwachs nicht auffangen. Hinzu kommt, dass sich der Wohnraumbedarf pro Person in den letzten Jahren ständig angewachsen ist. In der Folge ist für Kiel ein angespannter Wohnungsmarkt zu verzeichnen. So übersteigt die Nachfrage, insbesondere nach günstigen Wohnungen, das Angebot deutlich.

In einem derartigen Wohnungsmarkt haben Personengruppen mit besonderen Belastungen (Schulden, Schufa-Einträge, psychische Erkrankungen, Suchtproblematiken) geringere Chancen. Die große Nachfrage ermöglicht es den Vermietungen  ihre Wohnungen an andere Wohnraumsuchende ohne Vermittlungshemmnisse zu vermieten.

 

Zusätzlich befinden sich in Kiel noch 1100 anerkannte Asylsuchende (Stand 31.12.2019), die auch eigenen Wohnraum anmieten könnten. Sofern ihnen das nicht gelingt, wird im Rahmen der Unterbringungsverpflichtung des Amtes für Wohnen und Grundsicherung der Verbleib in Gemeinschaftsunterkünften und angemieteten Wohnungen ermöglicht. Dieser Personenkreis ist von dem vorgelegten Konzept nicht erfasst.

 

  • Situation der Wohnungslosen (Psychisch, physisch, sozial)

Wesentliche Problematik im Bereich der Unterbringung ist, dass die unterzubringenden Personen zunehmend Problemlagen mit sich bringen, die eine „normale“ Unterbringung und eine Integration in den Wohnungsmarkt erheblich erschweren. So werden ein Viertel aller von Wohnungslosigkeit betroffenen Personen von den zuständigen Stellen als so schwierig eingestuft, dass die Anmietung von eigenem Wohnraum als nahezu ausgeschlossen zu betrachten ist. Hintergrund sind überwiegend schwere psychische Erkrankungen, Suchtmittelerkrankungen, medizinische und pflegerische Probleme oder extreme Verwahrlosung, häufig auch in Kombination miteinander. Ist die Wohnungs- bzw. Obdachlosigkeit erst einmal eingetreten und dauert sie mehrere Monate oder gar Jahre, verfestigen sich die vorhandenen Problemfelder in der Regel.

 

  • Geparkt“ lange Verweildauer im System der Wohnungslosenhilfe

Zurzeit sind Menschen im System der Wohnungslosenhilfe in Notunterkünften untergebracht, bei denen es sich tatsächlich um langfristige Dauerbewohner/innen handelt, die bei genauerer Betrachtung durch andere Hilfesysteme betreut werden müssten, entweder in geeigneten Einrichtungen oder mit gezielter Unterstützung in eigenem Wohnraum.

 

Die Wohnungslosenhilfe als reine Unterkunftssicherung hat weder die gesetzliche Aufgabe noch die tatsächliche Möglichkeit mit ihrem Hilfesystem sich um Menschen zu kümmern, deren Bedürfnisse die Möglichkeiten einer bloßen Unterbringung überschreiten.

 

Das bisherige System der Wohnungslosenhilfe in Kiel bedurfte daher der Neuaufstellung.

 

  • Das neue Wohnungslosenhilfekonzept

Um dieser Problematik  begegnen zu können, werden in dem als Anlage beigefügten, neuen Konzept  folgende Schwerpunkte vertieft und verbessert:

 

  • Verhinderung von Wohnungsverlusten
  • rzere Verweildauer im Wohnungslosenhilfesystem
  • intensive Begleitung
  • passgenaue Unterstützung  (Fördern und Fordern)
  • abgestuftes Unterbringungssystem
  • Überleitung in geeignete Unterstützungsarten und vorrangige Hilfesysteme (z. B. betreutes Wohnen im Rahmen der Eingliederungshilfe, therapeutische Angebote, etc.)

 

 

Das Wohnungslosenhilfekonzept 2020 verfolgt prinzipiell das Ziel, Wohnungslosigkeit nach Möglichkeit zu verhindern. Prävention ist finanziell und pädagogisch die günstigste und effektivste Form der Wohnungslosenhilfe, da sich die Betroffenen durch den Erhalt ihrer Wohnungen, in einem Lebensbereich stabilisiert, um andere wichtige Belange ihres Lebens kümmern können.

 

Bei dennoch eingetretenem Verlust von Wohnraum gilt es den Zeitraum der Wohnungslosigkeit möglichst kurz zu halten. Dazu soll zukünftig ein deutlich spezielleres Hilfesystem installiert werden, in dem einzelne Betroffene ihrer Situation entsprechend gefördert und unterstützt werden, um die Selbsthilfepotentiale zu entdecken und zu nutzen. Die Hilfe soll dem jeweiligen Bedarf besser angepasst sein. Gleichzeitig sollen die Betroffenen die nötige Aufmerksamkeit erhalten, um das für sie Machbare umzusetzen. Je kürzer die Verweildauer ohne eigenen Wohnraum ist, desto besser sind die anschließenden Perspektiven für ein gesundes, zufriedenstellendes Leben in der Gemeinschaft.

 

Das Notunterkunftssystem enthält aufeinander abgestimmte Module verschiedener Unterbringungsformen, um den Betroffenen eine ihren Möglichkeiten  angemessene Unterkunft zu bieten.

 

Konzeptionelles Ziel ist weiterhin, dass die Klienten*innen in die Hilfeform vermittelt werden, die für die Überwindung ihrer Notlage am besten geeignet ist. Hierbei soll das Augenmerk stärker als bisher auf den individuellen Unterstützungsbedarf der einzelnen Personen gerichtet sein. Die Erfahrungen zeigen, dass Klient*innen, sobald sie neben der Wohnungslosigkeit noch andere Beeinträchtigungen wie z. B. Sucht, Pflegebedürftigkeit oder eine seelische Behinderung aufweisen, in den für diese Problemlagen zuständigen Hilfesystemen kaum angemessene Unterstützung finden und im Wohnungslosenhilfesystem verbleiben. Dies führt dazu, dass die Wohnungslosenhilfe teilweise zu einem Sammelbecken für alle sozialen Schwierigkeiten geworden ist, denen in anderen Systemen wesentlich kompetenter begegnet werden könnte.

 

Da Wohnungslosigkeit aber den Anspruch auf vorrangige Hilfen nicht aufhebt, gilt es, die Schnittstellen zwischen der Wohnungslosenhilfe und anderen Hilfeformen, wie z. B. der Eingliederungshilfe, der Psychiatrie, dem Jugendamt, etc. neu zu beschreiben. Dafür wird eine bessere Vernetzung mit den vorrangigen Stellen und Hilfesystemen angestrebt.

 

  • Trägervielfalt

Die operative Umsetzung des Konzeptes soll auch weiterhin in einem Mix aus städtischem Handeln und Einbindung von externen Trägern.  Das System hat sich in Kiel bewährt. Daher wird die weitere Zusammenarbeit mit den bisherigen Trägern angestrebt. Gleichzeitig bietet das Konzept aber auch die Möglichkeit, dass sich neue  Partner einbringen.

 

Die bisherigen Zuwendungsverträge werden in der Folge des Beschlusses  an die neuen Umfänge und Inhalte angepasst. Für neue Module (wie z.B. den Shelter oder Concierge-Modelle) werden neue Zuwendungsverträge geschlossen werden müssen. 

 

Das Konzept wird gegenüber dem bisherigen (eher niedrigschwelligen und verwahrenden) System zu Kostensteigerungen führen. Nach ersten Schätzungen erhöht sich der finanzielle Bedarf von bisher rund 1.420.000 € auf rund 3.300.000,- € ab 2020. Diese Mittel sind bereits ab dem Haushalt 2020 eingestellt und beschlossen worden.

 

Die  angestrebte deutliche Reduzierung der Hotelkosten soll letztendlich zu insgesamt geringeren Ausgaben im städtischen Haushalt führen.

 

  • Verbesserung der Rahmenbedingungen

Der Erfolg des Konzeptes wird in den nächsten Jahren davon abhängen, dass sich der Kieler Wohnungsmarkt entspannt. Entscheidend ist, dass genügend  bezahlbarer Wohnraum angeboten werden kann. Die Stadt ist dabei auf die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit der Wohnungswirtschaft und deren Bereitschaft, den von uns betreuten Menschen eigene Mietverträge zu geben, angewiesen.

 

Durch die gerade in der Gründung befindliche Kieler Wohnungsgesellschaft (KiWoG) entsteht zudem erstmal seit langer Zeit in Kiel wieder die Chance, dass die Stadt  durch eigenen, sozial geförderten Wohnungsbau Wohnraum auch r die Klientel der Wohnungslosenhilfe schafft.

 

 

 

 

 

 

 

Gerwin Stöcken

Stadtrat

 

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Anlagen

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Beschlüsse

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Feb 27, 2020 - Ausschuss für Soziales, Wohnen und Gesundheit - ungeändert beschlossen

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Mar 19, 2020 - Ratsversammlung - vertagt

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May 14, 2020 - Ratsversammlung - ungeändert beschlossen