Infosystem Kommunalpolitik
Geschäftliche Mitteilung - 0496/2020
Grunddaten
- Betreff:
-
Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Haushalt 2020 und die Finanzplanung der Landeshauptstadt Kiel
- Status:
- öffentlich (Drucksache abgeschlossen)
- Drucksachenart:
- Geschäftliche Mitteilung
- Federführend:
- Dezernat III
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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Erledigt
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Ratsversammlung
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Kenntnisnahme
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Jun 11, 2020
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Erledigt
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Finanzausschuss
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Kenntnisnahme
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Jun 25, 2020
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Sachverhalt/Begründung
Die Corona-Pandemie führt zu tiefgreifenden Veränderungen im Wirtschafts- und Finanzsektor mit einem signifikanten Rückgang des Bruttoinlandproduktes (BIP) in diesem Jahr. Anfangs standen Maßnahmen im Gesundheitsschutz und zur Stabilisierung der Wirtschaft im Vordergrund, Bund und Land haben umfangreiche Maßnahmen auf den Weg gebracht und Nachtragshaushalte beschlossen.
Für den Haushalt der Landeshauptstadt Kiel sind in dieser außerordentlichen Situation massive Mindererträge und gravierende Mehraufwendungen zu erwarten. In der Gesamtschau der Folgen wurde die Verschlechterung Anfang April 2020 bereits mit mind. 100 Mio. Euro gegenüber der ursprünglichen Planung angenommen.
Die Dimension der Auswirkungen wird noch deutlicher, wenn man berücksichtigt, dass der städtische Jahresabschluss 2019 mit einem positiven Ergebnis von rd. 3,9 Mio. Euro schließt und der Haushalt 2020 mit einem positiven Jahresergebnis von 0,5 Mio. Euro geplant wurde.
Im Runderlass des Ministeriums für Inneres, ländliche Räume und Integration vom 30. März 2020 wurden „bereits jetzt nicht unerhebliche Folgen“ festgestellt, die sich allerdings „hinsichtlich Struktur und Aufgabenzuständigkeit sehr unterschiedlich gestalten werden“. Die im Gemeindehaushaltsrecht bestehenden Deckungsfähigkeiten wurden dabei vom Ministerium allerdings als ausreichend erachtet.
Weitergehende Empfehlungen zum kommunalhaushaltsrechtlichen Umgang wurden zum Runderlass „Aufstellung der Haushaltspläne der Kommunen für das Haushaltsjahr 2021 (Haushaltserlass 2021)“ in Aussicht gestellt. Das Land hat vorsorglich darauf hingewiesen, dass „Anstrengungen zur Haushaltskonsolidierung im Ergebnisplan / Verwaltungshaushalt zumindest insoweit vorzubereiten sind, dass sie nach erfolgreicher Bekämpfung des neuen Coronavirus SARS-CoV-2 umgesetzt werden können und etwaige Finanzprobleme beherrschbar bleiben“.
In Kenntnis der Dimension der im Jahresverlauf eintretenden Verschlechterungen haben der Oberbürgermeister und der Kämmerer von Bund und Land wirksame Maßnahmen zur Unterstützung gefordert (Stichwort „Kommunaler Rettungsschirm“) und über den Städtetag/Städteverband S.-H. und den Deutschen Städtetag Vorschläge eingebracht. Gefordert wurden strukturelle Hilfen für einen mittelfristigen Zeitraum durch das Land bzw. den Bund für die Kommunen.
Wichtig ist, dass zusätzlich zu den bestehenden Defiziten und Herausforderungen „Corona-bedingte“ Folgen nicht allein auf der Ebene der Kommunen bewältigt werden können. Eine Kompensation als Konsolidierung (wie im Runderlass des Landes angedeutet) wurde zusätzlich zu den bestehenden Defiziten und Herausforderungen als nicht zielführend bewertet. Die Folge wären signifikante Verzögerungen und Einschnitte bei den notwendigen Maßnahmen für die Zukunfts- wie Funktionsfähigkeit der Stadt. Vielmehr sollten die vor der Krise gesetzten politischen Schwerpunkte und insbesondere die notwendigen Investitionsmaßnahmen mit Nachdruck verfolgt werden.
Die Ergebnisse der regionalisierten Steuerschätzung Mai 2020 haben für die Landeshauptstadt Kiel zwischenzeitlich folgende Auswirkungen ergeben:
- Voraussichtlicher Rückgang der Gemeindeanteile an der Einkommens- und Umsatzsteuer i.H.v. 13 Mio. Euro in 2020 (rd. 8 Mio. Euro in 2021).
- Voraussichtlich wesentlich geringere Mittel aus dem kommunalen Finanzausgleich (FAG) i.H.v. 31 Mio. Euro in 2020 (rd. 12 Mio. Euro in 2021). Hierbei handelt es sich um die Auswirkungen der Steuerschätzung auf der auf die Kommunen zu verteilende Verbundmasse (nach bisheriger FAG-Systematik).
Diese Ergebnisse machen es erforderlich, die bisher bereits prognostizierte Verschlechterung für den Haushalt der Landeshauptstadt Kiel von bisher 100 Mio. Euro nochmals auf 125 Mio. Euro im Haushaltsjahr 2020 anzupassen.
Der Koalitionsausschuss im Bund hat sich am 3. Juni 2020 auf Eckpunkte eines Konjunkturpakets verständigt. Maßnahmen im Umfang von insgesamt 130 Milliarden Euro sollen Beschäftigte und Familien unterstützen, Unternehmen stabilisieren, die Modernisierung des Landes voranbringen und dafür sorgen, dass Deutschland gestärkt aus der Krise hervorgeht.
Unmittelbare Haushaltsrelevanz auf die Landeshauptstadt Kiel haben aus diesem Konjunkturpaket zum jetzigen Zeitpunkt folgende Maßnahmen:
- Stärkung der Kommunen durch dauerhafte Erstattung der Kosten der Unterkunft i.H.v. 75%, statt bisher 50%. Diese Maßnahme erfordert allerdings noch eine Änderung der Verfassung.
- Kompensation der aktuellen krisenbedingten Ausfälle bei den Gewerbesteuererträgen durch einen kommunalen Solidarpakt 2020. Der Bund gewährt einen pauschalierten hälftigen Ausgleich, die Ko-Finanzierung soll durch die Länder erfolgen.
- Stärkung der Binnennachfrage durch eine befristete Senkung der Mehrwertsteuersätze vom 1.7.2020 bis zum 31.12.2020.
Die höhere Erstattung der Kosten der Unterkunft würde die Landeshauptstadt Kiel bei ganzjähriger Erstattung in diesem Jahr voraussichtlich um rd. 20 Mio. Euro entlasten (rd. 22 Mio. Euro in 2021).
Die krisenbedingten Ausfälle bei den Gewerbesteuererträgen werden in 2020 aktuell auf rd. 65 Mio. Euro geschätzt. Abzüglich des korrespondierenden Effekts der Reduzierung der Gewerbesteuerumlage (Aufwandsminderung i.H.v. rd. 5 Mio. Euro), wird im Saldo aktuell eine Verschlechterung i.H.v. rd. 60 Mio. Euro erwartet. Die Berechnung der Kompensation ist noch nicht abschließend festgelegt. Vom Bundesfinanzministerium wurde auf Arbeitsebene ein Berechnungsmodell auf Basis vergangener Steuerschätzungen vorgestellt, das für den Stadthaushalt eine Entlastung i.H.v. insgesamt rd. 30 Mio. Euro bedeuten würde. Dabei ist zu beachten, dass die Hälfte der rd. 30 Mio. Euro durch das Land erfolgen müsste.
Der Bund hat darüber hinaus in Aussicht gestellt, dass die Senkung der Mehrwertsteuersätze nicht zu Lasten der kommunalen Steueranteile führen soll. Dann wäre hier kein weiterer Minderertrag zu erwarten.
Das Konjunkturpaket erhält darüber hinaus Effekte, die sich auch im kleineren Maßstab auf die Landeshauptstadt Kiel positiv auswirken werden (z.B. Senkung des Mehrwertsteuersatzes für Aufträge und Dienstleistungen, degressive Abschreibungsmöglichkeiten), aber aktuell noch schwer zu schätzen sind.
Beachtenswert in diesem Konjunkturpaket sind viele weitere Maßnahmen, die bestehende Förderprogramme signifikant aufstocken bzw. neue Fördermöglichkeiten schaffen. Der Oberbürgermeister hat für die angedachte kurzfristige Umsetzung im zweiten Halbjahr 2020 eine dezernatsübergreifende Arbeitsgruppe („Task Force“) eingesetzt. Ziel muss es sein, für die Landeshauptstadt Kiel wesentliche Förderbeiträge zu generieren und wirksame Maßnahmen umzusetzen.
Eine abschließende Bewertung des Konjunkturpakets kann jedoch erst nach den konkreten Beschlüssen der Bundesregierung, den Beratungen in Bundestag und Bundesrat sowie nach Beschlüssen der Landesregierung bzw. des Landtags erfolgen.
Die im Konjunkturpaket beschriebenen Maßnahmen lassen eine substanzielle Entlastung erwarten. Eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass diese Entlastung tatsächlich eintritt, ist allerdings, dass das Land nicht nur die Zielsetzungen des Konjunkturpaktes teilt, sondern zu dessen Umsetzung eigene finanzielle Beiträge leistet. Dies betrifft z.B. die hälftige Finanzierung der Kompensation der Ausfälle bei den Gewerbesteuererträgen und darüber hinaus Möglichkeiten der Kompensation bei den zu erwartenden hohen Ausfällen im kommunalen Finanzausgleich.
Daneben wird vom Land erwartet,
- dass alle vom Bund für die Kommunen vorgesehenen Mittel schnell, unbürokratisch und in voller Höhe weitergeleitet werden und
- dass das Land die vom Bund angestrebten vergaberechtlichen Erleichterungen im eigenen Zuständigkeitsbereich unterstützt, damit die Kommunen auch tatsächlich schnell agieren können.
Eine haushaltswirtschaftliche Sperre gem. § 29 GemHVO-Doppik wird weiterhin als nicht geeignet bewertet. Stattdessen wird aufgrund des wahrscheinlich erheblichen Jahresfehlbetrages voraussichtlich im September eine Nachtragssatzung („Nachtragshaushalt“) notwendig werden. Dazu soll der Ratsversammlung im August die Halbjahresprognose mit konkreten Zahlen und abschließender Bewertung vorgelegt werden.
Besonders zu beachten ist, dass die bei einer Nachtragssatzung eintretende Genehmigungspflicht durch das Land zu einer dann nur noch eingeschränkten Kreditermächtigung für Investitionen führen könnte. Die Landeshauptstadt Kiel erwartet allerdings vom Land, dass - ausgehend von den Zielsetzungen des Konjunkturpaketes (= Stützung und Stärkung der Wirtschaft durch öffentliche Investitionen) - eine Haushaltsgenehmigung gerade nicht durch einschränkende Auflagen kontraproduktiv wirkt und Investitionstätigkeit bremst.
Auch ist zu beachten, dass die Landeshauptstadt Kiel durch die Konsolidierungsvereinbarung mit dem Land (vgl. Vorlage 1020/2019) verpflichtet ist, entsprechende Eigenleistungen zu erbringen und insbesondere freiwillige Leistungen zu begrenzen (bzw. gegen zu finanzieren).
Die Bewirtschaftung des Haushalts 2020 und die Aufstellung des Haushaltsplans 2021 erfolgt auf Basis der beschlossenen Finanzstrategie „Grundsätze einer nachhaltigen Finanzwirtschaft“ (vgl. Vorlage 0903/2019). Parallel sind das Berichtswesen zu intensivieren und die „Corona-Folgen“ möglichst transparent darzustellen.
Christian Zierau
Stadtrat und Kämmerer