Infosystem Kommunalpolitik
Geschäftliche Mitteilung - 0300/2021
Grunddaten
- Betreff:
-
Zwischenberichte zur Unterstützung gelingender Bildungsbiografien in RegeleinrichtungenNr. 2 „Einsatz von Klassenbegleitungen an Gaardener Grundschulen“
- Status:
- öffentlich (Drucksache abgeschlossen)
- Drucksachenart:
- Geschäftliche Mitteilung
- Federführend:
- Jugendamt
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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Erledigt
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Jugendhilfeausschuss
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Kenntnisnahme
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Mar 31, 2021
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Erledigt
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Ausschuss für Schule und Sport
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Kenntnisnahme
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May 18, 2021
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Erledigt
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Ratsversammlung
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Kenntnisnahme
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May 20, 2021
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Sachverhalt/Begründung
- 1 -
Dieser Bericht schließt an die Geschäftliche Mitteilung über die Ankerklassen (Drs. 0189/2021) an. Die Einführung „Hintergrund“ ist identisch, um den Zusammenhang herzustellen und wird daher kursiv gedruckt.
Diese Geschäftliche Mitteilung beschreibt im Rahmen des Einsatzes von Klassenbegleiter*innen an Gaardener Grundschulen gewonnene Erkenntnisse. In Kürze berichtet das Jugendamt über das dritte Präventionsangebot, das an Gaardener Kindertagesstätten etabliert wurde.
Hintergrund
Die Ausrichtung im Dezernat für Bildung, Jugend, Kultur und Kreative Stadt ist „Bildung und Kultur für alle“ mit dem Leitmotiv, sowohl gelingende Bildungsbiografien zu unterstützen als auch junge Menschen dabei zu begleiten, ihre Potenziale bestmöglich zu entfalten.
Das umfasst neben der Übergangsgestaltung im Bildungsmanagement mit dem Jugendamt, dem Amt für Kinder- und Jugendeinrichtungen sowie den freien Trägern und anderen Institutionen (Frühkindliche Bildung und Elternbildung, Übergang Kita-Schule, Übergang Schule-Beruf) auch die präventive Förderung innerhalb der Regelsysteme.
Der Ansatz ist, frühzeitig fördernde Bedingungen flankierend über die Jugendhilfe anzubieten.
„Prävention vor Intervention“ ist die Leitorientierung. Gemeinsam haben Verwaltung und Selbstverwaltung in den letzten Jahren diese Umorientierung in Richtung sogenannter Präventiver Hilfen durch Bereitstellung finanzieller und personeller Ressourcen vorgenommen.
Der übergeordnete Leitgedanke von wesentlichen Präventionskonzepten ist die größtmögliche Teilhabe aller Kinder von Anfang an. Kinder sollen Kita und Schule als Orte erleben, an denen sie sich wohlfühlen und ihre Fähigkeiten entfalten können. Eltern sollen - wann immer benötigt - Rat und Hilfe erhalten. Zur Bildungsgerechtigkeit zählt, dass ungleiche Bedingungen auch ungleich- und somit ausgleichend - zu behandeln sind. Weichen für gelingende Einstiege müssen gestellt werden, um einen erfolgreichen und dauerhaften Verbleib im Regelsystem Schule zu sichern. Gesellschaftliche Entwicklungen erfordern regelmäßige Analysen und gegebenenfalls Korrekturen. Ferner braucht es Innovation und die zeitnahe Umsetzung neuer Konzepte.
Die Verantwortungsgemeinschaft - bestehend aus Jugendhilfe und Schule sowie Kita - hat in
Kiel tragfähige Kooperationsstrukturen geschaffen, die gelingende Bildungswege von Kindern mit innovativen Konzepten unterstützen.
In diesem Sinne wurden im Bildungs- und Jugenddezernat über die Stadtgrenze hinaus beachtete Kieler Innovationen zur Unterstützung und Förderung gelingender Bildungsbiografien umgesetzt, die vom Jugendamt in Kooperation mit Regeleinrichtungen ausgestaltet sowie von der Kieler Ratsversammlung ermöglicht werden. Dazu gehören unter anderem
- die Ankerklassen mit Lehrkräften und pädagogischem Personal an sechs Kieler Grund- schulstandorten,
- der Einsatz von Klassenbegleiter*innen an zwei Gaardener Grundschulen sowie
- der Einsatz von (heil-) pädagogischen Zusatzkräften in den zwölf Gaardener Kinder-
tageseinrichtungen.
In regelmäßigen Abständen wird die Selbstverwaltung über die Entwicklung der Konzepte informiert. Ein besonderer Blick wird auf die Wirkung auf Bildungsbiografien gelegt. In der zweiten Jahreshälfte 2020 wurde bereits im Rahmen des Fortschrittsberichtes 2020 zu Gaarden hoch 10 (Drs. 0748/2020) berichtet. Ferner finden sich Beschreibungen des Ist-Standes in der Drucksache „Unterstützungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche an Schule“ (1073/2020) sowie in der aktuellen Kitabedarfsplanung (Drs. 0429/2020).
„Gaarden macht gute Schule“ – Einsatz von Klassenbegleitung an der Fröbelschule und an der Hans-Christian-Andersen-Stadtteilschule (Drs. 1078/2018)
Das Kieler Jugendamt unterstützt seit dem Schuljahr 2019/20 mit einer besonderen Form Grundschüler*innen im Stadtteil Gaarden. Im Rahmen eines vierjährigen Modellprojektes erhalten die Klassenstufen 1 und 2 - einschließlich der „Deutsch als Zweitsprache“ (DaZ)-Basisklassen - personelle Verstärkung für ein gelingendes Ankommen an Schule.
An der Fröbelschule sind insgesamt neun und an der Hans-Christian-Andersen-Schule zehn sogenannte Klassenbegleiter*innen tätig, die in Tandems mit den Klassenlehrkräften den Unterrichtsvormittag gestalten und die Kinder vor und nach Unterrichtsbeginn sowie in den Pausen begleiten.
Auf Wunsch der Schulen haben die Träger, die bereits mit anderen Aufgaben am Standort betraut sind, die Anstellung der Klassenbegleitung übernommen. An der Fröbelschule hat das Jugendamt der Landeshauptstadt Kiel und an der Hans-Christian-Andersen-Schule die inab
- Ausbildungs- und Beschäftigungsgesellschaft des bfw mbH - die Trägerschaft inne.
Das Projekt begann zum Schuljahr 2019/2020 mit allen ersten Klassen und wurde mit Beginn des Schuljahres 2020/2021 auf die gesamte zweite Jahrgangsstufe ausgeweitet. Bei einer Laufzeit von vier Jahren beträgt die Fördersumme insgesamt ca. 1.173.000 €.
Im Folgenden wird nun eine erste Zwischenbilanz auf Basis einer Befragung der Fachkräfte und einem Austauschtreffen mit Praktiker*innen gezogen.
Befragung der Klassenbegleiter*innen und der Regellehrkräfte im Frühjahr 2020
Die Entwicklungen im ersten Schulhalbjahr 2019/20 wurden über eine Befragung der Tandems
- bestehend aus Klassenbegleiter*innen und Regellehrkräften - durch die Stabsstelle Jugendhilfeplanung im Jugendamt erhoben und ausgewertet. Analog der Evaluation der Schulassistenz an Kieler Grundschulen wurden Erkenntnisse zu den Aufgaben und Einsatzschwerpunkten sowie zu Rolle und Profil gewonnen. Die Befragung erfolgte standortbezogen und wurde anonymisiert ausgewertet. Der Rücklauf lag bei 85%.[1] Nach einer sechsmonatigen Laufzeit konnte folgendes Zwischenfazit gezogen werden:
- Der Projektstart ist gelungen.
- Das Angebot der Klassenbegleitungen stärkt die Kinder durch die Verzahnung der Kompetenzen der Systeme Schule und Jugendhilfe.
- Die Klassenbegleiter*innen tragen zur Verbesserung der Bildungschancen bei, indem sie Motivation und Aufgabenverständnis befördern, auf Regeleinhaltung achten und mit den Kindern soziales Verhalten einüben.
- Die Kräfte unterstützen im Unterricht und helfen praxisnah und umgehend bei der Sicherung der elementaren Grundbedarfe der Schüler*innen der Eingangsphase.
- Die Kinder mit sozial-emotionalen Förderbedarfen stehen im Fokus und profitieren in besonderem Maße durch individuelle Ansprache und Hilfestellungen.
- Im Tandem mit der Klassenlehrkraft ist die Klassenbegleitung Bindeglied zu den Eltern und offen für außerschulische Themen.
Über die Befragung wurden drei Weiterqualifizierungsbedarfe ermittelt:
- Arbeit mit Eltern und Familien (Haltung und Methodenkompetenz)
- Sozialräumliche Vernetzung (Wissen über / Nutzen der Angebote im Stadtteil Gaarden)
- Übergang Kita-Schule
Austauschtreffen mit den Praktiker*innen im Herbst 2020
Im Oktober 2020 fand an beiden Schulen mit den Tandems, den Schulleitungen, der Jugendamtsleitung, der Stabsstelle Jugendhilfeplanung und den Koordinator*innen der Träger ein Termin für eine Zwischenbilanz statt. Neben der Vorstellung der Befragungsergebnisse zum
1. Schulhalbjahr 2019/2020 war Zeit für Austausch und Diskussionen.
Lehrkräfte und Klassenbegleiter*innen an der Hans-Christian-Andersen-Schule und an der Fröbelschule zogen ein ausgesprochen positives Fazit. Alle Tandems seien mittlerweile sehr gut aufeinander eingestellt. Eine Vielzahl positiver Aspekte wurde hervorgehoben:
- Die durchgehende Anwesenheit der Zusatzkräfte sorgt für Halt und einen sicheren Rahmen.
- Die Klassenbegleiter*innen sind Bezugspersonen, die eine enge emotionale Beziehung zu ihren Schüler*innen haben.
- Es besteht eine hohe Verlässlichkeit und Kontinuität für die Kinder.
- Regeln und Rituale lassen sich durch die durchgehende Anwesenheit der Klassenbegleitungen schneller einführen.
- Die Anwesenheit der Klassenbegleitungen führt zu mehr Ruhe.
- Streit in den Pausen kann sofort geklärt werden, ohne unnötig Einfluss auf das Unterrichtsgeschehen zu nehmen.
- Die Kinder haben weniger Angst in die Schule zu kommen. Es gibt weniger Auseinandersetzungen und Konflikte. Auch im Pausenverhalten wirkt sich dies positiv aus.
- Ein störungsfreierer Unterricht wirkt sich auf das Lernverhalten der Schüler*innen positiv aus.
- Konzentration und Lernvermögen erhöhen sich durch die Anwesenheit von zwei Erwachsenen.
- Mit den Kindern kann intensiver gearbeitet werden, sie erhalten mehr Zuwendung. Für einzelne Lernschritte haben die Kinder - bei Bedarf - mehr Zeit.
- Im Bedarfsfall kann der Unterricht fortgeführt werden, da es eine weitere Person gibt.
- Der Kontakt zu Eltern wird als besonders wertvoll geschildert. Diese fühlen sich stärker gesehen und haben eine verfügbare Ansprechperson, die nicht sofort mit dem Unterricht beginnen muss und somit Zeit für Anliegen hat.
- Da die Klassenbegleitungen an der Hans-Christian-Andersen-Stadtteilschule ebenfalls Mitarbeiter*innen im Ganztag der inab sind, war ein sehr schneller Vertrauensaufbau zu den Schüler*innen machbar. An der Fröbelschule hat sich eine enge Verzahnung mit der Schulsozialarbeit entwickelt, die als sehr förderlich beschrieben wird.
- Durch die teilweise Begleitung / Beobachtung der Schüler*innen über den ganzen Tag hinweg entsteht ein ganzheitliches Bild von den einzelnen Kindern.
Zu den Ideen und Wünschen der Tandems zählen gemeinsame themenspezifische Fortbildungen und Teamangebote, mehr Zeit für Absprachen, fest terminierte Besprechungszeiten, mehr zeitliche und fachliche Ressourcen für Elternarbeit, für einzelne Kinder sowie zur Abdeckung von Randzeiten.
Aufgrund der pandemiebedingten Schulschließungen gestaltet sich der Einsatz momentan anders als geplant. Die Klassenbegleitungen sind mit den Lehrkräften in engem Austausch. Es werden Arbeitspakete für die Schüler*innen erstellt und verteilt. Die Schüler*innen werden zu Spaziergängen abgeholt. Kontakte mit Eltern finden statt. Darüber hinaus sind viele Schüler*innen gut versorgt in der Notbetreuung. So gelingt es, dass die Klassenbegleitungen neben den Klassenlehrkräften den Kontakt zu den Schüler*innen aufrecht halten.
Im Schuljahr 2021/22 kommt der erste Jahrgang mit einer zusätzlichen Begleitung in die dritte Klasse. Die Klassenbegleitung entfällt. Es wird sich zeigen, ob die Verbesserungen im Hinblick auf Lernklima und Lernerfolge gehalten werden. Die Klassenbegleiter*innen werden dann erneut die Erstklässler*innen begleiten. Zwischen „alten“ und „neuen“ verantwortlichen Bezugspersonen wird eine gute Überleitung zu gestalten sein.
In der zweiten Jahreshälfte 2020 konnte die Fachhochschule Kiel mit der wissenschaftlichen Begleitforschung beauftragt werden. Nach Prüfung der vergaberechtlichen Bestimmungen ist es gelungen, Herrn Prof. Dr. Kai Marquardsen vom Fachbereich Soziale Arbeit als Experten für Armut und soziale Ungleichheit zu gewinnen. Bis zum Februar 2021 wurden Erhebungsinstrumente entwickelt. Auf der Ebene der Führungs- und Fachkräfte im Jugendamt wurden Expert*inneninterviews durchgeführt. Ein Fragebogen, der auch die Wirkung der Klassenbegleitungen im Schulalltag erfragt, wird voraussichtlich im Mai 2021 zum Einsatz kommen. Das Fachhochschulteam plant Beobachtungen im Klassengeschehen und wird die Notenentwicklung, Schulartempfehlungen und faktischen Übergänge – im Sinne von Wirkung und Nachhaltigkeit – erfassen. Eine wichtige Expert*innengruppe für die Evaluation des Projektes stellen zudem die Sorgeberechtigten dar. Ferner sind Gruppeninterviews mit den Schüler*innen in den beteiligten Klassen geplant. Ein erster Bericht wird im Herbst 2021 erwartet.
Fazit:
Aus Sicht der Tandems ist das Modellprojekt „Klassenbegleitung in der Eingangsstufe“ ein Erfolgsmodell. Die durchgehende Anwesenheit umrahmt die Kinder und sorgt für Halt und Sicherheit. In Pandemiezeiten erweisen sich Kooperation und Stärkung als besonders wertvoll.
Renate Treutel
Bürgermeisterin
[1] Die umfangreiche Auswertung vom 22.04.2020 mit den vollständigen Befragungsergebnissen kann über die Jugendhilfeplanung zur Verfügung gestellt werden.