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ALLRIS - Drucksache

Geschäftliche Mitteilung - 0415/2021

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Sachverhalt/Begründung

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Durch die Corona-Pandemie ist das Thema der Lufthygiene in Räumen über die ohnehin schon bestehenden Anforderungen hinaus in den Fokus gerückt und hat eine deutliche Sensibilisierung erfahren. Die Versorgung mit ausreichender Frischluft gilt als wesentliches Instrument zur Reduzierung der Virenlast und der damit einhergehenden abnehmenden Wahrscheinlichkeit der Übertragungen von Covid-19 Viren innerhalb eines Raumes.

Die Verwaltung informiert mit Bezug auf die durch die Ratsversammlung am 18.02.2021 beschlossene Drucksache 0200/2021 über den aktuellen Stand der Überprüfungen und Erkenntnisse zur Lüftung unter Pandemiebedingungen in den Kieler Schulen.

 

Grundlagen

 

r Bildungseinrichtungen in Schleswig-Holstein wurde durch das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur (MBWK) im Oktober 2020 eine Empfehlung zur „Lufthygiene in Unterrichtsräumen in Schulen und vergleichbaren Bildungseinrichtungen während der SARS-CoV-2-Pandemie“ herausgegeben, in die auch die seinerzeit vorliegenden Erkenntnisse des Bundes bzw. des Umweltbundesamtes eingeflossen sind. 

Ergänzend hat das MBWK ein Informationsschreiben veröffentlicht, in dem konkrete Anwendungsbeschreibungen zum richtigen Belüften eines Unterrichtsraumes gegeben werden. Danach soll in einem Unterrichtsraum alle 20 Minuten für 3 bis 5 Minuten eine Stoßlüftung per Fensteröffnung erfolgen.  

 

Das Umweltbundesamt hat ebenfalls Informationsschreiben veröffentlicht, in denen besondere Themenschwerpunkte behandelt werden, die Einfluss auf die Lufthygiene in Unterrichtsräumen haben. Diese basieren auf entsprechenden Stellungnahmen der dortigen Kommission für Innenraumhygiene (IRK).

 

Bei der Belüftung eines Raumes wird zwischen einer natürlichen Belüftung über Fensteröffnungsflächen und einer mechanischen Belüftung durch raumlufttechnische Anlagen (RLT-Anlagen) unterschieden. In Abhängigkeit der jeweiligen schulischen Nutzung eines Raumes werden durch das Umweltbundesamt unterschiedliche Mengen an notwendiger zuzuführender Frischluft definiert. Die Belüftung wird durch die Luftwechselzahl bzw. Luftwechselrate [1/h] bemessen, die aussagt, wie oft die Raumluft in einem Raum innerhalb einer Stunde mit Frischluft ausgetauscht wird.

 

Für Unterrichtsräume wird aktuell eine Luftwechselrate von 3 und für Sporthallen eine Luftwechselrate von mindestens 5 empfohlen.

 

 

Grundsätzlich sollen nur Unterrichtsräume genutzt werden, die ausreichend belüftet werden können. Wenn ein Unterrichtsraum nicht ausreichend mit einer Fensterbelüftungsmöglichkeit ausgestattet ist und eine organisatorische Lösung durch die Nutzung von ausreichend belüfteten Ausweichflächen nicht umsetzbar ist, sollen entsprechend der Empfehlung des Umweltbundesamtes Maßnahmen ergriffen werden, um eine ausreichende Belüftung zu ermöglichen. Bauliche Maßnahmen können durch die Ertüchtigung von Fensteröffnungsmöglichkeiten oder durch den Einsatz von RLT-Anlagen umgesetzt werden.

 

Umsetzung und Auswirkungen der Lüftungsempfehlung in den Kieler Schulen

 

Da zu den vielfältigen Themen im Umgang mit den erhöhten Anforderungen an die Raumluftqualität in den Unterrichtsräumen eine amtsübergreifende Koordinierungs- und Abstimmungsnotwendigkeit besteht, sind die Immobilienwirtschaft, das Amt für Schulen und das Amt für Gesundheit im regelmäßigen Austausch. Im Folgenden wird der aktuelle Stand der Abstimmungen zu einzelnen Aspekten dargestellt.

 

Innenliegende Unterrichtsräume

 

Mit der Veröffentlichung der Lüftungsvorgabe für Unterrichtsräume wurden alle innenliegenden Unterrichtsräume überprüft, in denen das Fensterlüftungsgebot nicht umsetzbar ist. Es wurde festgestellt, dass alle innenliegenden Unterrichtsräume (Klassen- und Fachräume) über eine technische Anlage hinreichend belüftet werden können. Keine direkte Belüftungsmöglichkeit besteht für 8 kleinere Räume im BZM, die als Differenzierungsräume in belüfteten Flurbereichen baulich abgetrennt wurden, und 6 vergleichbare Räume in der Lilli-Nielsen-Schule, die von belüfteten Klassenräumen abgetrennt wurden.

 

Nachrüstung von Lüftungsanlagen bei vorhandener, nicht ausreichender Fensterlüftung

 

Am Hans-Geiger-Gymnasium wurden 5 Räume identifiziert, in denen zwar Belüftungsmöglichkeiten über Fenster vorhanden sind, die jedoch nicht ausreichen und auch nicht entsprechend erweitert werden können, um dem Lüftungsbedarf unter Pandemiebedingungen nachzukommen. Da in allen Räumen die baulichen Voraussetzungen für die Nachrüstung einer raumlufttechnischen Anlage gegeben sind, wurde diese beauftragt und die Förderung durch das Hygieneprogramm des MBWK beantragt. Die Nachrüstung erfolgt in 2021.

 

Die Nachrüstung von Lüftungsanlagen in Räumlichkeiten, in denen nutzungsbedingt ein erhöhter Lüftungsbedarf besteht, z.B.  bei einer Maskenbefreiung im Unterricht, wie sie für Schüler*innen in Förderzentren mit dem Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung gelten wurde beauftragt und die Förderung durch das Hygieneprogramm des MBWK beantragt. Die Nachrüstung erfolgt in 2021. Hierbei handelt es sich um drei Klassenräume an der Lilli-Nielsen-Schule.

 

Eine flächendeckende Nachrüstung von RLT-Anlagen im Bestand ist aufgrund der vorhandenen Raumgeometrie, Denkmalschutzvorschriften und Brandschutzschriften oft nicht durchführbar. Zusätzlich ermöglichen die vorhandenen Raumhöhen teils nur bedingte Belüftungsmöglichkeiten. Eine flächendeckende Überprüfung ist daher nicht ergebnisführend. Eine Überprüfung kann nur bei ausgewählten Bildungseinrichtungen im Einzelfall wie bspw. einer Dunkelsporthalle zielführend sein.

 

Abluftanlagen im Eigenbau

 

Zur Verbesserung der Belüftungssituation in Unterrichtsräumen wurde durch das Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz ein Modellversuch erarbeitet. Mittels eines Abluftventilators und einfachen konstruktiven Punktabsaugungen soll mit wenigen technischen Mitteln, ggf. auch als Schüler*innen- und/oder Elternprojekt, eine mechanische Belüftungsanlage im Eigenbau umgesetzt werden.

 

Auch wenn diese niederschwellige Lösung sich zunehmend verbreitet, ist eine der Lüftungsvorgabe entsprechende Verbesserung der Raumluft durch eine selbstgebaute "Abluftanlage" für den Schulbetrieb bisher nicht hinreichend nachgewiesen.

 

Zudem müssen bei wesentlichen Eingriffen in die Gebäude (jede mechanische Belüftungsanlage ist ein wesentlicher Eingriff) die Landesbauvorschriften, insbesondere der Brandschutz, beachtet werden. Ferner gelten für die Errichtung und den Betrieb von Lüftungsanlagen einschlägige Hygienevorschriften, die u.a. Verwendbarkeitsnachweise der eingesetzten Materialien für die Anwendung im Schulbetrieb erfordern. Zudem muss auch auf den Verschmutzungsgrad durch Ablagerung von Teilchen auf den zusätzlichen Oberflächen dieser Anlagen hingewiesen werden.

 

Bei einer Ausstattung mehrerer Klassenräume eines Klassentraktes mit einer eigenkonstruierten "Abluftanlage", muss ferner zwingend das Lüftungskonzept für den gesamten Trakt ganzheitlich bewertet werden, um zu verhindern, dass Luft von einem Klassenraum in einen anderen überströmt.

 

Am Beispiel einer durch ein Lehrkräfteprojekt umgesetzten Lüftungsanlage an einer Kieler Schule konnte die wesentliche Funktionsfähigkeit nicht nachgewiesen werden. Der Einsatz dieser selbst gebauten Anlage hat eher zu einer Verschlechterung der Raumluftqualität beigetragen, da aufgrund der vermeintlichen ausreichenden maschinellen Belüftung die Fensterlüftung nur noch reduziert umgesetzt wurde.

 

Durch eine Prüfung der Luftbewegung mittels eines Rauchröhrchen-Tests wurde die fehlende Wirksamkeit während eines Vor-Ort-Termins den Lehrkräften und der Schulleitung veranschaulicht.

 

Einsatz von Luftreinigern / Luftfiltern

 

Der Einsatz von Luftreinigern mit HEPA-Filtern (HEPA=High Efficiency Particulate Airfilter) wird entsprechend der Stellungnahme der Kommission für Innenraumhygiene des Umweltbundesamtes in der letzten Aktualisierung vom 16.11.2020 weiterhin nur als ergänzende Maßnahme angesehen und erwogen, wenn

 

-          ein Unterrichtsraum nicht entsprechend der Lüftungsvorgabe des Landes ausreichend natürlich belüftet werden kann,

-          die Raumnutzung nicht durch organisatorische Maßnahmen umgangen bzw. kompensiert werden kann

-          und die Herstellung einer Fensteröffnungsmöglichkeit zum Stoßften oder der Einbau einer mechanischen Belüftung nicht umsetzbar ist.

 

In Räumen mit einer ausreichenden Fensterlüftung kann der Einsatz von mobilen Luftreinigern aufgrund der mechanischen Fremdluftströmung dagegen das Stoßlüften nachteilig beeinflussen. Darüber hinaus ist nicht auszuschließen, dass die Luftreiniger in eigentlich gut belüftbaren Räumen ein fälschliches Sicherheitsgefühl vermitteln, so dass die Fensterlüftung unterbleibt und somit die Belüftungssituation deutlich verschlechtert wird. 

 

Bezüglich der Luftreiniger selbst sind für den Einsatz in Schulräumen weitere Stör- und Gefährdungspotentiale im Hinblick auf Lärmentwicklung, Schutz vor unsachgemäßen Umgang aber auch der Lufthygiene zu berücksichtigen, da der Eintrag von Feinstaub aus den Filteranlagen in die Raumluft nicht ausgeschlossen werden kann. Um diese Gefährdungspotentiale und Bedenken auszuräumen, fehlen den Herstellern bisher entsprechende Verwendbarkeitsnachweise für den Einsatz im Schulunterricht.

 

Die Verwaltung hat sich in den vergangenen Monaten intensiv mit der Thematik der mobilen Luftreiniger und den Argumenten pro und kontra befasst und entsprechende Quellen ausgewertet.

 

Im Zuge der Recherchen ist aufgefallen, dass Herr Prof. Kähler, der als Befürworter der Luftreiniger in Erscheinung tritt und entsprechend gern zitiert wird, gleichzeitig intensive Vertriebsarbeit für einen deutschen Hersteller von Luftreinigern leistet und in Vorträgen von Produktvideos zu sehen ist. Ungeachtet seiner fachlichen Expertise ist seine Unbefangenheit in der Fürsprache daher vorsichtig zu bewerten.

 

„Auf der Gegenseite“ wurde durch Herrn Prof. Kriegel von der TU Berlin mit Strömungssimulationen für einen Unterrichtsraum festgestellt, dass die Wirksamkeit von mobilen Luftreinigern innerhalb eines Raumes wesentlich von dem Aufstellungsort der Geräte und der Position der erkrankten Person, von der die Aerosole ausgehen, abhängen. Ein flächendeckender Schutz für einen Klassenraum durch mobile Luftreiniger konnte nicht nachgewiesen werden, was auch zu einer entsprechenden Bewertung dieser Technik geführt hat.

 

Derzeit ist der Verwaltung keine neutrale Studie oder Quelle bekannt, die die bestehenden Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit aber insbesondere der möglichen negativen Auswirkungen bei einem Einsatz von Luftreinigern in Schulräumen ausräumen kann, zumal Simulationen unter Laborbedingungen im Ergebnis zwar Anhaltspunkte liefern aber nicht pauschal auf die praktische Anwendung übertragen werden können.

 

Die Verwaltung empfiehlt daher weiterhin, den Fokus auf die natürliche Belüftung zu legen und mobile Geräte nur im zwingenden Ausnahmefall einzusetzen, wobei in der konkreten Umsetzung dann ein Sachverständiger für Raumlufttechnik hinzugezogen werden sollte.

 

Luftreiniger lösen im Übrigen nicht das Problem der CO2-Konzentration im Laufe des Unterrichts, so dass hier weiterhin regelmäßiges Stoßlüften vollzogen werden muss.

 

Ein Raumluftreiniger mit Hepa-Filter kostet in Abhängigkeit von Bauform und Stückzahl zwischen 3.000 und 3.500 Euro brutto.

 

CO2-Messgeräte

 

Ergänzend zu der eingangs erläuterten Luftwechselrate wird auch der CO2-Wert in der Raumluft zur Bewertung der Lufthygiene eines Unterrichtsraumes herangezogen. Dabei wird ein CO2-Wert bis 1000ppm als hygienisch unbedenklich eingestuft. Bei einem Wert über 1000ppm sollen Lüftungsmaßnahmen intensiviert werden. Es wird daher empfohlen, Messgeräte einzusetzen, die bei einer Überschreitung des maßgeblichen CO2-Wertes ein optisches Signal geben und so auf das Lüftungsbedürfnis hinweisen.

 

Im September 2020 hat die Verwaltung die Beschaffung von CO2-Messgeräten zur Unterstützung des Lüftungsverhaltens in Schulen und Kindertageseinrichtungen veranlasst. Trotz der seinerzeit weltweit gestiegenen Nachfrage nach diesen Messgeräten und der daraus resultierenden massiven Lieferengpässe und Logistikprobleme konnte die Geräteausgabe bereits Anfang Dezember erfolgen. Die Förderung dieser Geräte erfolgt aus Mitteln des Hygieneprogramms des MBWK.

 Alle Kieler Schulen haben differenziert nach der Anzahl der Unterrichtsräume zwei bis vier Messgeräte erhalten, um in der Unterrichtssituation in allen Räumen für Schüler*innen und Lehrkräfte erkennbar, dass Lüftungsverhalten überprüfen und anpassen zu können.

 

Nach Rückmeldungen aus den Schulen zeigen die Messungen, dass die CO2-Konzentration von 1000ppm bereits nach 15 bis 20 Minuten Unterricht erreicht wird, und bestätigen damit die in den Lüftungsvorgaben benannten Lüftungsintervalle.

 

Sporthallen

 

Bei der Überprüfung der Sporthallen auf die Einhaltung der Belüftungsvorgaben wurde festgestellt, dass derzeit in keiner der Kieler Sporthallen der nach den Vorgaben des Umweltbundesamtes erforderliche 5-fache Luftwechsel erreicht werden kann.

 

 

Dies gilt insbesondere für die Dunkelhallen ohne Fenster, die mechanisch über eine RLT-Anlage belüftet werden. Auch eine umgehend veranlasste Überprüfung einer ergänzenden natürlichen Belüftung durch Öffnen der Fluchttüren konnte nicht den erforderlichen Luftwechsel aufzeigen. Daher bleibt der Verwaltung zurzeit keine andere Wahl, als diese Sporthallen aus dem Betrieb zu nehmen.

 

Gemäß § 11 der Corona-Bekämpfungsverordnung des Landes in der Fassung vom 19.04.2021 ist die Ausübung des Sports in geschlossenen Räumen derzeit nur allein, gemeinsam mit im selben Haushalt lebenden Personen oder einer weiteren Person zulässig. Diese Beschränkung gilt für jeden Raum oder innerhalb großer Räume (z.B. Sporthallen) für mindestens 80 Quadratmeter pro sporttreibender Person; die Sporttreibenden haben sich grundsätzlich gleichmäßig zu verteilen.

 

Derzeit wird in Abstimmung mit dem Ministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren (MSGJFS) geprüft, ob die Erfassung der Luftqualität durch die Messung von CO2-Werten als Interimsmaßnahme für den Nachweis einer ausreichenden Luftqualität in den Sporthallen erfolgen kann. Innerhalb der Verwaltung besteht bereits Konsens über einen grundsätzlichen Einsatz dieser Geräte in den notwendigen Sportstätten.

 

Dieser Probebetrieb ist nur in den zwingend notwendigen Sportstätten vorgesehen, in denen ausschließlich Kadersport und Sportprofile der Oberstufen an Gymnasien, Gemeinschaftsschulen mit Oberstufe und RBZ durchgeführt werden. Entsprechend der Vorgabe des Umweltbundesamtes wird der Grenzwert von 1000 ppm CO2 für eine hygienisch unbedenkliche Luftqualität berücksichtigt.

 

Für Schulen, wie z.B. denen mit Sportprofilen, bei denen ein zwingender Bedarf zur Durchführung des Sportunterrichts für die Abschlussjahrgänge besteht, hat das MSGJFS bereits signalisiert, dem Betrieb dieser Sporthallen unter begleiteten CO2-Messungen stattgeben zu wollen.

 

Zur langfristigen Einschätzung teilt das MSGJFS die Auffassung der Stadtverwaltung, dass die Vorgabe für einen 5-fachen Luftwechsel als Regelvorgabe nicht zu halten ist. Eine anderslautende Empfehlung ist jedoch derzeit nicht in Aussicht.

 

 

 

 

 

Doris Grondke

Stadträtin

 

 

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Beschlüsse

Erweitern

May 18, 2021 - Ausschuss für Schule und Sport - zur Kenntnis genommen

Erweitern

Jun 3, 2021 - Bauausschuss - zur Kenntnis genommen