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Geschäftliche Mitteilung - 0623/2021
Grunddaten
- Betreff:
-
Sachstandsbericht zur nachhaltigen und fairen Beschaffung in der Kieler Stadtverwaltung
- Status:
- öffentlich (Drucksache abgeschlossen)
- Drucksachenart:
- Geschäftliche Mitteilung
- Federführend:
- Umweltschutzamt
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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●
Erledigt
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Innen- und Umweltausschuss
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Kenntnisnahme
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Aug 3, 2021
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Erledigt
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Bauausschuss
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Kenntnisnahme
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Aug 5, 2021
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Erledigt
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Wirtschaftsausschuss
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Kenntnisnahme
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Aug 25, 2021
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Sachverhalt/Begründung
Als öffentliche Auftraggeber besitzen Kommunen ein enormes wirtschaftliches Potenzial und sollten somit eine Vorbildfunktion im Rahmen einer nachhaltigen und fairen Beschaffung einnehmen. In Kommunen wird rund die Hälfte der etwa 350 Milliarden Euro verantwortet, die bundesweit jährlich für die öffentliche Beschaffung durch Bund, Länder und Kommunen ausgegeben werden. Damit hat das Thema faire, soziale und ökologische Beschaffung in den öffentlichen Verwaltungen eine herausragende gesellschaftspolitische Bedeutung.
- Hintergrund
Die Geschäftliche Mitteilung zur 2. Rezertifizierung der Landeshauptstadt Kiel zur Fairtrade-Stadt (Drs.: 1056/2019) hat der Wirtschaftsausschuss der Landeshauptstadt Kiel im November 2019 zum Anlass genommen, das Thema nachhaltige Beschaffung in Kiel zu vertiefen und das Umweltschutzamt um eine Geschäftliche Mitteilung zum Thema „Nachhaltige und faire Beschaffung in der Kieler Stadtverwaltung“ zu bitten.
Damit wurde angeknüpft an Vorstöße der Selbstverwaltung, die schon im Jahr 2009 einen Aktionsplan zum Thema „Nachhaltige Beschaffung“ gefordert hatte. Folgende Beschlüsse und Drucksachen hat es seitdem gegeben:
- In dem Interfraktionellen Antrag „Ökologische Beschaffung bei der LH Kiel“ aus dem Jahr 2009 (Drs.: 0056/2009) wurde die Verwaltung beauftragt, einen Aktionsplan für ein nachhaltiges ökologisches Beschaffungswesen bei der Landeshauptstadt Kiel, ihren Eigenbetrieben, Kommunalunternehmen und Gesellschaften mit städtischen Beteiligungen zu erstellen.
Dieser Aktionsplan sollte sich an den ILO-Kernarbeitsnormen orientieren und umfasste ein Beschaffungsinventar, die Festlegung von produktspezifischen Zielen, die Entwicklung eines Umsetzungsplanes und eine zweijährige Berichterstattung.
- In der Geschäftlichen Mitteilung „Umweltfreundliche Beschaffung bei der Landeshauptstadt Kiel am Beispiel Informationstechnik und Papier“ (Drs.: 1005/2010) erfolgte eine Darstellung der oben genannten Themen.
- Im Jahr 2012 wurde der Interfraktionelle Antrag „Kiel wird Fairtrade-Stadt“ (Drs.: 0794/2012) vom Wirtschaftsausschuss angenommen. Bei allen Rats- und Ausschusssitzungen sowie im Büro der*des Oberbürgermeister*in soll fair gehandelter Kaffee und Tee verwendet werden. Weiterhin werden in den Büros der Dezernent*innen, der*des Bürgermeister*in, der*des Stadtpräsident*in sowie für städtische Sitzungen mit externen Gästen ausschließlich fair gehandelter Kaffee und fair gehandelter Tee verwendet.
- Mit dem Interfraktionellen Antrag „Sachstand ökologische Beschaffung bei der Landeshauptstadt Kiel“ (Drs.: 0173/2015) wurde eine Übersicht der Ergebnisse des Aktionsplans für ein nachhaltiges ökologisches Beschaffungswesen seit 2009 erbeten. Außerdem sollten die Ziele für die kommenden Jahre dargestellt werden.
- Im Jahr 2016 wurde die Geschäftliche Mitteilung „Sachstand ökologische Beschaffung bei der Landeshauptstadt Kiel“ (Drs.: 0247/2016) dargestellt. Dafür wurden die Angaben zehn verschiedener Ämter und neun städtischer Gesellschaften, Beteiligungen und Eigenbetriebe wiedergegeben.
- Mit Beschluss des Masterplan 100 % Klimaschutz-Konzepts im Juli 2017 (Drs.: 0985/2017) wurde in Maßnahme „K-016 Nachhaltiges Beschaffungswesen“ die Erarbeitung nachhaltiger Beschaffungsleitfäden geplant, um den CO2-Fußabdruck der Stadtverwaltung zu reduzieren und eine Vorbildrolle als Verwaltung einzunehmen.
- Im November 2019 wurde der Climate Emergency von der Ratsversammlung verabschiedet (Drs.: 1135/2019), in dem unter Punkt 8.1 die Verwaltung beauftragt wird, ein Konzept vorzulegen, um die Umsetzung von ökologischen Kriterien sowohl im städtischen Beschaffungswesen als auch bei der Vergabe von Aufträgen zu stärken. Dabei soll auch die Reparierbarkeit der beschafften Produkte berücksichtigt werden.
- Im November 2020 wurde das Zero Waste-Konzept (Drs. 0640/2020) durch die Ratsversammlung beschlossen, darin enthalten ist auch die Maßnahme „ÖV-002 Entwicklung eines Zero Waste-Guides für die öffentliche Beschaffung“.
Als Klimaschutz-, Climate Emergency-, Fairtrade- und Agenda 2030-Stadt sowie angestrebte Zero.Waste.City sollte die Landeshauptstadt Kiel ihr wirtschaftliches Potential noch intensiver nutzen, um einen Beitrag zur gesellschaftlichen Transformation zu mehr Nachhaltigkeit zu leisten (siehe auch weitere Beschlüsse in der Anlage). Jedes der dazu entwickelten Konzepte hat bereits Maßnahmen aufgelistet, die sich zum Thema nachhaltige Beschaffung positionieren und mit denen die Beschaffung nachhaltig verändert werden soll. Ganz besonders geht dieser Auftrag aus dem Climate Emergency (Drs.: 1135/2019) hervor. Eine Zusammenstellung aller Beschlüsse, Geschäftlichen Mitteilungen und Anträge zur nachhaltigen Beschaffung sind in der Anlage aufgeführt.
- Ämterbefragung zur nachhaltigen Beschaffung in der Landeshauptstadt Kiel
Reichen diese vorhandenen Beschlüsse und Konzepte für die Ämter und Betriebe aus, um im Alltag nachhaltig zu beschaffen, oder benötigen sie weitere Hilfestellungen? Die Beantwortung hierauf sollte eine Ämterbefragung ergeben. Die persönlichen Interviews dazu erfolgten im Zeitraum von Juli – September 2020.
Ziele
Die Auswahl der Ämter für diese Befragung erfolgte mit den Zielen, einen möglichst repräsentativen Überblick über die beschafften Produkte, das Beschaffungsvolumen und die Anwendung der Beschlüsse der Verwaltung zu erhalten.
Auswahl der Ämter
Nach der Auswahl von elf Ämtern (siehe Anlage) wurden die Amtsleitungen und deren beschaffungsverantwortlichen Mitarbeiter*innen zu einem Interview über den Stand der Beschaffung in ihren Ämtern eingeladen. Zur Vorbereitung erhielten alle einen einheitlichen Fragebogen zum Thema Beschaffung, der sowohl verschiedene Produktgruppen, als auch die Nutzung von Nachhaltigkeitslabeln oder möglichen amtsinternen Leitlinien erfragte (siehe Anlage).
Der Beschaffungsbereich „Baumaterialien/ Innenraumausstattung“ wurde in den Befragungen aufgrund der Komplexität des Themas nur am Rande gestreift und soll zu einem späteren Zeitpunkt vertieft werden.
Die Beschaffungsstruktur der Landeshauptstadt ist zentral und dezentral organisiert. Zum Amt für Immobilienwirtschaft gehört die zentrale Beschaffungsstelle. Hier werden Produkte beschafft und weitergeleitet, die Ämter, Betriebe, Schulen und Kindertagesstätten benötigen. Es werden aber auch Extrawünsche berücksichtigt und, soweit möglich, beschafft. Ämter, Betriebe, Schulen und Kindertagesstätten bestellen aber auch direkt bei weiteren Anbietern.
Die vorliegende Geschäftliche Mitteilung gibt einen Überblick über den Sachstand der Beschaffungspraxis mit Schwerpunkt Verwaltung innerhalb der elf befragten Ämter der Landeshauptstadt Kiel im Jahr 2020.
- Befragungsergebnisse zur nachhaltigen Beschaffung bei der Landeshauptstadt Kiel
In der Befragung wurden insgesamt 16 Produktgruppen abgefragt, die hier alphabetisch geordnet dargestellt werden.
Büromaterialien
Büromaterialien werden überwiegend über die zentrale Beschaffungsstelle der Immobilienwirtschaft beschafft. Derzeit werden bereits gelegentlich Produkte durch nachhaltige Varianten ausgetauscht, es besteht große Offenheit, dies auszuweiten. Da es keine verbindlichen Vorgaben der Stadtverwaltung gibt, können die Besteller*innen bei der Produktauswahl frei wählen und müssen eben nicht die umweltfreundlichen Varianten bestellen.
Catering
Wenn Veranstaltungen über das interne Hauscatering versorgt werden, sind Kaffee und Tee seit 2013 (Kiel wurde seinerzeit Fairtrade-Stadt) fair gehandelt. Auf Antrag bekam das Umweltschutzamt in den letzten Jahren immer fair gehandelte Kekse, Nüsse, Schokolade und regionale Bio-Snacks, sowie Biomilch für Veranstaltungen geliefert. Seit dem Jahr 2020 wird vom internen Hauscatering gentechnikfreie Biomilch angeboten. Die Getränke sind teilweise biologisch oder regional erzeugt. Außerdem werden Einwegverpackungen für Kleinstmengen wie Zucker und Kaffeesahne vermieden und es wird kein Einweggeschirr ausgegeben (Ausnahmesituation ist die Corona-Pandemie, um Hygienevorgaben einzuhalten).
Wenn Speisen extern bestellt werden, entscheiden die Ämter selbst, welche Caterer gebucht werden. Dabei wird selten auf Biosiegel oder Regionalität geachtet. Seitens der Stadt gibt es dazu auch keine Vorgaben.
Das Amt für Kinder- und Jugendeinrichtungen nutzt bei Veranstaltungen der Jungen Bühne zur Kieler Woche ausschließlich Mehrweggeschirr und überwiegend regionale und biologisch produzierte Produkte und geht Kooperationspartnerschaften mit kleinen regionalen Betrieben ein.
Das Kieler Woche Referat arbeitet an einem Gesamtkonzept zur Umsetzung einer nachhaltigen Kieler Woche. Durch den Einsatz des Kieler-Woche-Bechers 2019, einem Mehrweg-Pfandbecher, wurden fast 3 Millionen Becher in 2019 an 10 Tagen gespült und der Abfall konnte erheblich reduziert werden. Der Kieler-Woche-Becher wurde bundesweit zum Leuchtturmprojekt. Zur Energieversorgung der gesamten Veranstaltung wird klimafreundliche Windenergie für die Dauer der Kieler Woche genutzt.
Dienst- und Arbeitskleidung
Bislang haben Arbeitssicherheit, Tragekomfort und Preis bei der Auswahl der Kleidungsstücke Vorrang. Es stellte sich heraus, dass gelegentlich bereits Arbeitskleidung beschafft wird, die unter fairen Bedingungen produziert wird, dies geschah aber eher zufällig. Die genaue Menge dieser Kleidungsstücke ist nicht zu quantifizieren.
Bei den Ausgaben für Arbeitskleidung handelt es sich jährlich um hohe Summen, schon bei den unten aufgeführten Beispielen wurden mehr als 800.000 Euro investiert:
Die Feuerwehr hat im Jahr 2019 etwa 400.000 € für Arbeitskleidung und 180.000 € für Schutzkleidung ausgegeben. Für die Feuerwehr gibt es für die Arbeitsschutzkleidung dreijährige Rahmenverträge.
Die Immobilienwirtschaft hat im Jahr 2019 für etwa 33.000 € Arbeitskleidung beschafft und im Jahr 2020 bis Stand August für 20.000 €.
Auch der Abfallwirtschaftsbetrieb (etwa 120.000 € in 2019), das Tiefbauamt (etwa 20.000 € in 2019) und das Grünflächenamt (etwa 60.000 € in 2019) stellen ihren Mitarbeiter*innen Dienstkleidung zur Verfügung.
Die Beschaffung der Arbeitskleidung unterscheidet sich sehr: Einige Ämter, wie zum Beispiel das Tiefbauamt, vergeben große Aufträge, um für mehrere Jahre mit Arbeitskleidung versorgt zu sein. Andere Ämter (zum Beispiel ABK) schließen jährliche Rahmenverträge. In einigen Ämtern können die Mitarbeiter*innen die Kleidung selbstständig in ortsansässigen Betrieben einkaufen, was zu einer hohen Akzeptanz bei den Mitarbeitern*innen geführt hat und unnötige Anschaffungen und Lagerhaltung verhindert.
Krankenhauskleidung war nicht in die Recherche miteinbezogen.
Druckerzeugnisse
Druckerzeugnisse werden überwiegend zentral gedruckt. Die hauseigene Druckerei der Landeshauptstadt Kiel achtet auf umweltfreundliche Farben und Siegel wie den Blauen Engel, FSC und die EU-Blume. Chemikalien sollen soweit es geht umweltfreundlich substituiert werden. Druckgeräte und Toner sollen recycelbar sein. Wenn mit anderen Druckereien zusammengearbeitet wird, wird darauf geachtet, dass FSC-zertifiziertes Papier verwendet wird und der Druck klimaneutral erfolgt. Die Druckerzeugnisse der Kieler Woche werden fast ausschließlich in Werkstätten für Menschen mit Behinderung produziert.
Die Briefbogen und diverse andere Drucksachen der Landeshauptstadt Kiel werden auf Recyclingpapier in einem sehr hohen Weißheitsgrad (CIE-Weiße 148) gedruckt, welches bis zu Beginn des Jahres 2021 den „Blauen Engel“ trug.
Recyclingpapier mit etwas geringerer Weiße (CIE-Weiße 135) behält den „Blauen Engel“ auch weiterhin. Das Pressereferat und die Druckerei werden Briefpapier darauf umstellen, für Flyer und andere wichtige Dokumente werden Alternativen mit blauem Engel geprüft.
Über die Auswahl des Weißheitsgrades bestimmt aber nicht die Druckerei, sondern die Ämter, Dezernate und Eigenbetriebe. Das heißt, dass das Papier mit geringerem Weißheitsgrad und Blauem Engel in der Praxis nicht immer Verwendung findet wird.
Elektrogeräte
Für viele Maschinen und Gartengeräte wird versucht, effizientere und leisere Elektrogeräte anzuschaffen und damit dieselbetriebene Geräte zu ersetzen. Da viele Geräte intensiv genutzt werden, wird schon bei der Beschaffung auf hohe Qualität der Geräte geachtet.
Teilweise werden größere Geräte und Maschinen geliehen, wenn Sie nicht oft verwendet werden.
Energieeffizienz wird von allen befragten Ämtern als Beschaffungskriterium genannt. Jedoch wird die Vorgabe des Climate Emergency (8.2) „ab sofort bei energie-verbrauchsrelevanten Geräten nur noch das höchste Leistungsniveau der Energieeffizienz und soweit vorhanden die höchste Energieeffizienzklasse als Anforderung zu beschaffen“, in Abhängigkeit von der Praxistauglichkeit der Geräte angewendet.
Lebenszykluskosten werden nicht berechnet.
Holz
In der Stadtverwaltung der Landeshauptstadt Kiel wird das Tropenholzverbot der Kieler Ratsversammlung von 1988 eingehalten.
Im Grünflächenamt wird für das über ein Vergabeverfahren zu beschaffende Bauholz gemäß ILO- Kernarbeitsnormen ein PEFC-Zertifikat (weltweit größtes Forst-Zertifizierungssystem) gefordert, sofern die Gewinnung oder Herstellung in Afrika, Asien, und Südamerika erfolgt.
Informationstechnik
Die Verwaltung der Landeshauptstadt Kiel wird über den IT-Dienstleister Dataport mit IT-Hardware und -software versorgt. Dataport kontrolliert die Zuliefer*innen jährlich, versucht stets die Vorgaben anzupassen und achtet auf ökologische und soziale Standards (ILO-Kernarbeitsnormen).
Wenn die Produkte vom Personal- und Organisationsamt gekauft werden, wird auf den EPA Standard (Bronze, Silber oder Gold) geachtet.
Es werden gelegentlich von den Ämtern selbst Hardware-Produkte gekauft, dabei werden keine besonderen Nachhaltigkeitssiegel beachtet.
Mit dem „Climate Emergency, erste Beschlüsse zur Resolution“ wurde beschlossen, für Serverräume und Rechenzentren in Liegenschaften und Eigenbetrieben der Landeshauptstadt Kiel Serverraum-Checks durchzuführen und rentierliche Maßnahmen zur Reduzierung des Stromverbrauchs in Rechenzentren und Serverräumen zeitnah umzusetzen. Derzeit wird eine Übersicht der Serverräume und Rechenzentren der Landeshauptstadt Kiel und der Eigenbetriebe erstellt.
Im nächsten Schritt werden Serverraum-Checks initiiert und die Umsetzung der rentierlichen Maßnahmen mit Hilfe des Intractings angeregt. Die Serverraum-Checks sollen von einem externen Experten durchgeführt werden.
Mobilität
Fahrzeuge werden sowohl zentral über den Abfallwirtschaftsbetrieb als auch dezentral beschafft. Der Abfallwirtschaftsbetrieb hält sich an die Vorgaben des Climate Emergency und beschafft, wo immer es geht, elektrisch betriebene Fahrzeuge. Seit dem Jahresende 2020 werden 40 Fahrzeuge im Fuhrpark der Landeshauptstadt Kiel elektrisch betrieben, außerdem gibt es zwei Plug-In Hybridfahrzeuge.
In der Stadtverwaltung gibt es sieben allgemeine Diensträder, die von den Mitarbeiter*innen genutzt werden können. Außerdem verfügen einzelne Ämter und Eigenbetriebe insgesamt über weitere 39 Diensträder.
Seit 2021 können die Leihfahrräder der Sprottenflotte von allen Mitarbeiter*innen der Stadtverwaltung für Dienstfahrten kostenlos genutzt werden.
Natursteine
Im Baubereich der Immobilienwirtschaft und des Tiefbauamtes werden die Baumaterialien meist von Dritten beschafft. Inwieweit sicher ist, dass von der Landeshauptstadt Kiel verbaute Steine ohne Kinderarbeit hergestellt werden, konnte nicht abschließend geklärt werden.
Als positives Beispiel bei der Beschaffung von Steinen ist die Praxis des Grünflächenamtes zu nennen. Grundsätzlich ist laut Beschluss für die Beschaffung jeglicher Grabausstattung der Friedhöfe, die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen zu beachten (Drs.: 0249/2013). Besonderes Engagement zeigt das Grünflächenamt darüber hinaus, indem es sich selber das Ziel gesetzt hat, die ILO-Kernarbeitsnormen auch bei der sonstigen Steinbeschaffung einzuhalten. Auch gilt die grundsätzliche Unternehmung, Steine ausschließlich in Europa einzukaufen, um Kinderarbeit bei der Produktion auszuschließen, da das Grünflächenamt nach Medienrecherchen den Handelszertifikaten aus Asien nicht mehr vertrauen kann.
Papier
Alles in allem verbrauchte die Landeshauptstadt Kiel im Jahr 2019 fast 41 Millionen Blatt Papier. Der Anteil von Papier, der das umweltfreundliche Label „Blauer Engel“ trug, lag insgesamt bei nur 40 % (siehe Grafik). In der Verwaltung liegt der Recyclinganteil bei 48 % (bei 15 Mio. Blatt). Bei den Kieler Schulen liegt der Anteil bei 35 % (von insgesamt 25 Mio. Blatt) und bei den Kinder- und Tageseinrichtungen (KTE) bei 63 % (von knapp 0,8 Mio. Blatt).
Rückblick: Die Menge des genutzten Recyclingpapiers innerhalb der Stadtverwaltung hat seit Jahren abgenommen. Im Jahr 2011 nahm die Landeshauptstadt Kiel beim bundesweiten Wettbewerb „Papieratlas“ teil, damals lag die Stadt Kiel mit einer Quote von 76 % Recyclingpapier im Mittelfeld. In den nachfolgenden Jahren hat die Landeshauptstadt nicht mehr an dem Wettbewerb teilgenommen.
Die Einstellung „beidseitiger Druck“ ist noch keine Standardeinstellung bei den Verwaltungs-druckern.
Pflanzen
Gartenblumen werden aus regionalen Gärtnereien beschafft, die Qualität wurde vor einigen Jahren unabhängig vom Preis erhöht, so dass die Blumen nun länger blühen und seltener erneuert werden müssen.
Bäume stammen aus norddeutschen Baumzuchten. Erde wird regional bezogen, Kompost von OAR Gartenservice GmbH zurückgenommen. Es dürfen bei der Landeshauptstadt Kiel seit dem Jahr 1987 keine Herbizide, Fungizide oder weitere Pestizide in städtischen Grünanlagen mehr verwendet werden.
Die gärtnerisch genutzten Flächen werden kaum gedüngt. Die Rasenflächen von Sportplätzen werden mit Düngemitteln bearbeitet.
Nach Aussage des Grünflächenamtes wird Torf nur noch in gekauften Fertigsubstrat-Mixen für Blumenkübel genutzt.
Saatgut für Blühwiesen wird als Regio-Saatgut gekauft, das durch Besammlung von Wildpflanzen in einer bestimmten Region gewonnen wird. Bei der Vergabe werden gentechnikfreie Produkte derzeit nicht explizit ausgeschrieben, da dieses Kriterium am Markt für Garten- und Landschaftsbau aktuell keine Rolle spielt.
Reinigungsmittel
Reinigungsmittel werden nach Vorgaben in Bezug auf Gesundheit und Wirksamkeit zentral beschafft, dabei werden auch Kriterien zum Umweltschutz betrachtet, zudem wird unter anderem auf Großverpackungen geachtet.
Ein Großteil der Schulen sowie Kinder- und Jugendeinrichtungen werden von externen Firmen gereinigt, Nachhaltigkeitskriterien für Reinigungsmittel werden bislang in den Ausschreibungen nicht gefordert.
Spielgeräte und -waren
Eine Bürgerbeteiligung mit Kindern und Eltern, um die Wünsche abzufragen, organisiert das Amt für Kinder- und Jugendeinrichtungen bei allen neuen angelegten Spielplätzen und größeren Umgestaltungen. Bei der Beschaffung von Spielgeräten für Spielplätze achtet das Amt für Kinder- und Jugendeinrichtungen auf die Anschaffung von hochwertigen Spielgeräten, die nach der Sicherheitsnorm DIN 76 zugelassen sind und eine hohe Lebenserwartung bei intensiver Nutzung versprechen. Tropenholz wird nicht verwendet und in der Regel werden die Geräte in Deutschland hergestellt. Das Grünflächenamt baut auch Geräte für das Amt für Kinder- und Jugendeinrichtungen und verwendet eine besonders umweltfreundliche Spezialfarbe. Auch die Reinigung von Schmutz und Algenbewuchs erfolgt besonders umweltfreundlich: nur Wasser, Hochdruck und Seife.
Die meisten Kindertageseinrichtungen kaufen Spielwaren selbst und haben dabei sehr unterschiedliche Ansprüche. Einige kaufen nur bei lokalen Händler*innen, viele nach Katalog bei den gängigen Spielwarenhändlern für Tageseinrichtungen. Diese Produkte unterliegen in der Regel Richtlinien bezüglich der Inhaltsstoffe, der Herkunft der Rohstoffe und der Produktsicherheit. Bei den Spielwaren, die in Deutschland produziert werden, werden soziale Standards eingehalten.
Sportmittel
Schulen und Feuerwachen beschaffen Sportgeräte selbst. Die Schulen wurden vom Schulausschuss im Dezember 2019 gebeten, im Rahmen ihrer Budgetierung ab dem Haushaltsjahr 2020 nur noch fair gehandelte Sportgeräte für den Sportunterricht zu beschaffen. Workshops und Informationen zur fairen Beschaffung der Bälle waren schon für 2020 geplant, konnten aber aufgrund der Corona-Pandemie nicht durchgeführt werden.
Veranstaltungsequipment
Materialien wie Metaplanwände oder Beamer können zentral beim Veranstaltungsmanagement geliehen werden. Die Auswahl ist derzeit nur auf Indoor-Meetings ausgerichtet, Outdoor-Materialien wie Regenschutz, Pavillons oder Möbel für externe Veranstaltungen gehören nicht dazu, diese bestellen die Ämter und die Eigenbetriebe eigenständig.
Verpflegung
Die Schulverpflegung wurde für das Schuljahr 2020/ 2021 neu ausgeschrieben. Unter anderem wurde der Bio-Anteil der Beilagen auf 35 % erhöht. Außerdem dürfen die Schulen selbst Wünsche äußern und können beispielsweise fair gehandelten Kaffee beziehen.
Die städtischen Kindertageseinrichtungen kaufen selbstständig die Verpflegung ein. In der Regel kochen die Einrichtungen selbst, zwei werden durch Caterer versorgt. Zwei Kindertageseinrichtungen bieten bis zu 100% Bio-Verpflegung an, acht Einrichtungen zwischen 20 - 90%. Die Mehrzahl aller Einrichtungen beziehen die Lebensmittel regional. Grundsätzlich spielt die Ernährungsbildung in den Kindertageseinrichtungen eine wichtige Rolle.
Die Feuerwehr wird während ihrer Einsätze über einen Rahmenvertrag vom Arbeiter-Samariter-Bund mit warmen Speisen versorgt. Es wird kein Einweggeschirr für diese Speisen verwendet, weitere Nachhaltigkeitskriterien spielen keine Rolle.
Der Abfallwirtschaftsbetrieb und das Grünflächenamt bestellen gemeinsam jährlich mehrere zehntausend Flaschen Mineralwasser für ihre Mitarbeiter*innen in PET Mehrwegflaschen im Außen- und Innendienst. Glasflaschen sind im Außendienst zu schwer und zu gefährlich.
Werbeartikel
Das Referat Kieler Woche achtet auf eine nachhaltige Produktauswahl und regionale Produzent*innen. Bei den wenigen Geschenkbeschaffungen anderer Ämter spielt Nachhaltigkeit keine übergeordnete Rolle.
- Soziale und ökologische Standards im Vergaberecht
Zur Erinnerung: Das Tariftreue- und Vergabegesetz Schleswig-Holstein (TTG) war seit August 2013 verpflichtend bei Vergaben von öffentlichen Aufträgen durch das Land, die Kommunen und sonstige öffentliche Auftraggeber. Es beinhaltete klare Angaben zur Einbeziehung ökologischer und sozialer Kriterien bei der Beschaffung. Aber auch schon vorher, nämlich seit 2007, hatte die Landeshauptstadt Kiel soziale und ökologische Standards in Ihre Vergaberichtlinien aufgenommen.
ILO-Kernarbeitsnormen
Das schleswig-holsteinische Vergabegesetz wurde im Jahr 2019 geändert, wodurch die ILO-Kernarbeitsnormen als verpflichtender Bestandteil aus den Vergabekriterien herausgenommen wurden. Da sich das Vergaberecht geändert hatte, mussten nach Angaben des Rechtsamtes, die Richtlinien den neuen Vorschriften angepasst werden (jetzt in der DuGVerg). Die ILO-Kernarbeitsnormen wurden aus dem Vergaberecht entfernt.
Dass die ILO-Kernarbeitsnormen nach zehn Jahren nicht mehr fester Bestandteil der Vergaberichtlinien sind, war vielen Befragten nicht bewusst. Es werden weiterhin Produkte bezogen, die aus Niedriglohnländer stammen, wie beispielsweise Baumaterialien, IT-Geräte, Baumwolle, Spielwaren und Lebensmittel wie Saft, Kakao und Kaffee. Derzeit wird die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen bei der Produktion dieser Produkte von Seiten der Stadt nicht standardmäßig eingefordert.
Die Möglichkeit, die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen in den Ausschreibungen freiwillig einzufordern, wird nur von wenigen Ämtern genutzt, zum Beispiel durch das Kieler Woche Referat bei den Ausschreibungen von Werbeartikeln. Dort wird verlangt, dass, sofern Produkte in Afrika, Asien und Südamerika hergestellt werden, ein Nachweis durch entsprechende Zertifikate (z.B. Blauer Engel, Naturland, GOTS, EU Ecolabel) erfolgen muss, dass bei der Herstellung die ILO-Kernarbeitsnormen beachtet werden. Auch das Grünflächenamt achtet bei der Stein- und Holzbeschaffung freiwillig auf die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen.
Im Verlauf des Jahres 2021 ist Nachhaltigkeit im Kieler Vergabevermerk aufgenommen worden. Das Rechtsamt berichtete darüber im Binnenblick im Juni. Der Absatz zum Thema Nachhaltigkeit soll die beschaffenden Ämter dazu anregen, künftig bei jedem Vergabeverfahren nachhaltige Aspekte - sofern dies möglich ist - einzubeziehen und dazu motivieren, nach nachhaltigen Alternativen zu recherchieren.
Um die ILO-Kernarbeitsnormen wieder als Standard in die Kieler Beschaffung aufzunehmen, müssten nach Aussage des Rechtsamtes Beschaffungsstandards von der Selbstverwaltung und dem Oberbürgermeister im Rahmen seiner Zuständigkeit definiert werden. Die Anwendung von Standards bei der Beschreibung der zu beschaffenden Leistung sei dem Verfahrensrecht für die Beschaffung der Leistung vorgelagert.
- Fazit
In den Interviews wurde festgestellt, dass Nachhaltigkeit in den meisten Fällen kein Schwerpunkt bei der Beschaffung der befragten Ämter ist. Auch das Rechnungsprüfungsamt trifft in seinem Schlussbericht zum Jahresabschluss 2019 diese Feststellung:
„Nachhaltigkeit und strategische Beschaffung ist (k)ein Thema bei städtischen Vergaben. Der Gesetzgeber eröffnet den öffentlichen Auftraggebern sowohl im Ober- als auch im Unterschwellenbereich die Möglichkeit, in die Leistungsbeschreibung soziale, innovative und umweltbezogene Aspekte aufzunehmen. In den Leistungsbeschreibungen wird von diesen Möglichkeiten meistens kein Gebrauch gemacht, obwohl das RPA in seinen Berichten immer wieder darauf hinweist und auch die Fachämter immer wieder beispielsweise mit Informationen des Umweltbundesamtes zur nachhaltigen Beschaffung diverser Produkte und Leistungen versorgt…“ (s. Seite 88).
Die Mehrheit der Mitarbeiter*innen der befragten Ämter war dem Thema gegenüber sehr aufgeschlossen und wünscht sich klare Leitlinien. Eine Eigenrecherche und das Festlegen von nachhaltigen Kriterien übersteige häufig die Kapazitäten eines einzelnen Amtes.
Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass nachhaltige Beschaffung bei der Landeshauptstadt Kiel sehr vom Engagement von Einzelpersonen lebt.
Nach Auswertung der Gespräche besteht Handlungsbedarf beispielsweise in folgenden Bereichen:
- Wiedereinbeziehen der ILO-Kernarbeitsnormen in die Beschaffungsvorgaben
- Beschaffung von zertifizierter Fairer Arbeitskleidung
- Beschaffung und Verwendung von Fairen Steinen
- Steigerung des Recyclinganteils bei der Papiernutzung
- Steigerung des Anteils an nachhaltigen Produkten beim Bürobedarf
- Weiteres Vorgehen
Begonnen wurde im März 2021 mit einem zweistündigen Auftaktworkshop zur nachhaltigen Beschaffung. Dieser Einführung folgte ein Workshop zu fairer Arbeitskleidung. Weitere Workshops zu den einzelnen Produktgruppen sollen folgen. Die Workshops wird das Umweltschutzamt zusammen mit dem Sachbereich Internationales und Nachhaltigkeit im Büro des Stadtpräsidenten durchführen. Ergänzend dazu gibt es seit Januar 2021 eine monatliche Informationsreihe zum Thema „Nachhaltige Beschaffung“ in der Mitarbeiter*innen-Zeitung Binnenblick.
Ziel ist es, die Ergebnisse der Workshops in einem stadteigenen „Leitfaden zur nachhaltigen Beschaffung“ zu sammeln. Die Beschaffungsleitfäden/ -standards sollen partizipativ mit den betroffenen Ämtern erarbeitet und getestet werden, dabei sollen die positiven Beispiele zur nachhaltigen Beschaffung, die es in den Ämtern schon gibt, miteinbezogen werden.
Um den Ansprüchen des Nachhaltigkeitspreises 2021 in der Kategorie Großstädte gerecht zu werden und um die Mitarbeiter*innen in ihrem nachhaltigen und zukunftsweisenden Handeln zu unterstützen, ist es wichtig, dass zukünftig klare Beschaffungsstandards vorliegen und damit eine nachhaltige und faire Beschaffung in der Verwaltung gestärkt wird. Die Verwaltung wird einen entsprechenden Antrag auf der Basis der Ergebnisse der Workshops vorlegen.
Sowohl diese Geschäftliche Mitteilung als auch die Workshops und die Informationsreihe im Binnenblick sind erste Schritte hin zu einer nachhaltigen Beschaffung. Aufgrund der Komplexität der verschiedenen Beschaffungsstrukturen in der Kieler Stadtverwaltung und insbesondere der Thematik einer nachhaltigen Beschaffung ist die Umsetzung des Vorhabens jedoch nur schrittweise möglich.
Anlage:
Anlage zum Sachstandsbericht zur nachhaltigen und fairen Beschaffung in der Kieler Stadtverwaltung
Doris Grondke
Stadträtin für Stadtentwicklung, Bauen und Umwelt
Anlagen
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