Infosystem Kommunalpolitik

 
 
ALLRIS - Drucksache

Geschäftliche Mitteilung - 0924/2021

Reduzieren

Beratungsfolge

Reduzieren

Antrag

 

 

Reduzieren

Sachverhalt/Begründung

 

Die Abteilung Rechtliche und Wirtschaftliche Jugendhilfe des Jugendamtes informiert mit dieser Geschäftlichen Mitteilung über die Auswirkungen der Änderungen im Unterhaltsvorschussrecht ab 01.07.2017 bis heute. Die seinerzeit anstehende Änderung wurde zuletzt in der Drucksache Nr. 0298/2017 thematisiert.

 

Unterhaltsvorschuss was ist das?

Alleinerziehende Eltern können, wenn der andere unterhaltsverpflichtete Elternteil keinen Unterhalt leistet, Unterhaltsvorschuss beanspruchen und erhalten diesen monatlich von der Unterhaltsvorschusskasse ausgezahlt. Der Unterhaltsvorschuss ist im Sozialleistungssystem eine sogenannte vorrangige Leistung. Sie wird bei weiterem Sozialleistungsbezug (SGB II, SGB XII) voll angerechnet. Der andere Elternteil ist vorbehaltlich seiner Leistungsfähigkeit verpflichtet, Unterhalt an die Unterhaltsvorschusskasse zurück zu zahlen (der sogenannte Unterhaltsrückgriff). Die Leistungsfähigkeit wird geprüft und sofern es erforderlich ist, wird das Geld auch zwangsweise eingezogen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass der überwiegende Teil der Unterhaltsschuldner*innen aufgrund eigener wirtschaftlicher Schwierigkeiten nicht leistungsfähig ist.

 

Was änderte sich im Unterhaltsvorschussrecht ab 01.07.2017 für alleinerziehende Eltern?

Zuvor war der Anspruch grundsätzlich auf 72 Monate begrenzt und die Leistung wurde nur bis zum 12. Lebensjahr gewährt. Diese Einschränkung ist ab dem 01.07.2017 entfallen, so dass Unterhaltsvorschuss grundsätzlich bis zum 18. Lebensjahr gezahlt werden kann. Ausnahme: ab dem 12. Lebensjahr soll es keinen parallelen Leistungsbezug (SGB II und Unterhaltsvorschuss) geben, es sei denn, es wird in dem alleinerziehenden Haushalt ein Einkommen von mindestens 600 € erzielt. Außerdem ist erstmalig das Einkommen des Kindes/Jugendlichen (z. B. während der Ausbildung) maßgeblich bei der Prüfung, ob ein Bedarf für eine Unterhaltsvorschusszahlung besteht.

 

Die konkreten Auswirkungen erleben also alleinerziehende Eltern mit Kindern über 12 Jahren und alle, deren Unterhaltsvorschussleistungen nach 6 Jahren eingestellt wurden. Das Gesetz stellt durch den Wegfall der Grenzen im Unterhaltsvorschussgesetz deutlich die Lebenswirklichkeit und Bedarfe von Kindern und Jugendlichen in alleinerziehenden Haushalten in den Mittelpunkt. Besonders erfreulich ist, dass erstmalig auch ältere Kinder den Unterhaltsvorschuss bekommen können. Eltern wissen, dass die Ausgaben steigen, je älter die Kinder werden. Dass es vor der Gesetzesänderung keine Möglichkeit der finanziellen Unterstützung geben konnte, war stets schwer zu vermitteln. Umso erfreulicher ist es, dass diese Barriere beseitigt ist.

 

Ein weiteres Ziel der Gesetzesreform war es, dass Alleinerziehende durch die Zahlung von Unterhaltsvorschuss unabhängig von Jobcenterleistungen leben können. Das gelingt immer dann, wenn es bereits Einkünfte anderer Art gibt und zusammen mit dem Unterhaltsvorschuss der Bedarf der Familie insgesamt gedeckt werden kann. Im Regelfall gibt es sodann auch einen Anspruch auf Wohngeld. Eine Evaluation zu der Frage, wie oft dieses Ziel in Kiel erreicht werden konnte, ist leider nicht erfolgt. Daten können deshalb nicht genannt werden.

 

Wie hoch sind die Beträge im Unterhaltsvorschussrecht?

Die Höhe des Unterhaltsvorschusses war von der Gesetzesänderung nicht betroffen. Aktuell wird der Unterhaltsvorschuss monatlich wie folgt ausgezahlt:

 

  • r Kinder im Alter von 0 - 5 Jahren:   174 €
  • r Kinder im Alter von 6 - 11 Jahren:   232 €
  • r Kinder/Jugendliche im Alter von 12 - 17 Jahren: 309 €

 

Der Unterhaltsvorschuss wird seit 01.07.2017 zu 40 % (zuvor 33,3 %) vom Bund und zu 60 % von den Ländern finanziert. Die Einnahmen fließen Bund und Land im gleichen Verhältnis zu.

 

Wie viele alleinerziehende Eltern haben von der Neuregelung profitieren können?

hrend im März 2017 in Kiel noch 2138 Kinder in alleinerziehenden Haushalten laufende Unterhaltsvorschusszahlungen erhielten, wurden ab dem 01.07.2017 mit der neuen Gesetzesgrundlage über 1700 neue Anträge und damit 80 % mehr Kinder mit ihrem alleinerziehenden Elternteil unterstützt.

 

Jahr

Fallzahl laufender Fälle

2017

2138

2018

3850

2019

3700

2020

3700

2021 (Stand 8.2021)

3704

 

Was änderte sich innerhalb der Verwaltung?

Die Unterhaltsvorschusskasse Kiel hat die Umsetzung der neuen Regeln seinerzeit sehr verantwortlich und vor allem sehr vorausschauend in die Wege geleitet und sehr gut organisiert, so dass die Familien in Kiel sehr zeitnah von den verbesserten Leistungen profitieren konnten.

Bedeutsam war, dass rechtzeitig eine Personalaufstockung umgesetzt wurde, so dass es keine übermäßige Belastung bei den Beschäftigten gab und die alleinerziehenden Haushalte in Kiel unverzüglich profitieren konnten.

 

Im Rahmen der zeitgleich ab 2017 erfolgten Organisationsuntersuchung wurde die Fallzahlgrenze pro Vollzeitäquivalent (VZÄ) neu bemessen und folglich der Personalkörper insgesamt um 5,5 auf 14 VZÄr die Sachbearbeitung aufgestockt.

Ein wesentlicher Aspekt war dabei nicht zuletzt, die Rückholquote zu verbessern. Die Rückholquote zeigt an, wieviel von den als Vorschuss gezahlten Unterhaltsbeträgen von den Unterhaltsschuldner*innen wieder eingezogen werden konnte.

 

Die Höchstgrenze der zu bearbeitenden Fällen beträgt 375 je VZÄ. Darin enthalten sind etwa zu 25 % bereits beendete Leistungsakten, in denen die Rückzahlungsforderung aktiv weiterverfolgt wird. Bei diesen Einziehungsakten kommt es teilweise zu überraschend positiven Ergebnissen. Im Sommer 2021 konnte in einem älteren Fall eine Summe von 16.000 € eingezogen werden. Insgesamt hat sich gezeigt, dass die Rückholquote gesteigert werden konnte, nachdem die Anzahl der zu bearbeitenden Fälle optimiert wurde.

 

Jahr

Fallzahl

laufende Fälle

Fallzahl

Einziehungs-

akten

Jahres-

ausgaben

(gerundet)

Jahres-

einnahmen

(gerundet)

ckholquote im Jahresdurchschnitt

2018

3850

1200

9,6 Mio €

1,2 Mio €

12,78 %

2019

3700

1200

9,7 Mio €

1,6 Mio €

16,78 %

2020

3700

1200

10,2 Mio €

1,9 Mio €

18,62 %

Bis 08.2021

3704

1200

7,1 Mio €

 1,5 Mio €

Prognose 20,73 %

 

Wie wirkt sich die Gesetzesänderung auf den städtischen Haushalt aus?

hrend der Unterhaltsvorschuss durch Bundes- und Landesmittel finanziert ist, tragen in Schleswig-Holstein die Kommunen die Personal- und Sachkosten. Der Städteverband SH verhandelt seit Jahren mit dem Land SH, um einen finanziellen Ausgleich zu finden. Das Land argumentiert, dass die Kommunen einen nicht unerheblichen Teil an „Kosten der Unterkunft“ in Jobcenter-Leistungsfällen eingespart haben. Diese Einsparung passiert im Einzelfall, wenn die Zahlung des Unterhaltsvorschusses dazu beiträgt, dass eine Familie insgesamt ausreichend Einkünfte hat und unabhängig von Jobcenter-Leistungen leben kann.

 

Eine konkrete Datenerhebung war organisatorisch nicht möglich. Das Land hat deshalb hilfsweise mit 2 unterschiedlichen und gleichsam plausiblen Berechnungsbeispielen Einsparungen der Kommunen in SH zwischen 4,0 und 7,0 Mio. €hrlich angenommen.

 

Die errechneten Kosten durch zusätzliches Personal der Kreise und Städte in SH betragen rund 4 Mio. €. Da eine weitere Verhandlung auf dieser Basis ins Leere führen würde, wird seitens des Städteverbandes weiterhin versucht, eine Beteiligung an den Einnahmen zu erzielen.

 

Voraussetzung wird dabei sicherlich eine überdurchschnittlich hohe Rückholquote sein. Dies könnte in Kiel von Erfolg gekrönt sein: Im Bundesdurchschnitt lag die Rückholquote in den letzten beiden Jahren bei 17 % und in Schleswig-Holstein in 2019 bei 15 % und in 2020 bei 18 %.

In Kiel erwarten wir für dieses Jahr eine Rückholquote von über 20 %.

Grundsätzlich wird sich aber zeigen müssen, ob die Unterhaltsvorschusskasse Kiel unter Berücksichtigung der vergleichsweise hohen Armutsquote die Einnahmen zukünftig noch weiter steigern kann.

 

Ausblick

Corona bedingte Kontakteinschränkungen haben sich in der Leistungsgewährung von Unterhaltsvorschuss nicht negativ auf alleinerziehende Eltern und ihre Kinder ausgewirkt. Es hat sich gezeigt, dass persönliche Vorsprachen im Amt nur in Einzelfällen, beispielsweise zur Aufklärung von Anspruchsvoraussetzungen, erforderlich sind. Alles andere kann und wird weiterhin telefonisch, postalisch oder per Mail geklärt werden. Persönliche Vorsprachen sind weiterhin möglich, aber nicht mehr notwendig. Das wird als erhebliche Entlastung für Alleinerziehende gewertet, die für den Besuch im Amt entweder eine Kinderbetreuung organisieren oder aber gemeinsam mit den Kindern in die Innenstadt reisen mussten.

 

Im Rahmen des Onlinezugangsgesetzes (OZG) ist die Entwicklung der online-Beantragung des Unterhaltsvorschusses auf Bundesebene sehr weit fortgeschritten und steht kurz vor der Einführung. In Kiel wird ein frühestmöglicher Einsatz dieses Angebotes angestrebt und entsprechend öffentlich bekannt gemacht, wenn es soweit ist.

 

 

Renate Treutel

Bürgermeisterin

Loading...

Beschlüsse

Erweitern

Nov 3, 2021 - Jugendhilfeausschuss - zur Kenntnis genommen

Erweitern

Nov 25, 2021 - Ausschuss für Soziales, Wohnen und Gesundheit - zur Kenntnis genommen