Infosystem Kommunalpolitik

 
 
ALLRIS - Drucksache

Geschäftliche Mitteilung - 0233/2022

Reduzieren

Beratungsfolge

Reduzieren

Antrag

Antrag:

 

Reduzieren

Sachverhalt/Begründung

 

Anlass:

 

Seit der städtebaulichen Umgestaltung der Alten Schwentinebrücken (2008) wurden dutzende rger*innenschreiben und Anfragen aus den Ortsbeiräten Ellerbek/Wellingdorf und Neumühlen-Dietrichsdorf/Oppendorf an die Verwaltung formuliert, die beklagen, dass die verkehrliche Situation dort sehr unbefriedigend ist. Die Konflikte bestehen in vielfältigen Konstellationen: Kfz-Kfz, Bus-Kfz, Bus-Rad, Kfz-Rad, Kfz-Zufußgehende sowie Rad-Zufußgehende. Diese Konflikte und Befürchtungen um die Sicherheit schwächerer Verkehrsteilnehmender veranlassten die beiden Ortsbeiräte Ellerbek-Wellingdorf (04.12.2019: https://ratsinfo.kiel.de/bi/to020.asp?TOLFDNR=125396) und Neumühlen-Dietrichsdorf/Oppendorf (28.11.2019: https://ratsinfo.kiel.de/bi/to020.asp?TOLFDNR=125191) dazu, einen gemeinsamen Antrag zur testweisen Sperrung der Alten Schwentinebrücken für den Kfz-Individualverkehr zu stellen. In den gleichlautenden Anträgen heißt es dabei: „Testweise soll die Durchfahrt über die „Alte Schwentinebrücke“ […] für den KFZ-Individualverkehr in beide Richtungen gesperrt werden.“ Alle anderen Verkehrsteilnehmenden (Busse, Radfahrende, Zufußgehende) sollen die Brücken während des Verkehrsversuches nach wie vor queren dürfen.

 

Insbesondere werden gravierende Konflikte zwischen Radfahrenden und Zufußgehenden beschrieben und beobachtet: Radfahrende müssen die Fahrbahn benutzen, fühlen sich dort jedoch durch den Kfz-Verkehr bedrängt. Die Benutzung der Fahrbahn wird als nicht konfliktfrei wahrgenommen.

 

Auch die Verkehrsabläufe in der Fahrbahn sind ebenfalls nicht konfliktfrei: Nach Schilderungen der KVG stehen sich häufig Busse und Pkw an den Engstellen gegenüber, sodass ein Weiterkommen nicht möglich ist und entsprechende Fahrplanverzögerungen eintreten. Pkw-Fahrer*innen setzen dann zurück oder weichen über die Gehwege aus. Auch die Begegnung von Pkw erfolgt oft nicht reibungslos, da nicht mit ausreichendem Abstand zu den Engstellen gewartet wird. Es folgen Rangiervorgänge, lautes Hupen und ein unangemessenes Fahrverhalten. Die Wartepflicht wird vielfach missachtet oder entgegenkommender Verkehr aufgrund der Kurvenlage des Straßenzuges nicht rechtzeitig wahrgenommen. Vorliegendes Bildmaterial zeigt, dass bei Begegnungen an den Engstellen sogar auf die Gehwege ausgewichen wird, um den Gegenverkehr passieren zu lassen. Hier entstehen zusätzliche Gefährdungen für den Fußverkehr.

 

Über die schwierigen Verkehrsabläufe auf der Fahrbahn hinaus führt das grobe und sehr schlecht mit dem Fahrrad zu befahrende Großsteinpflaster dazu, dass die Fahrbahn gemieden und auf die Gehwege ausgewichen wird.

 

Auf den Gehwegen sind besonders gravierende Konfliktpunkte zwischen Radfahrenden und Zufußgehenden festzustellen. Beschreibungen zufolge fahren Radfahrer*innen zu schnell. Es wird nicht ausreichend Rücksicht auf den Fußverkehr genommen und mit zu geringem Abstand vorbeigefahren. Es besteht die Gefahr von Stürzen bei Kollisionen aufgrund von Unsicherheiten der älteren und beeinträchtigten Passant*innen.

 

Da der Radverkehr die Gehwege in beiden Richtungen nutzt, kommt es neben der Begegnung mit Fußnger*innen auch zu Begegnungen von Radfahrer*innen. Die Breite der Gehwege ist dafür nicht vorhanden.

 

Die Polizeistation Dietrichsdorf hat das Fehlverhalten der Radfahrer*innen in mehreren vierteljährlichen Prüfungen als unfallträchtig sanktioniert. Zunächst erfolgten Aufklärungsgespräche. In einem zweiten Schritt wurden dann Verwarngeldverfahren eingeleitet. Beispielsweise wurden an einem Tag innerhalb von nur 2 Stunden bis zu 40 Verstöße geahndet.

 

Hintergrund:

 

Die Alten Schwentinebrücken sind gleichermaßen ein städtebaulich wie architektonisches Wahrzeichen der Schwentinemündung. Die drei hintereinanderliegenden, denkmalgeschützten Brücken verbinden die beiden Schwentineinseln sowie das nördliche und das südliche Schwentineufer miteinander. Die historische Bau- und Gestaltungsweise der Bcken machen sie seit ihrer Sanierung zum besonderen Blickfang. Die Alten Schwentinebrücken sowie das sich anschließende Schwentinetal sind ein hochwertiger Naherholungsbereich für die Bürger*innen der nahgelegenen Stadtteile. Auch über die Stadtgrenzen Kiels hinaus besitzen die Alten Schwentinebrücken und ihr attraktives Umfeld eine überregionale Bekanntheit, was sie zu einem touristisch relevanten Ausflugsziel qualifiziert (Schwentinebootsfahrten). Der Ostseeküstenradweg verläuft ebenfalls über die Alten Schwentinebcken. Die Landeshauptstadt Kiel hat in den vergangenen Jahrzehnten den „Schwentinemündungsbereich“ mittels eines integrierten Ansatzes attraktiv umgestaltet, der nun zum Verweilen einlädt. Die Aufenthaltsqualität ist hier deutlich gestiegen. Der Verkehrsversuch soll auch diese Situation weiterentwickeln.

 

r Fahrzeuge über 7,5 t ist die Durchfahrt bereits jetzt untersagt, mit Ausnahme der KVG-Busse (mind. 10-minütiger Takt). Historisch und brückenbautechnisch bedingt können die Brücken baulich nicht erweitert werden.

 

Die Straße An der Holsatiamühle, über die sich die Alten Brücken erstrecken, ist durch Engstellen sowohl in der Fahrbahn als auch in den Nebenflächen gekennzeichnet. Durch eine eindeutige StVO-Beschilderung sind die von Süden kommenden Verkehre vor den aus Norden kommenden vorfahrtsberechtigt.

 

Aus Wellingdorf kommend sind die erste und zweite Brücke jeweils 3,25 m breit, sodass die Begegnung von Pkw nicht möglich ist. Zwischen diesen Engstellen weiten sich Fahrbahn und Nebenflächen auf. Nach der zweiten Engstelle weiten sich Fahrbahn und Nebenflächen auf. Begegnungsverkehre zwischen Kfz sind ab hier wieder möglich.

 

Diese durch die historische denkmalgeschützte Substanz bedingten Verengungen erfordern ein regelkonformes Verhalten von Kfz (Vorfahrt der aus Süden kommenden Fahrzeuge), um einen flüssigen und geregelten Verkehrsfluss aufrecht zu erhalten.

 

Der historische Belag (Großsteinpflaster; verfugt) beginnt vor den historischen Brücken in Wellingdorf und endet traglastbedingt hinter der zweiten Brücke (aus Süden kommend).

 

Eine Verkehrszählung vom 18.08.2020 hat ergeben, dass insgesamt 5.377 Kfz (davon ca. 230 Busse) sowie 2.375 Fahrräder die Alten Schwentinebrücken täglich überqueren. Motiviert durch die Einrichtung der ersten interkommunalen Fahrradstraße Scharweg ist der Radverkehrsanteil im Vergleich zu einer Zählung vom 13.06.2017 deutlich gestiegen (+ 16 %). Die im Scharweg eingerichteten modalen Filter unterbinden die Schleichverkehre aus Oppendorf, was sich durch einen Rückgang der Kfz-Mengen auf den Alten Schwentinebrücken zeigt (- 23 %). Trotz dieser Entwicklung ist das Verkehrsaufkommen auf den Alten Schwentinebrücken als sehr hoch einzuschätzen.

 

Verkehrsversuch:

 

Aufgrund des in 2019 laufenden Verkehrsversuches „Fahrradstraße Scharweg“ konnte die Sperrung der Alten Schwentinebcken nicht zeitnah beginnen. Zunächst musste der Abschluss der Evaluationen zur „Fahrradstraße Scharweg“ (Ende 2020) abgewartet werden. Im Vordergrund des seitens der Verwaltung vorbereiteten Verkehrsversuchs Alte Schwentinebrücken stand die Zusage der Erreichbarkeit aller privaten und gewerblichen Ziele. Diese Priorität wurde für alle Ziele erreicht, mit Ausnahme von Kfz-Verkehren der Schwentinetalfahrt. Dieses Unternehmen kann jedoch aufgrund fehlender Parkplätze schon jetzt nicht direkt von Besucher*innenverkehren mit dem Kfz erreicht werden. Für Kfz-Nutzer*innen sind schon heute Parkplätze im Scharweg und An der Holsatiamühle vorgesehen. Dem Gewerbetreibenden wurde eine straßenverkehrsbehördliche Sondergenehmigung ausgestellt, um die Betriebsabläufe während des Versuchs zu garantieren.

 

Die Umleitung der Kfz-Verkehre ist über die Wischhofstraße Ostring Heikendorfer Weg vorgesehen. Im Herbst 2021 wurde die Thematik durch eine Präsentation des Tiefbauamtes in den beiden Ortsbeiräten vorgestellt (28.10.2021 sowie 03.11.2021). Dem dort unterbreiteten Vorschlag zur Durchführung eines Verkehrsversuches auf den Alten Schwentinebrücken wurde von den Ortsbeiräten Neumühlen-Dietrichsdorf/Oppendorf und Ellerbek/Wellingdorf einvernehmlich zugestimmt.

 

Das beschlossene Vorgehen beinhaltet neben der eigentlichen Sperrung der Brücken durch eine entsprechende StVO-Beschilderung ein umfangreiches Erfassungs- und Beobachtungskonzept. Ziel ist es dabei, die durch die Sperrung entstehenden Verkehrsverlagerungen zu ermitteln. Dafür werden die Kfz-Mengen der umliegenden Knotenpunkte vor und während des Verkehrsversuches gezählt, um Vergleichswerte zu erhalten. Dadurch nnen sowohl Ausweichverkehre als auch (un)verträgliche Verlagerungen erfasst werden. Überdies gilt es, die Verhaltensänderung des Radverkehrs auf den Alten Schwentinebrücken zu beobachten. Dazu werden die Radverkehrsmengen vor Beginn des Versuches mithilfe eines Kamera-

systems ermittelt, die sich einerseits in der Fahrbahn und andererseits auf den Gehwegen aufhalten. Diese Zählung wird während des Versuches wiederholt. Eine Gegenüberstellung der ermittelten Werte wird die Änderung der Verteilung der Verkehrsteilnehmenden auf die Verkehrsflächen zeigen.

 

Neben dieser quantitativen Betrachtung werden gleichermaßen qualitative Faktoren betrachtet. Hierbei stehen die Qualität und die Dauer der Aufenthalte von rger*innen, Kund*innen und Tourist*innen im Vordergrund. Auch ist hierbei relevant, inwiefern Gastronom*innen und Gewerbetreibende durch den reduzierten Verkehrslärm und die Verkehrsmengen profitieren beziehungsweise inwieweit sich der Verkehrsversuch negativ auf sie auswirkt. Hierfür wird es mehrere Ortsbegehungen des Tiefbauamtes, des Referatesr Wirtschaft und der

Industrie- und Handelskammer zu Kiel sowie der Vertretungen der Ortsbeiräte geben. Die Industrie- und Handelskammer zu Kiel sieht zudem vor, Befragungen ihrer Mitglieder durchzuführen und Auswirkungen zu erfassen.

 

Am 27.01.2022 hat eine Informationsveranstaltung mit den Gewerbetreibenden stattgefunden, die rund um die Schwentinemündung ansässig sind. Dazu haben das Referat für Wirtschaft, die Industrie- und Handelskammer zu Kiel sowie das Tiefbauamt gemeinsam eingeladen ber 220 Adressaten) und in einer digitalen Veranstaltung informiert.

 

Seitens der Verwaltung wurden kommunikative Begleitmaßnahmen (Internetseite, Flyer, Anschreiben an alle Haushalte der Stadtteile Wellingdorf und Neumühlen-Dietrichsdorf, Aushänge in Stadtteilschaukästen etc.) auf den Weg gebracht. Dies soll einerseits den Verkehrsversuch bekannt machen und Fehlverhalten verhindern. Andererseits wird den Gewerbetreibenden dieses Infomaterial zugänglich gemacht, damit Kund*innen um die veränderte Verkehrsführung und um die Erreichbarkeit ihrer Ziele wissen.

 

Weitere Arbeitgeber und Initiativen rund um die Schwentinemündung wurden in einem separaten Schreiben von der Stadt bezüglich des Verkehrsversuches informiert.

 

Der Zeitplan des Verkehrsversuches sieht vor, die Beschilderung im April 2022 aufzubauen. Der Versuch soll 12 Monate andauern. Im Spätherbst 2022 ist die Vorstellung der ersten Ergebnisse der Evaluation den Ortsbeiräten Ellerbek/Wellingdorf sowie Neumühlen-Dietrichsdorf/Oppendorf angedacht.

 

Zentrales Anliegen des Verkehrsversuchs „Alte Schwentinebrücken“ ist, die Verkehrssicherheit deutlich zu erhöhen und die umliche und verkehrliche Entflechtung der Verkehrsteilnehmenden und somit eine deutliche Reduktion der ständigen Gefährdung der Nutzenden, samt einer deutlichen Verbesserung für den ÖPNV zu erreichen. Neben diesem Hauptziel wird sich der Versuch aller Voraussicht nach sehr positiv auf die Attraktivität des Brückenumfeldes auswirken und dieses erheblich in seiner Aufenthaltsqualität verbessern. Die Brücken und deren Umfeld als attraktives Naherholungs- und Ausflugsziel für Bürger*innen und Tourist*innen bezgl. Ruhe und Erholung weiter zu entwickeln sowie die architektonische und historische Einmaligkeit dieses Stadtraumes angemessen wirksam werden zu lassen, kann darüber hinaus als positive Begleiterscheinung gesehen werden (s. Anlage).

 

Eine Kopie dieser Geschäftlichen Mitteilung Vorlage erhalten die Ortsbeiräte Ellerbek/

Wellingdorf sowie Neumühlen-Dietrichsdorf/Oppendorf zur Kenntnis.

 

Um Kenntnisnahme wird gebeten.

 

 

 

 

 

Doris Grondke

Stadträtin

 

Reduzieren

Anlagen

Loading...

Beschlüsse

Erweitern

Mar 31, 2022 - Bauausschuss - zur Kenntnis genommen