Infosystem Kommunalpolitik
Geschäftliche Mitteilung - 0140/2023
Grunddaten
- Betreff:
-
Prozess zum Entwicklungskonzept für das städtische Museum
- Status:
- öffentlich (Drucksache abgeschlossen)
- Drucksachenart:
- Geschäftliche Mitteilung
- Federführend:
- Amt für Kultur und Weiterbildung
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
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●
Erledigt
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Kulturausschuss
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Kenntnisnahme
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Feb 28, 2023
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Sachverhalt/Begründung
Die Ratsversammlung hat am 28.10.2021 die Verwaltung beauftragt, ein Entwicklungskonzept für das städtische historische Museum aufzustellen (Stadt- und Schifffahrtsmuseum mit Industriemuseum Howaldtsche Metallgießerei). Erste Eckpunkte zur Entwicklung des Konzeptes sollen dem Kulturausschuss vorgelegt werden (Drucksache 0874/2021).
1. Museen der Zukunft, Bedarf an Perspektiven für das Kieler Stadt- und Schifffahrtsmuseum
Museen stehen aktuell vor großen Herausforderungen. Angesichts der Klimakrise müssen sie Nachhaltigkeit zur Querschnittsaufgabe machen. Berechtigte gesellschaftliche Forderungen nach Diversität in Repräsentation, Partizipation und Zugänglichkeit erhalten Eingang in die klassischen Museumsbereiche des Sammelns, Bewahrens, Forschens und Vermittelns. Dazu gehören so unterschiedliche Fragen wie die nach dem kolonialen Erbe, Geschlechtergerechtigkeit oder Stärkung des demokratischen Miteinanders. Museen mit ihren überwiegend analogen Sammlungen und Präsentationsformen virtualisieren ihre Kommunikations-, Vermittlungs- und Arbeitsweisen in einer sich digitalisierenden Welt. Der internationale Museumsverband ICOM hat im September 2022 die seit den 1970er Jahren bestehende Museumsdefinition weiterentwickelt; demnach verstehen sich Museen zunehmend als vielstimmige, transparente, wertegebundene gesellschaftliche Plattform (https://icom.museum/en/resources/standards-guidelines/museum-definition/).
Für Kiels Geschichtsmuseum leitet sich aus diesen Entwicklungen deutlicher Handlungsbedarf ab. Das Museum benötigt einen Entwicklungsschub, um seinem gesellschaftlichen Auftrag auch in Zukunft gerecht zu werden. Zudem steht es mit Blick auf seine Sichtbarkeit und Wirksamkeit vor einer grundsätzlichen Raum- und Standortfrage. Um in der Stadtgesellschaft wirksam sein zu können, müssen auch die vorhandenen Ressourcen auf den Prüfstand.
2. Was soll das Entwicklungskonzept leisten?
Im Kern des Prozesses werden die Aufgaben des Museums neu reflektiert und daraus Perspektiven und Ziele für das stadthistorische Museum mit profilierten Standorten entwickelt. Für die Umsetzung einer Vision, die es so zu entwickeln gilt, werden im Museumskonzept klare Umsetzungszeiträume definiert, Strategien erarbeitet und Bedarfe geklärt.
Die Perspektiven sollen aktuellen und künftigen gesellschaftlichen Prozessen und Rahmenbedingungen Rechnung tragen. Nachhaltigkeit, Teilhabe oder Digitalität sind beispielsweise solche Rahmenbedingungen. Dabei ist wesentlich, dass das Museum seinen Auftrag aus den Beständen ableitet, also aus der Sammlung, Erhaltung, Erforschung und Zugänglichmachung des materiellen Kulturerbes der Landeshauptstadt Kiel.
Der Auftrag des Museums ist aber mehr als die Summe seiner Fachaufgaben. Dem Museum ist ein stadthistorisches Profil zugewiesen, es steht für die Erforschung und die Vermittlung der Geschichte der Stadt. Für die Stadt hat es damit übergeordnete Funktionen als Ort der Identitätsbildung, der gesellschaftlichen Auseinandersetzung, aber auch der Stadt- und Wirtschaftsentwicklung, z.B. als touristischer Anziehungspunkt. Im Zentrum steht das Interesse der Besuchenden. Worüber wollen sie mehr erfahren? Welche Themen wollen sie im Museum kritisch hinterfragen und mit anderen Menschen diskutieren? Bei der Untersuchung dieser Fragen werden nicht zuletzt neue Fragestellungen, wie die Einrichtung eines Segelsportmuseums, oder neue Standortoptionen, wie sie sich im Kieler Schloss abzeichnen, berücksichtigt.
3. Zeithorizonte für die Museumsentwicklung
Das Entwicklungskonzept versteht sich als Grundlage und Startpunkt für eine stetige Weiterentwicklung des Museums. Die Museumsentwicklung operiert mit drei zeitlichen Perspektiven:
Bis Frühjahr 2024 entsteht das Entwicklungskonzept für das städtische Museum, das Entwicklungsschwerpunkte und damit verbundene Bedarfe benennt, um mittelfristig umsetzbare Ziele zu realisieren. Bereits in dieser Phase wird die Partizipation in der Museumsarbeit deutlich ausgeweitet, um Einwohner*innen und Fachleute aktiv am Entwicklungsprozess zu beteiligen und Veränderungen anzustoßen. Der gut einjährige Prozess mündet zunächst in einem Museumsentwicklungsplan, der beschreibt, wie das städtische Museum im Jahr 2030 aufgestellt sein soll.
Das Jahr 2030 ist als nächster Meilenstein in der fortlaufenden Entwicklung des Museums zu verstehen. In der zweiten Phase 2024 - 2030 sollen die zentralen Ziele des Konzeptes umgesetzt werden. Startpunkt dieser Phase wird eine partizipative Sonderausstellung zu Museumsaufgaben und Museumsentwicklung sein, die im 2. Quartal 2024 auf einer Aktionsfläche im Warleberger Hof gezeigt werden soll.
Das Museum als zentraler Identitätsort der Stadt, muss laufend die Veränderungen in der Gesellschaft reflektieren und darauf reagieren. Deshalb wird als dritte Perspektive der offene Prozess langfristig fortgesetzt. Das Museum begreift sich als lernende Institution.
4. Wie entsteht das Konzept? – Aufgaben und Rollen
Das Entwicklungskonzept entsteht in einem offenen Diskussions- und Kommunikationsprozess, der fachlich, gesellschaftlich und politisch geführt werden muss. Er berücksichtigt sowohl die museumsfachliche Diskussion – also den international geführten Diskurs über museale Zukunftsthemen – als auch die konkrete Außensicht auf die städtische Museumsarbeit. Wie wird das Kieler Stadt- und Schifffahrtsmuseum wahrgenommen und welche Erwartungen stellt eine sich verändernde Gesellschaft an das Museum?
Grundlage für das Entwicklungskonzept ist eine aktuelle Bestandsanalyse. Diese betrachtet die inhaltliche Ausrichtung – was wird auf welche Weise präsentiert, vermittelt und sichtbar gemacht und wer wird dadurch angesprochen, wer (noch) nicht erreicht – ebenso wie die Ausstattung mit Ressourcen wie Räumlichkeiten, Personal und Finanzmittel.
Der erfasste Ist-Zustand wird in Bezug gesetzt zu den neu zu entwickelnden Zukunftsperspektiven und so der künftige Bedarf aufgezeigt. Zu diesem Zweck müssen die derzeitigen Rahmenbedingungen der Museumsarbeit und die vorhandene Ausstattung zusammenfassend dargestellt werden. Während die aktuellen Kennzahlen wie Besuchsstatistik, Flächen, Personal oder Finanzmittel bereits greifbar sind, muss insbesondere eine Datengrundlage für die Außensicht des Museums geschaffen werden. Dazu soll eine Besuchenden- und Nicht-Besuchenden-Befragung durchgeführt werden. Zugleich werden gezielt die Perspektiven und Einschätzungen von mit dem Museum (perspektivisch) verbundenen Organisationen und Institutionen eingeholt (Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Hochschulen, Kiel Marketing etc.), aber auch die unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen, sogenannter „Communities“, in Kiel erkundet.
Steuerung
Das Konzept wird federführend durch die Sachbereichsleitung (Dr. Kinzler) und die Institutsleitung (Dr. Rosenplänter) erstellt. Bei ihnen liegen die Planung und Steuerung des Prozesses, die Ausformulierung des Entwicklungskonzepts und die inhaltliche Verantwortung.
Innensicht – Steuerungsgruppe des Instituts
Im Haus selber sind Fachkräfte für alle Museumsaufgaben tätig. Sie sind fachlich ausgewiesen und nehmen durch Fortbildung und Tagungen am wissenschaftlichen Austausch im Museumswesen teil. Hier sind breites Wissen, wertvolle Erfahrung und viele eigene Ideen zur Weiterentwicklung des Hauses vorhanden. Dieses Wissen und diese Ideen sollen für den Prozess nutzbar gemacht werden. Zu diesem Zweck wurde ein interner Steuerungskreis gebildet, der Leitthesen aus der Innensicht des Hauses erarbeitet. Dieser interne Kreis hat bereits im September 2022 die Arbeit aufgenommen.
Impulse – externe Fachleute und Exkursionen
In die Museumsentwicklung werden Impulse von externen Fachleuten eingebunden, denn in einzelnen Fragen wird besondere Expertise benötigt: Digitalisierung, Öffentlichkeitswirksamkeit oder die Auswirkungen auf Stadtentwicklungsprozesse seien nur als Beispiele genannt. Impulsgeber*innen werden zu Fachworkshops der Steuerungsgruppe eingeladen. Parallel dazu werden Führungskräfte externer Museen in den Prozess eingebunden, in deren Häusern strategische Neuaufstellungen erfolgt sind. Sie können den Prozess mit Best-Practice-Beispielen bereichern. So fand im Januar 2023 bereits ein Besuch bei der Stiftung Stadtmuseum Berlin und ein umfangreiches Gespräch mit deren Direktor Paul Spies statt.
Als zweites Format zur Einbindung von Best-Practice-Beispielen sollen gezielt Museen vergleichbarer Städte besucht werden, die sich neu aufgestellt haben. Hier ist einerseits an Stadtmuseen mit Kiel vergleichbarer Großstädte, aber auch an die dynamische Museumsentwicklung im benachbarten Skandinavien zu denken.
Außensicht – Besuchendenforschung und Beteiligung
Die Außenwahrnehmung des Museums kann erheblich von der Innensicht abweichen. Deshalb soll in die Bestandsanalyse eine museumsspezifische Besuchendenforschung einfließen. Dazu müssen sowohl Besuchende als auch Nicht-Besuchende, an den Museumsstandorten sowie an ausgewählten anderen Orten, zu ihrer Wahrnehmung des Museums befragt werden. Um diese Befragung systematisch und belastbar durchzuführen, wird sie 2023 als Auftrag an eine Fachagentur vergeben und in zwei Projektphasen im 2. und 3. Quartal 2023 durchgeführt. Die Kosten wurden für den Haushalt 2023 angemeldet.
Als zweiten Baustein zur Analyse der Außenwahrnehmung werden Institutionen, Personen und Interessensvertretende eingebunden, die einen Bezug zum Museum haben (sollten). Zu denken ist etwa an die Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, den Förderkreis Kieler Schifffahrtsmuseum, Institute an Kieler Hochschulen oder Kiel Marketing. Sie sollen den Prozess begleiten und ihre Perspektiven auf die Kieler Museumsarbeit einbringen. Dies erfolgt in Form von leitfadengestützten Interviews durch die Museumsleitung mit der Steuerungsgruppe.
Im Frühjahr 2024 wird das Stadt- und Schifffahrtsmuseum in einen offenen Dialog mit der Stadtgesellschaft zur Museumsentwicklung treten. Eine öffentliche Veranstaltung lädt ein, sich über die zentralen Fragen und Ziele der Museumsentwicklung zu informieren. Dieser Dialog wird sich im 4. Quartal 2024 fortsetzen, wenn die Besuchenden im Warleberger Hof auf einer Aktionsfläche auch ihre eigenen Ideen für das Stadtmuseum der Zukunft entwerfen können. Mit einer solchen interaktiven, partizipativ konzipierten Sonderausstellung hört das Stadt- und Schifffahrtsmuseum in die Stadtgesellschaft hinein und nimmt die Ergebnisse und Impulse in die Weiterentwicklung des Museums auf. Für die methodisch besonders aufwendige Vorbereitung, intensive Begleitung der Durchführung und belastbare Auswertung der Sonderausstellung zur Museumsentwicklung wird eine externe Ausstellungsagentur herangezogen. Die Kosten dafür werden bei der Haushaltsplanung für das Jahr 2024 berücksichtigt.
Prozessbegleitung durch eine Agentur
Der komplexe Prozess benötigt eine professionelle Prozessbegleitung. Die für diesen Zweck beauftragte Agentur ist in der Prozessbegleitung für Kultureinrichtungen profiliert und hat unter anderem die städtischen Museen in Berlin bei ihrer Neuaufstellung begleitet. Die Agentur berät zum Prozessablauf und der Konzeption einzelner Arbeitsschritte. Sie plant, moderiert und dokumentiert die Sitzungen und Workshops.
5. Politische Diskussion und Beschlussfassung
Die Selbstverwaltung wird regelmäßig in den Entstehungs- und Diskussionsprozess eingebunden. Dazu wird dem Kulturausschuss ein Zwischenbericht im 3. Quartal 2023 vorgelegt. Die kulturpolitischen Sprecher*innen werden im Rahmen des Prozesses gezielt zu einzelnen Veranstaltungen eingeladen. Das Entwicklungskonzept städtische Museen soll bis April 2024 in die politischen Gremien eingebracht werden.
Renate Treutel
Bürgermeisterin