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ALLRIS - Drucksache

Geschäftliche Mitteilung - 0401/2023

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Beratungsfolge

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Antrag

 

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Sachverhalt/Begründung

Anlass

 

Mit der Drucksache 1017/2021 ist die Verwaltung aufgefordert worden, Kriterien für geeignete Nisthilfen für Fledermäuse, Vögel und Insekten an städtischen Gebäuden aufzustellen. Ergänzend wurde mit der Drucksache 0108/2023 beschlossen, dass die geschäftliche Mitteilung auch eine Übersicht darüber enthalten soll, wie viele solcher Bruthilfen bereits an welchen städtischen Gebäuden installiert wurden und wo und wie viele solcher Bruthilfen derzeit noch in Planung sind. Die Vorlage sollte noch in der laufenden Wahlperiode vorgelegt werden.

Im Folgenden werden fachliche Hintergründe aufgezeigt, die bei der Thematik zu berücksichtigen sind, die Grundlagen für den Kriterienkatalog erläutert und Hinweise zu Nisthilfen an städtischen Gebäuden gegeben.

 

Informationen zu Brut- und Nisthilfen an städtischen Gebäuden

 

Durch den Einfluss des Menschen schwindet die globale Artenvielfalt bereits seit Jahrzehnten. Ressourcen- und Flächenverbrauch, der Ausbau von Siedlungsflächen und Infrastruktur sowie die unter dem Druck des Klimawandels erforderlichen energetischen Gebäudesanierungen führen zu gravierenden Lebensraumveränderungen. Auch und insbesondere die Städte sind von diesen Einflüssen betroffen. Urbane Strukturen werden von verschiedenen Arten seit Jahrhunderten als Lebensstätten genutzt.

Städtische Grünanlagen, privaten Gärten und die „Felslandschaft“ der Vielzahl an Gebäuden sorgte bislang in vielen Fällen für ein günstiges Angebot an Nistmöglichkeiten und Nahrung. So finden sich Dohlen in Kirchtürmen, Fledermäuse in Bunkern und Dachstühlen, Kammmolche im Gartenteich und selbst in rein technischen Strukturen, wie dem Gleisbett der Bahn, sind z.B. Zauneidechsen nachgewiesen worden.

Die betroffenen Arten sind mit teils drastischen Einschnitten, wie Abriss und Neubau, energetisch sinnvollen aber strukturarmen Fassaden, Dachausbau und schwindendem Baumbestand konfrontiert. Wertvolle ökologische Nischen verschwinden.

Städte müssen sich dynamisch entwickeln können, um auf Anforderungen, wie eine wachsende Bevölkerung oder Energiesparmaßnahmen, reagieren zu können. Eine Konservierung des Ist-Zustandes, wie in Schutzgebieten, ist nicht möglich. Gleichzeitig ist es zwingend notwendig, den Lebensraumverlust für Tiere und Pflanzen auszugleichen, um den Artenschwund aufzuhalten.

Vor diesem Hintergrund erteilte die Ratsversammlung mit Drs. 1017/2021 der Verwaltung den Auftrag, Kriterien für Nisthilfen festzulegen, die an städtischen Gebäuden angebracht werden können.

Um den Verlust von Brutplätzen und Fledermausquartieren in Dächern oder Baumhöhlen auszugleichen, oder allgemein ihre Lebensraumqualität zu verbessern, ist die Anbringung von Nisthilfen und künstlichen Quartieren gängige Praxis. Insbesondere bei kleinem Ausgleichsbedarf und als vorübergehende Lösung ist dies durchaus funktional, kann jedoch langfristig keinen vollwertigen Ersatz bieten. Unter Begriffen wie „Habitecture“ oder „Animal Estates“ wurden neue Ansätze entwickelt, mit denen die ökologische Funktionalität von Nisthilfen mit dem Stadtbild und städtischem Leben in Einklang gebracht werden soll. Ansprechend und zugleich hochfunktional gestaltete Bauten werten so nicht nur Lebensräume auf, sondern machen diese auch als Teil der Stadtnatur für Bürger*innen erlebbar und tragen zur Umweltbildung bei. Deshalb werden hier, ergänzend zu Nisthilfen an Gebäuden, sogenannte Artenschutz-Türme mit aufgeführt.

 

Übersicht zu Zielarten, Kriterien zur Auswahl, Anbringung und Unterhaltung

 

r Ersatzquartiere von gebäudebewohnenden Fledermäusen existieren bisher nur wenige spezialisierte Anbieter*innen. Grundsätzlich gilt, dass der Einsatz von Quartieren und Nisthilfen nur dann sinnvoll ist, wenn die dauerhafte Funktionsfähigkeit durch eine Wartung auch langfristig gesichert ist (personell und finanziell).

 

Nisthilfen für Gebäudebrüter

r Mauersegler, Mehlschwalben und weitere Nischenbrüter an Gebäuden ist bereits eine große Auswahl verschiedener Produkte erhältlich. Für Mauersegler und weitere Nischenbrüter erfolgt der Einbau der Nisthilfen in die Fassaden. Nisthilfen für Mehlschwalben werden z.B. unter Dachüberständen an Fassaden montiert. Nistkästen für Greifvögel oder große Singvögel müssen abhängig von der jeweiligen Zielart geplant werden. Zu becksichtigen sind Platzbedarf und Revierverhalten.

 

Nisthilfen für Insekten

r Insekten ist eine Vielzahl von Nisthilfen verfügbar, üblicherweise bekannt unter der Bezeichnung Insektenhotel. Hier ist insbesondere auf die Qualität der verwendeten Materialien zu achten (geeignete Durchmesser, nicht schafkantig bzw. faserig, schadstofffrei). Sonnenexposition und verfügbare Fläche für die Nahrungsaufnahme müssen berücksichtigt werden. Auch derartige Nisthilfen bedürfen der Unterhaltung.

 

Nisthilfen für Flederuse:

Bisher verfügbare Fledermausquartiere sind in der Regel aus Holzbeton (Sägemehl mit Bindemittel zusammengefügt). Nach neuerer wissenschaftlicher Kenntnis kann dieses im Vergleich zu natürlichem Holz sehr harte und raue Material die Krallen der Tiere stärker abwetzen, als diese nachwachsen. Die Verwaltung schlägt deshalb vor, bevorzugt hölzerne Quartiere auf der Fassade anzubringen sowie Dacheinbauten zu installieren, entsprechender Raum in den Dachkonstruktionen muss dafür vorgehalten werden.

Solche Fassadenquartiere können optisch beliebig gestaltet sein, solange sie bestimmte Eigenschaften aufweisen (Anflug-Brett an der Unterkante, sich verjüngende Spalten (von ca. 2 bis 0,5 cm), Durchlässe zwischen unterschiedlichen Spalten, ggf. Einbau einer isolierenden Schicht, selbstreinigend).

Eine Ausnahme bildet die Breitflügelfledermaus. Für diese Art eignen sich ausschließlich bauliche Lösungen, in der Regel in das Gebäude integriert. Diese stark gebäudegebundene Art ist bundesweit im Rückgang begriffen und mindestens als gefährdet einzustufen. Für die Breitflügelfledermaus eignen sich vorwiegend Dacheinbauten. Alternativ können unter dem First, an den Giebelseiten eines Gebäudes, Aussparungen geschaffen und so ausgekleidet werden, dass Fledermäuse diese nutzen können, ohne Schäden am Bauwerk zu hinterlassen.

 

Multifunktionale Nisthilfen

Ohne Einschränkungen an Fassade oder Dachstuhl, erforderlich z.B. konstruktionsbedingt oder durch Urheberrechtsschutz der Bauten, bietet sich der Einsatz von hölzernen Artenschutz-Türmen und sogenannten „Fledermaus-Raketen“ an - diese Mehrspaltenquartiere werden dann auf einem Pfahl anstatt in einer durchgehenden Turmkonstruktion errichtet.

Durch die Staffelung in der Höhe, mit verschieden exponierten Seiten und möglichen Dachkonstruktionen können in solchen Türmen konzentriert mehrere Artengruppen mit verschiedenen Ansprüchen eine Nistmöglichkeit finden. Insekten, Brutvögel und Fledermäuse nnen hier gleichzeitig leben.

Eine seitens der Verwaltung durchgeführte Markterkundung hat ergeben, dass solche Türme nach Bedarf geplant und im Einzelfall oder Modulbauweise gefertigt werden. Bisher wurden drei Anbieter*innen gefunden, die derartige Türme in Serie herstellen können. Die Produkte unterscheiden sich z.T. erheblich in der optischen Gestaltung, hinsichtlich ihrer Anpassbarkeit, der Nachhaltigkeit und im Preis (ca. 10.000 - 16.000 € netto).

gliche Standorte könnten größere Wohngebiete, Schulgelände (z.B. das RBZ am Schützenpark) oder Grünanlagen mit vergleichsweise geringem Nutzungsdruck sein (z.B. Moorteichwiesen). Unbedingt zu beachten sind die verwendeten Materialien für das Bauwerk und das Fundament. Idealerweise kommen biologisch abbaubare oder recyclingfähige Materialien zum Einsatz, so dass ein Turm im Zweifelsfall abfallfrei von seinem Standort entfernt werden kann.

Generell können auch Fassadenbegrünungen Gebäude als Lebensraum (Fortpflanzungs- und Ruhestätte) aufwerten, der Aufwand ist vergleichsweise gering. Bei ausreichend vorhandenem Standraum, standortangepassten Pflanzen und entsprechenden Rankhilfen können funktionsfähige Strukturen mit wenigem oder gar keinem Wartungsaufwand geschaffen werden.

 

Kurzübersicht der Kriterien

r die fachgerechte Auswahl, Installation und Wartung der Nisthilfen sind viele Parameter zu berücksichtigen. Nachstehend ist eine kurze Übersicht aufgelistet, der vollständige Kriterienkatalog liegt als Anlage bei (Anlage 1).

-          Die Umgebung auf Lebensraumqualität prüfen: Nahrungsverfügbarkeit, Prädatoren, konkurrierende Arten, wenig Zerschneidung durch intensiv genutzte oder breite Verkehrswege, gute Anbindung an die Umgebung, z.B. über Alleen, Knicks oder Baumreihen

-          Kleinklimatische Bedingungen prüfen (schattig, sonnig, feucht…)

-          Schutz vor Fressfeinden

-          Schutz vor starken Witterungseinflüssen und Sonne (Dachüberstände von min. 40 cm)

-          Ggf. leicht geneigte Anbringung bei Befestigen an Bäumen

-          Keine Beleuchtung in der Umgebung, auch keine Bewegungsmelder

-          Störungsarme Umgebung wählen

-          Keine großflächigen, spiegelnden oder über Eck angebrachte Glaselemente - Kollisionsgefahr

-          Nisthilfen in unterschiedlichen Himmelsrichtungen anbieten

-          Nisthilfen an unterschiedlichen Abschnitten des Gebäudes anbringen, um Konkurrenz von Einzelbrütern oder paarungsbereiten Männchen zu vermeiden

-          Konfliktpotenzial ermitteln:

  • Verschmutzung durch Kot
  • Lärmbelästigung durch Vogelkolonien

-          Langfristige Sicherung der Nisthilfen

  • Wartung und Reinigung mindestens alle zwei Jahre

-          Artspezifische Ansprüche berücksichtigen.

 

Funktionsfähige Nisthilfen an städtischen Gebäuden

 

Nist- und Bruthilfen für Vögel, Fledermäuse, Insekten u.ä. werden an den städtischen Gebäuden in der Regel durch die jeweiligen Nutzer*innen der Liegenschaften installiert und unterhalten.

Insbesondere die Schulen haben ein großes Interesse an der Aufstellung und Pflege solche Nist- und Bruthilfen, Insektenhotels sowie der Anlage von Blumenwiesen und Weiterem.

Die Landeshauptstadt Kiel erteilt diesen Anfragen auch grundsätzlich die Zustimmung, sofern keine Belange nachteilig berührt sind wie vor Allem die Nutzbarkeit bestimmter Bereiche (Eingänge, Balkone, vgl.), technische Einrichtungen oder gegebenenfalls der Denkmalschutz.

Als besondere Beispiele für Brut- und Nisthilfen an städtischen Einrichtungen wären zu nennen

-          Taubenhaus auf einer Erbpachtfläche am Hauptbahnhof

-          RBZ Am Schützenpark – Gartenbau, Außenstelle Steenbeker Weg: vielfältige Brut- und Nisthilfen für Fledermäuse, Bienen, Hummeln, Flugenten, etc.

-          Olympiazentrum Schilksee: Spatzenhotel

Sowohl im Rahmen der Sanierung oder Unterhaltung, als auch im Bereich des Neubaus, besteht für die städtischen Gebäude derzeit kein anzuwendendes, übergeordnetes Konzept für Brut- und Nisthilfen. Bestehende Lebensstätten geschützter Arten sind im Rahmen baulicher Maßnahmen ganzjährig zu berücksichtigen. Der Neubau städtischer Gebäude sieht in der Regel die Errichtung von Gründächern vor, welche wiederum einen eigenen Raum als Brutstätten von Vögeln und Insekten bilden.

Der Einbau von ausgewiesenen Brut- und Nisthilfen oder das Anlegen von Blumenwiesen etc. basiert bisher vornehmlich auf dem Interesse der jeweiligen Nutzer*innen, bzw. der privaten und ehrenamtlichen Initiative, welche die Pflege und die Unterhaltung der Anlagen übernehmen.

Neben einer Aufstellung der Kriterien für geeignete Brut- und Nisthilfen, wären als weitere Aspekte zur Formulierung eines Konzeptes zum einen ein regelmäßiges, möglichst standardisiertes Monitoring über die Wirkung und ggf. erforderliche Anpassungen bestehender Nisthilfen wichtig.

Zum zweiten ist es unbedingte Voraussetzung, über den Einbau der Brut- und Nisthilfen hinaus, die Frage der Pflege, Reinigung und Unterhaltung der Anlagen zu beantworten. Hierin besteht auch die eigentliche Hauptaufgabe mit dem größten Umfang des gesamten Projektes. Ohne die fortwährende und dauerhafte personelle Betreuung der Anlagen sind die Brut- und Nisthilfen nicht tiergerecht, hygienisch und erfolgreich zu betreiben.

Um der Aufgabe gerecht zu werden, bedarf es der fortlaufenden Betreuung der Gründächer, Fassadenbegrünungen sowie Brut- und Nisthilfen durch ein dafür vorgesehenes Pflegeteam.

Es wäre zu prüfen, ob dieses auf der ehrenamtlichen Ebene und durch ein Stärken der bisherigen privaten Initiative möglich ist.

Anderenfalls wäre dies eine Aufgabe für eine*n per Rahmenvertrag beauftragte*n Dienstleister*in, der diese Aufgabe unter Bereitstellung der entsprechenden Personalkapazitäten für die LH Kiel ganzjährig erbringt.

 

 

Anlage: Kriterien für Nisthilfen

 

 

 

 

 

 

Doris Grondke

Stadträtin für Stadtentwicklung, Bauen und Umwelt

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Anlagen

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May 2, 2023 - Innen- und Umweltausschuss - zur Kenntnis genommen

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May 4, 2023 - Bauausschuss - zur Kenntnis genommen