Kieler Erinnerungstag:27. Mai 1948
Die Ruine des Thaulow-Museums wird abgerissen

In der Schleswig-Holsteinischen Volkszeitung vom 27. Mai 1948 war folgendes zu lesen: „Die Ruine des Altbaus unseres Kieler Thaulowmuseums wird zur Zeit abgebrochen. Er hätte als Ruine selber keinerlei Museumswert gehabt, obgleich das doch nähe läge. So werden dann vermutlich nur die beiden das Portal ehemals flankierenden verrosteten Kanonen bleiben, die man einst nach 150jährigem Wasserbad aus der Ostsee herausgeholt hat. Sie haben bis jetzt vermöge ihrer Ehrwürdigkeit alle Entwaffnungs- und Verschrottungsbestrebungen siegreich überstanden.“

Auf den Trümmern des ehemaligen Thaulow-Museums lag eine durchgebrochene Tafel aus Ziegelton, grün glasiert, mit goldener Inschrift: „Am 18. Februar 1876 schenkte die Stadt Kiel diesen Bauplatz. Der Bau währte von Juni 1876 bis Ende 1877.“

Fast 70 Jahre hatte dieses Museum für Kiel und Schleswig-Holstein eine große kulturelle Bedeutung. Es stand am Sophienblatt auf dem Gelände des ehemaligen Ziegelteiches, dort, wo sich heute das Kaufhaus Karstadt befindet.

Die Kunstsammlung des Professors Thaulow

Das Museum war auf Initiative von Prof. Gustav Ferdinand Thaulow entstanden.

Er wurde 1817 in der Stadt Schleswig geboren, wo sein Vater Hardesvogt war. Der junge Thaulow besuchte die Domschule in Schleswig und studierte dann in Kiel und Berlin Theologie und Philosophie. Zunächst wurde er Hauslehrer in Bothkamp. 1842 promovierte er in Kiel und 1843 habilitierte er sich als Privatdozent der Philosophie und Pädagogik. 1846 erhielt Thaulow eine Professur für Philosophie und 1854 für Philosophie und Pädagogik. Außerdem war er ein großer Kunstfreund, tätiges Mitglied des Schleswig-Holsteinischen Kunstvereins und Sammler wertvoller Kunstschätze. Thaulow berichtete, dass er die entscheidende Anregung vor dem Brüggemann Altar im Schleswiger Dom empfangen habe. Um 1850 begann er Kunstwerke zu sammeln, und zwar nach dem künstlerischen Geschmack der damaligen Zeit gotisches und nachreformatorisches Schnitzwerk der Renaissance, vor allem Möbel und kirchliche Plastiken. Später kamen Vasen, Krüge und Messingsachen hinzu.Thaulows Haus am Lorentzendamm war bald von einem Museum nicht mehr zu unterscheiden.

Eine großzügige Schenkung

Um die Sammlung der Öffentlichkeit zu erhalten, schenkte Thaulow sie 1875 der Provinz Schleswig-Holstein. Der materielle Wert der Sammlung wurde von Versicherungen auf 300 000 Mark geschätzt, ihr eigentlicher Wert lag aber nach Ansicht von Kunstsachverständigen in ihrer „national-schleswig-holsteinischen Einzigartigkeit“. Der angesehene Kunstkritiker Lützow hatte 1867 in seiner Zeitschrift für bildende Kunst geurteilt: “Das berühmte Schnitzwerk im Dom zu Schleswig, in welchem wir bisher das einzige freilich großartige Denkmal der schleswig-holsteinischen Bildnerschule des 16ten Jahrhunderts zu besitzen glaubten, erhält durch Publikation dieser merkwürdigen Privatsammlung eine Fülle aus den verschiedensten Stoffkreisen vom freien Bildwerk an bis herab auf das niedrigste Hausgerät. Zum ersten Male tritt uns hier eine schleswig-holsteinische Bildschnitzerschule entgegen, in deren Schöpfungen sich das Leben und Denken der Vergangenheit auf eine überraschende neue und eigentümliche Weise abspiegelt. Ein langjähriger Sammlerfleiß hat alle diese in gänzliche Verachtung versunkenen Schätze aus dem Staube hervorgezogen und häufig vom Untergang gerettet.“

Als Thaulow beabsichtigte, seine wertvolle Sammlung der Provinz Schleswig-Holstein zu schenken, stellt er Bedingungen. Für die Sammlung müsse ein Gebäude errichtet werden, für das „Mittel...herbeigeschafft“ werden müssten. Außerdem solle das Museum in Kiel entstehen. Thaulow schreibt hierzu in seiner Begründung an den Landtag: In mir ist „seit langem der Entschluss gereift, meine Sammlung dem Lande mit dem Sitz in Kiel zu schenken, indem dadurch der Glanz der Kieler Universität und der Stadt Kiel vermehrt wird, selbige den Besuchern aus unserem Lande gerade in ganz besonderer Weise das Gefühl spezifisch national-schleswig-holsteinischer Eigentümlichkeit zu erwecken geeignet ist und, in einem entsprechend architektonisch ausgeführten schönen Gebäude aufgestellt, einen nicht unerheblichen Zuwachs des Antriebes für die Bewohner unserer Provinz enthalten wird, Kiel aufzusuchen und an dessen mannigfachen Schätzen und Sammlungen sich geistig zu erquicken.“

Im November 1875 nahm der Landtag den Antrag von Thaulow an und bewilligte 150 000 Mark für das Gebäude, dessen Baubeginn für 1876 festgelegt wurde. Gebäude und Sammlung sollten den Namen „Thaulowsches Museum“ führen. Im Mai 1876 überließ dann die Stadt Kiel den Bauplatz am Ziegelteich.

Das Thaulow-Museum am Sophienblatt/Ecke Ziegteich

Der Entwurf für das Museum stammte von Heinrich Moldenschardt, der ein viel beschäftigter Architekt in Kiel und ganz Schleswig-Holstein war. Sein wohl bedeutendstes Bauwerk war das Thaulow-Museum. Das zweigeschossige Gebäude war durch Zierelemente der Frührenaissance in seinen Backsteinflächen klar gegliedert. An der Längsseite des Hauses zum Sophienblatt lag der Portalvorbau, der auf Säulen ruhte. Rechts und links des Eingangs standen später die aus der Ostsee geborgenen Kanonen.

Am 10. August 1878 wurde das Thaulow-Museum durch den Landtagsmarschall Graf zu Rantzau-Rastorf in Anwesenheit zahlreicher Vertreter der Provinz, der Universität und der Stadt feierlich eröffnet und Professor Thaulow als Museumsstifter geehrt. Schleswig-Holstein war damit eines der ersten Gebiete in Deutschland, das über eine wertvolle kunstgewerbliche Sammlung verfügte. Thaulow hat das weitere Schicksal seiner Sammlung nicht mehr erlebt. Er starb im März 1883 und wurde auf dem damaligen St. Jürgen-Friedhof beigesetzt.

Für die Provinz Schleswig-Holstein, die nun Träger des Museums war, bestand die Pflicht, die Sammlung systematisch auszubauen. Weil der Etat, der zur Verfügung stand, viel zu klein war, konnte sich das Museum nur zögerlich entwickeln. Erst seit Anfang der 1890er Jahre begann der Ausbau und die Reorganisation der Sammlung. Aber nun entstanden Raumprobleme. Schon 1897 stellte der Provinzial-Ausschuss den Antrag, der Provinziallandtag möge Mittel zur Erweiterung des Museums genehmigen. Denn „schon jetzt sind die Raumverhältnisse des Museums derart, dass die Unterbringung neu zu gewinnender Kunstgegenstände von irgendwie erheblicher Größe ausgeschlossen, ja dass sogar eine übersichtliche und geschmackvolle Aufstellung der vorhandenen Sachen nicht mehr durchführbar ist.“ Zwar wurden Mittel zur Verfügung gestellt, aber plötzlich verfügte der Provinzial-Ausschuss, dass die Gelder an die städtischen Museen in Altona und Flensburg gehen sollten. Darauf kündigte der damalige Leiter des Thaulow-Museums seine Stellung.

Die Sammlung aber wuchs weiter. Sie war im Museum aufgetürmt, auf den Böden verschiedener Provinzgebäude, der Häuser der Invalidenversicherung, der Landesbrandkasse und in anderen privat gemieteten Räumlichkeiten untergebracht. Nur kleine Teile der reichen Bestände konnten in wechselnden Ausstellungen gezeigt werden, bis endlich 1906 ein Anbau an das vorhandene Museum bewilligt wurde. Die Stadt Kiel stiftete erneut den Bauplatz und trug mit 200 000 Mark die Hälfte der Baukosten.

Das erweiterte Thaulow-Museum wird Landesmuseum

Der Erweiterungsbau, der 1911 eröffnet wurde, wies eine Fläche von 2800 Quadratmetern auf und übertraf den Altbau damit um das Vierfache. Das Haus wurde über die Sammlung Thaulows hinaus zu einem kunst- und kulturgeschichtlichen Museum ausgebaut, das die Kunstgegenstände des Adels, des Bürger- und Bauerntums Schleswig-Holsteins in wissenschaftlicher Ordnung darstellte. Es wurde daher Mitte der 1930er Jahre in „Schleswig-Holsteinisches Landesmuseum“ umbenannt.

Im Neubau konnten 20 voll ausgestattete Innenräume aus Kiel und ganz Schleswig-Holstein vorwiegend aus der Barock- und Biedermeierzeit ausgestellt werden. Unter ihnen war die prächtige Lübecker Weinstube von 1644 zu finden.

Als Kiel sich nach 1900 rasant zur Großstadt entwickelte, erfuhr das alte Zentrum eine entsprechende Neugestaltung durch moderne Geschäfts- und Wohnhäuser. Historische Bausubstanzen wurden abgerissen. Viele Zeugnisse alter Kultur konnten im Thaulow-Museum gerettet werden. So betrat man einen Raum durch das Renaissanceportal von 1576 aus einem Haus in der Haßstraße, einen anderen durch ein Portal (1565) des Hauses Kehdenstraße 8. Ein Kamin aus der Zeit um 1600 stammte aus der Holstenstraße 21, ein Zimmer mit Goldledertapete aus der Holstenstraße 24. Eine reich geschnitzte Wendeltreppe (um 1630) kam aus dem Hause von Bäcker Lange am Alten Markt. Als das 1775 gebaute Schweffelhaus an der Klinke weichen musste, wurden das Empfangszimmer mit Wandmalereien, die Diele mit Rokokotreppe, das Kontor mit Schreibtischen, Stühlen, Fayence-Ofen und Bildern, ein Empireraum und ein Biedermeierzimmer jeweils mit Ausstattungen ins Museum überführt.

In Schränken waren u. a. silberne Trinkgefäße Kieler Zünfte und der Schatz der Großen Grünen Schützengilde mit silbernen Bechern und Pokalen ausgestellt. Dazu kamen Trachtensammlungen und Zeugnisse aus allen Gebieten des bäuerlichen Lebens.

Wegen der häufigen Bombenangriffe auf Kiel während des Zweiten Weltkrieges wurden die Sammlungen zum größten Teil nach Ostholstein ausgelagert und konnten daher gerettet werden. Der Altbau des Museum dagegen wurde am 5. Januar 1944 bei einem Luftangriff zerstört.

Kiel wird Landeshauptstadt – Schleswig erhält das Landesmuseum

Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte sich die politische Situation in Deutschland und damit auch in Schleswig-Holstein entscheidend verändert. Schleswig-Holstein wurde von den Briten besetzt, 1946 die preußische Provinz Schleswig-Holstein in das Land Schleswig-Holstein umgewandelt und Kiel zur Landeshauptstadt bestimmt. Die Initiative ging dabei von den Briten aus, die sich darauf beriefen, dass Kiel 1945 mit dem Sitz des Oberpräsidenten Provinzialhauptstadt gewesen sei. Die Provinzialregierung dagegen hatte seit 1867 ihren Sitz in Schleswig gehabt. In langwierigen Verhandlungen wurde entschieden, dass das Oberlandesgericht, das Landesmuseum und das Landesarchiv als Kompensation nach Schleswig verlegt werden sollten. Dafür war Kiel Landeshauptstadt geworden und behielt die Landesuniversität.

1947 beschloss die Landesregierung, das Schloss Gottorf zu sanieren und die Sammlungen des Landesmuseums aus Kiel und auch die des Schleswig-Holsteinischen Museums vorgeschichtlicher Altertümer, das ebenfalls sein Haus in der Stadt verloren hatte, in Gottorf zusammenzuführen. Das Schloss hatte nach dem Aussterben der Herzöge als dänische und dann als preußische Kaserne gedient. Unter Professor Dr. Ernst Schlee begann seit 1948 der Neuaufbau der Sammlungen, die während des Krieges an unterschiedlichen Orten ausgelagert worden waren. Die Bestände mussten in 20 LKW-Zügen nach Schleswig geholt und das desolate Schloss für ein Museum hergerichtet werden. Am 25. August 1950 eröffnete es seine Pforten. Über die Bestände der beiden Kieler Museen hinaus wurden weitere Sammlungen aufgebaut, darunter die Abteilung Volkskunde und Moderne Kunst, hinzu kamen Wechselausstellungen.

Spuren des ehemaligen Thaulow-Museums in Kiel

Als der Altbau des Thaulow-Museums in Kiel 1948 abgerissen wurde, blieb der Anbau zunächst stehen, in dem mehrere Dienststellen untergebracht waren. 1969 verkaufte das Land das Grundstück am Sophienblatt für drei Millionen Mark an den Hertie-Konzern, der dort 1973 ein Kaufhaus errichtete. Nur die stattliche Platane, die einst vor dem Thaulow-Museum stand und sich jetzt vor dem Haupteingang zu Karstadt befindet, erinnert an das Wirken Thaulows, der das kulturelle Leben Kiels entscheidend geprägt hatte. Wenige Schritte von dem mächtigen Baum entfernt führte die Thaulowstraße im Halbdunkel unter dem Kaufhaus zur Herzog-Friedrich Straße. Sie ist verschwunden und bildet jetzt hinter großen Eisengittern die Zufahrt für Anlieferungen zum Kaufhaus. Eine Erinnerungstafel an Thaulow ist nirgends zu finden.

Aber im Stadtmuseum Warleberger Hof gibt es noch wertvolle historische Architekturteile aus dem Thaulow-Museum, die aus dem Anbau des ehemaligen Museums vor dem Abriss geborgen und im Warleberger Hof eingebaut wurden. So die prächtige Stuckdecke im Barockzimmer aus dem Hause Markt 21, die in ihrem Spiegel ein Ölgemälde mit der Geburt der Göttin Athena enthält. Auch das Rokokozimmer im Warleberger Hof und die Supraporten mit Herbst- und Wintermotiven aus Kieler Häusern stammen aus dem Thaulow-Museum, ebenso hölzerne Paneele und eine Ofennische. So ist im Ambiente des Warleberger Hofes die Erinnerung an Alt-Kiel und das Thaulow-Museum lebendig.

Autorin: Christa Geckeler (1937 - 2014)


Quellen

Akte Nr. 20384: Erweiterung des Thaulow-Museums, Stadtarchiv Kiel

Akte Nr. 40392: Thaulow-Museum/Hochbau, Stadtarchiv Kiel

Akte Nr. 55720: u. a. Unterlagen zum Schenkungsangebot von G. Thaulow an die Provinz (1875), Stadtarchiv Kiel

Akte Nr. 56806: u.a. Einbau von Einzelteilen aus dem Thaulow-Museum in den Warleberger Hof, Stadtarchiv Kiel

Literatur

Brandt, Gustav

Bericht über die Verwaltung des Thaulow-Museums in Kiel in den Kriegsjahren, in: Schleswig-Holsteinisches Jahrbuch 1918/19, hrsg. von Ernst Sauermann, Hamburg 1918, S. 67 ff.

Brandt, Gustav

Das Thaulow-Museum, in : Kieler Zeitung vom 22. März 1908

Flensburger Tageblatt

vom 30. März 1994

Jensen, Jürgen

Das Kieler Stadt- und Schifffahrtsmuseum Warleberger Hof und Fischhalle, Sonderveröffentlichung der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Band 12, Neumünster 1980, S. 7 ff.

Jensen, Jürgen

Alt-Kiel und die Kieler Altstadt, Sonderveröffentlichung der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Band 31, Heide 1998, S. 111 f.

Kieler Nachrichten

vom 26. November 1969, vom 10. August 1978, vom 29. Dezember 1987, vom 31. März 1994, vom 10. November 1998, vom 6. August 2003

Passarge, Walter

Alt-Kieler Erinnerungen im Thaulow-Museum, in: Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Band 38, 1935, S. 91 ff.

Schlee, Ernst

75 Jahre Thaulow-Museum, in: Flensburger Tageblatt vom 1. November 1950

Schleswig-Holsteinische Volkszeitung vom 27. Mai 1948, vom 2. November 1950

Thaulow-Museum

. Kunstgewerbe-Museum der Provinz Schleswig-Holstein. Bericht über das Jahr vom 1. April 1902 bis zum 1. April 1903, erstattet vom Direktor des Museums Dr. G. Brandt, hrsg. als Denkschrift des fünfundzwanzigjährigen Bestehens des Museums, Kiel 1903

Volbehr, Friedrich

Zum Tode von Gustav Ferdinund Thaulow, Kiel, o. J.



Dieser Artikel kann unter Angabe des Namens der Autorin Christa Geckeler, des Titels Kieler Erinnerungstage: 27. Mai 1948 | Die Ruine des Thaulow-Museums wird abgerissen und des Erscheinungsdatums 27. Mai 2008 zitiert werden.

Zitierlink: https://www.kiel.de/erinnerungstage?id=88

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