Sozialbericht 2022

98 Sozialbericht 2022 Häufig möchten Kieler Bürger*innen eine Meldung über einen möglichen psychiatrischen Hilfebedarf eines Mitmenschen abgeben. Bei Hinweisen durch Dritte (zum Beispiel Angehörige, Vermieter, Polizei) erfolgt eine aktive Kontaktaufnahme zu den Betroffenen in geeigneter Weise. Anhand der Vorinformationen muss eingeschätzt werden, welcher Zugangsweg am erfolgver- sprechendsten scheint. Dies kann eine schriftliche Einladung zu einer Beratung, eine telefoni- sche Kontaktaufnahme, eine Kontaktaufnahme per Mail oder Videokonferenz, ein schriftlich angekündigter oder auch ein unangekündigter Hausbesuch sein. Der Hausbesuch bietet in der Regel die Möglichkeit, die Lebensbedingungen und Umfeldressourcen der Betroffenen unmittel- bar zu erfassen. Damit wird eine die Lebenswirklichkeit der Betroffenen mit einbeziehende Pro- blemerfassung möglich, die dann zu bedarfsgerechten Hilfsangeboten und Maßnahmen führt. Voraussetzung für die passgenaue Anbindung ist unter anderem eine umfassende Kenntnis der sozialpsychiatrischen Akteure in der Kommune aber auch das Wissen über die verschiedensten Störungsbilder und deren Auswirkungen auf den erkrankten Menschen. Zu den häufigsten psychiatrischen Erkrankungen zählen Depressionen, Suchterkrankungen und dementielle Erkrankungen. Psychische Erkrankungen können sich in einem hohen Maß ungünstig auf die Lebenssituation der betroffenen Menschen auswirken. Die Erkrankungen können unter anderem Stimmungen und Gefühle beeinträchtigen, Ängste und Zwangs- handlungen verursachen, die Wahrnehmung verzerren oder Denkvermögen, Gedächtnis und Antrieb stören, mit zum Teil gravierenden Auswirkungen für die Betroffenen. Begleitende somatische Folgen wie Schlafstörungen, Appetitlosigkeit oder eine schädigende Einnahme von beispielsweise Medikamenten, Drogen oder Alkohol wirken sich zusätzlich ungünstig auf die gesundheitliche Verfassung der Betroffenen aus. Die psychische Erkrankung als Ursache für die erlebten Symptome ist den Betroffenen häu- fig nicht bewusst, entsprechende Behandlungsmethoden sind oft unbekannt oder werden als wenig vertrauenserweckend betrachtet. Dadurch entstehen Unsicherheit, Hoffnungslo- sigkeit und Selbstentwertung, bis hin zu einer möglichen Suizidalität. Zusätzlich zu dem subjektiv erlebten seelischen Leiden geht eine psychische Erkrankung oftmals mit einer Diskriminierung und Stigmatisierung des erkrankten Menschen einher. Negative soziale Stereotypen wie »psychisch Kranke sind gefährlich«, »psychisch Kranke sind selbst verantwortlich für ihr Leiden«, »psychisch Kranke wollen sich nicht behandeln lassen« fördern die soziale Ausgrenzung. Der betroffene Mensch zieht sich zurück oder hält die Er- krankung geheim und ist damit nicht mehr in der Lage, potentiell stützende soziale Ressour- cen zu nutzen. Eine Verschlechterung der Lebenssituation ist dann fast unvermeidlich. Der behutsame individuell abgestimmte Umgang mit den betroffenen Personen ist kenn- zeichnend für die Arbeitsweise der Mitarbeiter*innen des Sozialpsychiatrischen Dienstes. Der Ort der Beratung, die personelle Besetzung, die Gesprächsinhalte, die Zielsetzung und viele weitere Elemente der Beratung sind auf die Bedürfnisse des hilfesuchenden Menschen abgestimmt. Darüber hinaus wird auch bei Gesprächen mit Angehörigen Wert daraufgelegt, Ängste zu nehmen, Vorurteile abzubauen und Verständnis für die Situation des psychisch kranken Menschen zu wecken, um eine Genesung zu ermöglichen. Während die präventiven Angebote in allererster Linie dazu dienen, einer Verschlechterung der individuellen Lebenssituation durch die psychische Erkrankung vorzubeugen, kommt auch der sogenannten Nachsorge eine entscheidende Bedeutung zu. Oft haben psychische Krisen einen Krankenhausaufenthalt zur Folge, im Zuge dessen die akuten Problematiken UNTERSTÜTZUNG VON ERWACHSENEN IM SOZIALEN NETZ Im Rahmen der Bera- tung werden den be- troffenen Bürger*innen die Hilfen und mög- lichen Unterstützungs- formen vorgestellt und mit ihnen zusammen geeignete Angebote ausgewählt. Bei Bedarf wird ein erster Kontakt zu diesen hergestellt.

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