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ALLRIS - Drucksache

Geschäftliche Mitteilung - 0745/2021

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Beratungsfolge

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Antrag

Mit dem interfraktionellen Antrag „Climate Emergency Kiel: Weitere Beschlüsse für eine klimaneutrale und lebenswerte Stadt“ (Drs.: 0002/2021) wurde die Verwaltung gebeten, bis zum Herbst dieses Jahres auf der Grundlage der Szenarien und Maßnahmen des „Masterplan 100 % Klimaschutz“ ein Positionspapier zu erstellen, das im Wesentlichen darstellt, wo die kommunalen und überregionalen Zuständigkeiten und Handlungsmöglichkeiten liegen, um die Klimaneutralität bis 2035 zu erreichen. Darüber hinaus werden folgende Aussagen erbeten:

 

  • was die derzeit technisch verfügbaren und wirtschaftlich umsetzbaren Maßnahmen sind,
  • welche Handlungsbereiche im Rahmen des Masterplanprozesses erfasst werden und welche bisher noch nicht erfasst wurden,
  • welche Ergebnisse laut European Energy Award bereits erreicht wurden,
  • welche technischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen sich ändern müssten, damit Kiel spätestens 2035 klimaneutral werden kann,
  • welchen Beitrag die Kieler*innen, Wirtschaftsakteur*innen und Institutionen zur Erreichung

der Klimaschutzziele beitragen können,

  • welche Maßnahmen Kiel unter Berücksichtigung der aktuellen Landes-/Bundes-/EU-Gesetzgebung idealerweise aus eigener Kraft umsetzen kann.

 

 

Mit der Erstellung des Positionspapiers wurde das ro SCS Hohmeyer I Partner beauftragt, welches bereits 2016 die Klimaschutzstrategie „Masterplan 100 % Klimaschutz“r die Landeshauptstadt Kiel erarbeitet hatte.

 

Das anliegende Positionspapier setzt den o.g. Ratsbeschluss um und soll als eine Diskussionsgrundlage für die weitere klimapolitische Diskussion über Potenziale und Grenzen der kommunalen Klimapolitik Kiels dienen.

 

Das Positionspapier enthält Aussagen, welche wesentlichen Maßnahmen für die Erreichung der Klimaneutralität in Kiel bis 2035 zwingend umgesetzt werden müssten. Diese sind u.a.

 

  • Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs und eine Dekarbonisierung des gesamten Mobilitätssektors,
  • Schnelle Sanierung des öffentlichen und privaten Gebäudebestandes,
  • Verstärkte Energieeffizienzmaßnahmen im Gewerbe- und Industriesektor,
  • Schnelle Dekarbonisierung der Wärmeversorgung (CO2-neutrale Fernwärme, Ersatz aller fossilen Einzelheizungssysteme),
  • Ausbau der regenerativen Stromerzeugung (v. a. Photovoltaik),
  • Klimaneutralität im Neubau.

 

 

 

Anders als beim Masterplan 100 % Klimaschutz, bei dessen Erarbeitung die Potenziale einer möglichen Reduzierung der Treibhausgasemissionen um mindesten 96 % bis 2050 gemeinsam mit den verschiedenen Kieler Akteur*innen ermittelt wurde, wurden bei der Erstellung des Positionspapiers vom beauftragten Büro SCS Hohmeyer I Partner die erforderlichen Maßnahmen benannt, die zur Erreichung der vorgezogene Klimaneutralität im Jahr 2035 umgesetzt werden müssten, ungeachtet dessen, ob eine Umsetzung unter den vorhandenen Rahmenbedingungen realistisch erscheint. Gleichwohl werden in dem Positionspapier Einschätzungen zur Umsetzbarkeit gegeben und wichtige Hürden benannt, die eine Umsetzung der Maßnahmen erschweren bzw. verhindern oder die überwunden werden müssen.

 

Die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Positionspapier sind:

  • Der vorgegebene BISKO (Bilanzierungs-Systematik Kommunal)-Bilanzierungsstandard macht es langfristig rein rechnerisch fast unmöglich, die Landeshauptstadt Kiel aus eigener Kraft CO2-neutral darzustellen, solange bundesweite Parameter und Rahmenbedingungen (z.B. der Bundesstrommix) nicht ebenfalls die Klimaneutralität aufweisen (vgl. Kapitel 3.5).
  • Die Erreichung der Klimaneutralität ist abhängig von einem sehr viel schnelleren Ausbau der Erneuerbaren Energien. Diese können nicht in dem erforderlichen Umfang durch die Landeshauptstadt Kiel bzw. auf dem Kieler Stadtgebiet zur Verfügung gestellt werden.
  • Wer erst 2045 oder 2050 klimaneutral sein will, hat bereits eingeplant, das 1,5 °C-Ziel zu verfehlen.
  • Bei gleichbleibenden jährlichen Emissionen wäre das für Kiel anteilig zur Verfügung stehende Emissionsbudget im Jahr 2028 aufgebraucht.
  • Aus dem aktuellen Umsetzungsstand sowie den Masterplan-Szenarien ergibt sich eine große Handlungslücke: Die Umsetzungsgeschwindigkeit der Emissionsreduktionen müsste sich bis 2035 etwa verfünffachen (verglichen zum Zeitraum seit 1990, vgl. Kapitel 3.1).
  • Die wichtigsten Hindernisse bei der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen sind aktuell zu geringe finanzielle Anreize, fehlende finanzielle und personelle Ressourcen, mangelnder Einfluss auf Bestandsgebäude, fehlender Mut zu ordnungsrechtlichen Maßnahmen sowie insgesamt fehlende (rechtliche) Instrumente und Einflussmöglichkeiten der Kommune bzw. nicht ausreichende gesetzliche Vorgaben auf nationaler Ebene (vgl. Kapitel 3.2).
  • Die Anstrengungen für die Zielerreichung 2035 sind um ein Vielfaches höher als die bereits ambitionierte Zielsetzung bis 2050 und erfordern enorme Investitionen und Veränderungen im Handeln aller Kieler Akteur*innen (vgl. Kapitel 3.4).
  • Die geschätzten Kosten bis 2035 liegen bei ungefähr 240 Mio. € jährlich, die auf alle Kieler Akteur*innen verteilt anfallen, induzieren aber auch erhebliche positive Effekte auf die regionale Wirtschaft. Klimaschutzinvestitionen sind außerdem in jedem Fall deutlich günstiger als die zukünftigen Folgekosten durch die fortschreitende Klimakrise (vgl. Kapitel 3.3).

 

 

Das beauftragte Büro kommt zu dem Ergebnis, dass eine Klimaneutralität in Kiel bis 2035 aus wissenschaftlicher Sicht notwendig ist. Weiterhin wird festgestellt, dass prinzipiell für die Erreichung der Klimaneutralität die erforderlichen Techniken zur Verfügung stehen. Die aktuellen Handlungsmöglichkeiten der Stadt Kiel reichen jedoch nicht aus, um das Ziel aus eigener Kraft zu erreichen. Aktuell existieren auf kommunaler Ebene keine Instrumente, um privaten Akteur*innen die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen wie bspw. Sanierung von Gebäuden, Abschaffung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren oder den Bezug von regenerativen Energien vorzuschreiben. Sie ist auf das Vorhandensein solcher Rahmenbedingungen im Bund und der EU angewiesen. Trotzdem sollten in Kiel schnellstmöglich alle zur Verfügung stehenden Maßnahmen und Hebel konsequent genutzt werden, um dem Ziel soweit und schnell wie möglich näher zu kommen.

 

 

 

In Kapitel 4.1 benennt das beauftragte Büro die wichtigsten lokalen Maßnahmen und Weichenstellungenr die Landeshauptstadt Kiel:

 

A Aktionsplan für den Einflussbereich der Landeshauptstadt Kiel

  • Herstellung eines stadtweiten konsensualen Bekenntnisses zum Klimaschutzziel 2035, das zur verbindlichen Richtschnur zukünftigen Handelns aller Akteur*innen wird (hier sind die lokalen Schlüsselakteur*innen ein entscheidender Hebel.).
  • Werbung der Stadtspitze für das Ziel „Klimaneutral bis 2035“ (bspw. Teilnahme am EU-Vorhaben „Climate-neutral Cities“).
  • Bekenntnis zum Ziel einer klimaneutralen Stadtverwaltung (Vorbildfunktion).
  • Entwicklung einer städtischen Strategie für einen klimaneutralen Gebäudebestand (eigene Liegenschaften) mit dem Zieljahr 2035.
  • Sanierung sämtlicher kommunalen Gebäude auf niedrige Energiestandards, Umstellung der Energieversorgung auf klimaneutrale Energieträger.
  • Kampagne zum frühestmöglichen Ausstieg aus der Heizölnutzung privater Immobilienbesitzer*innen.
  • Nutzung aller kommunalen Handlungshebel und -spielräume zur Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen (z. B. Nutzung von Vorgaben zu Energiestandards und Energieträgern für Neubauten in Bebauungsplänen und städtebaulichen Verträgen, Solarpflicht für alle Neubauten, ggf. Vorgaben auch bei Bestandsgebäuden, Anwendung besonderen Städtebaurechts zur Ausweisung von Sanierungsgebieten auf Basis eines Klimaschutz-/Quartierskonzeptes, Denkmalschutzsatzung hinsichtlich PV überarbeiten).
  • Massiver Ausbau adäquater Fuß- & Radwegeinfrastruktur (u. a. Veloroutennetz) und des ÖPNVs (inkl. erweitertem Stadtbahnnetz in die Umlandregion).
  • Einführung ordnungsrechtlicher Maßnahmen („Push-Maßnahmen“, z. B. Anschluss-/Benutzungszwang der Fernwärme, Solardachpflicht, autofreie Innenstadt, Verknappung kostenfreien Parkraums etc.) zur Unterstützung der (und ggf. Sanktionierung mangelnder) Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen.

 

B Maßnahmen der Kieler Akteur*innen

  • Ein Großteil der Gebäude muss ab sofort (möglichst auch außerhalb der Sanierungszyklen) energetisch auf hohe Energiestandards saniert werden.
  • Die Umstellung der Fernwärmeerzeugung auf vollständig klimaneutrale Energieträger muss möglichst rasch umgesetzt werden.
  • Wärmepumpen (in Haushalten oder zur Versorgung von Wärmenetzen), möglichst mit Strom aus erneuerbaren Energien betrieben, müssen ab sofort zu einer Schlüsseltechnologie für die Wärmeversorgung werden. Keine Heizung darf mehr durch ein mit fossilen Brennstoffen betriebenes System ausgetauscht oder neu gebaut werden.
  • Die Umsetzung umfangreicher Energieeinsparmaßnahmen im Gewerbe- und Industriebereich (Beleuchtung, elektrische Maschinen & Antriebe, Prozesswärmeerzeugung etc.) auch außerhalb von regulären Erneuerungszyklen muss deutlich beschleunigt werden.
  • Im Mobilitätssektor muss ein deutliches und ganzheitliches Umdenken erfolgen, um v. a. den verbrennungsmotorisierten Individualverkehr deutlich zu reduzieren.
  • Sämtliche verbleibende Mobilität muss klimaneutral erfolgen, was in den überwiegenden Fällen Elektromobilität mit Strom aus erneuerbaren Energien sein wird. Lediglich in einigen schwer zu elektrifizierenden Nischen (Nutzfahrzeuge, Schwerlastverkehr, Schiffsverkehr) sind klimaneutral erzeugte synthetische Kraftstoffe eine Option.
  • Die jährlichen Zubaumengen von Windenergie und Photovoltaik müssen zum Erreichen der verschärften Ziele deutlich gesteigert werden.

 

 

Weiteres Vorgehen

 

Ein Maßnahmenpaket für den eigenen Handlungsbereich der Stadt Kiel, das Energiepolitische Arbeitsprogramm für die Jahre 2022 2025, wird derzeit im Rahmen des Re-Audits des European Energy Awards erarbeitet und der Selbstverwaltung im Winter vorgelegt.

 

Auf Grundlage des Positionspapiers Kiel-klimaneutral 2035?! und den nach der anstehenden Bundestagswahl und Landtagswahl zu erwartenden neuen rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen des Klimaschutzes sind die bestehenden kommunalen Ziele, Konzepte und Maßnahmen in diesem Bereich zu überprüfen und anzupassen.

 

 

Anlage:

Positionspapier Kiel-klimaneutral 2035?!

 

 

 

 

 

 

Doris Grondke

Stadträtin für Stadtentwicklung, Bauen und Umwelt

 

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Sachverhalt/Begründung

Mit dem interfraktionellen Antrag Climate Emergency Kiel: Weitere Beschlüsse für eine klimaneutrale und lebenswerte Stadt“ (Drs.: 0002/2021) wurde die Verwaltung gebeten, bis zum Herbst dieses Jahres auf der Grundlage der Szenarien und Maßnahmen des „Masterplan 100 % Klimaschutz“ ein Positionspapier zu erstellen, das im Wesentlichen darstellt wo die kommunalen und überregionalen Zuständigkeiten und Handlungsmöglichkeiten liegen, um die Klimaneutralität bis 2035 zu erreichen. Darüber hinaus werden folgende Aussagen erbeten:

 

  • was die derzeit technisch verfügbaren und wirtschaftlich umsetzbaren Maßnahmen sind,
  • welche Handlungsbereiche im Rahmen des Masterplanprozesses erfasst werden und welche bisher noch nicht erfasst wurden,
  • welche Ergebnisse laut European Energy Award bereits erreicht wurden,
  • welche technischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen sich ändern müssten, damit Kiel spätestens 2035 klimaneutral werden kann,
  • welchen Beitrag die Kieler*innen, Wirtschaftsakteur*innen und Institutionen zur Erreichung

der Klimaschutzziele beitragen können,

  • welche Maßnahmen Kiel unter Berücksichtigung der aktuellen Landes-/Bundes-/EU-Gesetzgebung idealerweise aus eigener Kraft umsetzen kann.

 

 

Mit der Erstellung des Positionspapiers wurde das Büro SCS Hohmeyer I Partner beauftragt, welches bereits 2016 die Klimaschutzstrategie „Masterplan 100 % Klimaschutz“r die Landeshauptstadt Kiel erarbeitet hatte. Das Positionspapier enthält Aussagen, welche wesentlichen Maßnahmen für die Erreichung der Klimaneutralität in Kiel bis 2035 zwingend umgesetzt werden müssten. Diese sind u.a.

 

  • Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs und eine Dekarbonisierung des gesamten Mobilitätssektors,
  • Schnelle Sanierung des öffentlichen und privaten Gebäudebestandes,
  • Verstärkte Energieeffizienzmaßnahmen im Gewerbe- und Industriesektor,
  • Schnelle Dekarbonisierung der Wärmeversorgung (CO2-neutrale Fernwärme, Ersatz aller fossilen Einzelheizungssysteme),
  • Ausbau der regenerativen Stromerzeugung (v. a. Photovoltaik),
  • Klimaneutralität im Neubau.

 

 

Anders als beim Masterplan 100 % Klimaschutz, bei dessen Erarbeitung die Potenziale einer möglichen Reduzierung der Treibhausgasemissionen um mindesten 96 % bis 2050 gemeinsam mit den verschiedenen Kieler Akteur*innen ermittelt wurde, wurden bei der Erstellung des Positionspapiers vom beauftragten Büro SCS Hohmeyer I Partner die erforderlichen Maßnahmen benannt, die zur Erreichung der vorgezogene Klimaneutralität im Jahr 2035 umgesetzt werden müssten, ungeachtet dessen, ob eine Umsetzung unter den vorhandenen Rahmenbedingungen realistisch erscheint. Gleichwohl werden in dem Positionspapier Einschätzungen zur Umsetzbarkeit gegeben und wichtige Hürden benannt, die eine Umsetzung der Maßnahmen erschweren bzw. verhindern oder die überwunden werden müssen.

 

Die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Positionspapier sind:

  • Wer erst 2045 oder 2050 klimaneutral sein will, hat bereits eingeplant, das 1,5 °C-Ziel zu verfehlen.
  • Bei gleichbleibenden jährlichen Emissionen wäre das für Kiel anteilig zur Verfügung stehende Emissionsbudget im Jahr 2028 aufgebraucht,
  • Aus dem aktuellen Umsetzungsstand sowie den Masterplan-Szenarien ergibt sich eine große Handlungslücke: Die Umsetzungsgeschwindigkeit der Emissionsreduktionen müsste sich bis 2035 etwa verfünffachen (verglichen zum Zeitraum seit 1990, vgl. Kapitel 3.1)
  • Die wichtigsten Hindernisse bei der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen sind aktuell zu geringe finanzielle Anreize, fehlende finanzielle und personelle Ressourcen, mangelnder Einfluss auf Bestandsgebäude, fehlender Mut zu ordnungsrechtlichen Maßnahmen sowie insgesamt fehlende (rechtliche) Instrumente und Einflussmöglichkeiten der Kommune bzw. nicht ausreichende gesetzliche Vorgaben auf nationaler Ebene (vgl. Kapitel 3.2).
  • Die Anstrengungen für die Zielerreichung 2035 sind um ein Vielfaches höher als die bereits ambitionierte Zielsetzung bis 2050 und erfordern enorme Investitionen und Veränderungen im Handeln aller Kieler Akteur*innen (vgl. Kapitel 3.4).
  • Die geschätzten Kosten bis 2035 liegen bei ungefähr 240 Mio. € jährlich, die auf alle Kieler Akteur*innen verteilt anfallen, induzieren aber auch erhebliche positive Effekte auf die regionale Wirtschaft. Klimaschutzinvestitionen sind außerdem in jedem Fall deutlich günstiger als die zukünftigen Folgekosten durch die fortschreitende Klimakrise (vgl. Kapitel 3.3).
  • Der vorgegebene BISKO-Bilanzierungsstandard macht es langfristig rein rechnerisch fast unmöglich, die Landeshauptstadt Kiel aus eigener Kraft CO2-neutral darzustellen, solange bundesweite Parameter und Rahmenbedingungen z.B. der Bundesstrommix nicht ebenfalls die Klimaneutralität aufweisen (vgl. Kapitel 3.5).
  • Die Erreichung der Klimaneutralität ist abhängig von einem sehr viel schnelleren Ausbau der Erneuerbaren Energien. Diese können nicht in dem erforderlichen Umfang durch die Landeshauptstadt Kiel bzw. auf dem Kieler Stadtgebiet zur Verfügung gestellt werden.

 

Das beauftragte Büro kommt zu dem Ergebnis, dass eine Erreichung der Klimaneutralität in Kiel bis 2035 aus technischer Sicht möglich und aus wissenschaftlicher Sicht notwendig ist. Die aktuellen Handlungsmöglichkeiten der Stadt Kiel reichen jedoch nicht aus, um das Ziel aus eigener Kraft zu erreichen. Aktuell existieren keine Instrumente um privaten Akteur*innen die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen wie bspw. Sanierung von Gebäuden, Abschaffung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren oder den Bezug von regenerativen Energien vorzuschreiben. Sie ist auf das Vorhandensein solcher Rahmenbedingungen im Bund und der EU angewiesen. Trotzdem sollten in Kiel schnellstmöglich alle zur Verfügung stehenden glichkeiten und Hebel konsequent genutzt werden, um dem Ziel soweit und schnell wie möglich näher zu kommen, denn zur Vermeidung zukünftiger Folgeschäden der Klimakrisehlt jedes Zehntel Grad“ und jedes Kilogramm CO2!

 

 

 

In Kapitel 4.1 benennt das beauftragte Büro die wichtigsten lokalen Maßnahmen und Weichenstellungenr die Landeshauptstadt Kiel:

 

A Aktionsplan für den Einflussbereich der Landeshauptstadt Kiel

  • Herstellung eines stadtweiten konsensualen Bekenntnisses zum Klimaschutzziel 2035, das zur verbindlichen Richtschnur zukünftigen Handelns aller Akteur*innen wird (hier sind die lokalen Schlüsselakteur*innen ein entscheidender Hebel.)
  • Werbung der Stadtspitze für das Ziel Klimaneutral bis 2035 (bspw. Teilnahme am EU-Vorhaben „Climate-neutral Cities“)
  • Bekenntnis zum Ziel einer klimaneutralen Stadtverwaltung (Vorbildfunktion)
  • Entwicklung einer städtischen Strategie für einen klimaneutralen Gebäudebestand (eigene Liegenschaften) mit dem Zieljahr 2035
  • Sanierung sämtlicher kommunalen Gebäude auf niedrige Energiestandards, Umstellung der Energieversorgung auf klimaneutrale Energieträger
  • Kampagne zum frühestmöglichen Ausstieg aus der Heizölnutzung privater Immobilienbesitzer*innen
  • Nutzung aller kommunalen Handlungshebel und -spielräume zur Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen (z. B. Nutzung von Vorgaben zu Energiestandards und Energieträgern für Neubauten in Bebauungsplänen und städtebaulichen Verträgen, Solarpflicht für alle Neubauten, ggf. Vorgaben auch bei Bestandsgebäuden, Anwendung besonderen Städtebaurechts zur Ausweisung von Sanierungsgebieten auf Basis eines Klimaschutz-/Quartierskonzeptes, Denkmalschutzsatzung hinsichtlich PV überarbeiten)
  • Massiver Ausbau adäquater Fuß- & Radwegeinfrastruktur (u. a. Veloroutennetz) und des ÖPNVs (inkl. des geplanten zukünftigen hochwertigen ÖPNV in Kiel mit potentieller Anbindung an die Umlandregion).
  • Einführung ordnungsrechtlicher Maßnahmen („Push-Maßnahmen“, z. B. Anschluss-/Benutzungszwang der Fernwärme, Solardachpflicht, autofreie Innenstadt, Verknappung kostenfreien Parkraums etc.) zur Unterstützung der (und ggf. Sanktionierung mangelnder) Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen

 

B Maßnahmen der Kieler Akteur*innen

  • Ein Großteil der Gebäude muss ab sofort (möglichst auch außerhalb der Sanierungszyklen) energetisch auf hohe Energiestandards saniert werden.
  • Die Umstellung der Fernwärmeerzeugung auf vollständig klimaneutrale Energieträger muss möglichst rasch umgesetzt werden.
  • Wärmepumpen (in Haushalten oder zur Versorgung von Wärmenetzen), möglichst mit Strom aus erneuerbaren Energien betrieben, müssen ab sofort zu einer Schlüsseltechnologie für die Wärmeversorgung werden. Keine Heizung darf mehr durch ein mit fossilen Brennstoffen betriebenes System ausgetauscht oder neu gebaut werden.
  • Die Umsetzung umfangreicher Energieeinsparmaßnahmen im Gewerbe- und Industriebereich (Beleuchtung, elektrische Maschinen & Antriebe, Prozesswärmeerzeugung etc.) auch außerhalb von regulären Erneuerungszyklen muss deutlich beschleunigt werden.
  • Im Mobilitätssektor muss ein deutliches und ganzheitliches Umdenken erfolgen, um v. a. den verbrennungsmotorisierten Individualverkehr deutlich zu reduzieren.
  • Sämtliche verbleibende Mobilität muss klimaneutral erfolgen, was in den überwiegenden Fällen Elektromobilität mit Strom aus erneuerbaren Energien sein wird. Lediglich in einigen schwer zu elektrifizierenden Nischen (Nutzfahrzeuge, Schwerlastverkehr, Schiffsverkehr) sind klimaneutral erzeugte synthetische Kraftstoffe eine Option.
  • Die jährlichen Zubaumengen von Windenergie und Photovoltaik müssen zum Erreichen der verschärften Ziele deutlich gesteigert werden.

 

 

 

Der am 09. August 2021 veröffentlichte Bericht des Weltklimarates (IPCC) ist alarmierend. Demnach vollzieht sich der Klimawandel schneller und folgenschwerer als bislang angenommen. Bei der derzeitigen Entwicklung wird eine Erderwärmung um 1,5 Grad (im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter) mit einer Wahrscheinlichkeit von über 50% bereits im Zeitraum von 2021 bis 2040 überschritten werden und damit deutlich früher als noch im Jahr 2018 prognostiziert. Einige Auswirkungen der Erderwärmung wie der Anstieg des Meeresspiegels und das Schmelzen der Gletscher sind nach Angaben der UN-Klimaexpert*innen bereits heute "unumkehrbar".

 

Wetterextreme wie die Starkregenereignisse in Teilen Deutschlands im Sommer dieses Jahres sowie Dürren und Hitzewellen wie beispielsweise in Griechenland und der Türkei werden durch den Klimawandel verstärkt auftreten.

 

Auch wenn die Erreichung der Klimaneutralität in Kiel bis zum Jahr 2035 aus eigener Kraft nicht ohne eine Veränderung der Rahmenbedingungen auf nationaler Ebene möglich zu sein scheint, sollte Kiel weiterhin alle Hebel in Bewegung setzen, um die im kommunalen Einflussbereich liegenden Maßnahmen schnellstmöglich umzusetzen, die dem Klimawandel entgegenwirken.

 

Ein Maßnahmenpaket für den eigenen Handlungsbereich der Stadt Kiel, das Energiepolitische Arbeitsprogramm für die Jahre 2022 2025, wird derzeit im Rahmen des EEA Re-Audits erarbeitet und der Selbstverwaltung im Winter vorgelegt.

 

 

Anlage:

Positionspapier Kiel-klimaneutral 2035?!

 

 

 

 

 

 

Doris Grondke

Stadträtin für Stadtentwicklung, Bauen und Umwelt

 

 

 

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Anlagen

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