OBERBÜRGERMEISTER*INNEN
Paul Lindemann (1871 - 1924)

Oberbürgermeister Paul Lindemann

* 10.1.1871 in Warnemünde
+ 15.5.1924 in Wandsbek

Amtszeit
3.12.1912 - 15.10.1919

Paul Lindemann wurde am 10. Januar 1871 in Warnemünde geboren. 1888 bestand er das Abitur in Rostock. Danach studierte er in Leipzig und Rostock Rechts- und Staatswissenschaften. Nach der Referendarzeit legte er 1896 die Assessorenprüfung in Rostock ab und wurde dort zunächst Richter, dann am Amtsgericht Gnoien. Noch in demselben Jahr übernahm Lindemann das Bürgermeisteramt in Neukalen.

1903 trat er als Ratsherr in das Ratskollegium von Stralsund ein und wurde am 1. Januar 1907 Stadtrat in Magdeburg. Als 1908 unter dem Oberbürgermeister Paul Fuß die Stelle eines Bürgermeisters in Kiel ausgeschrieben wurde, bewarb sich Lindemann um dieses Amt. Am 16. September wurde er zum zweiten Bürgermeister gewählt und übernahm die Finanzverwaltung.

Als 1912 die Amtszeit von Paul Fuß zu Ende ging, bewarb sich Lindemann als Oberbürgermeister. Unter drei Bewerbern erhielt er 8191 von 8305 abgebenen Stimmen der Bürgerschaft und war damit Oberbürgermeister in Kiel. Die Bevölkerung hatte seine Arbeit als Bürgermeister schätzen gelernt, vor allem seine Sparsamkeit als Finanzdezernent, der den Haushalt der Stadt versuchte in Ordnung zu bringen.

Von Paul Lindemann hängt ein Bild in der Portraitgalerie im Rathaus.

 


Vom Ersten Weltkrieg zur Weimarer Republik

Am 3. Dezember 1912 übernahm Lindemann die Geschäfte des Oberbürgermeisters von Kiel. Seine erste Aufgabe sah er im Ausbau der Elektrizitätsversorgung. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs sah sich Lindemann allerdings bald mit völlig neuen Herausforderungen konfrontiert: Er hatte dafür zu sorgen, dass die knappen Lebensmittel zu Festpreisen gerecht verteilt wurden. Dabei sollte die Stadt aus dem Ersten Weltkrieg mit verhältnismäßig geordneten Finanzen hervorgehen.

Nach dem Zusammenbruch des Kaiserreiches, der Revolution 1918 und der Entstehung der Weimarer Republik änderte sich politisch manches, zum Beispiel auch das Gemeindewahlrecht, das auf demokratische Grundlage gestellt wurde.

Zur Kommunalwahl konnte jetzt jeder Kieler, der das 20. Lebensjahr vollendet hatte und seit sechs Monaten in der Stadt wohnte, wählen. Auch die Frauen waren wahlberechtigt. Gewählt wurde nach dem allgemeinen, gleichen, geheimen Wahlrecht. Die Mandate wurden im Verhältnis zu den abgegebenen Stimmen und den aufgestellten Wahllisten verteilt. Bei der Wahl der Stadtverordnetenversammlung am 2. März 1919 erhielt die MSPD 44,7 Prozent, die USPD 9,6 Prozent.

 


Rücktritt im Eklat

Breite Schichten der Bevölkerung fühlten sich in der neuen Zeit verunsichert und trauerten der alten Ordnung und den bisherigen Werten nach. Zu ihnen gehörte auch Paul Lindemann. Mit der SPD, der stärksten Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung, kam es zum Eklat, als der Oberbürgermeister am 30. September 1919 den Arbeitersekretär Paul Greß (SPD) als besoldeten Stadtrat in sein Amt einführte.

Im Kaiserreich war es üblich gewesen, dass die Kandidaten zur Magistratswahl aus einer Kommission der Stadtverordneten und der Magistratsmitglieder vorgeschlagen wurden, um auch die fachliche Eignung der Kandidaten zu berücksichtigen. Seit 1919 hatte allein die Stadtverordentenversammlung das Vorschlagsrecht. Gewählt wurden die Kandidaten von der Bevölkerung.

In seiner Einführungsrede bedauerte Lindemann das neue Auswahlverfahren und betonte: „Mit der Benennung eines ihrer Parteiangehörigen haben die Mehrheitsparteien der Wahl einen politischen Beigeschmack gegeben.“ Greß sei „durch das Vertrauen der Parteifreunde berufen“ worden. „Aber es liegt ja in der Natur solcher Umwälzungen, wie wir zurzeit eine erleben, dass grundsätzlich alles bisher Vorhandene beseitigt werden muss, ganz gleich, ob es sich bewährt hat oder nicht“ (Kieler Zeitung 1. Oktober 1910).

Damit missachtete Lindemann die demokratische Kandidatenaufstellung und Wahl von Greß. Während der Rede Lindemanns gab es Unruhe und Zwischenrufe im Saal. Seine Meinung wurde von der SPD als Provokation und Missbrauch der Amtsführung gewertet. Auch die anderen Fraktionen schlossen sich diesem Urteil an. Eine gedeihliche Zusammenarbeit sei nicht mehr möglich.

Unter dem Druck der Stadtverordnetenversammlung trat Lindemann am 4. Oktober zurück und wurde am 14. Oktober 1919 aus seinem Amt verabschiedet.

Alle Rathausfraktionen lobten seine Arbeit als Oberbürgermeister, sogar die SPD schloss sich dieser Meinung an. Stadtverordentenvorsteher Dr. Wilhelm Spiegel (SPD) bekundete in der Sitzung der Stadtkollegien: „Wir wissen, welchen ausgezeichneten Verwaltungsbeamten wir an dem Herrn Oberbürgermeister verlieren. Wir schätzen seine Fähigkeiten und seine Arbeitskraft und erkennen an, dass er sich mit Fleiß und Verantwortungsgefühl im Dienste der Stadt aufgeopfert hat. Es liegt uns fern, auf den Mann selber einen Stein zu werfen. Wir sprechen ihm trotz alledem den Dank aus für alles, was er im Dienste der Stadt geleistet hat“ (Schleswig-Holsteinische Volks-Zeitung vom 8. Oktober1919).

 


Lindemann im Dienst republikfeindlicher Putschisten

Im März 1920 versuchten Gegner der Weimarer Republik, die neue demokratische Ordnung zu beseitigen. Der Reichswehrgeneral Walther von Lüttwitz besetzte das Berliner Regierungsviertel, Generallandschaftsdirektor Wolfgang Kapp verkündete, dass er die Regierung übernommen habe. Der Kapp-Putsch griff auf Kiel über.

Konteradmiral Magnus von Levetzow stellte sich auf die Seite der Putschisten, ließ einflussreiche SPD-Mitglieder verhaften, setzte den Kieler sozialdemokratischen Polizeipräsidenten und den ebenfalls sozialdemokratischen Oberpräsidenten Heinrich Kürbis ab, den obersten preußischen Provinzialbeamten. Mit den Zielen des Putschen sympathisierende Männer übernahmen diese Ämter. Paul Lindemann wurde am 14. März zum Oberpräsidenten der Provinz Schleswig-Holstein ernannt.

Als am 17. März 1920 der Putsch in Berlin scheiterte, floh er aus Kiel. In Leipzig stellte er sich der Polizei. Am 30. März kam Lindemann in Untersuchungshaft, wurde aber Pfingsten gegen Kaution freigelassen. Das Hochverratsverfahren gegen ihn und die anderen wurde im August durch Generalamnestie eingestellt.

Danach trat Lindemann in das Hamburger Bankhaus Jordan & Co. ein und wurde 1923 Verwaltungsdirektor der Seeberufsgenossenschaft in Hamburg.

Am 15. Mai 1924 verstarb er in Wandsbek.


Text: Christa Geckeler


Literatur & Zeitungen

  • Lindemann, Margarete: Erinnerungen an Paul Lindemann, in: Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte, Band 73, 1987-1991, Seite 293-304
  • Wulf, Peter: Die Stadt auf der Suche nach ihrer neuen Bestimmung (1918-1933), in: Jürgen Jensen, Peter Wulf (Hg): Geschichte der Stadt Kiel, Neumünster 1991, Seite 316-324
  • Kieler Neueste Nachrichten vom 1. - 14. Oktober 1919
  • Kieler Zeitung vom 1. -14. Oktober 1919
  • Kieler Zeitung und Handelsblatt vom 16. Mai 1924
  • Schleswig-Holsteinische Volks-Zeitung vom 1. - 19. Oktober 1919

Portrait von Paul Lindemann

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