Die Schwentine - Ein norddeutscher Fluss mit Schweizer Charakter

Einleitung

Der Name Schwentine stammt vom slawischen »Sventana« / baltischen »Sventa« ab und bedeutet »die Heilige«. Der kleine Fluss markierte im Früh- und Hochmittelalter die Grenze zwischen dem deutschen/sächsischen Gebiet, das bei Kiel an die Ostsee reichte, und den slawisch besiedelten Bereichen im heutigen Ostholstein.

Mit 62 Kilometer Länge ist die Schwentine einer der längsten Flüsse Schleswig-Holsteins. Sie entspringt in mehreren Quellbächen am höchsten Punkt des Landes, dem Bungsberg, in fast 120 Meter Höhe. Bis sie in Kiel in die Ostsee mündet, durchfließt sie auf einer landschaftlich sehr abwechslungsreichen Strecke die Orte Eutin, Bad Malente, Plön, Preetz und Schwentinental. Sie quert 16 natürliche Seen und einen Stausee. 

Schwentine mit baumbestandenem Ufer
Natürlicher Flusslauf der Schwentine

Dabei bietet ihr Verlauf durch naturnahe Wiesen und Wälder an einigen Stellen Perspektiven, die sonst nur in gebirgigen Landschaften zu finden sind: Die Schmelzwässer der letzten Eiszeit vor rund 15.000 Jahren haben teilweise ungewöhnlich steile Schluchten ausgewaschen, die Ausflügler schon seit rund zweihundert Jahren durch ihren »Schweizer Charakter« faszinieren. 

Bäume am Uferhang
Hangsituation in der Nähe der Oppendorfer Mühle

Bevor die Schwentine als Ausflugsziel an Bedeutung gewann, wurde sie wie die meisten Flüsse vornehmlich wirtschaftlich genutzt. Wegen des kurvigen und flachen Flussverlaufs eignete sich die Schwentine allerdings nie für den Handel oder den Transport. Stattdessen gab es am Mittel- und Unterlauf vor allem Aalwehre und Mühlen.  

Bereits im 14. Jahrhundert waren Nord- und Südufer der Schwentinemündung besiedelt. Die Menschen wohnten in den Siedlungen Wellingdorf, Neumühlen und Dietrichsdorf überwiegend in Fischer- und Bauernhäusern. Später baute man eine feste Wegeverbindung zwischen Wellingdorf und Neumühlen-Dietrichsdorf über die Schwentine. Es ist zu vermuten, dass diese Verbindung zwischen den beiden Siedlungen als Handelsweg diente. Mehr als 700 Jahre war der Bereich um die Schwentinemündung Mühlenstandort.

Zeichnung mit Mühle an, Brücke über und Schiffen auf der Schwentine - öffnet eine vergrößerte Ansicht
Foto von der Schwenitebrücke in Schwarzweiß - öffnet eine vergrößerte Ansicht

Nach einem Brand im Jahre 1799, der die alte Wellingdorfer Wassermühle am südlichen Schwentineufer vernichtete, beauftragte der dänische König Christian VII. den Landbaumeister Johann Adam Richter, einen Damm mit widerstandsfähigeren Brücken aus Backstein und Granit zu errichten. Es entstanden zwei Granitquaderbrücken als Tonnengewölbe in Segmentbogenform. Das Baujahr 1800 ist heute noch im Schlussstein auf der Ostseite des Tonnengewölbes der südlichen Brücke abzulesen.

Ein verwittertes Königsmonogramm befindet sich im Schlussstein an der Westseite. Die nördlich gelegene Brücke war rund 5,30 Meter breit und hatte eine Spannweite von 7,30 Metern. In gleicher Bauart wurde die zweite Brücke hergestellt. Sie war um zehn Zentimeter schmaler und ihre Spannweite um rund 60 Zentimeter geringer. Der Fahrbahnbelag bestand ursprünglich aus Granitgroßpfl aster. Im Laufe der Jahre wurde das Pflaster großflächig mit einer Asphaltschicht überdeckt. In den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden die Brücken um seitliche Fußwege ergänzt. Dadurch verschwand die ursprüngliche Konstruktion fast ganz. Seit 1993 stehen die Gewölbebrücken unter Denkmalschutz.

Alte Schwentinebrücke von Wasserseite
Die alten Schwentinebrücken vor der Grunderneuerung 2008

Bildmaterial: Kieler Stadtarchiv, Stadt- und Schifffahrtsmuseum sowie Udo Weißel

Im Jahre 1997 wurde eine grundlegende Bestandsaufnahme der historischen Bausubstanz vorgenommen und der erhebliche Instandsetzungsbedarf dokumentiert. Durch die Zuschüsse aus dem EUFörderprogramm »Urban II«, dem Programm der Städtebauförderung und aus dem Förderprogramm zur Wiederherstellung der Durchlässigkeit von Fließgewässern gelang es der Landeshauptstadt Kiel, nicht nur die Brückenkonstruktion instand zu setzen, sondern auch das gesamte Umfeld der Schwentinemündung aufzuwerten. Nach intensiver Vorbereitung und Sicherstellung der Finanzierung wurde im Herbst 2007 zunächst mit der Erneuerung der südlichen Gewölbebrücke begonnen. Vorangegangen war dem eine detaillierte Kartierung der denkmalgeschützten Bausubstanz. Alle Arbeiten konnten erst nach Trockenlegung der Baugrube ausgeführt werden. Die Schwentine floss in dieser Bauphase unter der nördlichen Gewölbebrücke und durch einen Notablass im Bereich der Mühlenruine am Nordufer ab.

Gewölbebrücke
Bauzeitlich freigegebene nördiche Gewölbebrücke

Die Gewölbebrücken wurden grundsätzlich in ihrem Bestand erhalten. Teilweise marode Holzpfähle wurden durch Stahlpfähle ersetzt, jeweils ein neuer Schussboden unterhalb der Brücke betoniert und das Gewölbe durch einen Stahlbetonmantel geschützt. Nachdem die Arbeiten an der südlichen Brücke weitgehend abgeschlossen waren, konnte das Wasser unter der südlichen Brücke hindurchgeleitet und die Baugrube der nördlichen Brücke trockengelegt werden.

Wegen der sehr beengten Baustellenverhältnisse musste der Straßenverkehr während der Bauzeit umgeleitet werden. Fußgänger und Radfahrer wurden, zum Teil über eine provisorische Holzbrücke, an der Baustelle vorbeigeführt. Der Straßenbelag bestand nach historischem Vorbild wieder aus Großpflaster. Zusätzlich wurde ein Fischaufstieg im Bereich der nördlichen Gewölbebrücke eingerichtet. Das baufällige Wehr wurde komplett erneuert und hält nun den Wasserstand der unteren Schwentine annähernd konstant. Unter der südlichen Brücke entstand eine neue Kanu-Übersetzstelle. Die grunderneuerten alten Schwentinebrücken wurden im Dezember 2008 für den Verkehr wieder freigegeben.

Blick auf die Schwentine im Bereich der Mündung
Attraktive Umfeldgestaltung im Bereich der Schwentinemündung

Bildmaterial: Udo Weißel

Schon im 13. Jahrhundert nutzte man die günstigen Bedingungen an der Schwentine, um dort eine Wassermühle zu errichten. Diese erste Mühle musste um 1500 der »Nigen Möle«, der neuen Mühle (Neumühlen) weichen. 1799 errichtete man das noch heute erhaltene Gebäude der ehemaligen Kornwassermühle. Zur gleichen Zeit entstanden auch die beiden Bogenbrücken aus Granitstein, an die sich im Norden eine ältere Loh- und Ölmühle anschloss.

Gemälde zeigt Neumühlen im Jahr 1805
Carl Daniel Volgts, „Neumühlen an der Schwentine“, 1805

1865/66 ließen die Gebrüder Lange aus Altona die alten Mühlen auf dem Nordufer abreißen (Abb. 3) und errichteten ein sechsgeschossiges modernes Fabrikgebäude quer zur Schwentine (Abb. 4). Innerhalb kurzer Zeit entstand die größte und bedeutendste Kornmühle Deutschlands. 80 mit Wasser- und Dampfkraft betriebene Mahlgänge verarbeiteten das Getreide. Das Mehl wurde direkt von der Mühle auf Schuten verladen, nach Kiel transportiert und von dort mit der Eisenbahn oder per Schiff weiter befördert. Auf den Weltausstellungen in Paris 1867 und in Wien 1873 erlangten die Erzeugnisse der Langeschen Mühle internationale Anerkennung.

Foto in Schwarzweiß - öffnet eine vergrößerte Ansicht
Foto in Schwarzweiß - öffnet eine vergrößerte Ansicht

Ein Bombenangriff am 9. April 1945 zerstörte schließlich das riesige Mühlengebäude. Danach wurde der Betrieb noch bis 1993 in den beiden erhaltenen Silos fortgeführt. Während das neue Silo von 1934 zu einem Studentenwohnheim umgebaut wurde, riss man das ältere Silo im Jahre 2008 ab. Heute steht von dem einst mächtigen Fabrikkomplex nur noch die Nordwestecke, ein kleiner Würfel, der 1998 instandgesetzt wurde und seitdem ein Café-Restaurant beherbergt.

Bildmaterial: Kieler Stadtarchiv, Stadt- und Schifffahrtsmuseum

Das Spazieren und Wandern hat im Schwentinetal Tradition. Von einem Fußweg, der sich »windet mit sanften Wellenlinien … überall malerisch bis zur Mündung«, schwärmte bereits der Hamburger Domherr Meyer bei seiner Sommerreise 1815.

Gemälde zeigt ein Stück Schwentineufer
Gemälde von Sumpfdotterblumen an der Schwentine

Mit dem Zeitalter der Aufklärung entwickelte nicht nur die Stadtbevölkerung ein Empfinden für Natur- und Landschaftsästhetik. Schon im 18. Jahrhundert wurden Gutsgärten an der Schwentine angelegt und bei deren Gestaltung der nahe Fluss miteinbezogen.

Auffahrt zum Hof
Gut Oppendorf

So verweisen Ortsbezeichnungen wie »Lustberg« bei Oppendorf noch heute auf Plätze, die früher der Gutsherrschaft als Ziel reizvoller Spaziergänge dienten. Mit steigender Mobilität des Bürgertums ab Mitte des 19. Jahrhunderts nahm die Zahl der Ausflüglerinnen und Ausflüger aus der Stadt im Schwentinetal weiter zu. Besonders beliebt war der wegen seiner steilen Taleinschnitte schweizerisch anmutende Bereich der ehemaligen Rastorfer Papiermühle.

Schwarzweißfoto
Bootsfahrt auf der Schwentine

Heute bietet der Wanderweg entlang der Schwentine die Möglichkeit, zu Fuß oder per Fahrrad die Landschaft zu erkunden. Vom naturnahen, zum Teil unter Naturschutz stehenden Schwentinetal bis zur städtisch geprägten Mündung des Flusses in die Kieler Förde wird der Betrachterin oder dem Betrachter ein breites Spektrum von Natur- und Kulturerlebnissen geboten.

Bildmaterial: Ulf Fürst, Landeshauptstadt Kiel, Stadtarchiv

Noch bevor die großen Werften auf dem Kieler Ostufer entstanden, kündeten die rauchenden Schlote der Mühlen an der Schwentinemündung vom Beginn der Industrialisierung. Die idyllische Uferlandschaft sollte sich mit dem Wachstum der Stadt zu einem der wichtigsten Industriestandorte Kiels entwickeln.

Gemälde zeigt Flusslandschaft mit Ortschaft
Alexander Nay, „Neumühlen, am Ausflusse der Schwentine“, 1859

1876 errichtete Georg Howaldt auf dem Nordufer, am Hang des ehemaligen Ballastberges, eine Werft zum Bau von Eisenschiffen. Die Howaldtsche Metallgießerei von 1884 ist das älteste Kieler Industriedenkmal und letztes Zeugnis der langen Schiffbautradition an der Schwentine bis zur Schließung des HDW-Werkes Dietrichsdorf im Jahre 1983. Am Südufer, in unmittelbarer Nähe des im Jahre 1904 für die Ellerbeker Fischer neu errichteten Hafens, baute die kleine Werft Stocks & Kolbe Küstenfahrzeuge für die ganze Welt, von Mozambique bis Uruguay. Unmittelbar daneben lag das Betriebsgelände der Reederei A.C. Hansen, Betreiber der »Blauen Linie« zwischen Neumühlen und Kiel. 1938 entstand auf diesen Flächen die Torpedowerkstatt der Kriegsmarinewerft. Heute befinden sich hier der Seefischmarkt und das IFM-GEOMAR, Leibniz-Institut für Meereswissenschaften an der Universität Kiel. Maritime Wissenschaft steckte auch hinter den Fassaden der ehemaligen Anschütz-Werke, Hersteller des weltberühmten Kreiselkompasses. Häufiger Gast an der Schwentine war Albert Einstein, der hier gemeinsam mit Hermann Anschütz-Kaempfe den Kugelkompass entwickelte. Dieser war vor Einführung der satellitengestützten Navigation Bestandteil jeder Schiffsbrücke.

Gemälde zeigt Werft
Franz Korvan, „Schiffswerft Chr. Kolbe“, 1915

Bildmaterial: Kieler Stadtarchiv, Stadt- und Schifffahrtsmuseum

Zur nächsten Station:
Festung Friedrichsort

Wo finde ich diesen Punkt?

Ausschnitt aus dem Kieler Stadtplan
Standort der Stele: Auf der Schwentinehalbinsel

Bildmaterial

Werner Schumacher