Emma Drewanz

Foto Emma Drewanz
Emma Drewanz | Foto: Joh. Mumm, Kiel

Geboren am 28. Juni 1885 in Reichenau/Ostpreußen

Emma Drewanz, geb. Gießmann, gehört dem Kieler Kreis sozialdemokratischer Frauen an, die sich bereits Anfang des letzten Jahrhunderts, anfangs noch illegal, politisch organisieren und sich für die Rechte von Frauen einsetzen.

Sie wird als ältestes von sieben Kindern in Reichenau/Ostpreußen geboren. Die Prägung durch den sozialdemokratischen Vater und dessen politische Freunde ist nicht unerheblich für Emmas Werdegang. Mit knapp 14 Jahren muss sie die Schule verlassen, da die Klasse mit 95 Kindern überfüllt ist und Emma laut Lehrplan alle möglichen Oberklassen durchlaufen hat.

Sie wird für zwei Jahre als Dienstmädchen in Hohenstein untergebracht, anschließend nimmt sie eine Dienstmädchenstelle in Stettin an. Nach einer schweren Tuberkuloseoperation kehrt Emma als 19-Jährige wieder zurück nach Hohenstein; dort führt sie einer mutterlosen Familie mit drei Kindern den Haushalt.

Mit 22 Jahren findet Emma eine Anstellung als Porzellanarbeiterin in einer Fabrik in Colmar. Sie tritt unverzüglich dem Porzellanarbeiterverband bei und nimmt an den Versammlungen der Industriearbeiter teil. Hier lernt sie auch ihren späteren Ehemann, einen Sozialdemokraten, kennen. 1907 heiraten die beiden.

Im November 1909 folgt Emma Drewanz dem Aufruf zu einer Frauenversammlung, auf der die Hamburgerin Hanna Reitze ein Referat über Frauenrecht hält. Gemeinsam mit ca. 30 Anwesenden lässt sie sich von der Rednerin begeistern. Noch am selben Abend treten alle Teilnehmerinnen in die sozialdemokratische Partei ein und beginnen nun ihrerseits für SPD-Mitgliedschaften zu werben; auch in der Porzellanfabrik, wo Emma Drewanz inzwischen eine Aufwartestelle in der Direktion angenommen hat. Man legt ihr nahe, die Partei zu verlassen, andernfalls drohe die Kündigung. Emma Drewanz entscheidet sich für die Partei.

Bei der Landtagswahl 1913 in Colmar tritt ihr Mann erfolgreich als Wahlmann für die SPD an. Tags darauf werden alle SPD-Kandidaten aus der Lohnarbeit entlassen.

Nun beide arbeitslos, wendet sich Emma Drewanz an den Schwager in Kiel, der ihrem Mann auf den Howaldtswerken Arbeit als Zimmermann beschaffen kann. Sie selbst meldet sich beim örtlichen SPD-Büro und beginnt in der Kinderkommission der Partei mitzuarbeiten. 1916 nimmt sie eine Lohnarbeit als Näherin in der Marine-Waschanstalt an und organisiert sich im Gemeinde- und Staatsarbeiterverband.

1920 schlägt die SPD Emma Drewanz zur Frauen-Distriktsleiterin vor; zusammen mit Nanny Kurfürst wird sie zur gleichberechtigten Vorsitzenden der Frauengruppe Groß-Kiel gewählt.

Nach Ratifizierung der Weimarer Wohlfahrtsgesetzgebung im Jahr 1924 werden die Eheleute Drewanz für die Mitarbeit in der städtischen Wohlfahrtspflege verpflichtet, woraus sich neue Aufgaben zusätzlich zur Partei- und Lohnarbeit ergeben.

Von 1927 an bis zum Verbot durch die Nationalsozialisten 1933 ist Emma Drewanz als SPD-Stadtverordnete im Kieler Rathaus tätig.

Arbeitserziehungslager
Im Arbeitserziehungslager Nordmark an der Rendsburger Landstraße in Kiel-Hassee wurden von Mai 1944 bis Kriegsende fast 600 Menschen von den Nationalsozialisten ermordet. | Foto: Stadtarchiv Kiel

Anlässlich einer öffentlichen Rede Adolf Hitlers in Kiel werden Emma Drewanz und GenossInnen im November 1933 für vier Tage in „Schutzhaft“ genommen. Die Verfolgung durch die Nazis verschärft sich. Im März 1937 folgt eine Hausdurchsuchung durch die Gestapo mit anschließender dreimonatiger Untersuchungshaft, in der Emma Drewanz einen Selbstmordversuch begeht. Bei der später stattfindenden Gerichtsverhandlung wird sie „mangels Beweisen“ freigesprochen. Ein ehemaliger Genosse, inzwischen Gestapo-Spitzel, hatte sie denunziert und behauptet, von ihrem Genossen Ernst Tessloff die verbotene SPD-Zeitung Vorwärts! erhalten zu haben.

In der Folgezeit wird Emma Drewanz immer wieder von der Gestapo vorgeladen und verhört. Trotz großer Angst lässt sie sich, laut eigenen Angaben, nie dazu hinreißen, Namen von GenossInnen oder Parteistrukturen zu verraten. Während der NS-Zeit treffen sich die GenossInnen weiterhin regelmäßig; die illegalen Zusammenkünfte finden eine Zeit lang in der Gartenlaube der Familie Drewanz statt.

Wegen des kurz zuvor gescheiterten Attentats auf Adolf Hitler werden am 22. August 1944 landesweit SozialdemokratInnen und KommunistInnen festgenommen; erneut auch Emma Drewanz, Gertrud Völcker und GenossInnen. Die Kieler Gestapo bringt die Frauen ins Konzentrationslager Russee. Ein paar Tage später arrestiert man die Gruppe im Kieler Polizeigefängnis in der Blumenstraße. Emma Drewanz kommt nach knapp vier Wochen frei, Gertrud Völcker bleibt länger in Haft.

Nach Kriegsende reorganisiert sich die SPD, doch für Emma Drewanz folgt recht bald das Ende ihrer öffentlichen politischen Tätigkeit. Die Gestapo-Leitung hatte das Gerücht in die Welt gesetzt, Emma Drewanz sei deshalb früher als Gertrud Völcker aus der Haft entlassen worden, weil sie „ihnen auch gute Dienste geleistet“ habe.

Obwohl Gertrud Völcker diese Verleumdungen stets als Lüge bezeichnet und Emma Drewanz' Verhalten vertrauensvoll lobt, hat die von der Gestapo beabsichtigte Hetze ihr Ziel erreicht: Trotz des geleisteten Widerstands während der NS-Zeit wird Emma Drewanz im Februar 1947 von Ida Hinz, Vorsitzende der Kieler SPD-Frauengruppe, aufgefordert, sich für ihre Haltung in der Nazizeit zu verantworten. Man glaubt ihren Worten letztendlich nicht, und der Vorwurf des Verrats kann nicht bereinigt werden.

Tief enttäuscht von den GenossInnen beschließt Emma Drewanz, mit nun 60 Jahren von der Parteiarbeit Abstand zu nehmen, obwohl sie mehrere Angebote erhält. Sie zieht sich weitgehend in ihr Familienleben zurück, engagiert sich jedoch noch auf dem Jugendhof Hammer, um vor allem Flüchtlingen, die dort untergebracht sind, beizustehen. Weiterhin versucht sie, „in sozialistischer Tradition“ jedem Menschen, der an sie herantritt, mögliche Hilfe zu leisten, wie sie es in einem Gespräch mit Gertrud Völcker im Jahr 1964 formuliert.

Sie stirbt am 15. September 1969 in Kiel im Alter von 84 Jahren.



(aus: Nicole Schultheiß: "Geht nicht gibt's nicht ..."
24 Portraits herausragender Frauen aus der Kieler Stadtgeschichte. Kiel 2007)