Anna 'Anne' Brodersen

Foto Anne Brodersen
Anne Brodersen, Foto: Stadtarchiv Kiel

Geboren am 16. Februar 1903 in Kiel

Anne Brodersen ist für die Entwicklung der Kieler Sozial- und Frauengeschichte eine bedeutsame Frau.

Auf ihre Initiative sind fortschrittliche Sozialmaßnahmen zurückzuführen wie z.B. der Ausbau des Alten- und Pflegeheimnetzes sowie die Neuordnung des Hebammenwesens in Schleswig-Holstein.

Sie wächst als Anna Schröder in Kiel auf, erlernt den Beruf der Kontoristin und engagiert sich bereits seit dem 17. Lebensjahr in der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ). In der SAJ begegnet sie auch ihrem späteren Mann Niels Brodersen.

Als Mitglied des Kieler SPD-Kreisvorstandes übt sie bis zur Machtübertragung an die Nationalsozialisten im Jahre 1933 verschiedene Funktionen innerhalb der SPD aus. So hat sie u.a. den Distriktvorsitz der sozialdemokratischen Frauengruppe Ellerbek inne. Die gleichberechtigte Beteiligung von Frauen am gesellschaftlichen und politischen Leben gehört von Beginn an zu ihren Hauptanliegen.

Bereits im Sommer 1933 wird Anne Brodersen aufgrund ihrer sozialdemokratischen Gesinnung für zweieinhalb Monate inhaftiert. Nach der Freilassung verlässt sie Kiel und zieht mit ihrer Familie nach Berlin, um sich weiterer Verfolgung durch die Nationalsozialisten zu entziehen.

In den kommenden 15 Jahren halten die Brodersens den Kontakt zu den Kieler SozialdemokratInnen. Mit den Genossen Andreas Gayk und Karl Rickers gibt Anne Brodersen in Berlin die sozialdemokratische Untergrundzeitschrift Der Weckruf heraus. Von 1943 bis 1945 arbeitet sie kriegsdienstverpflichtet im Wirtschaftsamt Berlin-Wilmersdorf. Sofort nach Kriegsende nimmt Anne Brodersen ihre politische Arbeit wieder auf. Von 1945 bis 1948 leitet sie die SPD-Frauengruppe in Berlin-Köpenick.

Die Eheleute kehren 1948 nach Kiel zurück. Die Brodersens müssen wie so viele in dieser Zeit großes Leid erfahren: ihr Sohn Jürgen gilt seit 1944 als vermisst, ihr zweiter Sohn Hagen kommt verwundet aus dem Krieg zurück.  

Vier Frauen und ein Mann
Anne Brodersen (Bildmitte) leitet die Frauenarbeit beim SPD-Bezirksvorstand | Foto: Stadtarchiv Kiel

Ein Jahr nach Rückkehr in ihre Heimatstadt wird Anne Brodersen Mitglied im schleswig-holsteinischen SPD-Landesvorstand und zugleich Leiterin der Frauenarbeit beim SPD-Bezirksvorstand. Hier prägt sie maßgeblich die sozialdemokratische Frauenarbeit in Schleswig-Holstein. Sie ist oft im Land unterwegs, um Vorträge zu halten, die die Frauen zur aktiven Teilnahme an der Politik animieren sollen.

1950 gründet sich der Landesfrauenrat mit Anne Brodersen als zweiter Vorsitzender. Dieses Amt legt sie erst zwanzig Jahre später, kurz vor ihrem Tod, nieder. Von 1951 bis 1963 sitzt sie für die SPD in der Kieler Ratsversammlung. Neben der Frauenpolitik gilt ihr Interesse auch der Sozial- und Bildungspolitik. Als Dezernentin für das Büchereiwesen baut sie vor allem die Jugendbibliotheken aus.

Von 1954 bis 1968 setzt sich Anne Brodersen als Abgeordnete des schleswig-holsteinischen Landtages in den Ausschüssen für Volksbildung, Volkswohlfahrt, Arbeit und Aufbau sowie Ernährung, Landwirtschaft und Forsten aktiv ein. Auf ihre Initiative als Vorsitzende des Volkswohlfahrtsausschusses sind fortschrittliche Sozialmaßnahmen zurückzuführen. Beispiele sind der Ausbau des Alten- und Pflegeheimnetzes, die Ausstattung der Heime nach neuesten Erkenntnissen sowie die Neuordnung des Hebammenwesens im Land.

Ab 1956 engagiert Anne Brodersen sich ehrenamtlich als Stadträtin. Außerdem gehört sie dem Landesvorstand der Arbeiterwohlfahrt an und ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Ernährung im Beirat der Sektion Schleswig-Holstein. Im November 1968 legt sie ihr Abgeordneten-Mandat aus gesundheitlichen Gründen nieder.

Anne Brodersen wird von GenossInnen und KollegInnen immer wieder als angriffslustig und humorvoll beschrieben. Für ihre Verdienste um das Gemeinwohl zeichnet das Land Schleswig-Holstein sie 1958 mit der Freiherr-vom-Stein-Medaille aus, am 22. Januar 1968 erhält sie das Bundesverdienstkreuz erster Klasse. Anne Brodersen wird als eine bedeutende Frau der Kieler Stadtgeschichte gewürdigt, die sich sowohl auf kommunalpolitischer als auch auf Landesebene verdient gemacht hat.

Sie stirbt am 18. Juli 1971 in Kiel im Alter von 68 Jahren.



(aus: Nicole Schultheiß: "Geht nicht gibt's nicht ..."
24 Portraits herausragender Frauen aus der Kieler Stadtgeschichte. Kiel 2007)