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ALLRIS - Drucksache

Geschäftliche Mitteilung - 0890/2023

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Beratungsfolge

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Sachverhalt/Begründung

Sachverhalt

Erfahrungsbericht „Pop-Up“-Briefwahlbüro Gaarden und Bericht zur Drs. 0275/2023 „Steigerung der Wahlbeteiligung“

 

  1. Erfahrungsbericht „Pop-Up“-Briefwahlbüro Gaarden

 

Das Stadtamt richtete für die Gemeindewahl am 14. Mai 2023 ein weiteres, neben dem traditionellen Standort Raum 184, Altes Rathaus, Briefwahlbüro in der Schulstr. 29 in Kiel-Gaarden ein.

 

Es wurden hier drei Räume in einem ehemaligen Verwaltungsgebäude genutzt, welches zum Zeitpunkt der Anmietung leer stand. Durch die bewusst temporäre Einrichtung und die Beschilderung u.a. mit Beachflags sollte der Pop-Up-Charakter hervorgehoben werden. Die Möblierung erfolgte mit Möbeln, welche vorher in der geschlossenen Erhebungsstelle Zensus genutzt wurden. Das Büro wurde im Zeitraum 3. April bis 12. Mai 2023 für die Bürger*innen geöffnet. Neben der Möglichkeit hier Briefwahl zu beantragen, war auch eine direkte Stimmabgabe in der bereitgestellten Wahlkabine möglich.

 

Im Öffnungszeitraum wurden rund 520 Bürger*innen empfangen, davon haben 482 direkt ihre Stimme abgegeben. Damit haben 8,3% der Briefdirektwähler*innen in Kiel Ihre Stimme im Briefwahlbüro Gaarden abgegeben. Eine leichte Entlastung des Briefwahlbüros im Rathaus ging damit einher. Der größte Teil der Besucher*innen kam dabei direkt aus dem betreffenden Wahlkreis 18 (Gaarden-Ost, 24%), gefolgt von den Nachbarwahlkreisen 17 (Gaarden-Süd, 17%) und 19 (Ellerbek, 15%). Ansonsten kamen die Bürger*innen überwiegend aus den übrigen Wahlkreisen 20-23 auf dem Ostufer (22%) und zu einem geringen Teil aus den übrigen Wahlkreisen.

 

Der Standort in der Schulstraße wurde neben der kurzfristigen Verfügbarkeit auch wegen der Lage im Stadtteil Gaarden, einem Gebiet mit zuletzt niedriger Wahlbeteiligung, ausgesucht. Da das Gebäude etwas abseits der Passantenströme liegt und auch keine weiteren Dienstleistungen dort angeboten wurden, kamen Bürger*innen nur sehr gezielt in das Briefwahlbüro Gaarden. Bereits in den Wahlbenachrichtigungen, auf der Webseite des Sachbereich Wahlen und durch Pressearbeit sowie eine kontinuierliche Begleitung durch die Social Media Redaktion wurde auf den neuen Standort hingewiesen. Da der Standort offenbar dennoch noch nicht bekannt genug war und es in der Kürze der Zeit nicht möglich war, den Bekanntheitsgrad des Standorts signifikant zu erhöhen, litt die Besucher*innenzahl vermutlich unter diesem Umstand. Zukünftig böte sich daher für eine Außenstelle des Briefwahlbüros ein Ort mit höherer Besucher*innenfrequenz an, z.B. die Stadtteilbürgerämter, ein Standort in einem Behördenzentrum oder ein leerstehendes Ladenlokal in einer Einkaufsstraße. Eine noch breitere Unterstützung durch Öffentlichkeitsarbeit / Werbung erscheint ebenfalls sinnvoll.

 

Das Briefwahlbüro Gaarden (mit identischen Öffnungszeiten wie das Briefwahlbüro im Rathaus) wurde mit zwei Personen dauerhaft besetzt. Das Team bestand aus einer*m Einwohnermeldesachbearbeiter*in und einer studentischen Aushilfe. Die*Der Sachbearbeiter*in hatte zudem die Aufgabe, vor Schichtbeginn die Briefwahlunterlagen aus dem Rathaus abzuholen und diese nach Schichtende wieder dorthin zurückzubringen. Das Team vor Ort bearbeitete neben den Publikumsanfragen auch schriftliche Briefwahlanträge aus dem Rathaus, so dass eine Beschäftigung auch in schwachen Besucher*innenzeiten durchgehend gewährleistet war.

 

Eine technische Infrastruktur (Internet/Telefon) war in dem Gebäude nicht vorhanden bzw. nicht nutzbar und musste neu geschaffen werden. Telekommunikationsfirmen konnten den beauftragten Breitbandanschluss wegen Lieferengpässen bei den Hardware-Komponenten nicht rechtzeitig bereitstellen, so dass eine Internetverbindung über einen 5G Router hergestellt wurde. Die technische (improvisierte) Lösung hat sich sehr bewährt und kann als schlanke Musterlösung für ähnliche Problemlagen genutzt werden. Selbst aufwändige Anwendungen, wie das Fachverfahren für das Meldewesen OK.EWO, liefen einwandfrei. Allerdings ist für jeden Standort zu prüfen, ob eine Umsetzung dort auch tatsächlich möglich ist, da der 5G Ausbau sehr unterschiedlich fortgeschritten ist.

 

Rückmeldungen der Besucher*innen im Briefwahlbüro war überwiegend positiv. Die Nähe zum Ostufer und die Möglichkeit, direkt vor dem Büro parken zu können, wurden dabei besonders positiv erwähnt.

 

Die Wahlbeteiligung im Wahlkreis 18 stieg leicht von 21,6% in 2018 auf 22,1% in 2023. Damit liegt die Entwicklung zwar weiterhin auf niedrigem Niveau, aber über dem stadtweiten Trend. Aus diesen Erfahrungen wird sich das weitere Vorgehen mit dezentralen Briefwahlbüros ableiten.

 

  1. Bericht zur Drs. 0275/2023 „Steigerung der Wahlbeteiligung“

 

Die Verwaltung hat einen Vergleich der letzten drei Gemeinde- bzw. Oberbürgermeisterwahlen durchgeführt. Dieses sind die Gemeindewahlen 2013, 2018 und 2023, sowie die Oberbürgermeisterwahlen 2012 (inkl. Stichwahl), 2014 und 2019

 

  1. Entwicklung Wahlbeteiligung in Verbindung zu Wahlgebäuden

 

Ein Vergleich auf Wahllokal- bzw. auf Wahlbezirksebene wäre wenig aussagekräftig, da aus organisatorischen und demographischen Gründen (Zu- und Abnahme der Zahl der Wahlberechtigten) diese einer ständigen Revision unterliegen und insbesondere die Wahlbezirke als kleinste organisatorische Einheiten dadurch einer ständigen Veränderung unterliegen. Zudem wurden in den Wahlbezirken teilweise Briefwahlstimmen aus anderen Bezirken mit ausgezählt, so dass eine Vergleichbarkeit hier ebenfalls nicht gegeben ist.

 

Es ist zu beachten, dass bei der Gemeindewahl 2018 die Wahlbeteiligung insbesondere in den nördlichen Gemeindewahlkreisen 24 und 25 überdurchschnittlich hoch lag, da zeitgleich der Bürger*innenentscheid zum Erhalt des Flughafens durchgeführt wurde.

 

Bei der OB-Wahl 2014 lag die Wahlbeteiligung generell höher wegen des zeitgleich durchgeführten Bürger*innenentscheids zur Planung eines Möbelmarktzentrums.

 

In der Anlage 1 sind auf Wahlkreisebene die Entwicklung der Wahlbeteiligung der sieben betrachteten Wahlen dargestellt und zum Vergleich die gesamte Wahlbeteiligung im Kieler Stadtgebiet.

 

In Anlage 2 ist pro Wahlkreis die Entwicklung der Wahlbeteiligung im Vergleich zur Wahlbeteiligung im gesamten Kieler Stadtgebiet graphisch dargestellt. Eine Veränderung des Abstands bedeutet dabei eine Entwicklung über oder unter dem stadtweiten Trend der Wahlbeteiligung.

 

Anlage 3 zeigt die genutzten Wahlgebäude pro Wahlkreis und Wahl.

 

Die grundsätzliche Zunahme des Anteils an Briefwählenden, vor allem im Zuge der Corona-Pandemie, ist bei der Gemeindewahl zu vernachlässigen. Im Gegensatz zu anderen Wahlen werden die Briefwähler*innen von den Wahlvorständen der Wahlkreise, in welchen sie wahlberechtigt sind, mit ausgezählt.

 

Im Ergebnis ist ein direkter Zusammenhang zwischen der Anzahl von Wahlgebäuden und der Entwicklung der Wahlbeteiligung in den Wahlkreisen nicht erkennbar. Es gibt in Wahlkreisen mit einer geringeren Anzahl an Wahlgebäuden sowohl Abnahmen (z.B. GWK 10, 11, 25 – siehe Anlage 1) als auch deutliche Zuwächse (z.B. GWK 1, 2) an Wahlbeteiligung.

 

Insgesamt kann man in etwa 70% der Wahllokale von den Gemeindewahlen 2013 zu 2018 und 2018 zu 2023 eine Steigerung der Wahlbeteiligung feststellen. Der Trend ist daher leicht positiv.

 

  1. Möglichkeiten der Steigerung der Wahlbeteiligung

 

Die Verwaltung prüft zu jeder Wahl die verfügbaren und nutzbaren Gebäude in Hinblick auf die Eignung der Räume als Wahllokal, die Barrierefreiheit, die Erreichbarkeit für die Wähler*innen und die Wirtschaftlichkeit. Dabei wird eine kontinuierliche Entwicklung und Verbesserung angestrebt. Waren die letzten Jahre dabei zusätzlich durch die Corona-Pandemie und die damit verbundenen besonderen Anforderungen an Wahlgebäude beeinflusst, so liegen jetzt wieder die o.a. Aspekte im Fokus. Bei der Europawahl 2024 wird es nach derzeitigem Stand der Planung wieder eine deutliche Erhöhung der Zahl der Wahlgebäude geben.

 

So wird z.B. die pandemiebedingte Zusammenlegung der Schilkseer Wahlvorstände in der Grundschule Schilksee 2024 rückgängig gemacht. Hier kam es aufgrund der ungünstigen Lage des Wahlgebäudes im Stadtteil tatsächlich zu wenigen Beschwerden und einem leichten Rückgang der Wahlbeteiligung. Genauso wird aber auch im Wahlkreis 10 (Mettenhof-Ost) die Zahl der Wahlgebäude von eins auf drei erhöht. Hier kam es nicht zu einem Rückgang der Wahlbeteiligung und es wird auch keine Steigerung der Wahlbeteiligung durch die Verlegung erwartet. Trotzdem zeigt es den normalen Optimierungsprozess, um den Wahlberechtigten die Wahlteilnahme so gut es geht zu erleichtern.

 

Die Anregung von stadtweiter zusätzlicher Öffentlichkeitsarbeit in Bezug auf die Wahlen begrüßt das Stadtamt ausdrücklich. Eine ausschließliche oder gar selektive stadtteilbezogene Öffentlichkeitsarbeit ist in Hinblick auf die Gleichbehandlung aller Wählenden eher kritisch zu bewerten.

 

  1. Bewegliche Wahlvorstände und mobile Briefwahlbüros

 

Der Bedarf an früher eingesetzten beweglichen Wahlvorständen am Wahltag in Pflegeeinrichtungen hat durch die Erleichterung der Briefwahl und die damit verbundene starke Zunahme der Briefwählenden an Bedeutung verloren. Seit der Gemeindewahl 2023 fragt die Verwaltung vor jeder Wahl betreffende Einrichtungen ab, ob Bedarf an beweglichen Wahlvorständen besteht. Alternativ wird ein erleichterter Zugang zur Briefwahl ermöglicht mit zusätzlichen Informationen für die Bewohner*innen und Anträgen, die direkt vor Ort von den Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden. Letzteres Vorgehen wurde bei der Gemeindewahl am 14. Mai 2023 für alle Einrichtungen ermöglicht.

 

Ein Konzept für die mögliche Einrichtung von mobilen Briefwahlteams bereits vor dem Wahltag insbesondere in Pflegeeinrichtungen wird aktuell geprüft.

 

 

 

Christian Zierau

Stadtrat 

 

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Anlagen

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