Infosystem Kommunalpolitik
Geschäftliche Mitteilung - 1182/2023
Grunddaten
- Betreff:
-
Stellungnahme Netzentwicklungsplan Strom 2037/2045
- Status:
- öffentlich (Drucksache abgeschlossen)
- Drucksachenart:
- Geschäftliche Mitteilung
- Federführend:
- Stadtplanungsamt
Beratungsfolge
Status | Datum | Gremium | Beschluss | NA |
---|---|---|---|---|
●
Erledigt
|
|
Ratsversammlung
|
Kenntnisnahme
|
|
|
Nov 16, 2023
|
Sachverhalt/Begründung
Vorbemerkung:
Die Landeshauptstadt Kiel erhielt erst am 9. Oktober Informationen über den Start der Konsultationsphase des Netzentwicklungsplans Strom. Aufgrund der Kurzfristigkeit konnte der Bauausschuss am 2.11.2023 nicht mehr erreicht werden, so dass in diesem Ausnahmefall eine geschäftliche Mitteilung direkt für die Ratsversammlung gefertigt wurde.
Hintergrund: der Netzentwicklungsplan Strom
Zur Erreichung der Klimaschutzziele des Bundes ist der bundesweite Ausbau der Höchstspannungsnetze für die nächsten Jahre ein zentraler Baustein. Der Netzentwicklungsplan Strom (NEP) ist hierfür das zentrale Instrument, mit dem die Grundlage für eine sichere Stromversorgung geschaffen werden soll. Der Netzentwicklungsplan Strom wird alle zwei Jahre aktualisiert und stellt die bestehenden Erkenntnisse der Netzplanung regelmäßig auf den Prüfstand. Erarbeitet und entworfen wird der NEP von den vier deutschen Übertragungsnetzbetreibern 50Hertz, Amprion, TenneT und TransnetBW. Sie betreiben das Höchstspannungsnetz in Deutschland und kümmern sich um dessen zukunftsgerechten Ausbau.
Nach einem öffentlichen Konsultationsverfahren und einer fachlichen Prüfung veröffentlicht die Bundesnetzagentur (BNetzA) abschließend den NEP, bevor Teile der darin enthaltene Maßnahmen in das Bundesbedarfsplangesetz einfließen.
Ein zweiter, überarbeiteter Entwurf des Netzentwicklungsplans wurde der Bundesnetzagentur am 12. Juni 2023 vorgelegt. Dieser wurde durch die Bundesnetzagentur geprüft und in der aktuell laufenden Konsultationsphase (in der folgenden Grafik mit einem blauen Pfeil hervorgehoben) veröffentlicht. Die entsprechenden Unterlagen zum Netzentwicklungsplan sowie interaktive Grafiken finden sich auf der von den Übertragungsnetzbetreibern betriebenen Seite www.netzentwicklungsplan.de (Dokument: Netzentwicklungsplan Strom 2037/2045, Version 2023, 2. Entwurf, Teil 2 - S. 515 ff) sowie auf der von der Bundesnetzagentur betriebenen Seite www.netzausbau.de.
Bürger und Bürgerinnen, Verbände und Behörden haben die Gelegenheit, sich in den Prozess einzubringen: Bis zum 20. November 2023 besteht die Möglichkeit, Stellungnahmen zum zweiten Entwurf des Netzentwicklungsplans abzugeben, bevor dieser bestätigt wird. Die Landeshauptstadt Kiel wurde am 9. Oktober von TenneT über den Start der Konsultationsphase informiert.
Quelle: www.netzentwicklungsplan.de
Die geplanten Maßnahmen mit voraussichtlicher Kieler Betroffenheit
Die Landeshauptstadt Kiel ist durch das Projekt „P71 Netzverstärkung Und -Ausbau Audorf/Süd - Kiel/Neu - Trent - Göhl/West“ unmittelbar betroffen. Im Projekt vorgesehen sind
- eine 380kV-Leitung von Osterrönfeld/ Rendsburg (Audorf-Süd, an der Leitung Hamburg - Dänemark) über Kiel nach Göhl bei Oldenburg in Holstein (neue Ostküstenleitung) (Projektkürzel XY) sowie
- ein hieran angeschlossenes Umspannwerk Kiel / neu (Projektkürzel P 71). Die Inbetriebnahme ist aktuell für 2037 anvisiert.
Zu 1.:
Zur Leitung Audorf-Süd – Kiel / neu trifft der Projektsteckbrief im NEP im Wesentlichen folgende Aussagen:
„Im Rahmen dieser Maßnahme ist der Bau einer 380-kV-Doppelleitung mit 4.000 Amper zwischen Audorf/Süd und Kiel im Trassenraum der bestehenden 220-kV-Leitung vorgesehen (Netzverstärkung). Die bestehenden 220-kV-Umspannwerke Kiel/Süd [Anm: Wellsee] und Kiel/West [Anm: Suchsdorf] werden an das neu zu errichtende 380-kV-Umspannwerk Kiel/neu über die bestehende 220-kV-Struktur angeschlossen.“
„Die 220-kV-Leitung zwischen Audorf/Süd und dem neu zu errichtenden Umspannwerk Kiel/neu kann nach Inbetriebnahme von M46 und M47 zurückgebaut werden.“
Zur Leitung Kiel / neu – Göhl werden im Wesentlichen folgende für Kiel relevante Aussagen getroffen:
„Im Rahmen dieser Maßnahme ist der Bau einer neuen 380-kV-Doppelleitung mit 4.000 Amper vom neu zu errichtenden 380-kV-Umspannwerk Kiel über ein neu zu errichtendes 380-kV-Umspannwerk im Suchraum Trent [Anm: zwischen Pretz und Plön] zum im Rahmen der Ostküstenleitung (TTG-P72) neu zu errichtenden 380-kV-Umspannwerk Göhl/West vorgesehen (Netzausbau). Darüber hinaus ist die 380-kV-Doppelleitung in die neuen Umspannwerke Göhl/West und Kiel/neu einzubinden (Netzverstärkung und Netzausbau).“
Zu 2.:
Zum geplanten Umspannwerk Kiel / neu zusätzlich:
„Darüber hinaus ist […] und ein neues 380-kV-Umspannwerk Kiel/neu (Suchraum Stadt Kiel, Gemeinden Achterwehr, Melsdorf, Flintbek, Honigsee, Postfeld, Barmissen, Warnau) mit zwei 380/220-kV-Transformatoren und vier 380/110-kV-Transformatoren zu errichten (Netzausbau).“
Zusammengefasst:
- Es soll eine neue 380kV-Leitung zwischen Rendsburg und Oldenburg in Holstein gebaut werden. Diese soll westlich von Kiel im Trassenraum der 220kV-Leitung errichtet werden. Nachdem die 380kV-Leitung erbaut ist, kann die 220kV-Leitung zurückgebaut werden. Östlich von Kiel soll eine vollständig neue Leitung errichtet werden.
- Auf Kieler Stadtgebiet ist davon auszugehen, dass die bestehenden 220kV-Leitung zur Verbindung des 380kV-Netzes mit den vorhandenen Umspannwerken Kiel-Süd und Kiel-West erhalten bleiben.
- Es soll ein neues Umspannwerk innerhalb eines Suchraums errichtet werden, der auch die Landeshauptstadt Kiel umfasst, in möglichst geringer Entfernung zur 380kV-Leitungstrasse.
Weiteres Vorgehen
Es handelt sich dabei nach Aussagen im NEP nicht um ein „ein quantitatives Einspruchsverfahren, noch können an dieser Stelle Ansprüche jedweder Art geltend gemacht werden.“
Aufgrund der sehr hohen „Flughöhe“ des bundesweiten Netzentwicklungsplans sind noch keine konkreten Aussagen zum Projekt P71 enthalten, so dass auch die Auswirkungen auf das Kieler Stadtgebiet nur sehr grob abschätzbar sind. Insbesondere die Suche nach einem Standort für ein neues Umspannwerk mit einem absehbar großen Flächenbedarf stände im Kieler Stadtgebiet in einem Spannungsfeld zwischen naturschutzrechtlichen Belangen und dem Siedlungsdruck sowie notwendigen Abständen zu Wohnbebauung, die nur sehr schwierig zu erfüllen sein werden. Zu den Leitungen können seitens der Verwaltung aktuell noch keine Aussagen z.B. zu Abstandserfordernisse getroffen werden. Weiterhin wird im NEP (Kap. 8.7) darauf verwiesen, Stellungnahmen zu einzelnen Projekten erst in den nachgelagerten Verfahren einzureichen. Die Landeshauptstadt Kiel wird aufgrund der denkbaren Betroffenheit des Kieler Stadtgebiets trotzdem die Konsultation nutzen, um bereits frühzeitig zum NEP eine Stellungnahme mit Wahrung der Frist bis zum 20.11.2023 (siehe unten) einzureichen.
- Stellungnahme
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir bedanken uns für die Möglichkeit zur Stellungnahmen zum zweiten Entwurf des
Entwurf des Netzentwicklungsplans 2037/2045 (2023).
Die Landeshauptstadt Kiel (LHK) ist betroffen durch das Projekt P 71: NETZVERSTÄRKUNG UND -AUSBAU AUDORF/SÜD - KIEL/NEU - TRENT - GÖHL/WEST. Entsprechend bezieht sich die Stellungnahme insbesondere auf Aspekte dieses Vorhabens.
Zuerst einmal begrüßt die LHK alle Anstrengungen zur Beschleunigung der Energiewende hin zu den erneuerbaren Energien und zur Stabilisierung der Netzinfrastruktur.
Entsprechend unterstützt die LHK die Netzverstärkung und den Anschluss an das 380 kV Netz. Die damit verbundenen Vorteile der Netzstabilität und Stromverfügbarkeit werden im Besonderen gewürdigt.
Die Landeshauptstadt Kiel hat für Ihre Einwohneranzahl ein vergleichsweise kleines Stadtgebiet. Hier finden sich nur noch wenige Flächenpotenziale für zukünftige Entwicklungen. Die LHK hat sich schon lange das Ziel gesetzt, bauliche Innentwicklung der Außenentwicklung vorzuziehen, um die wenigen wertvollen Ackerböden und Landschaftsräume zu sichern. Aktuell einzige Ausnahme bildet das Siedlungsvorhaben "StadtDorf auf den Meimersdorfer Höhen"im Kieler Süden, welches sich in der Planaufstellung befindet (Drs.-Nr. 1223/2021). Diese letzten im Flächennutzungsplan noch verbliebenen Wohnbaulandentwicklungspotenziale gilt es in vollem Umfang und Qualität zu sichern. Wir weisen auf die Anpassungspflicht an den Flächennutzungsplan nach §7 BauGB hin.
Leitungstrassen:
Der Ausbau der Leitungstrassen ist ein gravierender Eingriff in verschiedene andere Raumnutzungen. Ökologische, wirtschaftliche - sowie städtebauliche Auswirkungen sind nur einige der möglichen Beeinträchtigungen. Diese wirken umso stärker auf die Landeshauptstadt Kiel, weil so viele Kieler*innen hiervon betroffen sein werden.
Leider ist bislang - bis auf wenige Pilotvorhaben - der gesamte Ausbau des Flächennetzes in Schleswig-Holstein aus wirtschaftlichen Gründen (siehe NEP 2022) in AC Technologie überirdisch vorgesehen. Die Landeshauptstadt Kiel plädiert aufgrund der besonderen siedlungsstrukturellen Rahmenbedingungen für den Einsatz von Erdkabeln an Stelle von Freileitungen.
Sollten erdgebundene Leitung auch trotz erneuter Erwägungen nicht möglich sein, gilt es bei der oberirdischen Ausführung umso mehr Sorgfalt walten zu lassen. Es ist strengstens darauf zu achten, dass Eingriffe in Natur und Landschaft einschließlich des Landschaftsbilds und des Flächenverbrauchs sowie negative Auswirkungen auf die Bevölkerung so gering wie möglich zu gestalten sind. Ziel muss unter anderem sein, maximal viele Leitung in einem Tragsystem zu kombinieren und so möglichst wenige Trägermasten neu aufzustellen. Dabei sollten Trassenführung und Trassenbreite so wenig wie möglich von der Bestandssituation abweichen.
Umspannwerk:
Wie oben aufgeführt sind Flächen auf Kieler Stadtgebiet rar. Die zu erwartenden beträchtlichen Flächenanforderungen eines neuen Umspannwerkes können auf Kieler Stadtgebiet aus unserer Sicht nicht umweltverträglich abgebildet werden. Große zusammenhängende Flächen finden sich im Kieler Stadtgebiet nur noch in sehr großer Nähe von Siedlungslagen sowie in, aus natur- und landschaftsschutzrechtlicher Sicht nicht geeigneten Flächen z.B. Landschaftsschutzgebieten. Eine weitere Landschaftsbildschädigung durch ein Umspannwerk ist zu vermeiden, da bereits durch die Verstärkung der Stromtrasse eine Landschaftsbildbelastung für die regional bedeutsame Baulandentwicklung im Kieler Süden vorliegt.
Somit bitten wir dringend darum, Flächen außerhalb Kiels entlang der Trasse zu untersuchen, um dort einen Standort für das Umspannwerk zu finden. Hierfür sind auch länger zusätzliche Leitungsverbindungen in Kauf zu nehmen.
Konsultation:
Die Landeshauptstadt Kiel fordert die TenneT auf, in Gesprächen mit der Landeshauptstadt Kiel offen die technisch und rechtlich möglichen Lösungen zu diskutieren und gemeinsam abzuwägen. Technische und rechtliche Zwangspunkte, Handlungsräume sowie Entscheidungsparameter wie zum Beispiel ein notwendiger Abstand zu bestehender und geplanter Wohnbebauung sind transparent darzulegen.
Mit freundlichen Grüßen
Florian Gosmann
Stadtplanungsamt Kiel
- Ausblick
Die Verwaltung wir zunächst die unter 2. formulierte Stellungnahme mit Wahrung der Frist bis zum 20.11.2023 einreichen. Die Verwaltung geht davon aus, dass nach einer erfolgreichen Aufnahme des NEP-Projektes in das Bundesbedarfsplangesetz für die Leitungstrassen zunächst ein Raumordnungsverfahren durch das schleswig-holsteinische Amt für Planfeststellung Energie Schleswig-Holstein durchgeführt werden wird, an dem die Landeshauptstadt Kiel formell beteiligt werden wird. Die Konkretisierung und anschließende Genehmigung ist das Gegenstand eines oder mehrerer Genehmigungsverfahren entweder als Genehmigungsverfahren nach dem BImSchG oder Planfeststellungsverfahren. An diesen würde die LHK erneut förmlich beteiligt werden und entsprechende Stellungnahmen der Ratsversammlung zum Beschluss vorlegen. Das Ministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur des Landes Schleswig-Holstein (MEKUN SH) berät die Kommunen im Rahmen dieser Vorhaben. Dazu wird die Verwaltung der LHK Kontakt mit dem MEKUND aufnehmen.
Eine Kopie erhalten die Ortsbeiräte Meimersdorf/Moorsee, Wellsee/Kronsburg/Rönne und Elmschenhagen/Kroog z.K.
Doris Grondke
Stadträtin für Stadtentwicklung, Bauen und Umwelt