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ALLRIS - Drucksache

Geschäftliche Mitteilung - 0670/2020

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Beratungsfolge

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Antrag

 

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Sachverhalt/Begründung

 

I. Anlass

 

Im vergangenen Jahr hat die Landeshauptstadt Kiel den Prozess zur Einführung eines neuen, zukunftssicheren ÖPNV-Systems eingeleitet. Auf Basis einer Grundlagenstudie wurde die Teilfortschreibung des Verkehrsentwicklungsplans durch die Ratsversammlung beschlossen und die Ausschreibung der Trassenstudie mit begleitenden Untersuchungen eingeleitet. Die europaweite Ausschreibung erfolgt im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb (Drs. 1225/2019). In verschiedenen Informations- und Beteiligungsveranstaltungen vor Ort sowie zwei Online-Umfragen konnten sich die Kieler*innen bereits in einem ersten Schritt in den Prozess einbringen. Die Ergebnisse hierzu liegen in einer umfangreichen Dokumentation vor (Anlage 2). Die Beteiligung der Öffentlichkeit wird begleitend zum weiteren Entscheidungs- und Planungsprozess fortgeführt und ausgeweitet.

 

 

II. Stand zur europaweiten Ausschreibung der Trassenstudie

 

Im Rahmen der europaweiten Ausschreibung haben sich alle im Teilnahmewettbewerb durchgesetzten Planungsbüros und -konsortien am Verhandlungsverfahren beteiligt. Die Verhandlungen sind abgeschlossen, so dass der Auswahlprozess nun eingeleitet wurde. Nach heutigem Stand wird die Bearbeitung der Trassenstudie wie vorgesehen voraussichtlich in diesem Herbst beginnen und Ende nächsten Jahres erste Zwischenergebnisse zeigen. Verzögerungsrisiken sind bei einer Vergabe allerdings nicht ausgeschlossen.

 

Mit der Trassenstudie werden die Grundlagen geschaffen, um ausreichend fachliche Entscheidungsgrundlagen für die Festlegungen zur Einführung eines zukunftssicheren ÖPNV-Systems zu erhalten. Beispielsweise sind die System- und Technologieoffenheit sowie die Erweiterbarkeit des Systems Ausschreibungsgegenstand. Die Planungsparameter, wie die Antriebstechnologe, teiloberleitungsfreie Strecken u.ä. werden im Rahmen der Trassenstudie unter Beteiligung der Steuerungsgruppe und Öffentlichkeit festgelegt. Leistungsbestandteil des Auftrags wird es ebenfalls sein, alle fachlichen und sachlichen Entscheidungsgrundlagen zur Festlegung des Netzes und des ÖPNV-Systems zu erarbeiten. Ausgerichtet ist die Trassenstudie darauf, dass spätestens Ende des Jahres 2022 alle relevanten Entscheidungsgrundlagen vorliegen und die Ratsversammlung über die Systemfestlegung (Tram oder BRT) abschließend beraten kann. Sollten bereits vor Ende 2022 ausreichend Ergebnisse vorliegen, könnte es schon vorzeitig zu einer Systemfestlegung kommen, sofern in der Steuerungsgruppe Einvernehmen besteht, eine politische Beratung vorzuziehen. Bis Ende 2022 sollen ebenfalls verschiedene Streckenvarianten mit umfangreicher Öffentlichkeitsbeteiligung untersucht werden. Neben der Netzplanung umfasst die Trassenstudie beispielsweise auch die Erarbeitung von Betriebs- und Finanzierungskonzepten. Aussagen zu Erweiterungsmöglichkeiten des Systems in den Kieler Norden und Kieler Süden sowie zur regionalen Erweiterung sind ebenfalls Bestandteil des Auftrags.

 

Die fachlichen Planungsgrundlagen, die im Rahmen der Trassenstudie bis Ende 2022 erarbeitet werden, enthalten bereits Grundlagen der Vorplanung. Die hier gewonnenen Erkenntnisse werden für die gewählte Systemvariante weiter ausgearbeitet, so dass die Vorplanung für das gehlte System bis Ende 2024 abgeschlossen werden kann (Anlage 1). Diese ausgeschriebene Zeitschiene wurde von den im Bieterverfahren beteiligten Planungsbüros oder -konsortien bestätigt.

 

Nachdem die Ratsversammlung den Beschluss zur Vergabeentscheidung gefasst hat, soll das ausgewählte Planungsbüro oder -konsortium schnellstmöglich die Arbeit aufnehmen. Eine entsprechende Beschlussvorlage wird für die Sitzung im September vorbereitet.

 

 

 

III. Förderung der Trassenstudie und Vorplanung durch das Land Schleswig-Holstein

 

Die Kosten der Trassenstudie umfassen bis zum Abschluss der Vorplanung etwa 6,7 Millionen Euro. Das Land Schleswig-Holstein beteiligt sich zu 50 Prozent an diesen Kosten. Die Förderung ist ein wichtiges Signal, um im weiteren Prozessverlauf eine Bundesförderung beantragen zu können. Eine Förderung vom Land ist keine zwingende Voraussetzung, um eine Bundesförderung zur Finanzierung der Baukosten beantragen zu können. Das Projekt muss aber mindestens so weit vom Land unterstützt werden, dass der Förderantrag beim Bund angemeldet und vom Land fachlich befürwortet wird. Durch die Novellierung des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG) im Februar 2020 hat sich der Anteil der Förderung durch den Bund für Infrastrukturkosten von 60 auf 75 Prozent erhöht. Der Eigenanteil der Landeshauptstadt Kiel läge damit bei maximal 25 Prozent der förderfähigen Kosten. Mit einer Landesförderquote von 15 Prozent, wie sie in anderen Bundesländern üblich ist, könnte sich der Anteil auf 10 Prozent reduzieren lassen. Diese Fragen sollen parallel zur Bearbeitung der Trassenstudie geklärt werden.

Nach heutigen Stand hängt eine mögliche Bundesförderung von der Systementscheidung sowie dem Ergebnis einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung (Nutzen-Kosten-Faktor) ab. Diese Untersuchung wird ebenfalls mit der Trassenstudie zusammen ausgeschrieben und ist Bestandteil der bewilligten Förderung vom Land Schleswig-Holstein.

 

 

IV. Überblick über Vorgehen und Ergebnisse der ersten Öffentlichkeitsbeteiligung

 

Die ersten Informations- und Beteiligungsveranstaltungen im vergangenen Jahr haben gezeigt, wie groß das Interesse in der Kieler Bevölkerung und bei Stakeholdern für die Mobilitätswende in der Landeshauptstadt ist.

Als erste zentrale Veranstaltungsreihe hat die Verwaltung vier Stadtteilforen organisiert. Im November fanden diese im Kieler Norden in der Gemeinschaftsschule Friedrichsort, im Haus des Sports im Süden, im Kieler Osten im RBZ Technik und im RBZ Wirtschaft im Westen statt. Hier konnten die Bürger*innen an jeweils drei Beteiligungsstationen ihre Ideen, Hinweise und Bedenken rund um das Thema Mobilität in Kiel einbringen. Außerdem konnten rger*innen sich an weiteren Stationen über die Grundlagenstudie, die Teilfortschreibung des Verkehrsentwicklungsplans (VEP) und das Projekt insgesamt informieren.

 

Knapp 350 Kieler*innen kamen und brachten insgesamt rund 1.100 Anregungen ein. Als Ergebnisse lassen sich festhalten, dass viele Besucher*innen neben einer deutlichen Verbesserung des ÖPNV-Angebots hoffen, dass sich durch das neue Verkehrssystem auch die Lebensqualität erhöht. Eine Senkung der Lärm- und Schadstoffbelastung, die Umgestaltung des Straßenraums und eine bessere Anbindung bisher entlegener Stadtteile trügen dazu bei.
r einen zukünftigen Trassenverlauf verwiesen viele Bürger*innen auf die ehemaligen Straßenbahnlinien 1 und 4, an deren Fahrstrecken sich das neue ÖPNV-System orientieren soll.

Die Bürger*innen konnten bei allen vier Veranstaltungen auch Anregungen zum bestehenden Mobilitätskonzept geben. Hier stand der Fahrradverkehr im Mittelpunkt. Die Veloroute 10 wurde immer wieder als positives Beispiel hervorgehoben, nach deren Vorbild auch andere Fahrradstrecken gebaut werden sollten. Gleichzeitig wurde die Qualität der Fahrradwege sowie die vielen Strecken mit Kopfsteinpflaster insbesondere auf dem Ostufer kritisiert.

 

Auch in den Online-Umfragen zum Mobilitätsverhalten, die die Verwaltung im September auf der Digitalen Woche und im November auf ihrer Homepage durchgeführt hat, wurde deutlich, dass das Fahrrad r viele Kieler*innen das wichtigste Verkehrsmittel ist. 34 Prozent der Befragten fahren täglich mit dem Fahrrad, 25 Prozent benutzen es mehrmals in der Woche. Insgesamt wurde die Umfrage auf kiel.de/mobil mehr als 2.200-mal ausgefüllt.

 

Die Ergebnisse aus allen Informations- und Beteiligungsveranstaltungen werden nun in den laufenden Prozess zur Einführung eines zukunftsfähigen ÖPNV-Systems einfließen. Kleinere konkrete Hinweise aus den Stadtteilforen, z.B. zu Schäden an Rad- und Fußwegen oder Haltestellen, werden direkt an die zuständigen Ämter gehen, damit diese sich zeitnah damit befassen können.

 

Auch Anregungen, die den Busverkehr betreffen, werden schon jetzt aufgegriffen, um kurz- und mittelfristig Verbesserungen in diesem Bereich durchzusetzen. Denn Ziel des eingeleiteten Prozesses ist es, den Öffentlichen Personennahverkehr in Kiel insgesamt zu stärken.

 

Der Beteiligungs- und Informationsprozess wird kontinuierlich fortgesetzt und den gesamten Prozess zur Einführung eines hochwertigen ÖPNV-System begleiten. Nach Beginn der Arbeit an der Trassenstudie wird es fortlaufend Stadtteilforen geben, bei denen es im ersten Schritt vor allem um die konkrete Streckenführung des neuen ÖPNV-Systems gehen wird.

 

Die Dokumentation (Anlage 2) zu den Informations- und Beteiligungsveranstaltungen ist auf der Homepage www.kiel.de/mobilr alle Kieler*innen einsehbar.

 

Die Ausschreibung zur Begleitung der Öffentlichkeitsarbeit in den kommenden Jahren wird von der Verwaltung derzeit vorbereitet.

 

Die Ergebnisse der bisherigen Beteiligungen werden dem zu beauftragenden Planungsbüro oder -konsortium zur Verfügung gestellt. Die zukünftigen Beteiligungen der Bürger*innen werden mit Unterstützung des Ingenieurbüros durchgeführt.

 

 

 

V. Weiteres Vorgehen

 

Das weitere Vorgehen wird fortlaufend über die Steuerungsgruppe mit Vertreter*innen der Ratsversammlung abgestimmt. Zudem werden mit dem Beginn der Trassenstudie fortlaufend gesonderte Abstimmungstermine mit verschiedenen Stakeholdern (Vereinen, Verbänden, dem Einzelhandel, Unternehmen oder Forschungseinrichtungen) stattfinden. Der Arbeitskreis Verkehrsmarketing wird dazu weiterhin als Beirat im gesamten Planungsprozess beteiligt und zu den Meilensteinen gesondert einberufen.

 

In der Verwaltung tagt im wöchentlichen Turnus ein Projektteam, das sich amts- und dezernatsübergreifend zusammensetzt. Das Projektteam wird regelmäßig über die künftige Stabsstelle Mobilität einberufen. Ständige Mitglieder sind das Tiefbauamt sowie der Eigenbetrieb Beteiligungen. Themenspezifisch werden weitere relevanten Ämter, wie beispielsweise das Stadtplanungsamt oder das Umweltschutzamt, regelmäßig einbezogen.

 

 

V-a. Einrichtung einer Stabsstelle

 

Mit dem Beginn der Trassenstudie wird sich die Einbindung der Ämter sowie weiterer Institutionen noch umfangreicher gestalten. Bisher wird die Projektleitung und -bearbeitung aus dem Büro des Oberbürgermeisters koordiniert. Mit dem Beginn der Trassenstudie wird die Projektleitung und -bearbeitung in die Stabstelle Mobilität überführt und die Planung aus dieser heraus koordiniert.

 

V-b. Organisationsuntersuchung

 

Der Aufbau höherwertiger ÖPNV-Systeme erfordert zum späteren Zeitpunkt die Einrichtung einer gesonderten Organisationseinheit für die weiteren Realisierungsphasen in Kiel (Detailplanung, Bau und Betrieb). Über eine gesonderte Organisationsstrukturuntersuchung wird diese Projekteinheit für den Umsetzungsprozess in Kiel identifiziert. Die Vergabe für diese Untersuchung wird aktuell vorbereitet.

 

V-c. Austausch mit anderen Städten

 

Die Verwaltung bereitet eine Exkursion in Städte mit vergleichbaren Systemen vor. Mitglieder der Ratsversammlung und der Ausschüsse sollen so die Möglichkeit bekommen, sich vor einer Entscheidung über die beiden für Kiel untersuchten Systeme vor Ort zu informieren. Details einer solchen Exkursion wird die Verwaltung mit der Steuerungsgruppe abstimmen und anschließend die Selbstverwaltung mittels einer Vorlage einbinden.

 

 

Dr. Ulf Kämpfer

Oberbürgermeister

 

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Anlagen

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