Infosystem Kommunalpolitik

 
 
ALLRIS - Drucksache

Geschäftliche Mitteilung - 0202/2023

Reduzieren

Beratungsfolge

Reduzieren

Antrag

 

Reduzieren

Sachverhalt/Begründung

Die Zuwanderungsbehörden (Ausländerbehörden) in Deutschland stehen aufgrund der Migrationsbewegungen vor erheblichen Herausforderungen. Nach dem überdurchschnittlichen Zuzug von Geflüchteten in 2015 und 2016 standen in den vergangenen Jahren der Erwerb von unbefristeten Aufenthaltstiteln und Einbürgerung im Vordergrund. In 2022 hrte der Krieg in der Ukraine zu einer hohen Anzahl auch in Deutschland Schutz suchender Menschen. Auch in Zukunft werden Fluchtbewegungen nach Europa und Deutschland andauern. Darauf ssen die Ausländerbehörden bundesweit und die Zuwanderungsabteilung in der Landeshauptstadt Kiel vorbereitet werden.

 

Die Landeshauptstadt Kiel hat sich dafür in den verschiedenen Gremien des Deutschen Städtetages im zweiten Halbjahr 2022 auf allen Ebenen eingebracht. Nach vorbereitenden Befassungen in Arbeitsausschüssen (AG "Überlastung der Ausländer- und Einbürgerungsbehörden am 15. November 2022), im Rechts- und Verfassungsausschuss (8. Dezember 2022), auf der Geschäftsführerkonferenz der Mitgliedsverbände (12. Dezember 2022), hat das Präsidium am 25./26. Januar 2023 beraten und einen dringenden Handlungsbedarf festgestellt (siehe Anlage 1). Dieser wurde mit Schreiben vom 7. Februar 2023 dem zuständigen Staatssekretär im Bundesministerium des Innern und für Heimat übermittelt (siehe Anlage 2). Insbesondere hat der Deutsche Städtetag gesetzlichen Änderungsbedarf bei einer Vielzahl von Vorschriften zur Entlastung der Ausländerbehörden identifiziert. Zuletzt wurde auf dem vom zuständigen Bundesministerium initiierten Flüchtlingsgipfel am 16. Februar 2023 festgehalten, dass die Ausländerbehörden entlastet und die dortigen Prozesse verschlankt werden müssen.

 

 

  1. Umzug in größere Liegenschaft und Stellenbesetzung von 2014 bis 2021

 

In Folge des starken Zuzugs von Geflüchteten seit 2015 sind die Gesamtfallzahlen in der Zuwanderungsabteilung, wie auch die Anzahl der Stellen erheblich gestiegen (siehe Gesamtübersicht Anlage 3). Die seit 2016 r die Zuwanderungsabteilung der Landeshauptstadt Kiel genutzte Liegenschaft im Sophienblatt war dem gestiegenen Fallaufkommen nicht mehr gewachsen. Die räumlichen Gegebenheiten (enge Flure, keine Notausgänge und Wartebereiche) entsprachen nicht mehr den Voraussetzungen für einen intensiven Publikumsverkehr. Eine erste temporäre Entlastung konnte bereits ab Mitte 2019 mit einem Teilumzug (Sachbereich Familienzusammenführung, Rückkehr) in einen Pavillon am Europaplatz erreicht werden. Mitte 2021 zog dann die gesamte Zuwanderungsabteilung in das Neue Rathaus. Dort sind sowohl die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeitenden als auch die Aufenthaltsqualität für die Kund*innen bedeutend besser. Restarbeiten (Gestaltung der Warteräume) stehen noch aus.

 

Nach dem Umzug in die neuen Räumlichkeiten wurde auch die Einrichtung einer ersten Anlaufstelle für Menschen mit dringenden Anliegen entsprechend der Beschlüsse der Selbstverwaltung umgesetzt (Einrichtung eines Welcome-Desk / Info-Points, vgl. Drs. 1175/2019 und 1215/2019).

 

Ein weiterer Schwerpunkt lang nach dem erheblichen Zuwachs an Stellen auf der Verbesserung der Stellenbesetzung. Im März 2019 waren lediglich 70 Prozent der vorhandenen Stellen besetzt. Deshalb wurden eine Vielzahl von Stellen zum 1. April 2019 (Stärkung der Sachbearbeitung durch Höhergruppierung von EG 8 TVöD auf EG 9a TVöD) sowie zum 1. April 2020 im Rahmen der Umsetzung von Personal Stärken I (vgl. Drs. 0567/2019) höher bewertet. Damit konnten mehr Bewerber*innen für die offenen Stellen gewonnen werden und die Stellenbesetzung stabilisiert werden. Darüber hinaus wurde ein weiterer moderater Stellenzuwachs (+5 Stellen) mit dem Haushalts- und Stellenplan 2020 beschlossen.  

 

Vor dem Hintergrund stark steigender Einbürgerungsanfragen war es von Nachteil, dass die sog. „Einbürgerungskampagne des Landes Schleswig-Holstein Ende 2021 auslief. Diese vom Land finanzierten Stellen fielen damit in 2022 ersatzlos weg (-2 Stellen) und mussten durch die Schaffung zusätzlicher eigenfinanzierter Stellen durch die Landeshauptstadt kompensiert werden.

 

Zu berücksichtigen ist zudem, dass die Auswirkungen der Corona-Pandemie (Frühjahr 2020 bis Frühjahr 2022) auch in der Abteilung Zuwanderung zu erheblichen betrieblichen Einschränkungen (Krankheitsausfälle von Mitarbeitenden, veränderte Arbeitsabläufe) und signifikanten Mengenverschiebungen führten.

 

 

  1. Umstrukturierung des Bürger- und Ordnungsamtes und weiterer Stellenaufbau

 

Im Zuge der erfolgten Neuausrichtung des Bürger- und Ordnungsamtes (vgl. Drs. 0642/2021) wurde die Zuwanderungsabteilung mit vier Sachbereichen zum 1. Februar 2022 dem neuen Stadtamt zugeordnet. Ziel dieser Maßnahme ist es, den Bürgerservice und die Erreichbarkeit zu verbessern sowie die Digitalisierung voranzutreiben.

 

Allerdings hrte der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine dazu, dass von März bis Mai 2022 mehr als 2.500 Menschen aus der Ukraine nach Kiel flohen und neben Registratur und Anmeldung kurzfristig den Betrieb eines „Welcome-Centers“ (ab 11. März 2022) erforderlich machte. Die Zuwanderungsbehörde war in einem außerordentlichen Maß damit beschäftigt, das „Welcome-Center“ zu steuern und zu bedienen.

 

Mit dem Stadtamt-Programm 2022 (vgl. Drs. 0474/2022) wurden in Vorgriff auf den Stellenplan 2023 bereits im Juni 2022 unter anderem auch sechs weitere Stellen für die Abteilung Zuwanderung neu geschaffen sowie ein bestehender Sperrvermerk zu drei weiteren Stellen aufgehoben. Zudem wurde zwei weitere Stellen (Identitätsprüfung) aus der Zentralabteilung des Bürger- und Ordnungsamtes in die Abteilung Zuwanderung verlagert. Die Ausschreibung und Besetzung erfolgte prioritär, um den enormen Belastungen in den Sachbereichen Einbürgerungen sowie Aufenthaltsangelegenheiten schnellstmöglich entgegenzuwirken. Es gelang so, zum Ende des Jahres 2022 eine Stellenbesetzungsquote von 103 Prozent zu erreichen, die sich nftig auf einen Zielwert von rund 95 Prozent einpendeln wird.

 

Im Rahmen der regelmäßigen Berichterstattung im Innen- und Umweltausschuss über die Umsetzung des Stadtamt-Programms 2022 wurde auf die starke Beanspruchung der Abteilung Zuwanderung im September 2022 sowie im Dezember 2022 hingewiesen. Als zunächst prioritäre Maßnahmen wurden identifiziert (1) die verbindliche Aussicht auf Erfüllung der Anliegen und eine grundsätzlich zu erfüllende, verlässliche Erreichbarkeit, (2) Übernahme des in anderen Abteilungen des Stadtamtes etablierten Schutz- und Sicherheitskonzepts, (3) Coaching-Programm zur Stärkung und Weiterentwicklung der Führungskräfte. Außerdem wurde im November 2022 die Überprüfung und Verbesserung der Geräteausstattung der Zuwanderungsabteilung in Angriff genommen.

 

Im Rahmen des Stadtamt-Programms 2023 war (und ist) ferner geplant, die Ergebnisse einer externen Organisationsbetrachtung einzubeziehen, die 2022 im Rahmen des Projekts „Die zukunftsfähige Zuwanderungsverwaltung in Schleswig-Holstein: leitbildorientiert, agil und interkulturell“ von der IMAP GmbH durchgeführt wurde.

 

 

  1. Maßnahmenpakete und Umsetzungspläne in 2023

 

Die Feststellungen und Beanstandungen im Bericht des Rechnungsprüfungsamtes über die Aktenprüfung in der Zuwanderungsabteilung (Aufenthaltsangelegenheiten) (vgl. Drs. 0080/2023) machen es erforderlich, wirksame Maßnahmen zu ergreifen. Bei der Umsetzung der Maßnahmen wird sich die Landeshauptstadt Kiel eng mit der Fachaufsicht im Ministerium für Soziales, Jugend, Familie, Senioren, Integration und Gleichstellung abstimmen.

 

 

3.1 Strukturelle Maßnahmen kurzfristig umsetzbar

 

  • Optimierung der Abläufe: Wo es möglich und effektiv ist, soll der Einsatz technischer und digitaler Hilfsmittel mitgedacht werden. Der Schwerpunkt liegt auf der Optimierung der Transparenz und der Dokumentation von Vorgängen. Insbesondere auch Revisionssicherheit von Posteingängen und bei der E-Mail-Verteilung.
  • Anpassung der Aufbauorganisation: Die Leitungsspanne soll angepasst werden, um eine bessere Anleitung und Fachaufsicht durch die Führungskräfte zu ermöglichen. Ebenfalls steht die Organisationsstruktur (Verhältnis mittlerer Dienst zu gehobener Dienst) auf dem Prüfstand.
  • Rechtssichere Entscheidungen und Aktenführung: Es wird die Zuordnung der Entscheidungen zu den Sachbearbeitungen überprüft. Zudem ist eine beschleunigte und vollständige Umsetzung der sich bereits in der Einführung befindlichen E-Akte geplant. Bis die digitale Akte als führendes System die Papierakte ersetzt, wird kurzfristig die Aktensystematik sowie -verfügbarkeit verbessert.
  • Neue Dienstanweisung: Verbindliche Regelungen zur Anwendung der Namensparaphe, Prüfungsschemata, Einführung einer Wiedervorlage sowie Dokumentation von Entscheidungen einschließlich Gebührenerhebung.
  • Fachlicher Schwerpunkt: Aufenthaltsrechtliche Verfahren bei bundeslandübergreifender Zuständigkeit sowie die Zuständigkeiten für Ausländer*innen mit wesentlichen Strafverfahren werden überprüft und ggf. neu zugeordnet.

 

3.2 Weitere in 2023 umzusetzende Maßnahmen aus dem Stadtamt-Programm

 

Aus dem Stadtamt-Programm 2023 (Vorlage im April 2023) werden in Bezug auf die Abteilung Zuwanderung folgende Maßnahmen vorgezogen und schnellstmöglich umgesetzt:

 

Erreichbarkeit

Ausweitung Öffnungszeiten: Durchgängige Erreichbarkeit des Welcome-Desk / Info-Points (vgl. Drs. 1175/2019 und 1215/2019)

Januar

 

Runder Tisch „Dialog mit der Zuwanderungsabteilung“: Austausch und Gespräch mit Beteiligten, Einrichtungen und Verbänden

März

 

Verlässliche Erreichbarkeit: z.B. Telefon-Sprechstunde, schnelle E-Mail-Antwort

März

 

Verbindliche Aussicht auf Erfüllung der Anliegen

Juni

Prozesse

Einbürgerungsfeier: Ausrichtung einer Einbürgerungsfeier (vgl. Drs. 1063/2020)

25. Februar

 

Weitere Stärkung der Einbürgerung: schnellere Bearbeitung von Einbürgerungsanträgen durch Prozess-Optimierung (auch in Hinblick auf wahrscheinliche Gesetzesänderungen im Bund)

Juni

 

Fachkräfte-Zuwanderung: Einrichtung einer Beratungs- und Förderstelle für die notwendige Fachkräftezuwanderung

März

Digitale Angebote

Etablierung OZG-Angebote: Ausrollung weiterer digitaler Dienste, insbesondere von EfA-Leistungen im Zuwanderungsbereich

Juni

Resilienz

Schutz- und Servicekonzept: Einführung auch im Neuen Rathaus, einschließlich Abschluss einer Dienstvereinbarung.

März

 

Technik-Check: Überprüfung der technischen Ausstattung und Geräte

März

 

Führungskräfte-Coaching: Stärkung der individuellen Kompetenzen

Juni

 

 

 

3.3 Einrichtung einer „Task-Force“

 

Zur unverzüglichen Umsetzung der vorstehend dargestellten Maßnahmen wurde bereits im Januar 2023 eine Task-Force angelehnt an eine besondere Aufbauorganisation (BAO) installiert. Diese hat den Auftrag aktuelle Probleme in der alltäglichen Bearbeitung der Vorgänge zu benennen sowie schnelle Lösungswege aufzuzeigen und umzusetzen. Über die Arbeit der „Task-Force“ wird in den kommenden Sitzungen des Innen- und Umweltausschusses fortlaufend berichtet.

 

3.4 Anpassung der Führungsstruktur im Stadtamt

 

Es ist zudem erforderlich, die Führungsstruktur im Stadtamt anhand der neuen Anforderungen anzupassen und auf allen Führungsebenen zu stärken.

  • Vorbehaltlich der notwendigen Beschlussfassungen im Hauptausschuss und der Mitbestimmungsgremien soll das Stadtamt eine eigene Amtsleitung erhalten. Damit wird die in 2022 umgesetzte Aufteilung des bisherigen Bürger- und Ordnungsamtes in Stadtamt und Ordnungsamt auch auf Führungsebene vollzogen. Bisher wurde die Amtsleitung vorrübergehend vom bisherigen Leiter des Bürger- und Ordnungsamtes zusammen mit dem Ordnungsamt wahrgenommen. Diese zunächst für einen späteren Zeitpunkt vorgesehene Anpassung wird jetzt vorgezogen. Die Stelle der Amtsleitung des Stadtamtes soll kurzfristig ausgeschrieben und neu besetzt werden. In der Zwischenzeit soll die Amtsleitung interimsweise vom früheren Leiter des Personal- und Organisationsamtes Chris Reinert wahrgenommen werden, dabei soll der Schwerpunkt auf der Vorbereitung und Umsetzung der beschriebenen Maßnahmen in der Zuwanderungsabteilung gelegt werden.
  • Die Leitung der Abteilung Zuwanderung wird zunächst bis zum 30. Juni 2023 doppelt besetzt. Die Lösung hat sich zuletzt in einer anderen Abteilung des Stadtamtes bewährt und hier zur nachhaltigen Stabilisierung der Situation wie der individuellen Belastung der Führungskraft beigetragen.
  • Aus dem aktuellen Auswahlverfahren für die Besetzung einer Sachbereichsleitung in der Abteilung Zuwanderung erhalten weitere geeignete Bewerber*innen eine Zusage für die Übernahme einer Leitungsfunktion, um die festgestellte zu hohe Leitungsspanne schnell zu verringern.

 

3.5 Umsetzung des Beschlusses zur einer externen Organisationsuntersuchung

 

Weiter wird wie in der Innen- und Umweltausschusssitzung vom 7. Februar 2023 angekündigt und entsprechend der Beschlüsse der Selbstverwaltung (vgl. Drs. 0153/2023 und 0177/2023) eine externe Organisationsuntersuchung durchgeführt werden. Zur nächsten Sitzung des Innen- und Umweltausschusses am 7.rz 2023 wird ein Konzept für die Ausschreibung einer externen Organisationsuntersuchung vorgelegt. Hierbei sollen insbesondere Untersuchungen des Aufbaus der Organisationsstrukturen, die in- und externen Arbeitsabläufe, die hard- als auch softwaremäßige Optimierung der Aktenbearbeitung/Aktenverwaltung sowie die Kommunikation mit anderen Behörden im Mittelpunkt stehen.

 

 

 

 

Christian Zierau

Stadtrat

Loading...