Innovationspreis 2023Prof.Dr. Anton Eisenhauer und RNDr. Stefan Kloth – osteolabs GmbH
Den Innovationspreis 2023 erhielten Prof. Dr. Anton Eisenhauer und RNDr. Stefan Kloth und ihre medizintechnische Firma osteolabs GmbH.
Die Preisträger im Interview
Osteoporose ist eine weit verbreitete Krankheit, mit der sich Professor Dr. Anton Eisenhauer, RNDr. Stefan Kloth und ihre Firma osteolabs GmbH beschäftigen. Sie vertreiben einen innovativen nicht-invasiven Früherkennungstest, der ausschließlich Blut und Urin zur Untersuchung benötigt.
Die Grundlage der Tests stammt aus der Korallenforschung des GEOMAR. Die Idee, instrumentell-analytische Technologien der Meeresforschung für die Medizin einzusetzen, ist revolutionär. Dank dieser in Kiel entwickelten Methode kann Osteoporose Jahre früher erkannt und behandelt werden als mit den zuvor gängigen Standardverfahren.
Was hat Sie nach Kiel geführt?
Eigentlich bin ich in Bayern, genauer Franken, (Röttingen (Ufr.)), geboren und in einer Nordwürttembergischen Kleinstadt, im schönen Weikersheim, aufgewachsen. Im Gymnasium Weikersheim und durch den Unterricht engagierter Lehrer habe ich meine Leidenschaft für Physik und Mathematik entdeckt.
Nach dem Ende meines dreijährigen Militärdienstes in 1982 beschloss ich dann auch in Heidelberg Physik und Mathematik zu studieren. Das Studium habe ich mit dem Staatsexamen 1986 abgeschlossen und anschließend noch in Physik 1989 promoviert.
Am Institut für Umweltphysik und der Heidelberger Akademie der Wissenschaften tat ich meine ersten Schritte in der Forschung und kam schon in diesen Jahren mit dem damals frisch gegründeten GEOMAR in Kiel in Kontakt. Im Jahr 1990 habe ich aber zunächst eine „Senior Researcher“ Stelle am renommierten „California Institute of Technology, CALTECH“ in Pasadena, California, USA, angenommen, wo mir beste Forschungsmöglichkeiten geboten wurden.
Diese „Post-Doc“ Zeit im Umfeld von Los Angeles, dem Pazifik, die Gespräche mit meinem Chef Jerry Wasserburg am „Earth and Planetary Science Department“, sowie Begegnungen mit späteren Nobelpreisträgern wie Sheerwood Rowland und Paul Crutzen sind mir dabei noch in guter Erinnerung und haben meine wissenschaftliche Karriere maßgeblich beeinflusst.
Obwohl ich das Angebot hatte am CALTECH zu bleiben bin ich aus familiären Gründen wieder nach Deutschland zurückgekehrt. An der Universität Göttingen habe ich 1995 eine wissenschaftliche Assistentenstelle angenommen, um dort am Institut für Geochemie physikalische Isotopenmethoden zur Rekonstruktion von vergangenen Umwelt- und Klimadaten aus marinen Sedimenten, auch in Zusammenarbeit mit dem GEOMAR, zu entwickeln und zu habilitieren.
Eine große Belohnung und Ehre war das ich für diese Arbeiten 1997 den Goldschmidt Preis verliehen bekommen habe und im Jahr darauf 1998 auch den Ruf an die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und das GEOMAR auf die Professur für Marine Geochemie erhielt. Seit dem forsche ich am GEOMAR in Zusammenarbeit mit seinen herausragenden Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen, sowie besten technisch/analytischen Möglichkeiten, bei einem gegebenen hohen Maß an wissenschaftlicher Freiheit.
Was genau machen Sie?
Am GEOMAR leite ich eine Arbeitsgruppe die vergangene Klima- und Umweltdaten mittels moderner instrumenteller Methoden mit Hilfe innovativer Massenspektroskopie rekonstruiert. Dies ist notwendig will man die klimatische Entwicklung des Planeten im Allgemeinen und die der Ozeane im Speziellen verstehen, d.h. man wissen möchte, wie z.B. die Temperatur oder auch der Säuregrad des Meeres in der Vergangenheit, also vor 1.000, 10.000 oder auch 100.000 Jahren war und dies auch noch mit hoher Präzision.
Analog zu einer klassischen Bibliothek, wo alle Informationen in Büchern gespeichert sind, sind die Klima- und Umweltinformationen der Vergangenheit in marinen Geo-Archiven wie Sedimenten, Gesteinen und auch Korallen gespeichert. Durch Messung dieser Verhältnisse und unter Anwendung bestimmter mathematischer Algorithmen können wir diese chemische Information in eine Information über die Temperatur und den Säuregrad des Meerwassers der Vergangenheit umwandeln, die dann den Klimatologen und Geologen für weitere Interpretationen zur Verfügung stehen.
Durch die Anwendung der Spurenmetall- und Isotopenmethoden haben wir in den letzten Jahren u.a. Erfolge bei der Rekonstruktion und der Ursachen von Meeresspiegelschwankungen seit der letzten Eiszeit erzielt, die in ihrer Konsequenz insbesondere auch für Schleswig-Holstein von Bedeutung sind. Ein besonderes Interesse galt in den letzten Jahren auch methodischen Arbeiten zunehmend Korallen als Temperatur Archive zu verwenden, um durch unsere Spurenelement- und Isotopenmethoden, insbesondere aus Calcium Isotopenverhältnissen, Aussagen über den Einfluss der Meerestemperatur auf die Fähigkeit der Korallen zu kalzifizieren zu bekommen. Eine wichtige Arbeit, will man verstehen wie die Entwicklung von Riffen auf die steigenden Meerestemperaturen reagieren werden.
Sehr schnell habe ich verstanden, dass die Anwendung der marinen Spurenmetall- und Isotopenmethoden auch einen dualen Charakter hat und Anwendungen in der marinen Geochemie, aber auch in der medizinischen Diagnostik erlaubt. Mit Hilfe meiner Arbeitsgruppe und insbesondere mit Medizinern aus dem UKSH konnte eine Methode und ein Test entwickelt und patentiert werden, der heute sehr erfolgreich Calciumdefizite im menschlichen Körper erkennt und zur Früherkennung von Osteoporose eingesetzt werden kann, Jahre bevor die traditionellen Methoden dies können.
Dies hat zur Ausgründung der Firma osteolabs GmbH auf dem Seefischmarkt in Wellingdorf geführt, die von dort aus den auf Calciumisotopen-Messungen basierten Test kommerziell vertreibt. Durch die enge Zusammenarbeit mit Medizinerinnen und Medizinern habe ich auch erkannt das generell analytisch/instrumentellen Methoden der Meereschemie auch in der medizinischen Diagnostik Anwendung finden können und das Potential haben sensitiver zu sein als die klassischen medizinischen Diagnoseverfahren.
Diese Erkenntnis hat in Zusammenarbeit mit dem UKSH, der CAU und der Firma Stryker Trauma GmbH zu unserem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziertem BlueHealthTech Projekt geführt, welches nun systematisch in einem disziplinübergreifenden Ansatz mariner instrumentell/analytische Methoden in einem Technologietransferprozess in die Medizin überführt.
Worin liegt die Bedeutung Ihrer Forschung für die Gesellschaft?
Die Arbeiten meiner Arbeitsgruppe und mir betrachte ich als für die Gesellschaft von großer Bedeutung, da wir mit unseren Arbeiten einerseits zu einem besseren Verständnis über die Entwicklung von Klimageschehen und Umwelt beitragen und was zu immer besseren Modellen für die klimatische Entwicklung unseres Planeten beiträgt.
Zum anderen haben wir im Rahme unserer Grundlagenforschung an Korallen innovative technische Entwicklungen angestoßen, die in einem „dualen“ Ansatz für andere Wissenschaftsgebiete, insbesondere in der Medizin, interessant sind und zu einem praktischen Nutzen für die Gesellschaft, zu mehr Gesundheit und zur Kostenreduktion im Gesundheitswesen einen zukünftigen Beitrag leisten werden.
Welche Bedeutung hat der Kieler Innovationspreis für Sie?
Über die Verleihung des Preises freue ich mich sehr und es ist eine große Anerkennung für die in den letzten Jahren am GEOMAR durchgeführte Forschung. Ich möchte aber betonen, dass jede moderne Forschung immer auch eine Teamleistung ist und das viele andere engagierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu diesem Erfolg beigetragen haben.
Der Kieler Wissenschaftspreis wird sicher dazu beitragen, dass unser Ansatz einer dualen Verwendung mariner Methoden und instrumenteller Analytik in der Medizin eine größere Aufmerksamkeit erfahren wird. Insbesondere hoffe ich, dass erkannt wird, das eine Kooperation von Medizin und Meeresforschung ein Kieler Alleinstellungsmerkmal ist und ein Leuchtturmprojekt für die aktuelle Forschung entlang der Förde sein kann.
Die enge Kombination von Medizin mit dem UKSH und den Meereswissenschaften in der CAU und dem GEOMAR ist eine einmalige Konstellation die so nur in Kiel und entlang der Förde umgesetzt werden kann. Durch das BlueHealthTech Projekt hat diese Zusammenarbeit erste Früchte getragen und der Preis wird dem BlueHealthTech Projekt noch mehr Aufmerksamkeit bringen, was ich mit meiner Hoffnung verbinde noch mehr Forschungseinrichtungen und auch Firmen aus der Region gewinnen zu können die Lust im Projekt mitzuarbeiten.
Was wünschen Sie sich für Kiels Zukunft?
Ich wünsche mir für die Stadt Kiel, dass sie ihren maritimen Charakter als Tor zur Ostsee, nach Skandinavien und in das Baltikum noch stärker wahrnimmt als sie das jetzt schon tut und als Chance für eine nachhaltige Entwicklung begreift.
Darüber hinaus wünsche ich mir, dass die Kielerinnen und Kieler das Alleinstellungsmerkmal der disziplinübergreifenden Zusammenarbeit hervorragender medizinischer und meereswissenschaftlicher Forschung erkennen und daraus sich Kiel zu einer „Start-up“ City für neue Produkte, Verfahren und Services für die maritime Wirtschaft und für die Medizin der Zukunft entwickelt.
Was hat Sie nach Kiel geführt?
Ich war bis auf Studien- und Promotions-Auslandssemester und meiner ersten Berufstätigkeit in Hamburg schon immer echter Schleswig-Holsteiner, insofern hat mich nichts hierhergeführt, sondern es hat mich hier gehalten.
Was genau machen Sie?
Ich gründe Technologie- und E-Commerce-Unternehmen, gerne zusammen mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen und kommerzialisiere und vermarkte die Technologie dahinter. Insofern bin ich das, was man einen Serien-Unternehmer nennen könnte. osteolabs ist meine vierte Gründung als Mitgründer. Meine erste Gründung war die Firma „Lenscare“, die heute immer noch im Wissenschaftspark am Westring sitzt und Kontaktlinsen via E-Commerce vertreibt. Bei Gründung war ich damals 24 Jahre alt. Also ein echter „Jung“-Unternehmer.
Heute beschäftigen wir uns bei osteolabs mit der Früherkennung von Osteoporose. Diese Krankheit ist eine unterschätzte Volkskrankheit und nicht im Bewusstsein vieler Menschen verankert. Viele an Osteoporose erkrankte Menschen erfahren leider nicht genügend Unterstützung, es ist hier tatsächlich von einer Unterversorgung zu sprechen. Dies möchten wir ändern. Dafür benötigen wir Kommunikationsmaßnahmen, um das in die Köpfe der Menschen und Entscheidungsträger zu bekommen. Durch meine Doppelrolle als Kaufmann und Physiker sehe ich mich in der Lage – wie bei allen meinen Gründungen – technische Sachverhalte zu verstehen und auch erklärbar aufzubereiten.
Worin liegt die Bedeutung Ihrer Forschung für die Gesellschaft?
Die Bedeutung unserer Tätigkeit liegt in der Früherkennung von Osteoporose und damit in möglicher früherer Linderung von Krankheitsverläufen. D.h. wir haben einen gesellschaftlichen Nutzen, indem wir dazu beitragen, dass zukünftig weniger Menschen an Osteoporose leiden und damit auch weniger osteoporotisch bedingte Knochenbrüche auftreten. Zum gesellschaftlichen Nutzen kommt so noch ein monetärer Nutzen für die Krankenversicherungen.
Welche Bedeutung hat der Kieler Innovationspreis für Sie?
Als Herr Tovar mich am Abend nach der Ratsversammlung anrief, war ich sehr überrascht! Damit hätte ich nicht gerechnet. Natürlich freue ich mich über diesen Preis sehr und bin stolz, dass ich als Preisträger die Stadt Kiel in aller Welt vertreten kann, z.B. zukünftig in San Francisco.
Und natürlich ist es für meine weiteren, geplanten Firmengründungen sehr hilfreich, solch einen Preis erhalten zu haben, hilft es doch aufgrund des Reputationsgewinns u.a. auch bei Investoren, Venture Capital zu erhalten. Selbstverständlich sind diese Firmengründungen in Kiel geplant!
Was wünschen Sie sich für Kiels Zukunft?
Ein noch innovationsfreundlicheres Umfeld, bessere Vernetzung der Start-Up-begleitenden Akteure und Institutionen, eine extrem erfolgreiche Gründung als Role Model - in der Startup- Szene auch Unicorn genannt - als Vorbild für potentielle Gründer und Gründerinnen, vertiefte Zusammenarbeit mit Hamburger Akteuren und last but not least, dass Kiel eine lebenswerte, wirtschaftlich attraktive Stadt bleibt und sich im Sinne einer „Smart City“ weiterentwickelt.
Ehrung hervorragender wissenschaftlicher und innovativer Leistungen
Die Landeshauptstadt zeichnet mit den Preisen Einzelpersonen, Gruppen oder Institutionen aus, deren Wirken in besonderer Beziehung zu Kiel oder zu Schleswig-Holstein steht und die sich hervorragende Verdienste, auch über das Land hinaus, erworben haben.
Der Kieler Wissenschaftspreis wurde erstmals im Jahr 2001 an den Pathologen und Anatomen Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Karl Lennert verliehen. Seitdem wird der Preis im jährlichen Wechsel mit dem traditionellen Kieler Kulturpreis vergeben, der bereits seit 1952 existiert.
Seit 2017 wird der Wissenschaftspreis ergänzt durch den Innovationspreis für herausragende Erfindungen und wissenschaftlich basierte Startup-Geschäftsmodelle.
Die Preisträger*innen werden vom Kultur- und Wissenschaftssenat der Landeshauptstadt Kiel vorgeschlagen. Entschieden wird die Preisvergabe durch die Kieler Ratsversammlung.