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ALLRIS - Drucksache

Antrag der Ratsfraktion Die FRAKTION - 0786/2018

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Beratungsfolge

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Antrag

Antrag:
1.) Der Oberbürgermeister und die Verwaltung werden gebeten folgende Punkte zu prüfen, welche Kosten für die Stadt im Falle eines Baus, eines Kaufs oder einer Charterung eines hochseetauglichen Hospital-Schulschiffs entstehen (Anschaffung, Instandhaltung, Personalkosten und weiteres). Auch sind gliche Fördermittel von EU, Bund und Land zu berücksichtigen, die des Landes besonders unter dem Gesichtspunkt der Möglichkeit einer Einbindung in den schleswig-Holsteinischen Katastrophenschutz. Auch sind Kooperationen mit zivilen Organisationen wie Ärzte ohne Grenzen, DGzRS, Sea-Watch und vergleichbaren Organisationen, Berufsschulen, Rettungsdiensten, sowie IHK und Handwerkskammer einzubeziehen. Ferner wird um Durchführung einer Potenzialanalyse zur Feststellung der Auslastung durch Fort- und Auszubildende gebeten.

 

2.) Der Oberbürgermeister und die Verwaltung werden gebeten, den rechtlichen Rahmen für eine zur praxisorientierten Ausbildung notwendige Entsendung eines Hospital-Schulschiffs in internationale Gewässer zu überprüfen.

 

Es wird darum gebeten, die Ergebnisse der Selbstverwaltung innerhalb des ersten Quartals 2019 vorzulegen.


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Sachverhalt/Begründung

Begründung:

zu 1.) Die Aufgaben der kommunalen Selbstverwaltung in Kiel umfassen die Bereitstellung von berufsbildenden Schulen und Weiterbildungsangeboten. Mit der bundesweiten Ersteinrichtung einer dreijährigen Ausbildung zur Notfallsanitäter*in nach dem Notfallsanitergesetz vom 22. Mai 2013 (Bundesgesetzblatt I, S. 1348) nimmt die Kommune in diesem Bereich eine Vorreiterposition ein, die allerdings mit Blick auf ihre besondere maritime Anbindung und ihre Stärkung als Bildungsstandort noch auszubauen ist. Darauf zielt der vorliegende Antrag. Den Auszubildenden, deren praktische Ausbildung derzeit auf die Kliniken im Stadtgebiet und die Rettungswachen der Berufsfeuerwehr Kiel beschränkt ist, werden durch die Ausbildung auf einem Schulschiff für ihren Einsatz auf See qualifiziert. Dazu können weitere Ausbildungs- und Studienberufe von einem solchen Angebot profitieren, so erfordert etwa die Zulassung zur Tätigkeit als Schiffsärzt*in nach Inkrafttreten der Maritimen Medizinischen Verordnung am 21. August 2014 den Nachweis über mindestens vierchige praktische Erfahrungen auf einem Seeschiff und über umfassende Kenntnisse der gesundheitlichen Anforderungen im Schiffsdienst. Auch müssen Kapitän*innen sowie mit der medizinischen Betreuung an Bord beauftragte Schiffsoffiziere ihre medizinischen Grundkenntnisse alle fünf Jahre in einem mehrwöchigen Auffrischungslehrgang erneuern, der sich auf die Seenotrettung konzentriert. Derartige Lehrgänge finden momentan zwar zu Lande statt, aber sicherlich wäre ein Lehrgang zu Wasser aufgrund höheren Praxisbezugs für viele Teilnehmende attraktiv. Von der Berufsgenossenschaft Verkehr (Seeärztlicher Dienst) hierfür zugelassene Lehrgänge (nach § 109 Abs. 1 Seearbeitsgesetz) gibt es in Lübeck, Hamburg, Bremerhaven, auf Föhr, aber nicht in Kiel - eine Lücke, die mit einem Lehrschiff auf die bestmögliche Weise zu schließen ist. Weitere potentiell profitierende Ausbildungsberufe können mit einschließen: Rettungsschwimmer*innen, Rettungstaucher*innen, Krankenpfleger*innen, Schiffsmechaniker*innen, Schiffsbetriebsmeister*innen, Bootsleute, Nautiker*innen, Techniker*innen. Auch der Katastrophenschutz in Schleswig-Holstein könnte profitieren, da „ein gut ausgebildeter Katastrophenschutzdienst“[1] eines seiner wichtigsten Instrumente darstellt. Unterstützen und davon profitieren könnten beispielsweise die Berufsschulen, Rettungsverbände, die Industrie- und Handelskammer sowie die Handwerkskammer, aber auch Organisationen mit praktischer Seenotrettungserfahrung wie Ärzte ohne Grenzen, der DGzRS oder aber auch SOS Mediterranee und vergleichbare Organisationen.


zu 2.) Praktische Ausbildung heißt in die Praxis zu gehen. Da nationale Gewässer bereits hinlänglich von der DGzRS abgedeckt werden, bieten sich internationale Gewässer als Einsatzgebiet an. Weil die Ostsee wiederum nicht über die für Ausbildungszwecke erforderliche Kontinuität in Seenot geratener Schiffe verfügt, wäre auf das diesbezüglich meistversprechende Einsatzziel auszuweichen. Gegenwärtig handelt es sich dabei zweifelsfrei um das Mittelmeer. Statistiken der Internationalen Organisation für Migration zufolge ertranken dort im laufenden Jahr bisher über 1500 Menschen, davon über 1100 in internationalen Gewässern vor der Küste Libyens[2], weit mehr als in der Ostsee. Die Gründe sind bekannt: Ein Diplomatenbericht des Auswärtigen Amts aus dem Jahr 2017 spricht in Bezug auf libysche Flüchtlingslager von “KZ-ähnlichen Verhältnissen”[3], ein Bericht des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte im April 2018 von “blankem Horror”[4]. Auszubildende hätten enormen Praxisbezug. Sollte sich die dortige Situation jedoch entgegen derzeitiger Trends verbessern, sind wir dennoch zuversichtlich, dass sich der Investitionsaufwand für das Hospitalschiff aufgrund eines hohen Angebots an humanitären Katastrophen rentieren wird.
Die gravierende Lage im Mittelmeer wurde bereits von der Kieler Ratsversammlung erkannt und mit der Annahme des Antrags “Kiel ist sicherer Hafen” (Drs. 0728/2018) ein erster Schritt getan. Im Sinne des Grundsatzes, auf Worte Taten folgen zu lassen, sind nun weitere zu gehen.
Als willkommenen Nebeneffekt ist hierbei außerdem hervorzuheben, dass die Kommune mit der Entsendung des Schiffes vor den Augen der Weltöffentlichkeit in die dankbare Lage käme, die Bundesregierung und übrigen EU-Mitgliedstaaten bei der Erfüllung ihrer Pflichten zur Seenotrettung zu unterstützen. Die völkerrechtliche Grundlage dieser Pflichten wurde unngst durch ein Gutachten vom wissenschaftlichen Dienst des Bundestags mit Blick auf die Situation vor Libyen minutiös dargelegt (Aktenzeichen WD 2 - 3000 - 068/17)[5] und dabei klargestellt, dass alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union, “welche allesamt Vertragsstaaten des Internationalen Abkommens zum Schutz menschlichen Lebens auf See (SOLAS) sind, hieraus völkerrechtlich verpflichtet sind, bei Rettungsoperationen koordinierend zusammenzuarbeiten” (ebd. S. 19). Aufgrund höchst fragwürdiger behördlicher Vorgänge in einigen dieser Mitgliedstaaten sind die ständig laufenden Rettungsoperationen privater Seenotretter im Mittelmeer zur Zeit allerdings derart beeinträchtigt, dass sich mittlerweile eine dringende Notwendigkeit zum Ausgleich durch die europäische Öffentlichkeit ergibt, um SOLAS weiterhin bzw. überhaupt nachkommen zu können. Genau an dieser Stelle sollte die Solidarity City Kiel ein Zeichen setzen und anderen Häfen ein Leuchtturm sein.

Da für das Hospital-Schulschiff dringender Bedarf besteht und es so schnell wie möglich als Ausbildungsstätte verfügbar sein soll, ist eine zeitnahe Prüfung der Antragsanliegen unabdingbar.

 

 

 

 

gez. Ratsherr Schröterf.d.R.

Ratsfraktion Die FRAKTION

 

gez. Ratsherr Rudauf.d.R.

Ratsfraktion DIE LINKE

 


[1] https://www.schleswig-holstein.de/DE/Fachinhalte/K/katastrophenschutz/organisation.html

[2] http://missingmigrants.iom.int/region/mediterranean

[3] https://fragdenstaat.de/anfrage/korrespondenz-zu-libyschen-lagern-zwischen-deutscher-botschaft-niger-und-ministerien/81116/anhang/aa-libyen-teilgeschw.pdf

[4] https://www.ohchr.org/Documents/Countries/LY/AbuseBehindBarsArbitraryUnlawful_EN.pdf

[5] https://www.bundestag.de/blob/516166/90470cc9ff31524a40522ac738f79fbd/wd-2-068-17-pdf-data.pdf

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